Entscheidungsdatum
05.06.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W261 2177164-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. Georg BÜRSTMAYR, Rechtsanwalt in 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz vom 13.10.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.04.2018 zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Gang des Verfahrens:
Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 30.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zusammengefasst an, dass er aus der Provinz Khost stamme. Er sei aus Afghanistan geflohen, weil die Taliban ihn hätten zwangsrekrutieren wollen.
Am 20.09.2017 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz (im Folgenden belangte Behörde). Der BF wiederholte im Wesentlichen seine Angaben zu seiner Person und gab an, dass er mittlerweile Atheist sei. Dafür gebe es viele Gründe, einer davon sei, dass es im Islam Dschihad gebe. Es werde gepredigt, dass Ungläubige umzubringen seien. Er habe hier in Österreich gesehen, dass es gute und warmherzige Menschen seien, deshalb sei er Atheist geworden und habe dem Islam den Rücken gekehrt. Als sein Bruder, der für die Taliban in den Dschihad gezogen sei, im Kampf gestorben sei, hätten die Taliban versucht, den BF zu rekrutieren. Sein Bruder sei radikal gewesen, daher hätten die Taliban angenommen, dass auch der BF bereit sei, an seiner Stelle in den Dschihad zu ziehen.
Der BF legte in weiterer Folge mit Eingabe vom 28.09.2017 eine Reihe von Integrationsunterlagen vor, und führte ergänzend zu seiner Abkehr vom islamischen Glauben aus, dass er bereits als Kind in der Madressa/Koranschule Widerstand gegen den Islam verspürt habe. Die Bedrohung, die er aufgrund des Abfalles vom Glauben in Afghanistan zu befürchten habe, sei sein Hauptfluchtgrund.
Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass es dem BF nicht gelungen sei, die vorgebrachten Fluchtgründe glaubhaft und in sich schlüssig dazulegen. Dem BF sei es als Paschtune, der sich auf den Ehrenkodex der Paschtunen berufen könne, und dessen Familienangehörige noch in Khost leben würden, zuzumuten, nach Afghanistan zurückzukehren, daher sei ihm kein subsidiärer Schutz zu gewähren. Er sei arbeitsfähig, im erwerbsfähigen Alter und gesund. Er habe weder Familie in Österreich noch ein nennenswertes Privatleben.
Mit Verfahrensanordnung vom 13.10.2017 stellte die belangte Behörde dem BF den Rechtsberater Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite. Mit weiteren Verfahrensordnungen vom selben Tag informierte die belangte Behörde den BF, dass er verpflichtet sei, auszureisen und ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
Der BF erhob, bevollmächtigt vertreten durch Mag. Georg BÜRSTMAYER, Rechtsanwalt in 1090 Wien, gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang und führte in dieser zu seinem Antrag auf internationalen Schutz zusammengefasst aus, dass der BF aufgrund einer befürchteten Zwangsrekrutierung der Taliban habe fliehen müssen. Die Bescheidbegründung sei mangelhaft geblieben, insbesondere habe sich die belangte Behörde nicht hinreichend mit dem geltend gemachten Fluchtgrund der Abkehr vom Islam und der atheistischen (Glaubens-) Überzeugung auseinandergesetzt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (in der Folge VwGH) komme es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung der Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln sei. Der BF sei regelmäßig mit afghanischen Mitbewohnern in Konflikt gekommen, da er weder bete noch eine Moschee besuche. Er habe seine atheistische Überzeugung offen bekundet. Er trinke auch ab und zu Alkohol, was ebenso wie seine kommunizierte Abkehr vom Islam im Oktober 2016 zu einem Streit mit seinen damaligen Mitbewohnern geführt habe. Er habe deshalb das Quartier wechseln müssen, was Zeugen bestätigen würden. Hinsichtlich der drohenden Zwangsrekrutierung durch die Taliban habe die belangte Behörde außer Acht gelassen, dass die Taliban nach näher zitierten Länderinformationen eine Mischung aus Zwang und Kooption anwenden würden. Es erscheine daher plausibel und glaubhaft, was der BF vorgebracht habe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem BF internationaler Schutz zu gewähren sei. Hinsichtlich der Apostasie bestehe jedenfalls keine innerstaatliche Fluchtalternative.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 17.11.2017 dem BVwG zur Entscheidung vor, wo dieser am 20.11.2017 einlangte. Mit gleichem Schreiben teilte die belangte Behörde mit, dass auf die Durchführung und Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet werde, und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.04.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in welcher der BF persönlich in Begleitung seines anwaltlichen Vertreters sowie der Zeugen XXXX und XXXX erschien.
Der BF wiederholte im Wesentlichen die bereits in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde vorgebrachten Fluchtgründe und führte aus, dass er sich bereits in Afghanistan im Alter von ca. acht Jahren damit befasst habe, sich vom islamischen Glauben abzuwenden. Der BF legte weitere Integrationsunterlagen vor, unter anderem ein Zertifikat für die erfolgreiche Ablegung der Deutschprüfung auf Niveau B1. Die einvernommenen Zeugen bestätigten, dass der BF wegen seiner offen gelebten Abkehr vom Islam in einer früheren Unterkunft Probleme mit Mitbewohnern gehabt habe, welche ihn bedroht hätten, weswegen er das Quartier habe wechseln müssen. Er bete und faste nicht und spreche offen aus, dass er nicht gläubig sei.
Das BVwG legte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung das aktualisierte Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, einen Auszug aus den UNHCR Richtlinien vom 19.04.2016 zur Internen Fluchtalternative, eine ACCORD Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 unter anderem zum Thema Abkehr vom Islam und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017 unter anderem zum Thema "Abtrünnige" vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Das BVwG übermittelte die Niederschrift der mündlichen Beschwerdeverhandlung am selben Tag auch an die belangte Behörde, mit dem Hinweis, dass eine Stellungnahme innerhalb der genannten Frist abgegeben werden könne.
Der BF übermittelte, bevollmächtigt vertreten durch Mag. Georg BÜRSTMAYER, Rechtsanwalt in 1090 Wien, mit Eingabe vom 02.05.2018 eine schriftliche Stellungnahme. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung glaubhaft dargetan habe, dass er vom Islam abgefallen sei. Dies sei auch von den zwei einvernommenen Zeugen bestätigt worden. Damit würde ihm in seinem Heimatstaat eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens in Folge willkürlicher Gewalt drohen. Der BF legte ein Sachverständigengutachten von Frederike Stahlmann für das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 28.03.2018 vor, wonach es dem BF nicht möglich sei, sich der in Afghanistan herrschenden Gewalt zu entziehen. Es bestehe ein "real risk" einer Verletzung von Art 2 und 3 ERMK, weswegen eine Rückkehrentscheidung unzulässig sei und dem BF zumindest jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Es werde beantragt, die gegenständliche Stellungnahme samt dem genannten Sachverständigengutachten an die belangte Behörde zu übermitteln, und diese aufzufordern, ein Vorbringen hierzu zu erstatten. Allenfalls sei eine weitere mündliche Verhandlung anzuberaumen, um dieses Sachverständigengutachten zu erörtern. Schließlich werde beantragt, Fredericke Stahlmann als nichtamtliche Sachverständige zu bestellen, und eine allenfalls mündliche Ergänzung oder Präzisierung des Gutachtens vornehmen zu lassen.
Das BVwG übermittelte die Stellungnahme des BF samt Hinweis (Link) zum vorgelegten Sachverständigengutachten mit Emailnachricht vom 09.05.2018 an die belangte Behörde.
Die belangte Behörde erstattete weder zur Niederschrift der mündlichen Beschwerdeverhandlung noch zur Stellungnahme des BF vom 02.05.2018 eine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
o Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF führt den Namen XXXX und wurde am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX geboren. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und zugehörig zur Volksgruppe der Paschtunen. Er gehört zum Stamm der XXXX . Die Muttersprache des BF ist Paschtu.
Der BF ist in Afghanistan als schiitischer Moslem aufgewachsen, hat sich mittlerweile vom Islam abgewendet und ist Atheist.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF lebte gemeinsam mit seiner Familie, welche aus seinem Vater, XXXX , seiner Mutter, XXXX und seinem bereits verstorbenen Bruder, XXXX in einem eigenen Haus im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX . Die Familie lebte von der familieneigenen Landwirtschaft, wozu drei bis vier Jirib Grundstücke und 15 Kühe zählen. Die finanzielle Lage der Familie des BF ist gut.
Es kann nicht festgestellt werden, ob der BF noch Kontakt zu seiner Familie hat.
Der Großvater des BF war ein Mujaheddin. Die Familie des BF unterstützt grundsätzlich die Taliban und ist im Heimatdorf des BF sehr respektiert.
Der BF selbst war in Afghanistan nie politisch tätig und ist dort strafrechtlich unbescholten.
Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Er lebt in einer privaten Unterkunft mit familiären Anschluss. Er hat österreichische Freunde.
Er besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau B1 und ist in der Lage, sich in Deutsch zu verständigen.
Der BF war Mitglied im Laufclub XXXX und nahm regelmäßig am Training und an Laufveranstaltungen teil.
Der BF arbeitet für mehrere Personen ehrenamtlich und war im Rahmen der gesetzlichen Beschäftigungsbewilligung im Jahr 2016 als Fachkraft für den Bauhof der Gemeinde XXXX tätig.
Der BF musste im November 2016 aufgrund von Beschimpfungen und Bedrohungen durch Mitbewohner wegen seiner inneren Einstellung zum Islam seine Unterkunft wechseln.
Der BF verfügt über eine Einstellungszusage als Arbeiter in der Bauindustrie und im Baugewerbe der Firma XXXX Bau GmbH.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der BF stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 30.08.2015.
o Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Bruder des BF, XXXX , schloss sich freiwillig den Taliban an, um mit diesen in den Dschihad zu ziehen. Der Bruder des BF ist ca. sieben Jahre vor der Ausreise des BF aus Afghanistan, dh ca. im Jahr 2007, im Kampf mit den Taliban gefallen.
Die Taliban traten ca. sechs Jahre nach dem Tod des Bruders des BF an dessen Vater in der örtlichen Moschee heran und forderten ihn auf, dafür zu sorgen, dass sich sein Sohn, der BF, auch dem Dschihad anschließt. Der BF besuchte in weiterer Folge ca. ein Jahr lang nicht die Moschee, wobei sein Vater und er die Ausrede gebrauchten, dass sich der BF um seine kranke Mutter kümmern müsse. Nachdem die Taliban vorerst bloß beim Vater anfragten, ob sich nicht auch der BF - wie sein verstorbener Bruder - den Taliban anschließen will, steigerten diese in weiterer Folge den Druck auf den Vater des BF, bis dieser schließlich bedroht und geschlagen wurde. Der BF weigerte sich, dieser Aufforderung nachzukommen, weswegen sein Vater ihm die Flucht ermöglichte.
Der BF hat damit die Zusammenarbeit mit den Taliban verweigert und ist in das Visier der Taliban gekommen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan läuft er Gefahr, von diesen aufgrund der den Taliban gegenüber unterstellten politischen Gesinnung angegriffen zu werden. Die staatlichen Behörden können dem BF im konkreten Fall in seiner Heimatprovinz Khost keinen hinreichenden Schutz vor dieser Bedrohung durch die Taliban bieten.
Der BF ist Atheist und würde sich im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht wieder zum muslimischen Glauben bekennen und diesen auch nicht wieder ausüben.
Der BF wäre in Afghanistan als Apostat, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt. Der Abfall vom Islam wird in Afghanistan als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen und gilt als schwerer Verstoß gegen das Werteverständnis der afghanischen Gesellschaft.
Wegen seines Abfalls vom muslimischen Glauben und des Schari'a-widrigen Verhaltens drohen dem BF daher grundlegende Beeinträchtigungen seiner Menschenrechte, wenn nicht sogar der Tod von radikalislamischen Personen, wobei der afghanische Staat nicht willens, zumindest aber nicht fähig ist, den BF insoweit vor den drohenden Repressionen, verursacht durch die Ausübung der Religionsfreiheit zu schützen, sofern er nicht sogar vom afghanischen Staat selbst wegen seiner Apostasie asylrelevant verfolgt werden würde.
Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative nicht zur Verfügung.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der aktualisierten Fassung vom 03.01.2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
"...
3. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).
...
Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).
Rebellengruppen
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).
Taliban und ihre Offensive
Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).
Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).
Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).
Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:
The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).
...
3.17 Khost
Die Provinz Khost liegt in Südostafghanistan. Im Norden und Süden grenzt sie an die Provinz Paktia und im Osten an die Durandlinie Nordwaziristans. Die Provinz hat folgende administrative Einheiten, Shamal, Maton und Laknu, und folgende Distrikte Sapiri, Dwa Manda, Nader Shah Kot, Ismail Khail, Mandozai, Tani, Garbaz, Alisher, Sabari, Baak, Zazai Maidan, Musa Khail und Qalandar (Pajhwok o.D.d). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 584.075 geschätzt (CSO 2016).
...
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Khost 441 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die Provinz ist von großer strategischer Wichtigkeit, aufgrund einer langen und porösen Grenze zu Nordwaziristan und der Kurram Agency in Pakistan, welche als sicherer Hafen für den grenzübergreifenden Aufstand gesehen werden (Vertrauliche Quelle 23.11.2015).
Bei einem Besuch in Paktia, unterstrich der Gouverneur von Khost die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, um die Sicherheitslage zu verbessern und Stammesdispute zu lösen. Die Beseitigung von Stammesdisputen in beiden Provinzen, würde die Sicherheitslage in der Region verbessern und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung wiederherstellen. Sicherheits- und Verteidigungsbeamte, Mitglieder des Provinzrates, Stammesälteste und andere Beamte der Provinzen Khost und Paktia, diskutierten über eine verbesserte Kooperation und Koordination bei der Bekämpfung von Verbrechen (Pajhwok 2.2.2017).
Das Haqqani Netzwerk operiert in der Provinz Khost (CRS 12.1.2017). Im Rahmen von zwei separaten Militäroperationen wurden 31 Mitglieder des Haqqani Netzwerkes verhaftet, dabei wurden unter anderem Waffen, Munition und Granaten sowie Fahrzeuge usw. konfisziert (Khaama Press 18.1.2017). Im Rahmen eines Luftangriffes wurde ein hochrangiger Führer des Haqqani Netzwerkes - Badshah Khan - gemeinsam mit anderen Führern getötet (Khaama Press 16.2.2017).
In der Provinz werden Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 4.2.2017; Tolonews 10.1.2017; Khaama Press 18.1.2017). Aufständische werden aus der Luft angegriffen (The Tribune 4.2.2017; ICT 1.10.2016), dabei werden Taliban getötet (ICT 1.1.02016); unter anderem auch hochrangige Talibanführer (The Tribune 4.2.2017).
Zu Zusammenstößen kam es zwischen Aufständischen und pakistanischen Sicherheitskräften. Für pakistanische Sicherheitskräfte ist es nicht ungewöhnlich bei Razzien in afghanischem Territorium zu operieren. Die Gebiete um die Grenzgegenden sind größtenteils unter Kontrolle der Taliban Milizen (Lima Charlie News 12.2.2017).
Aufgrund von militärischen Operationen in Pakistan im Jahr 2014 flohen Menschen auf der Suche nach Schutz nach Khost. UNHCR zufolge, haben sich rund 291.800 Menschen im Gulan Camp im Distrikt Gurboz niedergelassen. Die Menschen sind derzeit dabei, nach Pakistan zurückzukehren (The Express Tribune 30.1.2017).
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5. Sicherheitsbehörden
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Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).
Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere
30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).
Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).
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14. Todessstrafe
Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen. Es gibt ein Präsidialdekret aus dem Jahre 1992, welches die Anwendung der Todesstrafe auf fünf Deliktarten einschränkt: (vorsätzlicher) Mord, Genozid, Sprengstoffattentate (i.V.m. Mord), Straßenräuberei (i.V.m. Mord) und Angriffe gegen die territoriale Integrität Afghanistans. Dieses Präsidialdekret wurde allerdings in jüngster Zeit nicht beachtet. Unter dem Einfluss der Scharia droht die Todesstrafe auch bei anderen "Delikten" (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen bzw. bestätigt und kann nur mit Zustimmung des Präsidenten vollstreckt werden. Die Todesstrafe wird durch Erhängen vollstreckt. In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig wahrgenommenen Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können (AA 9.2016).
Im Jahr 2015 wurde die Todesstrafe weiterhin verhängt - oft nach unfairen Verfahren. Die von Präsident Ghani im Jahr 2014 angeordnete Überprüfung von fast 400 noch nicht vollstreckten Todesurteilen war Ende 2015 noch nicht abgeschlossen (AI 24.2.2016).
Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hatte und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, die eine Umwandlung von Todesstrafen in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, werden weiter Todesurteile vollstreckt. Im Mai 2016 fand die Hinrichtung von sechs verurteilten Terroristen statt. Die Vollstreckung der bereits rechtskräftigen Todesurteile war Teil einer von Präsident Ghani angekündigten härteren Politik im Kampf gegen Aufständische und folgte als Reaktion auf öffentliche Vergeltungsrufe nach einem schweren Taliban-Anschlag. Zuvor wurden 2014 und 2012 sechs bzw. 16 Todesstrafen verurteilter Straftäter vollstreckt (AA 9.2016).
...
15. Religionsfreiheit
Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:
CSR 8.11.2016).
Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).
Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).
Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9.2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).
Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).
Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).
..."
Weiters wird die Arbeitsübersetzung "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 als entscheidungsrelevant festgestellt. Demnach haben "die Taliban eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten":
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e) Personen, die gegen die Shari'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und die Regeln der Taliban verstoßen;
k) Personen jeder Art, die die Taliban in irgendeiner Weise für nützlich oder notwendig für ihre Kriegsführung erachten, die die Zusammenarbeit verweigern.
...
Außer den Personen der oben genannten Kategorien a), d), e) und k) bieten die Taliban allen Personen, die sich fehlverhalten die Chance, Reue und Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Personen der Kategorien a), d), e) und k) haben allein schon durch die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie, Verbrechen begangen, im Gegensatz zu einer Tätigkeit als Auftragnehmer.
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In der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. ...
Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste in Kabul über
1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben.
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Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden.
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Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.
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Die Taliban behaupten jedoch, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.
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5. Die Regeln der Taliban
Genauso wie Selbstmordattentate und Minen waren auch die gezielten Morde an Zivilisten bei den Taliban umstritten, denn einige waren dagegen, gegen Lehrer, Ärzte, Ingenieure etc. vorzugehen. Obwohl ehemalige Taliban oft wehmütig der mythischen ersten Jahre des Aufstandes gedenken, einer Zeit in der Zurückhaltung und Rechtsstaatlichkeit bei den Taliban herrschte und die endete als die alten Führer einer nach dem anderen getötet oder verhaftet wurden, waren die gezielten Tötungen 2005-2010 im Süden Afghanistans am intensivsten, obwohl die Taliban damals eine wesentlich kleinere Gruppe waren. Die gezielten Tötungen waren in Kandahar besonders schlimm als Hunderte von Ältesten umgebracht wurden. Nach einer ersten Welle der Gewalt, kam es nur noch relativ selten zu willkürlichen Tötungen von Spionageverdächtigen und Regierungskollaborateuren, da sich nur wenige Dorfbewohner trauten, den Taliban entgegenzutreten. Viele Älteste hatten Schwierigkeiten, sich an spezielle Gewaltakte ab 2014-16 zu erinnern.
In dem Maße, in dem das System der Taliban Gestalt annahm und ihre Verhaltenskodizes ausgefeilter wurden, wurden auch Regeln eingeführt, die vorschrieben, dass die Taliban Kollaborateure mindestens zweimal warnen mussten, bevor sie gegen sie vorgingen. Dieses Verfahren galt wohl ab 2009 oder 2010. Von der Regel ausgenommen sind lediglich "schlimme Kriminelle", wie führende Persönlichkeiten in der Regierung. Daher gilt folgendes Verfahren für das Vorgehen gegen einen bestimmten Kollaborateur:
1. Person identifizieren;
2. Kontaktdaten herausfinden (Adresse oder Telefonnummer);
3. Person mindestens zweimal warnen;
4. verhören und vor Taliban-Gerichte stellen;
5. Person auf die schwarze Liste setzen, wenn sie sich weigert, den Anordnungen der Taliban Folge zu leisten;
6. Günstige Gelegenheit abwarten, um zuzuschlagen.
Teil 4 wird ausgesetzt, wenn die Umstände Verhöre oder Inhaftierung nicht zulassen. So können die Taliban zum Beispiel in der Stadt Kabul normalerweise keine Verdächtigen oder Täter festnehmen, daher gibt es die beiden Alternativen, die Verdächtigen zu überwachen, bis sie Kabul verlassen und sie dann festzunehmen (die Taliban behaupten, 2015/16 350 solcher Festnahmen durchgeführt zu haben) oder die Mordkommandos zum Einsatz zu bringen, ohne den Umweg über ein Gerichtsverfahren.
Die praktische Durchführung von Abschnitt 6 (s.o.) hängt normalerweise von den Fähigkeiten des lokalen Verfolgungsteams ab, dessen Arbeitsauslastung und dem mit der Vollstreckung des 'Urteils' verbundenen Risiko. Eine geschützte Zielperson bzw. eine in einem Gebiet, das von den Behörden stark bewacht wird, könnte zwar für die Taliban wichtig sein, bei ihrer Liquidierung bestünde aber andererseits auch ein hohes Risiko, dass das Mordkommando die Operation nicht überlebt. Eine weniger wichtige Zielperson, die in einem leicht zugänglichen Gebiet mit guten Fluchtmöglichkeiten wohnt, könnte von den Taliban eher liquidiert werden, als eine bedeutendere, die besser geschützt ist. Die Nachrichtendienste der Taliban geben ihre Listen der Verdächtigen an die Militär-Kommission (im Falle der Quetta Shura, an den Schattengouverneur; im Falle der Miran Shah Shura an den Provinzverteter des Haqqani-Netzes) weiter, die dann darüber entscheidet, welche von diesen Personen auf die schwarze Liste gesetzt werden. Jeder nachrichtendienstlichen Abteilung in den Provinzen ist ein Team (Istakhbarati Karwan) zugeordnet, das in Absprache mit der Militär-Kommission Kollaborateure verfolgt. In den meisten Provinzen besteht das Team aus 20 Mitgliedern, ist aber an Orten wie Kabul größer. Die meisten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verfolgung einer Zielperson werden von den Karwan ausgeführt, weitere Gefahr droht ihnen jedoch durch die Kontrollstellen der Taliban und deren Patrouillen in den Dörfern, die jeweils über Auszüge der Liste der Zielpersonen verfügen.
Obwohl die politische Führung der Taliban anscheinend großen Wert auf die von ihr eingeführten Regeln legt und will, dass sie eingehalten werden, geben die meisten Taliban zu, dass es immer noch willkürliche Hinrichtungen gibt. Gelegentlich nehmen die Taliban Hinrichtungen aus Wut wegen Luft- und Nachtangriffen auf sie vor. Da er nichts dagegen unternehmen kann, könnte ein Taliban-Kommandant einige der Dorfbewohner zu Sündenböcken machen, insbesondere, wenn man sie sowieso schon in Verdacht hatte, den Taliban gegenüber nicht loyal zu sein. Außerdem leidet die Informationsbeschaffung der Taliban, genau wie die ihrer Gegner - der afghanischen Regierung und der ISAF - unter Falschinformationen, die durch Fehden oder Vendetten motiviert sind.
Gelegentlich werden auch Familienangehörige zu Zielpersonen; es scheint, dass die Taliban diese Aktionen eingeschränkt haben, nachdem die Polizei und die Miliz als Vergeltungsmaßnahme die Familienangehörigen der Taliban verfolgten.
Zumindest teilweise hat das Justizsystem der Taliban den Zweck, deutlich zu machen, dass ihre Bewegung einen Schattenstaat darstellt. Es liegt den Taliban daher viel daran, die Kontinuität zwischen der aktuellen Bewegung von Aufständischen und dem Taliban-Emirat von 1996-2001 zu betonen; tatsächlich bezeichnen sich die Taliban selbst immer noch als das Islamische Emirat Afghanistan. Daher gelten alle Urteile, die die Taliban für jegliches Verbrechen einmal gesprochen haben, immer noch weiter, einschließlich derer, die vor dem Fall des Emirates ergingen. Tatsächlich befinden sich, laut den Taliban-Quellen, auf der 15.000 Personen umfassenden schwarzen Liste, immer noch 3.000, die zu Zeiten des Emirats verurteilt wurden (die Gerichtsunterlagen wurden nach Pakistan geschafft, als das Emirat fiel). Es ist naheliegend, dass diejenigen, die den Urteilen der Taliban damals entgingen, sich im Ausland aufhielten, daher wurden recht viele dieser Personen (ca. 200) von den Taliban erst 2002-2016 gefasst.
Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.
..."
Weiters wird der folgender Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017 zum Thema: Afghanistan, Christen, Konvertiten und Abtrünnige als entscheidungswesentlich festgestellt:
"...
6. Gibt es Berichte zu Personen, die vom Islam abgefallen sind, sowie deren Behandlung in Afghanistan?
Es gibt fast keine öffentlichen Vorfälle zu der Behandlung von Abtrünnigen, da Abtrünnige in den meisten Fällen - gleich wie Christen - sich nicht öffentlich zu ihrem Glauben bekennen; nichtsdestotrotz gibt es Berichte, dass sie in sozialen Medien ihrem Glauben Ausdruck verliehen haben.
7. Gibt es Berichte zu deren gesellschaftlicher Behandlung? Allgemeine Situation dieser Personen?
Es gibt fast keine öffentlichen Vorfälle, um zu evaluieren, wie sie [Anm.: Abtrünnige] von der Gesellschaft behandelt werden. Aber es ist offensichtlich, dass, sollten sie ihrer Meinung kundtun und sich auf Diskussionen einlassen, um ihren abtrünnigen Glauben vergleichend mit dem Islam zu verteidigen, sie von der Gesellschaft schlecht behandelt werden.
8. Gibt es Berichte zu staatlicher Behandlung?
Sofern sie sich nicht auf Diskussionen einlassen, die den/ihren Glauben betreffen, welche zu sozialen Unruhen führen, werden staatliche Behörden keine Maßnahmen gegen sie setzen. Sollten sie aber soziale Probleme hervorrufen, indem sie sich auf Diskussionen einlassen, um ihren Abfall vom Glauben zu unterstützen, so werden die staatlichen Behörden ihnen das nicht erlauben und sie belangen.
8. a Gibt es Berichte zu Verhaftungen? Gibt es Berichte zu Behandlung in Haftanstalten?
In Haftanstalten können Behörden [Anm.: Staatsbedienstete] sie nicht schlechter behandeln und tun es auch nicht; aber sollten Abtrünnige mit anderen Häftlingen leben, würden andere Häftlinge schlechte Absichten gegen sie hegen und es gäbe die Möglichkeit Schikane durch andere Häftlinge. Nichtsdestotrotz gibt es keine Berichte zu solchen Vorfällen.
9. Zugang von Abtrünnigen zu staatlichen Leistungen
Ja, sie haben Zugang; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken. Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen.
..."
Schließlich wird der Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, Kapitel "Interne Schutzalternative" als entscheidungswesentlich wir folgt festgestellt:
"Interne Schutzalternative
Die Prüfung, ob eine interne Schutzalternative gegeben ist, erfordert eine Prüfung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative. Eine interne Schutzalternative ist nur dann relevant, wenn das für diesen Zweck vorgeschlagene Gebiet praktisch, sicher und legal erreichbar ist, und wenn die betreffende Person in diesem Gebiet nicht einem weiteren Risiko von Verfolgung oder ernsthaftem Schaden ausgesetzt ist. Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:
(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und
(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.
Wenn Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung haben, die vom Staat oder seinen Akteuren ausgeht, so gilt die Vermutung, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative für Gebiete unter staatlicher Kontrolle nicht relevant ist. Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen.
UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.
Wenn der Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung durch einen nichtstaatlichen Akteur hat, müssen die Möglichkeit des Akteurs, den Antragsteller auf dem vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet zu verfolgen, und die Fähigkeit des Staates, Schutz in diesem Gebiet zu bieten, geprüft werden. Wenn die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften ausgeht, müssen Nachweise hinsichtlich der Fähigkeit dieses Akteurs, Angriffe in Gebieten außerhalb des von ihm kontrollierten Gebiets durchzuführen, berücksichtigt werden.
..."
2. Beweiswürdigung:
o Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zum Namen, Geburtsdatum und zum Geburtsort, zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Herkunft, zu seiner Familie und Stammeszugehörigkeit, zu den Lebensumständen in seinem Heimatstaat, zu den Deutschkenntnissen, zur Integration des BF, zu seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten, seiner Tätigkeit im Rahmen der Beschäftigungsbewilligung für die XXXX und zu seiner Arbeitsplatzzusage beruhen auf dem Inhalt der vorgelegten Schriftstücke, sowie den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im gesamten Verfahren, insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 17.04.2018 vor dem BVwG.
Im Übrigen ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des BF Zweifel aufkommen ließ.
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. Die Feststellung zur Antragstellung ergibt sich aus dem Akt.
o Zu den Feststellungen den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Das ursprüngliche Vorbringen des BF hinsichtlich des konkreten Anlasses des Verlassens des Herkunftslandes, genauer der drohenden Zwangsrekrutierung durch die Taliban, wird vom erkennenden Gericht - entgegen den Ausführungen im Bescheid der belangten Behörde - als in sich schlüssig, nachvollziehbar und in Summe als glaubhaft angesehen. Der BF zeigte sich in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG offen und bemüht, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken und vermittelte insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck. Das diesbezügliche Vorbringen des BF im Verlauf des Verfahrens ist schlüssig, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan plausibel, hinreichend substantiiert, angereichert mit lebensnahen Details sowie im Einklang mit den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten. Der BF zeichnete insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 17.04.2018 in seinen Aussagen und seinem Antwortverhalten, das auch authentisch wirkende Emotionen zeigte, ein glaubhaftes Bild der geschilderten Vorfälle und vermittelte den Eindruck, die dargestellten Ereignisse tatsächlich erlebt zu haben. Für die Glaubhaftigkeit der Aussagen des BF spricht auch, dass er während des gesamten Verfahrens in etwa die gleichen Angaben machte, und vor allem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 17.04.2018 sein Fluchtvorbringen zwar detaillierter ausführte, jedoch nicht übersteigerte. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde konnte der BF allfällige Widersprüche zu seinen Ausführungen in der Erstbefragung plausibel erklären.
Demnach stammt der BF, der ein Mitglied des Stammes der XXXX ist, aus einer einflussreichen Familie, welche durchaus Sympathien für die Taliban hat. Der Großvater des BF war ein Mujaheddin, sein eigener älterer Bruder schloss sich freiwillig den Taliban an, und starb im Kampf für diese. Es ist - auch im Lichte der Länderinformationen - naheliegend, dass die Taliban auch Jahre nach dem Tod des Bruders des BF versuchen, in Familien, von denen sie - wie im Falle der Familie des BF - annehmen können, dass sie von diesen unterstützt werden, versuchen, junge Burschen für den Dschihad zu rekrutieren. Es deckt sich auch mit amtsbekannten Informationen über die Taliban, dass diese zuerst probieren, eine Rekrutierung durch Gespräche herbeizuführen. Es ist glaubhaft, dass der BF versuchte, sich dieser Rekrutierung durch das Nichtbesuchen der Moschee unter Verwendung von Ausreden zu entziehen. Schlüssig ist auch, dass nachdem der Druck auf seinen Vater als Familienoberhaupt immer größer wurde, und der BF sich den Taliban nicht anschließen wollte, ihm sein Vater die Flucht ermöglichte.
Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid erachtet das erkennende Gericht die vom BF geschilderte Bedrohung seiner Person durch die Taliban in Gesamtschau aus seinen Angaben mit den im Verfahren eingebrachten Länderberichten als glaubhaft. Damit ist der BF, der den Taliban persönlich bekannt ist, in deren Visier geraten, indem er sich einer Zusammenarbeit mit diesen durch seine Flucht entzog. Wie der BF selbst ausführt, ist es den staatlichen Behörden in Afghanistan nicht möglich, diesen vor dieser Bedrohung durch die Taliban zu schützen.
Die