Entscheidungsdatum
18.05.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I413 2184570-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzenden und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Paso ZENGIN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, österreichische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, XXXX vom 20.12.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.05.2018 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Antrag vom 21.11.2017, bei der belangten Behörde eingelangt m 24.11.2017, beantragte die Beschwerdeführerin die Ausstellung eines Behindertenpasses. Am selben Tag beantragte die Beschwerdeführerin auch die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis).
2. Im Auftrag der belangten Behörde erstattete die Amtssachverständige XXXX ein Gutachten aufgrund der Aktenlage aus dem Fachgebiet der Medizin-Orthopädie nach der Einschätzungsverordnung mit folgendem Ergebnis:
"Ergebnis der durchgeführten Begutachtung
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen und sinnesbe-dingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als 6 Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Wirbelsäule, Wirbelsäule-Funktionseinschränkungen schwe-ren Grades Z. n. Revisionsspondylodese LWK 1 bis SWK 1 am 14.10.2014 und Dekompression des Neuroforamens LWK 1/SWK 1 bds. am 20.10.2015 bei Vertebrostenose; dysästhetisch bzw. pa-rästhetische Schmerzen im Bereich des Unterschenkels auf der rechten Seite, Vorfußheberschwäche 4/5, aktuelle Geh-strecke über 1000/1500 Metern mit einer Gehhilfe
02.03.03
60
2
Hüftgelenke - Untere Extremitäten, Hüftgelenke - Funktions-einschränkung geringen Grades einseitig Hüft-TEP rechts, gering eingeschränkte Beweglichkeit und Be-lastbarkeit
02.05.07
20
3
Hypertonie, mäßiger Hypertonie Bluthochdruck mit Kombinationstherapie
05.01.02
20
Gesamtgrad der Behinderung 70 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der GdB durch Leiden 1 erhöht sich durch Leiden 2 um 1 Stufe auf insgesamt 70 %, da eine negative wechselseitige Beeinflussung vorliegt. Leiden 3 erhöht den GdB nicht, da keine negative wechselseitige Beeinflussung vorliegt.
Bei der Behinderung handelt es sich um einen Dauerzustand.
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine: Eine kurze Gehstrecke kann bewältigt werden, das Ein-/Aussteigen in/aus ÖFFIS ist möglich und der Transport in ÖFFIS ist nicht mit Gefahren für die Antragstellerin verbunden. Laut Arztbrief der Neurochirurgie vom 05.10.2017 beträgt die aktuelle Gehstrecke über 1000/1500 Metern mit einer Gehhilfe."
3. Am 19.12.2017 stellte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 % aus.
4. Mit bekämpftem Bescheid vom 20.12.2017 wies die belangte Behörde den am 24.11.2017 eingelangten Antrag auf Vornahme nachstehender Zusatzeintragung in den Behindertenpass "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen, weshalb der Antrag abzuweisen sei.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die - fristgerechte - Beschwerde vom 22.01.2018, in welcher die Beschwerdeführerin ausführt, dass der rechte Fuß und das rechte Bein bis zum Knie massiv geschädigt seien. Bei der Wirbelsäulen-OP habe sich ein Knochensplitter gelöst, der erst nach fünf Tagen bei einer weiteren Operation entdeckt und entfernt wurde. Der Nerv sei durch den Knochensplitter so geschädigt, dass sie den Fuß kaum mehr spüre. Sie habe keine Kraft mehr im Bein und müsse deshalb Gehhilfen benützen. Ohne fremde Hilfe könne sie aus öffentlichen Verkehrsmitteln nicht aussteigen. Einsteigen gehe noch, aber Aussteigen schaffe sie nicht mehr allein. Erschwerend komme noch dazu, dass sie Polymyalgia rheumatica habe, was sich auf die beiden Handgelenke und Oberarme auswirke. Sie spritze wöchentlich einmal Ro-Actemra 162 mg Injektionslösung, damit die Schmerzen erträglich seien. Das Gehen mit Gehhilfe sei nicht einfach. Speziell bei schlechter Witterung, wenn es regne oder schneie, habe sie Probleme. Sie ersuchte den Fall nochmals zu bearbeiten.
6. Mit Schriftsatz vom 30.01.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. In diesem Schriftsatz teilte die belangte Behörde auch mit, dass der Beschwerdeführerin am 19.12.2017 ein Behindertenpass mit 70 % ausgestellt worden sei.
7. Mit Schreiben vom 31.01.2018 teilte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin mit, dass die Beschwerde mangelhaft sei, da die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze, nicht ersichtlich seien. Ebenso sei auszuführen, welches Begehren die Beschwerdeführerin stelle.
8. Mit Schreiben vom 11.02.2018 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass ihre Beschwerde lediglich die Versagung der beantragten Zusatzeintragung im Behindertenpass betreffe und in diesem Schreiben auch begründet sei, warum es ihr nicht möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Sie ersuche um Aufhebung des Bescheides und neuerliche Entscheidung.
9. Mit Schreiben vom 16.02.2018 zog das Bundesverwaltungsgericht die Sachverständige aus dem Bereich Medizin-Orthopädie, XXXX, dem Verfahren bei und ersuchte um Abgabe eines ergänzenden Gutachtens aus diesem Fachbereich zu nachstehendem Beweisthema:
-
Können die von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde aufgezeigten gesundheitlichen Probleme objektiviert werden? Wenn Ja, sind diese bereits im Gutachten vom 15.12.2017 berücksichtigt? Sollten sie nicht im Gutachten vom 15.12.2017 Berücksichtigung gefunden haben, ändert sich aus fachlicher Sicht der Grad der Behinderung und, bejahendenfalls, wie hat es sich nach der Einschätzungsverordnung festzusetzen?
-
Kann die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der in der Beschwerde geschilderten (und von Ihnen festgestellten) Funktionseinschränkungen eine kurze Wegstrecke zurücklegen, ein öffentliches Verkehrsmittel gefahrlos be- und entsteigen und in einem solchen gefahrlos transportiert werden?
9. Mit schriftlichem Gutachten vom 22.02.2018 erstattete die Sachverständige ein Gutachten, in dem sie ausführte, dass die Beschwerden betreffend den Fuß und die Wirbelsäulen-OP unter laufender Nummer Wirbelsäuleneinschränkung - Funktionseinschränkung schweren Grades, Positionsnummer 02.01.03 mit 60 % bereits berücksichtigt seien. Die geschilderten motorischen Ausfälle betreffend die Vorfußheberschwäche werden ebenfalls in der Positionsnummer 02.01.03 erfasst und korrekt eingeschätzt.
Betreffend die Polymyalgia rheumatica liege der letzte schriftliche Befund vom 21.03.2016 vor. Eine rheumatische Erkrankung mit notwendiger Dauertherapie werde in der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.02.03 generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades mit 50 % bewertet. Unter Berücksichtigung der Ro-Actemra-Einnahme kann diese Funktionseinschränkung zusätzlich zuerkannt werden. In diesem Punkt werde die Implantation einer Hüftprothese mit gering eingeschränkter Beweglichkeit miterfasst.
Sohin würden folgende Funktionseinschränkung laut EVO vorliegen:
1) Wirbelsäuleneinschränkung - Funktionseinschränkungen schweren Grades, Pos. Nr. 02.01.03, GdB 60 %;
2) Generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades, Pos. Nr. 02.02.03, 50 % (in diesem Punkt wird die Implantation einer Hüftprothese mit gering eingeschränkter Beweglichkeit miterfasst);
3) Mäßige Hypertonie 20 %;
Gesamtgrad der Behinderung 70 %.
Durch eine negative wechselseitige Leidensbeeinflussung von Leiden 1 und Leiden 2 ergebe sich eine Erhöhung um eine Stufe auf insgesamt Grad der Behinderung 70 %. Leiden 3 beeinflusse das führende Leiden nicht negativ wechselseitig.
Die zweite Frage betreffend die Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beantwortete die Sachverständige dahingehend, dass laut Arztbrief der Neurochirurgie vom 05.10.2017 die aktuelle Gehstrecke 1000 bis 1500 Meter mit einer Gehhilfe betrage. Wenn diese Strecke mit einer Gehhilfe zurückgelegt werden könne, könne daher auch angenommen werden, dass die Überwindung von zwei bis drei Stufen möglich sei. Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sei jedenfalls gegeben.
10. Mit Schreiben vom 05.03.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht das aufgenommene Gutachten den Parteien zur Kenntnis- und Stellungnahme. Es langten keine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein.
11. Am 04.05.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch. In dieser Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesverwaltungsgericht befragt. Die belangte Behörde hatte sich mit Schriftsatz vom 18.04.2018 für die mündliche Verhandlung entschuldigt und an dieser nicht teilgenommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und lebt in XXXX.
Die Beschwerdeführerin weist folgende Funktionseinschränkungen auf:
Funktionseinschränkungen schweren Grades an der Wirbelsäule, generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades, mäßige Hypertonie.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 70 vH.
Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, den Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung und aufgrund des zum Nachweis der Identität in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Identitätsnachweises.
Die Feststellungen bezüglich des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin stützen sich auf das Gutachten der Amtssachverständigen XXXX vom 15.12.2017 und auf das ergänzende Gutachten dieser Amtssachverständigen vom 22.02.2018. Gleichfalls stützen sich diese Feststellungen auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten ergänzenden Befunde der Univ.-Klinik für Radiologie XXXX und des Befundes der rheumatologischen Sprechstunde vom 13.09.2017 des BKH XXXX sowie den Operationsberichten vom 20.10.2015 und vom 14.10.2015, jeweils der Univ.-Klinik für Neurochirurgie XXXX, sowie auf die diesbezüglich glaubhafte Aussage der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung.
Das Bundesverwaltungsgericht kann nichts finden, was die Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit des Gutachtens sowie des ergänzenden Gutachtens der Amtssachverständigen XXXX infrage stellen würde. Es ist aufgrund der Aussage der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung am 04.05.2018 von der Richtigkeit dieser gutachterlichen Ausführungen überzeugt, sodass es diese Gutachten seinen diesbezüglichen Feststellungen bedenkenlos zugrunde legen kann.
Die Feststellung des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin stützt sich auf die diesbezüglich nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen im Gutachten der Sachverständigen XXXX vom 15.12.2017 und ihres ergänzenden Gutachtens vom 22.02.2018. Diese Einschätzung wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht angezweifelt.
Die Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel basiert auf der glaubhaften Aussage der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2017, dem Gutachten der Sachverständigen XXXX vom 15.12.2017 sowie ihres ergänzenden Gutachtens vom 22.02.2018. Die Beschwerdeführerin gibt anlässlich der mündlichen Verhandlung an, dass die angegebene Wegstrecke von 1000 bis 1500 Metern ein frommer Wunsch sei, es werde nämlich nicht beachtet, dass die Funktion sehr tagesabhängig sei. Sie könne öffentliche Verkehrsmittel auch nicht benützen, da kein Fahrer warte, bis sie mit ihren Krücken sich gesetzt habe. Sie könne auch keinen Rucksack tragen, sondern lediglich eine Umhängetasche. Es sei ihr überhaupt nicht klar, wie sie so die öffentlichen Verkehrsmittel sicher benützen solle. Für sie sei das keine Alternative. Sie sei durch ihr Leiden sehr eingeschränkt und Parkplätze seien meist nicht in der Nähe, auch bei Arztbesuchen und Therapien. Über weitere Befragung, welches ihre Erfahrung sei, wie lange sie gehen könne, antwortete sie, dass sie ca. einen halben Kilometer ohne stehen zu bleiben gehen könne. Ohne Gehhilfe könne sie nicht außer Haus gehen. Ihr rechter Fuß erschlaffe, er fühlt sich so an, als ob er nicht ein Teil von ihr sei, wie eine Prothese. Ob sie wirklich einknicken würde, wenn sie keine Gehhilfe benütze, könne sie nicht sagen, sie spüre den Fuß sehr wohl, er fühle sich aber klumpig an. Niveauunterschiede könne sie grundsätzlich überwinden. Ein oder zwei Treppen könne sie mit ihren Krücken bewältigen, frei gehen könne sie aber nicht, sie brauche einen Handlauf oder Krücken. Das Einsteigen in einen Bus sei kein Problem, jedoch das Aussteigen. Wenn das Niveau zu hoch sei, brauche sie eine Hilfe, da sie beim Absteigen aus dem Bus Schwierigkeiten habe, auf den Boden zu kommen. Sie müsse sich da regelrecht verrenken. In den Armen habe sie allerdings aufgrund des wöchentlichen Kraft- und Ausdauertrainings ausreichend Kraft, an einer Haltestange länger festzuhalten. Wenn sie länger in einem öffentlichen Verkehrsmittel stehen müsse, könne sie die Unsicherheit des einen Fußes mit dem zweiten ausgleichen. Aus dieser Aussage und aufgrund des persönlichen Eindrucks, den das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht die zwingende Schlussfolgerung, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund ihrer Funktionseinschränkungen möglich und zumutbar ist.
Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, dass den Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen XXXX widersprechen würde. Insbesondere ist nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin nicht eine zumindest kurze Wegstrecke zurücklegen könnte. Dies ist auch der Eindruck des erkennenden Senates von der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, in der sich dieser ein Bild von der (eingeschränkten) Beweglichkeit der Beschwerdeführerin machen konnte. Ebenso ist hervorgekommen, dass die Überwindung von zwei bis drei Stufen möglich ist. Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist ebenfalls gegeben. Das Gutachten der Sachverständigen XXXX vom 22.02.2018 ist in Würdigung aller Umstände schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Der erkennende Senat ist aufgrund des aufgenommenen Befundes und der klaren Begründung von der Richtigkeit der gutachterlichen Schlussfolgerungen überzeugt. Daher war festzustellen, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 19/2017 (BBG) hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung durch den Senat zu entscheiden. Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder als fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen LaienrichterInnen (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechtes) aufzuweisen.
Gegenständlich lag somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.2. Im gegenständlichen Fall hatte die Beschwerdeführerin unter anderem einen Antrag auf Aufstellung eines Behindertenpasses gestellt, der mit einem Grad der Behinderung von 70 von 100 ausgestellt worden ist. Die Beschwerde richtete sich gegen die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
§ 1 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl II Nr 263/2016, regelt unter anderem die Zusatzeintragungen in den Behindertenpass. Danach ist auf Antrag eines Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen: Die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat beendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs 4 Z 1 lit b oder g vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg 16.340A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigungen nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurück zu legenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei Notwendigwerden der Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt, etc (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf die anderen Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnortes eines Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Aus den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Problemen am Bewegungsapparat und an der Wirbelsäule ergibt sich keine Einschränkung in Bezug auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Sie kann ohne Pause eine Strecke von zumindest 1000 bis 1500 Metern mit einer Gehhilfe zurücklegen. Dass ihr ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich wäre bzw dass sie Probleme beim Ein- und Aussteigen haben würde, wurde von ihr nicht behauptet und kann medizinisch nicht nachgewiesen werden.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" im Behindertenpass liegen daher nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (wie oben in Punkt A zitiert) und wirft keine über den Einzelfall hinausgehenden besonderen Fragestellungen auf.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I413.2184570.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.06.2018