TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/23 W111 2147056-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.05.2018
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Entscheidungsdatum

23.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W111 2147063-2/3E

W111 2147064-2/3E

W111 2147061-2/3E

W111 2147057-2/3E

W111 2147056-2/3E

W111 2191867-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX , und 6.) XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Russische Föderation, und vertreten durch den XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 23.03.2018, Zahlen 1.) 831177009-171281293, 2.) 831177107-171281293, 3.) 831177205-171287038, 4.) 831177303-171287011, 5.) 1017679609-171286988, und 6.) 1171432306-171184093, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46 und 55 Abs. 1a FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erste Verfahren auf internationalen Schutz der erst- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge BF1), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig und Muslim, gelangte am 13.08.2013 gemeinsam mit seiner Frau (BF2) und seinen beiden älteren Kindern (BF3 und BF4) illegal in das Bundesgebiet und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.08.2013 befragt wurde (BF5 wurde erst am XXXX im Bundesgebiet geboren).

Dabei erklärte der BF1 zu seinen familiären Verhältnissen befragt, dass er zu Hause noch seine Eltern und einen zwölf Jahre alten Bruder haben würde. Er sei am 08. oder 09. August 2013 mit seiner Familie von Tschetschenien aus in einem siebensitzigen Kleinbus losgefahren, der Vater hätte die Reise bezahlt und gesagt, dass sie nach Österreich gebracht werden würden. In diesem Kleinbus seien sie über unbekannte Länder bis zu einem Ort in Österreich gebracht worden, wo sie nunmehr einen Asylantrag eingebracht hätten. Der Fluchtgrund wurde vom BF1 dahingehend geschildert, dass Anfang 2013 in Tschetschenien sein bester Freund zum Kämpfen gegen die Behörden gegangen sei. Er sei dann einmal von den Behörden mitgenommen und gefragt worden, wo dieser Freund sei. Später habe er diesem Freund, mit dem er auch telefonischen Kontakt gehabt habe, Geld gegeben und jemand müsse ihn verraten haben. Kurze Zeit später sei er von den Behörden mitgenommen und zusammengeschlagen worden, er sei drei Tage lang festgehalten worden, habe mehrere Rippenbrüche und eine Gehirnerschütterung gehabt. Nachdem er frei gekommen sei, sei er in ein Krankenhaus gebracht worden und danach sei er aus ausgereist. Im Fall der Rückkehr befürchte er, dass ihn die Behörden entweder töten oder für mehrere Jahre ins Gefängnis stecken würden.

Auch die BF2 schilderte im Zuge der Erstbefragung im Wesentlichen gleichlautend, in einem Mini-Van von Tschetschenien auf unbekannten Wegen bis Österreich gereist zu sein. Näheres könne sie dazu nicht sagen. Ihr Mann sei wegen eines Freundes nicht in Ruhe gelassen worden, sie selbst sei im Juni 2013 von den Behörden zu Hause aufgesucht und wegen des Freundes des BF1 befragt worden. Sie sei bedroht worden, dass die Familie nie in Ruhe gelassen werde. Sie habe Angst um die Kinder bekommen, weil auch den Kindern sei gedroht worden. Im Fall der Rückkehr befürchte sie, dass die Behörden nicht nur gegen den BF1, sondern auch gegen Frauen und Kinder vorgehen.

Im konkreten Fall ergab sich, dass im Hinblick auf die Ermittlungen der österreichischen Polizei gegen die angeblichen Schlepper das Mobiltelefon des BF1 näher eingesehen wurde, dies mit dessen Zustimmung. Daraus wurde für die österreichische Polizei erkennbar, dass der BF1 erkennbar eine ganz andere Reisebewegung absolviert hatte, als in der Erstbefragung angegeben. Hiezu fand am 04.11.2013 eine zeugenschaftliche Einvernahme des BF1 vor der Landespolizeidirektion XXXX statt. Bei dieser Gelegenheit schilderte der BF1 - verkürzt wiedergegeben - dass er bei der Erstbefragung nicht die Wahrheit gesagt habe, er habe in Tschetschenien Probleme gehabt und sich deshalb entschlossen, gemeinsam mit der Familie das Land zu verlassen. Er habe sich im Internet informiert, was er machen müsse, um in Europa Arbeit zu bekommen. In Tschetschenien hätte er nicht die Möglichkeit gehabt, die Familie zu versorgen und Arbeit zu finden. Deshalb habe er sein Auto und Dokumente verkauft, um Geld für ein Visum zu bekommen. Er habe in Tschetschenien gehört, dass es ohne Visum schwierig sei, mit dem Visum sei es leichter. Er habe deshalb die Reisepässe besorgt, ein Visum beantragt, er selbst sei nie bei einer Botschaft gewesen. Nachdem er die Visa für Spanien bekommen habe, hätte er auch noch 1.400 Euro für den Flug nach Spanien zusätzlich bezahlt. Er sei von Russland direkt nach Spanien geflogen, er habe für die Ausstellung des Visums drei bis vier Monate warten müssen. Von XXXX sei er dann mit seiner Familie mit Bussen nach XXXX gekommen und sei er dort von einem Verwandten aus Österreich abgeholt worden.

Der Verwandte des BF, ebenfalls ein russischer Staatsbürger aus Tschetschenien, wurde in weiterer Folge ebenfalls zeugenschaftlich dazu einvernommen und schilderte dieser, dass er vom BF1 angerufen worden sei, dass dieser auf Urlaub nach Spanien gefahren sei. Der BF1 würde nunmehr nach Österreich kommen, um sich das Land anzusehen, da sie ja ohnehin in Spanien Urlaub machen. Der BF1 habe ihm dann gesagt, dass sie nach einem kurzen Aufenthalt in Österreich weiter nach Belgien fahren wollten und habe er erst zwei Monate später vom BF1 gehört, dass er nunmehr in der Nähe von XXXX lebe.

In weiterer Folge wurde der BF1 am 15.12.2015 durch die belangte Behörde niederschriftlich zum Fluchtweg und den Fluchtgründen einvernommen. Der BF1 bestätigte dabei, dass er bei der Erstbefragung falsche Angaben getätigt habe. Sein Reisepass befinde sich bei einem Freund in Österreich und legte der BF1 im Zuge der nunmehrigen Einvernahme diesen Reisepass auch vor. Er habe in Tschetschenien sechs Brüder und vier Schwestern, alle würden in Tschetschenien leben, er habe zusätzlich noch einen Stiefbruder und eine Stiefschwester. Die Eltern seien Pensionisten, die meisten Geschwister seien noch Schüler und der älteste Bruder würde auf einer Baustelle arbeiten.

Zum Fluchtgrund befragt vermeinte der BF1 nunmehr, dass er in Tschetschenien gemeinsam mit anderen Männern, die auch Muslime waren wie er, aus einem nicht näher bekannten Grund mitgenommen worden sei. Die Regierung in Tschetschenien wisse, dass er jetzt hier in Österreich sei. Es sei gefährlich, die ganze Wahrheit zu sagen, aber er werde es versuchen. Ihm sei von Bekannten geraten worden, bezüglich des Fluchtweges zu lügen. Er schwöre aber, dass er auf Grund seiner Probleme hier sei. Nachdem er Tschetschenien verlassen habe, seien die Leute auch zu ihm nach Hause gekommen und hätten die Eltern mitgenommen und befragt. Darüber könne ihm aber die Mutter am Telefon nichts erzählen, weil sie Angst vor diesen Leuten habe. Die Eltern seien alt, aber diese Leute würden sie sogar schlagen, wenn die Eltern etwas nicht richtig angeben. Zweimal seien diese Leute bei ihnen zu Hause gewesen und hätten die Eltern gefragt, wo er sei. Die Mutter habe gesagt, dass er in Österreich sei.

Von wem er selbst mitgenommen worden sei, an das könne er sich gar nicht erinnern. Es sei in XXXX auf dem Hof einer Moschee nach dem Freitagsgebet gewesen, er sei in einem kleinen Bus weggebracht worden. Die Männer hätten verschiedene Uniformen angehabt, die Leute von Kadyrow seien immer gut bewaffnet. Danach sei er befragt worden, wie er bete und dergleichen, er habe geantwortet, so wie diese Leute es gewollt haben. Die Leute, die sich gewehrt hätten, seien weggebracht worden. Danach habe er erfahren, dass diese Leute auch schwer geschlagen worden seien und schlimme Verletzungen gehabt hätten. Er selbst sei frei gelassen worden, viele andere seien dort geblieben. Er selbst sei für einige Stunden damals angehalten worden.

Auf die Frage, ob er sich noch an seine Angaben in der Ersteinvernahme erinnere, vermeinte der BF1, damals etwas ganz anderes erzählt zu haben, ihm sei angeraten worden, zu lügen. Die Angaben bei der Erstbefragung habe er dramatisiert, das sei ihm so angeraten worden. Der Freund, der angeblich gegen die Behörde kämpfe und wegen dem er entführt worden sei, der existiere gar nicht. Auch die anderen Angaben, nämlich zum Fluchtweg, das sei alles gelogen gewesen, er habe das bereits erklärt. Sonst habe er sich niemals politisch aktiv betätigt, habe niemals eine Straftat verübt und habe auch niemals Schwierigkeiten mit Behörden gehabt. Er habe auch nie einen Einberufungsbefehl erhalten. Zur Integration führte der BF1 aus, einen Deutschkurs in der Pension zu besuchen.

Auch die BF2 wurde am 15.12.2015 einvernommen und schilderte auch diese, dass sie bei der Erstbefragung falsche Angaben getätigt habe. Es sei auch eine Lüge gewesen, dass sie keinen Reisepass mehr habe. Die Eltern würden noch in XXXX leben, eine Cousine sei in XXXX , fast alle Verwandten würden aber in Tschetschenien leben. Zu diesen habe sie auch Kontakt, sie telefoniere mit den Geschwistern und den Eltern. In Österreich dürfe sie die Religion frei leben, was in Tschetschenien nicht der Fall sei. In Tschetschenien dürfe man sich nicht verschleiern, hier in Österreich schon. Der Mann dürfe sich seinen Bart auch hier wachsen lassen, in Tschetschenien nicht. Würde der BF1 mit seinem jetzigen Bart nach Tschetschenien gehen, würde er sofort verhaftet werden, darüber könne man im Internet lesen. Es sei richtig, dass sie mit dem Flugzeug von Russland nach XXXX geflogen sei, dann mit dem Bus über XXXX nach Österreich gelangt sei. Sie hätten gelogen, dies sei auch sehr peinlich für gläubige Muslime, über die Probleme des Mannes wisse sie nur, dass es Probleme auf Grund der Religion gegeben habe.

Von beiden erwachsenen BF wurde im Zuge dieser Einvernahme jeweils der Auslandspass, ausgestellt am XXXX , vorgelegt, worin sich ein Visum für Spanien befindet, gültig vom XXXX .

1.2. Mit Bescheiden des BFA vom 23.01.2017 wurde jeweils unter Spruchteil I. die Anträge auf internationalen Schutz der erst- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien vom 13.08.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 jeweils abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 diese Anträge auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist und in Spruchpunkt IV. gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

1.3. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und diese ihrem gesamten Umfang nach wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Darin wiederholte der BF1, dass er sein Heimatland wegen der Bedrohungen und der Anhaltung verlassen habe.

1.4. Am 26.09.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht (Gerichtsabteilung W226) eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, anlässlich der dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin nochmals ausführliche Gelegenheit zur Darlegung ihrer Fluchtgründe geboten wurde.

Die Befragung der beschwerdeführenden Parteien vernahm dabei auszugsweise den folgenden Verlauf:

"(...) R: Was erzählt die Familie Ihnen dabei, gibt es irgendetwas Besonders in Zusammenhang mit der Ausreise?

BF1: Ich möchte gleich von Anfang an sagen, dass es noch ein neues Problem gibt. Probleme bereiten uns die Behörden, sie kommen ins Elternhaus. Dieses neue Problem ist noch größer als das alte Problem, das ich hatte. Mit den Eltern spreche ich nicht über die Probleme. Die Eltern leben ja mitten in der Gefahr.

R: Was ist jetzt das neue Problem?

BF1: Ich habe einen jüngeren Bruder, der ist noch vor meiner Ausreise nach Ägypten zum Studium gefahren. Danach haben wir Gerüchte gehört, dass er angeblich nach Syrien in den Kampf gefahren ist. Er ist zum Studium gefahren, drei Monate später, da war ich schon hier, habe ich erfahren, dass er angeblich zum Kampf nach Syrien gefahren ist. Deshalb haben wir alle ein Problem, die ganze Familie, wir haben ja zusammen gewohnt.

R: Wann ist dieser Bruder zum Studium nach Ägypten gefahren, seit wann wissen Sie, dass dieser nach Syrien zum Kampf gefahren ist?

BF1: Ich weiß noch, dass er im Mai nach Ägypten gefahren ist. Das muss im Jahr 2013 gewesen sein. Wir haben schon hier gewohnt, als wir Gerüchte gehört haben. Es gab aber keinen Beweis und er hatte auch keinen Kontakt zu irgendwelchen Verwandten. Gleich nach seiner Abreise nach Ägypten hatten wir noch Kontakt über Skype. Als man mir ein Foto schickte, auf dem auch mein Bruder zu sehen war, war das schon konkreter. 2013 haben wir das Gerücht gehört.

R: Seit wann wissen Sie es genauer?

BF1: Es war vor unserem ersten Interview, nein, doch nicht, es war nach dem ersten Interview. Ich muss jetzt darüber nachdenken, wann ich das eigentlich genauer gehört habe. Es war etwa 2014.

R: Sie wurden im Dezember 2015 von der Behörde einvernommen, haben Sie damals schon davon gewusst?

BF1: Gewusst habe ich es, aber es gab noch keine Probleme, weil es die Behörden in Russland noch nicht gewusst haben. Das erste Mal, als Behörden zu meinen Eltern kamen wegen der Angelegenheit des Bruders, wann das genau war, das kann ich nicht genau sagen.

R: Sie wissen nicht, wann das zwischen 2014 und 2017 passiert ist?

BF1: Es könnte Anfang 2015 gewesen sein.

R: Was ist da konkret vorgeworfen worden?

BF1: Genaues können die Eltern am Telefon natürlich nicht genau sagen. Meine Mutter sagte, wir haben ihm ein Studium ermöglicht, was er dann gemacht hat, ist nicht mehr mit unserem Einverständnis passiert.

R: Gab es für die Eltern und die Familie ganz konkrete Probleme deshalb?

BF1: Das ist weniger ein Problem für die Eltern, als für die Brüder. Sie haben die Mutter, den Vater und einen Bruder, der ungefähr 20 Jahre alt ist und einen Bruder, der 29 Jahre alt ist, mitgenommen.

R: Wann war das und wie lange wurden die Angehörigen angehalten?

BF1: Als sie das erste Mal gekommen sind, war das etwa 2015. Das geht seit dem bis jetzt. Ich weiß durch informelle Kanäle, dass die Behörden bis heute kommen, obwohl der Bruder in Syrien angeblich schon tot ist.

R: Bei der Einreise nach Österreich sagen Sie, dass Sie Ihre Eltern und einen einzigen Bruder namens XXXX haben. Heute haben Sie schon mehr Brüder.

BF1: Ich habe geglaubt, dass Sie wissen, dass ich doch bei der Behörde gesagt habe, dass die Angaben bei der Erstbefragung falsch waren. Ich weiß nicht mehr, was ich bei der Erstbefragung alles gesagt habe.

R: Gibt es diesen XXXX überhaupt und ist es der Bruder, der nach Ägypten gegangen ist?

BF1: Nein, XXXX ist der jüngste Bruder, nach Ägypten ist mein Bruder XXXX gegangen.

R: Wie alt ist XXXX ?

BF1: Er ist zwei Jahre jünger als ich, also wäre er heute 26 Jahre alt.

...

R: Wenn Sie das seit 2015 wissen, warum haben Sie es bei der Behörde nicht einmal erwähnt?

BF1: Ich habe gesagt, ich werde noch ein Einvernahme haben, da kann ich alles genauer erzählen.

R: Warum haben Sie es nicht bei XXXX gesagt, als XXXX die Beschwerde verfasst hat?

BF1: Als ich die Einvernahme damals hatte, war das Problem noch nicht so aktuell, es begann erst später.

R: Wann ist dieses Problem für Sie konkret geworden?

BF1: Auch vor der ersten Einvernahme gab es schon Probleme, aber erst nach dem Interview bei der Behörde, wurde das Problem groß. Das wurde in den Jahren 2016 und 2017 richtig groß, das Problem wurde zu einer Gefahr.

R: Ihre Beschwerde wurde von XXXX im Februar 2017 geschrieben, da müssen Sie das Problem doch zumindest angedeutet haben.

BF1: Nein, ich habe das bei XXXX nicht erzählt.

R: Warum nicht?

BF1: Das Problem existierte schon, aber ich habe mir gedacht, dass man mir das nicht glauben wird, wenn ich das erst jetzt erzähle. Ich habe mit meiner Frau beschlossen, dass ich über diese Problem erst erzähle, wenn ich einen negativen Bescheid bekomme.

R: Aber Sie haben doch einen negativen Bescheid bekommen, warum haben Sie es nicht bei XXXX erzählt?

BF1: Ich habe einen negativen Bescheid bekommen und als ich dagegen Beschwerde eingelegt habe, da habe ich mir gedacht, dass ich durch die Beschwerde noch ein zweites Gespräch bekomme und da kann ich es dann erzählen.

...

R: Sie werden im November 2013 wie gesagt von der Polizei zur wirklichen Reisebewegung einvernommen. Da sagen Sie folgenden Satz:

Im Internet habe ich mich informiert, was ich machen muss, um in Europa Arbeit zu bekommen. In Tschetschenien hatte ich nicht die Möglichkeit, meine Familie zu versorgen und Arbeit zu finden.

BF1: Das ist nicht die Wahrheit.

R: Warum haben Sie das dann gesagt?

BF1: Ich habe alles falsch gesagt, das tut mir auch leid. Ich wusste nicht, ob es eine Einvernahme war oder nicht, habe immer versucht, alles richtig zu erzählen. Man hat mir dann Fragen zur Reise gestellt. Aber die Polizei hat ohne dies schon gewusst, wie ich gekommen bin.

...

R: Ihre gesamte Familie, mit Ausnahme Ihres Bruders in Ägypten/Syrien lebt heute unverändert in Tschetschenien?

BF1: Sie leben in Tschetschenien. Ein Bruder plant eine Übersiedlung nach XXXX , er hat dort nämlich Arbeit gefunden. Er hat gesagt, er kann dort bei einer Baufirma Türen montieren.

R: Was spricht dagegen, dass Sie so wie Ihr Bruder, nach XXXX ziehen und dort Arbeit suchen?

BF1: Das ist einer der älteren Brüder. Er wird dort nur zeitlich befristet arbeiten. Er wird dann bei der ersten Möglichkeit nach Europa fahren. Auch die anderen Brüder werden, wenn sie größer sind, nach Europa fahren.

R: Wovon haben Sie in den letzten zwei Jahren vor der Ausreise gelebt?

BF1: Ich habe von dem Geld gelebt, das ich verdient habe. Ich habe als Sporttrainer in XXXX gearbeitet. Meine Eltern haben am Land gelebt, hatten aber eine Wohnung in XXXX , in der habe ich gelebt. Diese Wohnung haben die Eltern inzwischen verkauft. Die Eltern haben diese Wohnung als Ersatz für eine im Krieg zerstörte Wohnung vor langer Zeit bekommen.

Danach gibt die BF2 an wie folgt:

BF2: Auch ich verstehe den D einwandfrei. Auch ich möchte bestätigen, dass wir bei der Erstbefragung nicht die Wahrheit angegeben haben. Wir sind ja mit einem Touristenvisum über Spanien nach Europa gekommen.

...

R: Seit Sie Tschetschenien verlassen haben, hat sich da noch etwas Besonderes ergeben, hat Ihnen Ihr Gatte da noch etwas erzählt?

BF2: Seine Mutter erzählte uns am Telefon, dass Leute gekommen sind, die nach uns gefragt haben.

R: Hat Ihnen Ihr Gatte irgendetwas bezogen auf seine Brüder erzählt?

BF2: Ja, mein Mann hat mir erzählt, dass zu Beginn nur nach ihm gefragt wurde. Nach etwa zwei Jahren, das war nach unserer Einvernahme im Dezember 2015, da haben Leute nach dem Bruder meines Mannes gefragt. Das war ein Bruder, namens XXXX , der ist nach Ägypten zum Studium gefahren. XXXX war schon in Ägypten, bevor wir Tschetschenien verlassen haben. XXXX ist drei Monate vor uns ausgereist.

R: Was ist das Problem bezüglich XXXX , warum fragen Männern nach ihm?

BF2: Mein Mann hat ihn unterstützt in Bezug auf sein Studium in Ägypten. Als wir noch zu Hause waren, hatten wir mit ihm Kontakt, aber nachdem wir hier in Österreich waren, ist der Kontakt abgebrochen.

R: Was ist jetzt das konkrete Problem mit Islam?

BF2: Mein Mann erfuhr von Gerüchten, dass er nach Syrien gefahren sein soll.

R: Seit wann gibt es diese Gerüchte?

BF2: Wir haben das zuerst nicht geglaubt. Erst zwei Jahre später haben die Behörden in Russland davon erfahren. Dann haben Sie meine Schwiegereltern verhört.

R: Wann haben Sie erstmals gehört, dass die Schwiegereltern wegen Islam und dessen Reise nach Syrien verhört werden?

BF2: Als die Schwiegereltern angerufen haben und erzählt haben, dass sie und die Brüder meines Mannes vorgeladen und verhört wurden betreffend Islam.

R: Wann war das?

BF2: Das war nachdem sie von den Behörden vernommen wurden. Das muss 2016 gewesen sein.

R: Ihre Beschwerde stammt von Februar 2017, warum haben Sie das in der Beschwerde nicht einmal angedeutet?

BF2: Wir haben bei der vorherigen Befragung auch nicht davon gesprochen.

R: Warum haben Sie bei XXXX das nicht erzählt?

BF2: Wir haben uns damals noch nicht entschieden gehabt, ob wir darüber erzählen oder nicht.

R: Warum nicht?

BF2: Erst als wir den negativen Bescheid hatten, haben wir gesehen, dass wir vielleicht zurückkehren müssen.

R: Umso mehr hätten Sie das bei XXXX erzählen müssen.

BF2: Man hat uns gesagt, es wird eine neuerliche Befragung geben. Dann würde die ganze Angelegenheit erneut verhandelt werden.

R: Wer hat Ihnen das so gesagt?

BF2: Das hat mein Mann gesagt.

...

Nach Rückübersetzung:

...

Zu Seite 5 möchte ich sagen, dass die Probleme erst nach der Einvernahme für uns konkret wurden.

Ich möchte generell darauf hinweisen, dass das mit dem Bruder XXXX ein großes Problem für uns ist. Da bitte ich Sie um besondere Aufmerksamkeit. Es kann durchaus sein, dass es in Zukunft noch viel größere Probleme gibt, dass alle meine Brüder eingesperrt werden. Meine Mutter hat mir weinend erzählt, dass sie unter großer Belastung steht, weil dauernd Leute zu ihr kommen. Ich weiß nicht, ob meine Familie misshandelt wird, das kann ich mit der Familie am Telefon ja nicht besprechen. Ich weiß nur, dass meine Familienmitglieder mitgenommen und befragt werden. Sie wurden vier oder fünfmal zu einer Bezirksabteilung gebracht und etwa sechs Mal zu einer anderen. Das war im Zeitraum 2016 bis heute. In Tschetschenien machen die Machthaber, was sie wollen. Das zeigen sie aber nie im Fernsehen. Ich sehe keine Zukunft für uns in Tschetschenien. (...)"

1.5. Am XXXX wurde die nunmehrige Sechstbeschwerdeführerin als Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren und für diese durch ihren gesetzlichen Vertreter am 17.10.2017 unter gleichzeitiger Übermittlung ihrer österreichischen Geburtsurkunde ein Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen des Familienverfahrens gestellt.

1.6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 19.10.2017, Zln. W226 2147063-1/6E, W226 2147064-1/6E, W226 2147061-1/7E, W226 2147057-1/6E und W226 2147056-1/6E, wurden die Beschwerden in den Verfahren der erst- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien jeweils gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen (Spruchteile A). Die Revision wurde jeweils für nicht zulässig erklärt (Spruchteile B).

Neben ausführlichen Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation wurden den angeführten Erkenntnissen im Wesentlichen die folgenden Feststellungen zugrunde gelegt:

"(...) Nicht festgestellt werden kann, dass dem BF1 in der Russischen Föderation eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wären. Die BF2 bis BF5 haben eigene Bedrohungen nicht einmal behauptet. Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die BF halten sich seit ihrer Einreise am 13.08.2013 durchgehend im Bundesgebiet auf.

Die BF leben von der Grundversorgung und haben keine fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet dargelegt. Zahlreiche enge Verwandte leben unverändert in der Russischen Föderation (Tschetschenien). (...)"

Diese Feststellungen wurden auf die folgenden beweiswürdigenden Erwägungen gegründet:

"(...) Der zuständige Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes kommt in Übereinstimmung mit den beweiswürdigen Überlegungen des Bundesamtes zur Überzeugung, dass der BF1 ein völlig erfundenes Vorbringen erstattet hat und einzig aus wirtschaftlichen Gründen Asyl begehrt. Nach nochmaliger Befragung der erwachsenen Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 26.09.2017 kommt auch das erkennende Gericht, ebenso wie die belangte Behörde, zum klaren Ergebnis, dass die BF einzig aus asylfremden Motiven, wohl aus wirtschaftlichen Gründen, die Russische Föderation verlassen haben und in Österreich Asyl begehren. Die nochmalige Befragung des BF1 ergibt ganz eindeutig, dass der BF1 mit allen Mitteln versucht, Sachverhalte zu behaupten, die sich in dieser Form niemals zugetragen haben.

So musste der BF1 auch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung eingestehen, dass er im Zuge der Erstbefragung in Österreich vollkommen falsch Angaben getätigt hat, und zwar nicht nur bezogen auf den Fluchtweg, sondern auch bezogen auf den Fluchtgrund.

Der BF1 hat eine ganz abenteuerliche Reisebewegung von Tschetschenien nach Österreich geschildert, wegen einer großen Gefahr habe er Tschetschenien nur auf den beschriebenen Wegen verlassen können und stellte sich schon nach kurzer Zeit heraus, dass der BF1 und seine ganze Familie aus der Russischen Föderation legal auf dem Luftweg ausgereist sind, nachdem ihnen Auslandspässe ausgestellt worden waren und nachdem sie ein Visum für Spanien erhalten hatten. Für einen Schutz vor Verfolgung suchenden Menschen, der noch dazu von den tschetschenischen Behörden unter Beobachtung stehen soll, erscheint jedoch diese Vorgangsweise sehr untypisch, dass nämlich der BF1 angesichts seiner Probleme sich bei den Passbehörden um die Ausstellung eines Auslandspasses bemüht und dieser auch problemlos ausgestellt wird. Auch die legale Ausreise ist ein klares Indiz dafür, dass der BF1 niemals die Befürchtung gehabt haben kann, bei einer allfälligen Grenzkontrolle belangt zu werden, sodass seine ganzen diesbezüglichen Angaben erkennbar unwahr sind. Auch die BF2 hat im Zuge der Erstbefragung vollkommen wahrheitswidrige Angaben getätigt und gesteht sie im weiteren Verfahrensgang auch ein, damals zum Fluchtweg und auch zum Fluchtgrund massiv die Unwahrheit gesagt zu haben.

Hätte jedoch die österreichische Polizei bei ihren Recherchen zu den angeblichen Schleppern nicht Hinweise im Telefon des BF1 entdeckt, dann wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals zutage getreten, dass sämtliche Beschwerdeführer in Wirklichkeit die Russische Föderation legal mit dem eigenen Auslandspass verlassen haben. Angesichts des polizeilichen Amtsvermerks (AS 67 ff im Akt des BF1), wonach durch die Auswertung des Handys des BF1 seine unwahren Angaben erkennbar wurden, ist auch dessen Argumentation, er habe von sich aus erkannt, dass er bei den Behörden nicht lügen darf und dass er von sich aus seine Angaben korrigiert hätte, völlig unzutreffend.

Das Eingeständnis, vollkommen falsche Angaben getätigt zu haben, ist vielmehr eine logische Konsequenz der Vorhaltungen der Polizei und fällt auf, dass der BF1 noch im Zuge der Einvernahme vor der Polizei am 04.11.2013 die Behauptung aufstellt, dass er die Reisepässe mit den Visa nicht vorlegen könne, da er diese irgendwo auf dem Weg "weggeworfen" habe, was wahrheitswidrig ist.

Im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde hat der BF1 diese Dokumente nämlich nunmehr doch im Original vorlegen können.

Wenn darüber hinaus die BF2 im Rahmen der Beschwerdeverhandlung ganz eindeutig schildert, dass in Wirklichkeit nach dem angeblichen Vorfall in einer Moschee in XXXX im Februar 2013 es zu keinen weiteren behördlichen Schritten gegen den BF1 gekommen sein soll, dieser somit nach einer kurzen Anhaltung für wenige Stunden wieder frei gelassen worden sein soll und dann bis zur Ausreise im Hochsommer 2013 gar nichts mehr passiert sei, dann kann keinesfalls geglaubt werden, dass nach der Ausreise des BF1, der sich ja der Grenzkontrolle gestellt hat, plötzlich Behördenorgane sich intensiv nach diesem erkundigen würden. Die lapidaren Behauptungen der beiden erwachsenen BF, dass seit der Ausreise immer wieder Leute kommen würden, die sich auch nach dem BF1 wegen der Festnahme im Jahr 2013 erkundigen würden, sind durch nichts belegt, sodass angesichts des gesamten Verfahrensgangs und nach dem gewonnenen persönlichen Eindruck auch das erkennende Gericht davon auszugehen hat, dass dieses Vorbringen niemals der Wahrheit entsprochen hat.

Was nunmehr das wesentliche Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung betrifft, dass nämlich angeblich ein jüngerer Bruder des BF1 noch vor der Ausreise des BF1 nach Ägypten zum Studium gefahren sei, zu einem nicht näher beschreibbaren späteren Zeitpunkt nach Syrien zum Kampf gefahren sei, dort wahrscheinlich getötet worden sei und nunmehr die Behörden die gesamte Familie des BF1 diesbezüglich in Verdacht hätten, ist folgendes auszuführen:

Zum einen ist schon zweifelhaft, ob es diesen angeblichen jüngeren Bruder überhaupt gibt, hat der BF1 doch im Zuge der Erstbefragung geschildert, neben den Eltern nur einen einzigen Bruder zu haben, dieser sei allerdings erst zwölf Jahre alt. Dass dieser zwölf Jahre alte Bruder bereits im Jahr 2013 für ein Studium alleine nach Ägypten gefahren sei und sich dort zu einem nicht näher beschreibbaren Zeitpunkt dem Islamic-State in Syrien angeschlossen hätte, kann nicht ernsthaft angenommen werden. Richtig ist, dass der BF1 im Zuge seiner Einvernahme vor der belangten Behörde vom 15.12.2015 seine diesbezüglichen Angaben korrigiert hat, neben den Eltern würde er nunmehr sechs Brüder und vier Schwestern haben, daneben noch einen Stiefbruder und eine Stiefschwester. Zu diesen bei der Behörde befragt, vermeint der BF jedoch am 15.12.2015, dass die meisten seiner Geschwister noch Schüler seien, einzig der älteste Bruder würde auf einer Baustelle arbeiten. Dass einer seiner Brüder sich in der Zwischenzeit bereits in Ägypten aufhalte, möglicherweise bereits nach Syrien gegangen sei, um beim Islamic-State zu kämpfen, dies alles lässt sich den Einvernahmen vor der belangten Behörde überhaupt nicht entnehmen.

Vor diesem Hintergrund wurden der BF1 und auch seine Gattin, die BF2, im Rahmen der Beschwerdeverhandlung detaillierter befragt, seit wann sie dies alles wissen würden. Der BF1 schildert, dass der angebliche Bruder angeblich bereits im Jahr 2013 nach Ägypten gefahren sei, sie seien schon hier in Österreich aufhältig gewesen, als sie Gerüchte gehört hätten.

Auf Aufforderung, das zeitlich etwas näher zu konkretisieren, seit wann er wisse, dass einer seiner Brüder für den Islamic-State kämpfe, vermeinte der BF1 nunmehr im Rahmen der Beschwerdeverhandlung, dass es "vor dem ersten Interview gewesen sei, um im gleichen Satz zu korrigieren, dass es doch erst nach dem ersten Interview gewesen sei. Nach längerer Nachdenkpause vermeinte der BF1, der sich auf die Beschwerdeverhandlung sicher vorbereitet hat, dass er seit 2014 davon wisse. Auf die Frage, warum er dann im Dezember 2015 vor der Behörde nichts davon berichtet habe, vermeinte der BF1 nunmehr nicht sonderlich überzeugend, dass er es schon gewusst habe, aber die Behörden in Russland noch nicht und deshalb hätte es keine Probleme gegeben.

Erst auf mehrmalige Nachfrage musste der BF1 nunmehr eingestehen, dass er seit etwa 2015 wisse, dass die Behörden wegen des angeblichen Bruders wegen der angeblichen Tätigkeit für den Islamic-State die Familie kontaktieren. Auf nochmalige Nachfrage vermeint der BF1, dass es vor dem Interview bei der Behörde (15.12.2015) schon dieses Problem gegeben habe, aber erst in den Jahren 2016 und 2017 sei das Problem "groß und zu einer richtigen Gefahr geworden".

Für das erkennende Gericht ist dies jedoch völlig unglaubwürdig, da dieses durch nichts belegte Vorbringen praktisch von jedem Bewohner Tschetscheniens gleichlautend vorgetragen werden könnte. Der BF1 und auch die BF2 waren darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass sie sich zur Einbringung einer Beschwerde extra an " XXXX " gewandt haben, damit diese spezialisierte Einrichtung eine Beschwerde im Asylverfahren für sie einbringe. Diese Beschwerde stammt vom 03.02.2017 und es findet sich darin überhaupt kein Hinweis darauf, dass der BF1 oder die BF2 bei " XXXX " auch nur ansatzweise davon berichtet hätten, dass einer der Brüder des BF1 für den Islamic-State gekämpft hätte, gefallen wäre und deshalb im Fall der Rückkehr der BF1, wie auch der Rest der Familie, einer Bedrohung ausgesetzt wäre. Auf diesbezüglichen Vorhalt im Rahmen der Beschwerdeverhandlung konnte der BF1 nur angeben, dass er das bei " XXXX " nicht erzählt habe, das Problem sei bereits existent gewesen, aber "er habe sich gedacht, dass man ihm das nicht glauben werde, wenn er das erst jetzt erzähle."

Sofern der BF1 darüber hinaus noch angibt, damals mit seiner Frau beschlossen zu haben, über dieses Probleme erst zu erzählen, wenn er einen negativen Bescheid bekomme, ist dieses Vorbringen völlig unschlüssig, als der BF1 doch erkennen musste, dass sein Vorbringen nicht geglaubt wird und es offensichtlich die letzte Möglichkeit ist, nunmehr die ganze Wahrheit den Behörden bekannt zu geben.

Sofern der BF1 diesbezüglich nunmehr weiters meint, dass er sich bei Einbringung der Beschwerde gedacht habe, dass er durch die Beschwerde noch ein zweites Gespräch bekomme und da könne er es dann erzählen, ist dieses Vorbringen schlichtweg unglaubwürdig, da kein mit Vernunft begabter Mensch die Möglichkeit der umfassenden Begründung eines Rechtsmittels verstreichen lassen würde. Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei Zutreffen der diesbezüglichen Ausführungen der BF1 der spezialisierten NGO " XXXX " all diese Dinge berichtet hätte und diese dieses Vorbringen auch im Beschwerdeschriftsatz aufgenommen hätte. Auch die BF2 schildert eindeutig, dass angeblich seit 2016 bekannt sein soll, dass die Schwiegereltern wegen des in Syrien gestorbenen Sohnes vorgeladen und verhört werden, die BF2 kann nicht erklären, warum sie dieses so relevante Vorbringen nicht bereits bei " XXXX " bei der Beschwerdeeinbringung berichtet haben.

Hierzu kommt, dass sich nach den Angaben in der Beschwerdeverhandlung praktisch sämtliche Familienmitglieder weiterhin in der Russischen Föderation aufhalten, wobei auch die zahlreichen Brüder des BF1 nach wie vor unverändert in Tschetschenien leben sollen. Würde tatsächlich der Verdacht bestehen, dass ein enges Familienmitglied den Islamic-State aktiv unterstützt, wäre wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es im Zusammenhang mit den diesbezüglichen Nachforschungen der Behörden in Tschetschenien eine Fülle von Beweismitteln geben müsste, das wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise behauptet.

Das diesbezügliche Vorbringen über die angebliche Teilnahme eines angeblichen Bruders in Syrien am Kampf des Islamic-State ist somit einerseits vollkommen unglaubwürdig, das diesbezügliche Vorbringen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung unterliegt darüber hinaus auch dem Neuerungsverbot des § 20 BFA-VG. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde (23.01.2017) war der Sachverhalt, dass nämlich angeblich ein Bruder des BF1 in Syrien kämpfe, bereits bekannt, das Verfahren vor dem Bundesamt kann auch keinesfalls als mangelhaft angesehen werden und wären den Beschwerdeführern zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes diese angeblichen Tatsachen bereits bekannt gewesen und kann nicht erkannt werden, dass sie nicht in der Lage gewesen wären, diese Tatsachen vorzubringen. Es ergibt sich somit eindeutig, dass keine der Voraussetzungen des § 20 Absatz 1 BFA-VG vorliegen, das diesbezügliche Vorbringen somit eindeutig vom Neuerungsverbot umfasst ist.

Das diesbezügliche Vorbringen erweist sich aber auch aus den dargestellten Gründen als vollkommen unglaubwürdig, da angesichts des gesamten Verfahrensgangs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die beiden erwachsenen Beschwerdeführer je nach Verfahrensgang bereit sind, jederzeit unwahre Behauptungen aufzustellen, sofern es nur der eigenen Rechtsposition im Asylverfahren dienlich ist (vergleiche dazu bereits die Ausführungen zur angeblichen Reisebewegung aus der Russischen Föderation nach Österreich).

Sonstige Gründe, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation bzw. in die Teilrepublik Tschetschenien sprechen, wurden im Verfahren nicht substantiiert vorgetragen. Beide erwachsenen BF geben an, dass sie und die Kinder gesund sind, sodass auch diesbezüglich keine besondere Gefährdung erkannt werden kann. Angesichts des unveränderten Aufenthalts praktisch der gesamten Familie in Tschetschenien bzw. in der Russischen Föderation, kann auch kein sonstiger Grund erkannt werden, der eine Unmöglichkeit der Rückkehr im Herkunftsstaat aufzeigen würde.

Was die in der Beschwerde angedeutete Gefährdung des BF1 betrifft, dass bereits eine besondere Bartlänge oder eine besondere Barttracht in Tschetschenien zu Verdacht führen könnte, ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung nicht substantiiert weiter verfolgt wurde. Der BF1 schildert darüber hinaus eine völlig unauffällige religiöse Einstellung, er will derzeit in Österreich nur fallweise eine Moschee besuchen, erst nach dem Kauf eines Mopeds will er regelmäßig am Freitag in die Moschee nach XXXX fahren.

Von der BF2 wird überhaupt keine religiöse Tätigkeit beschrieben und ist auffallend, dass beide erwachsenen Beschwerdeführer sowohl zum Zeitpunkt der Passausstellung, als auch zum Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet sowohl in Bezug auf die Haarpracht, als auch in Bezug auf Kleidungsvorschriften vollkommen unauffällig waren.

Dass der BF1 angesichts seiner Angaben in der Beschwerdeverhandlung irgendeiner besonderen religiösen Ausrichtung zuzuordnen wäre, dass der BF1, der sich in der Freizeit offensichtlich nur mit "Fußballspielen" und "Spaziergängen" beschäftigt, irgendeiner extremistischen religiösen Gruppe zugeordnet werden könnte, dies alles hat sich zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise ergeben.

(...)"

1.7. Die angeführten Erkenntnisse erwuchsen infolge ordnungsgemäßer Zustellung am 24.10.2017 in Rechtskraft.

2. Zweite Verfahren auf internationalen Schutz der erst- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien sowie erstes Verfahren der minderjährigen Sechstbeschwerdeführerin:

2.1. Am 14.11.2017 stellten die erst- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien die verfahrensgegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz, zu welchen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurden.

Auf Vorhalt seines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens und befragt nach den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung, führte der Erstbeschwerdeführer aus, sein Bruder XXXX sei im Mai 2013 eigenen Angaben zufolge nach Ägypten gegangen, um dort zu studieren. Später hätten sie erfahren, dass er in Syrien gekämpft hätte, ob für oder gegen den IS sei dem Erstbeschwerdeführer nicht bekannt. Ende 2016 oder Anfang 2017 sei sein Bruder bei den Kämpfen in Syrien verstorben. Seitdem werde seine noch in Tschetschenien lebende Familie von Militärgruppen des Präsidenten Kadyrov bedroht und zu Vernehmungen von Zuhause abgeholt. Der Erstbeschwerdeführer könne jedoch nicht genau nachfragen, da die Telefone seiner Familie in Tschetschenien abgehört würden. Es fände eine Art Psychoterror statt und der Erstbeschwerdeführer wisse nicht, was als nächstes komme; bisher sei noch niemand verletzt oder getötet worden. Seiner Mutter sei angedroht worden, dass alle ihre Söhne ins Gefängnis kommen würden, da der Bruder des Erstbeschwerdeführers in Syrien gekämpft hätte. Ein weiterer Bruder des Erstbeschwerdeführers sei mittlerweile ebenfalls aus Tschetschenien geflüchtet und halte sich nunmehr irgendwo in Russland auf. Seine weiteren Familienmitglieder hätten ebenfalls vor, zu flüchten, da es nicht mehr möglich wäre, dort zu leben. Damit habe er alle Verfolgungsgründe genannt; er bitte, darum, mit seiner Familie in Österreich bleiben zu können, wo er Schutz vor Verfolgung gefunden hätte. Ein Leben in Tschetschenien sei nicht mehr möglich, da er dort keine Sicherheit hätte.

Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass er ins Gefängnis kommen, gefoltert oder umgebracht werden könnte. Dies sei so üblich in Tschetschenien. Er könne nur berichten, was seine Familie ihm sage. Seit sein Bruder in Syrien gekämpft hätte, werde seine Familie von Militärtruppen verfolgt und bedroht. Weil die Telefone abgehört würden, könne er mit seiner Familie nicht offen sprechen, aber er wisse, dass bei den Verhören auch gefoltert werde. Es gebe viele ähnliche Fälle in Tschetschenien. Er hätte davon erfahren, als Bekannte nach Österreich und nach Frankreich gekommen wären. Er hätte schon einige inoffizielle Videos von Bekannten erhalten, in welchen zu sehen wäre, wie gefoltert und getötet würde. Auch habe er eine Audioaufnahme gehört, die von den folternden Militärtruppen angefertigt worden wäre. Auf dieser Aufnahme sei zu hören, wie mit Strom gefoltert werde; alles was passiere, werde geheim gehalten und nur durch Verwandte, die flüchten, würde alles bekannt.

Auf die Frage, seit wann ihm die Änderungen seiner Situation respektive seiner Fluchtgründe bekannt wäre, erklärte der Erstbeschwerdeführer, die Probleme mit den Militärtruppen hätten ein Jahr vor dem Tod seines Bruders, sohin Ende 2015, angefangen.

Die Zweitbeschwerdeführerin führte anlässlich ihrer polizeilichen Erstbefragung auf die Frage nach den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung zusammengefasst an, die Situation habe sich geändert, seitdem der Bruder ihres Mannes in Ägypten studiert und anschließend in Syrien gekämpft hätte. Jener Bruder hätte Tschetschenien im Mai 2013 verlassen, sie selbst seien im August geflüchtet. Als sie bereits in Österreich gewesen wären, hätten sie erfahren, dass der Bruder ihres Mannes von Ägypten nach Syrien gegangen wäre; einige Zeit später hätten sie erfahren, dass der Bruder in Syrien gestorben wäre. Die in Tschetschenien verbliebenen Familienmitglieder seien immer wieder von zuhause abgeholt und zu Vernehmungen mitgenommen worden. Diese seien nach den Brüdern gefragt worden, welche sich nicht mehr in Tschetschenien aufhielten. Obwohl die Mutter des Erstbeschwerdeführers bereits nach einigen Vernehmungen gesagt hätte, dass sich dieser in Österreich befände, sei ihr dies nicht geglaubt worden. Da der Zweitbeschwerdeführerin und ihrem Mann bekannt wäre, dass die Telefone in Tschetschenien abgehört würden, könnten sie keine Informationen erhalten oder weitergeben. Es gebe einige Familien, welche eine gleiche Geschichte aufweisen würden, diese würden ebenfalls verfolgt und zum Aufenthaltsort ihrer Söhne befragt werden. Es seien bereits öfter Häuser angezündet und Familienmitglieder aus Tschetschenien abgeschoben worden. Die Mitglieder ihrer Familie würden auch planen, aus Tschetschenien zu flüchten, da es lebensbedrohend werde. Deswegen könnten sie nicht nach Tschetschenien zurückkehren. In erster Linie würden die Männer der Familien bedroht; wenn diese dann weg wären, würden die Drohungen jedoch auch auf die Frauen übergehen. Sie bitte, dass ihre Familie in Österreich bleiben könne, da sie sich hier sicher und gut aufgehoben fühlen würden. Ihr Mann sei Sportlehrer und Fußballtrainer gewesen und würde diesen Beruf gerne auch hier ausüben. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie, dass ihr Mann ins Gefängnis kommen könnte; dort werde gefoltert, die Personen, die gefangen gehalten und gefoltert würden, kämen nie mehr zu ihren Familien zurück. Die Brüder ihres Mannes seien schon oft zu Vernehmungen mitgenommen worden. Als der Bruder ihres Mannes nach Ägypten gegangen wäre, habe der Erstbeschwerdeführer diesen unterstützt, weshalb dieser als Mittäter jetzt ebenfalls verdächtig wäre. Befragt, seit wann ihr die Änderung der Situation bekannt wäre, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, die Situation habe sich ein Jahr vor dem Tod des Bruders ihres Mannes geändert, die Familie sei dann immer wieder von den Militärtruppen bedroht und verhört worden.

Am 23.01.2018 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich zu den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellungen einvernommen. Beide Parteien gaben an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und, ebenso wie ihre minderjährigen Kinder, gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen. Die Verständigung mit der Dolmetscherin funktioniere gut. Ihre bislang getätigten Angaben würden sich als wahrheitsgemäß erweisen und seien jeweils korrektermaßen protokolliert und rückübersetzt worden. Sie hätten Österreich infolge Erhalts der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in ihren vorangegangenen Verfahren nicht verlassen.

Der Erstbeschwerdeführer brachte auf weitere Befragung hin zusammengefasst vor, den neuerlichen Antrag einerseits deshalb gestellt zu haben, da er einen negativen Bescheid erhalten hätte, andererseits habe er inzwischen neue Gründe. Auf Vorhalt, dass das erste Verfahren bereits negativ entschieden worden wäre und für einen neuerlichen Asylantrag ausschließlich Gründe maßgeblich wären, welche nach dem Zeitpunkt der Rechtskraft der vorangegangen Entscheidung entstanden wären, erklärte der Erstbeschwerdeführer, solche Gründe zu haben; seine gesamte Familie habe Probleme bekommen, da sein Bruder nach Ägypten gegangen wäre um zu studieren, wobei vermutet worden wäre, dass er zu irgendeiner Gruppe nach Syrien gegangen wäre. Wenn in Tschetschenien jemand einer Sache beschuldigt werde, treffe dies die gesamte Familie, alle wären verantwortlich. Die Familie sei immer wieder zu Einvernahmen gebracht worden, sie hätten gefragt, was der Bruder in Ägypten mache. Von seinem Bruder sei ihm telefonisch mitgeteilt worden, dass sie oft einfach von Zuhause mitgenommen und zur Einvernahme gebracht würden. Was während der Einvernahmen geschehe, sage er nicht, telefonisch dürfe man nicht über Folter berichten. Die Regierung mache, was sie wolle. Einer der Bruder des Erstbeschwerdeführers, welcher in Tschetschenien verfolgt worden wäre, sei nach Russland gegangen und werde nach Europa flüchten. Er fühle sich nicht sicher. Seine Mutter habe ihm vor zwei Wochen berichtet, dass einer der älteren Brüder des Erstbeschwerdeführers für einen Monat inhaftiert worden wäre, seit circa zwei Wochen wäre dieser wieder frei. Was in dem Monat passiert wäre, sei dem Erstbeschwerdeführer nicht bekannt. Grund seines Antrages sei, dass sein Bruder in Ägypten gewesen wäre. Dieser habe mit dem Erstbeschwerdeführer zusammengelebt und die Leute würden glauben, dass der Erstbeschwerdeführer wüsste, was sein Bruder gemacht hätte; er habe ihm mit Geld geholfen und ihm einen Pass besorgt, damit er nach Ägypten fahren könne. Nach Beweismitteln für jenes Vorbringen gefragt, verwies der Erstbeschwerdeführer darauf, Fotos von seinem Bruder in Ägypten zu haben.

Auf Vorhalt, dass diese Gründe bereits im vorangegangenen Verfahren behandelt worden wären und auf nochmalige Frage nach neuen Gründen, erklärte der Erstbeschwerdeführer, sein Grund wäre, dass seine Familie in Tschetschenien aufgesucht werde und er nicht zurück nach Tschetschenien wolle. Er habe somit alle Fluchtgründe genannt, darüber hinausgehende Gründe gebe es nicht.

Auf Vorhalt der Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat erklärte der Erstbeschwerdeführer, er wisse, was dort passiere und verzichte auf eine Ausfolgung der Länderberichte. Nach Ergänzungen zu seinem Vorbringen gefragt, gab der Erstbeschwerdeführer an, um eine Bleibestatus zu suchen, falls es nicht zum Asylstatus reiche; er wolle hier arbeiten und mit seiner Familie hier bleiben.

Nach Rückübersetzung seiner Angaben gab der Erstbeschwerdeführer Folgendes an und verweigerte im Anschluss eine Unterfertigung des Einvernahmeprotokolls: "Meine Geschichte interessiert sie nicht. Sie mögen religiöse Menschen nicht, aber Homosexuelle mögen sie (AW wird laut). Ich werde wahrscheinlich gefoltert wenn ich zurück muss, ich bin nicht sicher aber es könnte sein. F: Herr (...), ich bilde mir ein Urteil, dass auf rechtlichen Richtlinien aufbaut. Ich achte Sie gleich wie jeden anderen Menschen, dem ich begegnen. A: Machen Sie mir keinen Stress. F: Mache ich Ihnen Stress? A: Ja, Sie haben schon genug Stress gemacht. Sie haben mir einen negativen Bescheid gegeben. Ich gehe nicht zurück."

Die Zweitbeschwerdeführerin verwies auf Frage nach den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung darauf, dass sie wegen des Bruders ihres Mannes Probleme bekommen würden. Auf Vorhalt, dass diese Gründe bereits im vorangegangen Verfahren behandelt worden wären und befragt, ob sie neue Gründe hätte, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dass dies - der Bruder ihres Mannes - all ihre Gründe wären. Ihre Kinder hätten keine individuellen Gründe. Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte auf nochmalige Nachfrage, keine weiteren Gründe zu haben und verzichtete auf die Ausfolgung der seitens der Behörde herangezogenen Länderberichte sowie die Abgabe einer Stellungnahme zu selbigen.

Mit Eingabe vom 15.02.2018 wurde das im Spruch ersichtliche Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden jeweils vom 23.03.2018 wurden die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG jeweils abgewiesen (Spruchpunkte I.), zugleich wurden unter Spruchpunkt II. die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ebenfalls abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die BeschwerdeführerInnen jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkte IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkte VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen wurde jeweils gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien jeweils ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkte VIII.).

Das Bundesamt stellte die Identität der beschwerdeführenden Parteien, deren Staatsangehörigkeit, Religionsbekenntnis und Volksgruppenzugehörigkeit fest. Den angeführten Bescheiden wurden umfangreiche Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation zugrunde gelegt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien ihr Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hätten, eine konkret gegen ihre Person gerichtete Verfolgung habe jeweils nicht glaubhaft gemacht werden können. Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen erwogen, dass sich der geltend gemachte Fluchtgrund als nicht glaubwürdig erwiesen hätte und davon auszugehen sei, dass die beschwerdeführenden Parteien aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa gereist wären und eine fiktive Fluchtgeschichte entwickelt hätten. In den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.10.2017 sei in Übereinstimmung mit dem Bundesamt ausgesprochen worden, dass den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen wäre. Die Stellung der nunmehrigen Folgeanträge habe einzig und alleine der Verzögerung einer Außerlandesbringung gedient. Weder bei der Befragung durch die Polizei, noch bei jener durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, hätten die beschwerdeführenden Parteien neue Gründe vorgebracht.

Auch darüber hinaus habe kein Rückkehrhindernis erkannt werden können, eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sei den beschwerdeführenden Parteien vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Verhältnisse zumutbar. Diese würden jeweils an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leiden, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin würden über einen Schulabschluss und die Möglichkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit verfügen, weshalb ihnen eine eigenständige Bestreitung ihres Lebensunterhalts zumutbar wäre. In der Russischen Föderation würden nach wie vor Angehörige der beschwerdeführenden Parteien leben, welche diese im Bedarfsfall unterstützen könnten.

Eine besondere Integrationsverfestigung der beschwerdeführenden Parteien in Österreich habe nicht festgestellt werden können. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin wären im Bundesgebiet nicht berufstätig, würden über kein Eigentum verfügen, in einer vom Staat zur Verfügung gestellten Unterkunft für Asylwerber leben und sich in Grundversorgung befinden. All ihre Verwandten würden sich nach wie vor im Heimatland aufhalten.

Zur Erlassung des Einreiseverbotes wurde darauf verwiesen, dass die beschwerdeführenden Parteien die gegenständlichen Anträge offensichtlich unbegründet und missbräuchlich gestellt hätten, was jedenfalls eine Gefahr für die öffen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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