Entscheidungsdatum
11.06.2018Index
90/01 StraßenverkehrsrechtNorm
StVO 1960 §5 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde des Herrn AA, Y, vertreten durch BB & CC Rechtsanwälte Partnerschaft, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 05.04.2018, Zahl *****, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit einem Mandatsbescheid vom 15.03.2018 wurde dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Z die Lenkberechtigung für alle Klassen wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab 06.03.2018, entzogen. Gelichzeitig wurde eine Nachschulung angeordnet und ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer das Recht aberkannt werde, auf die Dauer des Entzuges von einer allfällig erteilten ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer am 06.03.2018 in X ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,63 mg/l) gelenkt habe und deshalb nicht mehr verkehrszuverlässig sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung keine Folge gegeben. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass keine Veranlassung für „eine Rückrechnung“ bestünde und daher der Alkomatmesswert zugrunde zu legen sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. In der Begründung machte der Beschwerdeführer unter Verweis auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten vom 28.03.2018 geltend, dass der Alkoholisierungsgrad im Hinblick auf das im Zeitraum von 23.00 Uhr bis 23.20 Uhr konsumierte große Bier und die dadurch noch nicht abgeschlossene Alkoholresorption zum im gegenständlichen Zusammenhang maßgeblichen Lenk-/Anhaltezeitpunkt 0,91 Promille betragen habe und sich daher die „Sanktionen“ nach einem Wert unter 1,2 Promille richten müssten. Mit Schreiben vom 18.04.2018 wurde der führerscheinrechtliche Akt samt Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer lenkte am 06.03.2018 um 23:22 Uhr ein Kraftfahrzeug in X. Auf der Adresse 3 vor dem Haus Nr.** wurde von Polizisten eine unsichere Fahrweise festgestellt. Es wurde die Verfolgung aufgenommen. Der Beschwerdeführer wurde auf der Adresse 3 im Freiland bei Straßenkilometer *** angehalten. Es erfolgte eine Verkehrskontrolle. Ein Alkovortest ergab einen Wert von 0,58 mg/l. Nach einer Aufforderung zum Alkotest wurde dieser um 23:43 Uhr durchgeführt. Die erste Messung um 23:43 Uhr ergab einen Messwert von 0,63 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft. Die zweite Messung um 23:47 Uhr ergab ebenfalls einen Messwert von 0,63 mg/l. Der Beschwerdeführer stand in der Zeit von der Aufforderung (um 23:27 Uhr) bis zu den Messungen unter Beobachtung der Polizisten und unternahm dabei keinerlei Handlungen, die das Ergebnis hätten verfälschen bzw beeinträchtigen können.
III. Beweiswürdigung:
Das Lenken eines Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer ist unbestritten. Der zugrunde gelegte Grad der Alkoholisierung ergibt sich aufgrund der Durchführung des Tests mit dem geeichten Alkomaten. Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte für eine Funktionsuntauglichkeit des verwendeten Alkomaten zum Tatzeitpunkt vor. Es ergab sich auch kein Hinweis, dass die Verwendungsrichtlinien nicht eingehalten worden wären. Dass die 15-minütige Wartezeit eingehalten wurde, ergibt sich aufgrund des in der Anzeige näher dargestellten chronologischen Ablaufes und wird in der Beschwerde auch nicht bestritten.
In dem vom Beschwerdeführer vorgelegten gerichtsmedizinischen Gutachten ist unter
Punkt 2 („Vorfall“) neben der Anführung des Anhaltezeitpunktes und der Alkoholmessungen um 23.43 und 23.47 Uhr (mit einem Messwert von jeweils 0,63 mg /l) festgehalten, dass der Beschwerdeführer ein Körpergewicht 100 kg aufweise und dass er (laut Mitteilung des Auftraggebers des Gutachtens) ab 23.00 Uhr noch ein großes Bier getrunken habe. Zu den Berechnungen der Blutalkoholkonzentration zum Anhaltezeitpunkt wird im Gutachten zusammenfassend Folgendes ausgeführt:
„4.1 Die Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration des AA auf den Anhaltezeitpunkt 06.03.2018, 23:25 Uhr ergibt bei Anwendung der wissenschaftlich fundierten Konversionsfaktoren zwischen Atem- und Blutalkoholkonzentration (Konfidenzintervall 95 %) und Berücksichtigung des zwischen Anhaltung- und der Alkoholmessung abgebauten und ausgeschiedenen Alkoholgehalts eine Mindestblutalkoholkonzentration von 1,06 ‰.
4.2 Bei Berücksichtigung der gegebenen Trinkverantwortung war zum Zeitpunkt der Anhaltung vom letzten konsumierten Getränk eine Alkoholmenge noch nicht resorbiert, die bei einem 100 Kilogramm schweren Mann zu einer Blutalkoholkonzentration von etwa 0,15 Promille führen würde.
4.3 Bei Abzug des noch nicht resorbierten Alkoholanteils von 0,15 ‰ ergibt sich eine Mindestblutalkoholkonzentration für den Anhaltezeitpunkt des AA von 0,91 Promille.“
Was den vom Beschwerdeführer behaupteten und im gerichtsmedizinischen Gutachten zugrunde gelegten Schlusstrunk (1 großes Bier zwischen 23.00 Uhr und 23.20 Uhr) betrifft, ist darauf zu verweisen, dass entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl 23.03.2012, Zl 2011/02/0234; 31.05.2012, Zl 2012/02/0071) die nachträgliche Feststellung des Atemluftgehaltes (bzw Blutalkoholgehaltes) auch dann zur Anwendung der Bestimmung des § 5 Abs 1 StVO zu führen hat, wenn sich der Lenker im Lenkzeitpunkt (noch) in der Anflutungsphase befunden hat. Diese Beurteilung bezieht sich nicht bloß auf den Sturztrunk von „großen“ Alkoholmengen sondern etwa auch auf ein (kurz) vor Fahrtantritt genossenes Glas Bier (vgl VwGH 18.05.1994, 1994/03/0090; 30.03.2007, 2007/02/0068).
Im Ergebnis bedeutet dies, dass trotz des vorgelegten gerichtsmedizinischen Gutachtens der erzielte Alkomatmesswert von 0,63 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft für den Lenkzeitpunkt heranzuziehen ist. Es bedurfte diesbezüglich auch nicht der Aufnahme weiterer Beweise.
Das Vortestgerät dient lediglich der Verdachtsprüfung und kommt daher dem damit erzielten Wert in Bezug auf die endgültige Beurteilung eines Alkoholisierungsgrades keine entscheidende Bedeutung zu.
IV. Rechtsgrundlagen:
(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
…
§ 99 Abs 1a StVO
…
Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1200 Euro bis 4400 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des FSG lauten wie folgt:
„§ 7
(1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
….
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
…
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.
§ 24 Abs 3
Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:
..
3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.
…
§ 26
(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges
…
3. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen,
…
V. Rechtliche Erwägungen:
Das parallel geführte Verwaltungsstrafverfahren ist noch nicht abgeschlossen, weshalb die Frage der Begehung einer Übertretung nach § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1a StVO im gegenständlichen Verfahren als Vorfrage zu klären ist. Auf der Grundlage der oben näher dargelegten Beweiswürdigung und der zur Schlusstrunkproblematik ergangenen Judikatur (vgl VwGH 20.01.2004, 2004/02/0011, und 20.03.2009, 2008/02/0040; siehe dazu auch Stöbich/Triendl, Alkohol- und Geschwindigkeitsdelikte im Straßenverkehr, 104ff) ist im gegenständlichen Fall in Bezug auf den Lenkzeitpunkt der beim Alkomattest ausgewiesene Alkoholisierungsgrad von 0,63 mg/l zugrunde zu legen. Der Beschwerdeführer hat somit gegen § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1a StVO verstoßen. Damit hat er einen Verkehrsunzuverlässigkeitstatbestand iSd § 7 Abs 3 Z 1 FSG begangen. Gemäß § 26 Abs 2 Z 4 FSG beträgt diesfalls die Entziehungsdauer mindestens vier Monate. Die Anordnung einer Nachschulung ist gemäß § 24 Abs 3 zweiter Satz Z 3 FSG in diesem Fall zwingend.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Stöbich
(Richter)
Schlagworte
Lenken von KFZ in alkoholisiertem Zustand; Trinkverantwortung; Gutachten; Schlusstrunk; Anflutungsphase; AbweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.20.0919.1Zuletzt aktualisiert am
20.06.2018