Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z23;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/19/0189 Ra 2018/19/0188Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache 1. der N R,
2. des H S, 3. der H R, alle vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG, in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. November 2017,
1) W191 1438139-3/6E, 2) W191 1438138-3/6E und 3) W191 2109542- 2/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind traditionell verheiratet, die Drittrevisionswerberin ist deren minderjährige Tochter. Die erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien, alle indische Staatsangehörige, stellten erstmals am 22. Juli 2013 Anträge auf internationalen Schutz.
2 Als Begründung brachten sie vor, die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber würden verschiedenen Religionen angehören, weshalb ihre Familien gegen ihre Beziehung gewesen seien und sie von diesen bedroht und verfolgt würden.
3 Das Bundesasylamt (BAA) wies die Anträge mit Bescheiden vom 12. September 2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab und verfügte die Ausweisung nach Indien.
4 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit rechtskräftig gewordenen Erkenntnissen vom 17. April 2014 als unbegründet ab. Hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidungen wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen.
5 Mit Bescheiden des BFA vom 14. September 2014 wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt.
6 Die dagegen gerichteten Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des BVwG vom 4. Dezember 2014 als unbegründet abgewiesen.
7 Den Antrag auf internationalen Schutz vom 12. Mai 2015 der nunmehr in Österreich geborenen Drittrevisionswerberin wies das BFA mit Bescheid vom 16. Juni 2015 vollinhaltlich ab.
8 Mit Erkenntnis des BVwG wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit ebenso rechtskräftig gewordenen Erkenntnis vom 14. September 2015 abgewiesen.
9 Am 15. April 2016 stellten die revisionswerbenden Parteien einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Zweitrevisionswerber brachte als Begründung vor, dass es in Indien einen Machtwechsel gegeben habe. Die neue Regierung, die BJP Partei, sei "nur für die Hindu-Religion gut und richte sich gegen die anderen Religionen." Er habe aber keine persönlichen Probleme aufgrund der neuen Regierung. Die Erstrevisionswerberin gab an, dass niemand ihre Tochter in Indien akzeptieren würde, da sie und der Zweitrevisionswerber gegen den Willen der Familie geheiratet hätten.
10 Das BFA wies die Folgeanträge mit Bescheiden vom 4. Mai 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte den revisionswerbenden Parteien keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt.
11 Mit den gegenständlichen Erkenntnissen hat das BVwG die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden und gemäß § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht, und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Zur Zulässigkeit bringen die revisionswerbenden Parteien unter anderem vor, dass entgegen der Rechtsansicht des BVwG keine entschiedene Rechtssache vorliege. Das neue Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, wonach es im Herkunftsstaat einen Machtwechsel gegeben habe, habe keine Berücksichtigung in der Entscheidung des BVwG gefunden und wäre im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu hinterfragen gewesen.
14 Damit zeigen die Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen hg. Judikatur, dass nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen -
berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 25.2.2016, Ra 2015/19/0267, mit Hinweis auf die grundlegenden Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 19.2.2009, 2008/01/0344).
18 Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0198).
19 Der Beurteilung des BVwG, wonach im Folgeantrag kein neuer Sachverhalt behauptet worden sei und die maßgeblichen Fluchtgründe sich seit der ersten Asylantragstellung nicht verändert hätten, hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen. Insbesondere ist vor dem Hintergrund des sehr vage gehaltenen Vorbringens des Zweitrevisionswerbers im Folgeantrag, wonach "es einen Machtwechsel gab und die neue Regierung, nämlich die BJP, nur für Hindus gut ist, sie ist gegen die anderen Religionen" kein substanziiertes Vorbringen im Sinne einer Sachverhaltsänderung erkennbar, dem rechtliche Relevanz zukommen würde.
20 Dass das BVwG fallbezogen durch das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre, ist nicht zu erkennen (vgl. VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018).
21 Entgegen der Behauptung der revisionswerbenden Parteien nahm das BVwG keine inhaltliche Prüfung des Vorbringens vor. Gegenstand der Prüfung des BVwG war vielmehr, ob eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorlag.
22 Soweit die revisionswerbenden Parteien darauf hinweisen, dass sie nachvollziehbar dargelegt hätten, dass im Fall der Rückkehr nach Indien mit Sanktionen seitens der Regierung und durch ihre Familien zu rechnen sei, übersehen sie, dass diesem Vorbringen bereits rechtskräftig die Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde.
23 Zum Einwand der revisionswerbenden Parteien gegen die in den angefochtenen Erkenntnissen vorgenommene Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK ist festzuhalten, dass es sich bei dieser nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - wenn sie, wie hier der Fall, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgte - um eine Einzelfallentscheidung handelt, welche grundsätzlich nicht revisibel ist (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0077). Die Revision zeigt nicht auf, dass das angefochtene Erkenntnis an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde.
24 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. Mai 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190187.L00Im RIS seit
20.06.2018Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018