Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer über die Beschwerde der UL in Innsbruck, vertreten durch Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 25. März 1999, Zl. I-119/1999, betreffend Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 4 StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 30. September 1998 unter Hinweis auf ihren Wohnsitz in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Dauer von zwei Jahren gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960 und begründete ihr persönliches Interesse an der Erteilung einer solchen mit "Versorgung der Familie" unter Hinweis auf ihre drei Kinder.
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 25. November 1998 wurde der Antrag mit der Begründung abgewiesen, dass am Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin Abstellplätze in ausreichender Zahl vorhanden wären, welche die Beschwerdeführerin anmieten könne. Ebenso seien in unmittelbarer Nähe des Wohnsitzes der Beschwerdeführerin ein Kindergarten und eine Volksschule gelegen, die, wenn die Kinder der Antragstellerin das schulpflichtige Alter erreicht hätten, leichter zu Fuß erreicht werden könnten.
Dagegen brachte die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vor, dass das Vorliegen eines persönlichen Interesses der Beschwerdeführerin unrichtig beurteilt worden sei, da sie angesichts der sie treffenden Aufsichtspflicht über ihre drei Kinder bei nahezu sämtlichen Agenden des täglichen Lebens auf ihr Privatfahrzeug angewiesen sei.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass bei der Frage der Beurteilung des persönlichen Interesses ein strenger Maßstab anzulegen sei. Die restriktive Auslegung der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen erkläre sich auf Grund der äußerst angespannten Parkplatzsituation im Stadtgebiet von Innsbruck. Es verstehe sich daher von selbst, dass die allgemeine Parkraumnot oder die ortsübliche Höhe von Garagenmieten ein persönliches Interesse schlechthin weder beeinflussen noch begründen könnten, sondern der Antragsteller Umstände konkret vorzubringen habe, die ein Urteil darüber ermöglichten, inwieweit ihn die Nichterteilung der Ausnahmebewilligung in seiner persönlichen Interessenslage hart treffen würde. Die Beschwerdeführerin habe zwar angegeben, dass - um ihren Kindern bestmögliche Chancen zu bieten - ein Verzicht auf den eigenen Pkw und die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel "lebensfremd" wären. Dieser Argumentation vermöge sich die belangte Behörde nicht anzuschließen. Vielmehr folge sie den Erhebungen der Erstinstanz, die in ihrer Entscheidung auf die im Hinblick auf die Nahversorgung bestehende gute Erschlossenheit der (hier in Frage kommenden) Parkzone Bezug nehme (Volksschule, Kindergärten, Lebensmittelgeschäfte). Ein berücksichtigungswürdiges persönliches Interesse könne nur in einem Umstand begründet sein, das sich von dem allgemeinen Interesse der Anwohner, ihren Pkw in der Nähe ihres Wohnsitzes parken zu können, maßgeblich unterscheide. Angesichts des strengen Maßstabes bei der Auslegung dieser Gesetzesstelle müsse vor dem Hintergrund der Bewirtschaftung des knappen Parkraumes daher die nahe Verfügbarkeit des Fahrzeuges zur Versorgung der Familie von vornherein, wenn auch als persönliches so aber doch nicht berücksichtigungswürdiges Interesse, ausscheiden. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf ihre finanzielle Situation (Karenz) sei für die Behörde nicht nachvollziehbar, zumal in der Familie der Beschwerdeführerin ein weiteres Kfz zur Verfügung stehe, für welches vom Lebensgefährten der Beschwerdeführerin ein zur Wohnung gehörender Abstellplatz benützt werde. Die ins Treffen geführten wirtschaftlichen Überlegungen, wenn innerhalb einer Familie zwei Kraftfahrzeuge tragbar seien, seien nicht berücksichtigungswürdig. Die Anmietung eines Abstellplatzes in der (hier in Frage stehenden) Wohnanlage erscheine somit zumutbar und, wie das Ermittlungsverfahren der Erstbehörde ergeben habe, laut Auskunft der vermietenden Betreiberfirma auch tatsächlich möglich. Der von der Beschwerdeführerin angeführte Vergleich mit einer anderen Parkzone und mit der Ausstellung von Parkkarten an andere Personen sei nicht zielführend. Wegen der veränderten Parkplatzsituation und der stetig steigenden Anzahl von Kraftfahrzeugen und dadurch knapper werdenden Abstellplätzen sei die Behörde "geradezu verpflichtet", einen strengen Maßstab bei der Ausstellung von "Anwohnerparkkarten" anzusetzen; der Vorwurf der Willkür sei jedenfalls unzutreffend.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Abs. 2 und 4 des § 45 StVO 1960 - in der im Beschwerdefall
anzuwendenden Fassung der 19. StVO-Novelle - haben folgenden
Wortlaut:
"...
(2) In anderen als in Abs. 1 bezeichneten Fällen kann die Behörde Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straßen gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie zB auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert, oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und weder eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, noch wesentliche schädliche Einwirkungen auf die Bevölkerung oder die Umwelt durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe zu erwarten sind.
...
"(4) Eine Bewilligung kann für die in der Verordnung gemäß § 43 Abs. 2a Z. 1 angegebenen Kurzparkzonen auf die Dauer von höchstens zwei Jahren erteilt werden, wenn der Antragsteller in dem gemäß dieser Verordnung umschriebenen Gebiet wohnt und dort auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat und ein persönliches Interesse nachweist, in der Nähe dieses Wohnsitzes zu parken und
1. Zulassungsbesitzer oder Leasingnehmer eines Kraftwagens ist, oder
2. nachweist, dass ihm ein arbeitgebereigener Kraftfahrwagen auch zur Privatnutzung überlassen wird.
..."
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die belangte Behörde habe weder die Einkommenssituation noch die sonstige vermögensrechtliche Situation der Beschwerdeführerin ermittelt. Ihr sei zu dieser Frage auch nicht eine Stellungnahme ermöglicht worden.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
Es kommt nach dem Gesetz darauf an, dass ein "persönliches Interesse" an der Ausnahmebewilligung nachgewiesen wird, also ein Interesse, wonach spezifisch in der Person des Antragstellers gelegene Umstände vorliegen müssen, gerade in der Nähe des Wohnsitzes während der Parkzeitbeschränkung in der Kurzparkzone zu parken, wobei freilich ein solches berücksichtigungswürdiges persönliches Interesse, wie die belangte Behörde zu Recht vertritt, nur in einem Umstand begründet sein kann, der dieses Interesse von den allgemeinen Interessen der Anwohner, ihren PKW in der Nähe des Wohnsitzes zu parken, unterscheidet.
In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Voraussetzungen für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen von Kurzparkzonen nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 einerseits und nach § 45 Abs. 4 StVO 1960 andererseits eine unterschiedliche Wertung trifft: Für eine Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 4 StVO 1960 genügt ein "persönliches Interesse", es muss kein "erhebliches" persönliches Interesse wie nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 sein (vgl. auch den Klammerausdruck in dieser Gesetzesstelle). In ähnlicher Weise unterscheidet sich die geltende Fassung des § 45 Abs. 4 StVO 1960 von jener vor der 19. StVO-Novelle (das persönliche Interesse muss nunmehr kein "erhebliches" sein).
Für den Verwaltungsgerichtshof ist es nicht zweifelhaft, dass an sich in der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Betreuung ihrer drei minderjährigen Kinder und der dabei erforderlichen nahen Verfügbarkeit ihres Fahrzeuges - jedenfalls - ein solches berücksichtigungswürdiges persönliches Interesse gelegen ist. Dies dürfte die belangte Behörde insofern auch richtig erkannt haben, als sie das Vorliegen eines "persönlichen Interesses" bejahte.
Wenn sie dabei jedoch hinzufügte, dieses "persönliche Interesse" sei kein "berücksichtigungswürdiges", so scheint sie dies darin zu sehen, dass ein solches - für sich genommen zu bejahendes - "persönliches Interesse" dennoch nicht gegeben sei, weil es der Beschwerdeführerin zumutbar sei, in angemessener Entfernung einen Abstellplatz zu mieten. Eine nachprüfbare Begründung für diese Auffassung enthält der angefochtene Bescheid jedoch nicht. Es wird nur der nicht nachvollziehbare Schluss gezogen, die ins Treffen geführten wirtschaftlichen Überlegungen (Karenz) seien nicht "berücksichtigungswürdig", wenn innerhalb einer Familie (Lebensgefährte) zwei Kraftfahrzeuge tragbar seien. Eine - unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit vorzunehmende - Relation der Einkommens- und Vermögenssituation der Beschwerdeführerin zu den - die Kosten für eine Ausnahmegenehmigung übersteigenden - Kosten der Anmietung eines Abstellplatzes wird damit jedenfalls nicht hergestellt. Dabei ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass es auf die Einkommens- und Vermögenssituation der Beschwerdeführerin ankommt, nicht aber auf jene ihres Lebensgefährten.
In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass nach § 45 Abs. 4 StVO 1960 den Antragsteller eine "Nachweispflicht" trifft, diese jedoch keine formelle Beweislast des Inhalts begründet, dass die Unterlassung des "Nachweises" durch den Antragsteller den Anspruchsverlust zur Folge hätte. Es obliegt vielmehr auch in diesem Verfahren der Behörde, innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes, freilich unter Mitwirkung des Antragstellers, ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen. Die Wahrnehmung dieser Verpflichtung durch die Behörde setzt aber voraus, dass der Antragsteller - allenfalls nach entsprechender Aufforderung durch die Behörde - solche detaillierten Behauptungen aufstellt, die es der Behörde ermöglichen, zunächst deren rechtliche Relevanz und bei Bejahung deren Richtigkeit zu prüfen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 10. März 1992, Zl. 92/08/0023).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens erfolgte auf Grund überhöht verzeichneten Schriftsatzaufwandes.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 23. Februar 2000
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999030228.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
08.06.2011