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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32003L0086 Familienzusammenführung-RL;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/19/0043 Ra 2018/19/0044 Ra 2018/19/0045 Ra 2018/19/0049 Ra 2018/19/0047 Ra 2018/19/0048 Ra 2018/19/0046Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache 1. des M A,
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der N A, 3. des I A, 4. des M A, 5. des H A, 6. des H A,
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des A A und 8. der I A, alle vertreten durch Mag. Wolfgang Renzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 26/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2017, W240 2167032-1/2E, W240 2166407-1/2E, W240 2167028-1/2E, W240 2167030-1/2E, W240 2167029-1/2E, W240 2167027-1/2E, W240 2167026-1/2E und W240 2167025-1/2E, betreffend Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichisches Generalkonsulat Istanbul), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Die weiteren revisionswerbenden Parteien sind ihre minderjährigen Kinder. Sie alle sind syrische Staatsangehörige. Einem weiteren am 1. Jänner 1999 geborenen Sohn der Erstrevisionswerberin und des Zweitrevisionswerbers wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12. Mai 2016 in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2 Am 23. August 2016 stellten die revisionswerbenden Parteien Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Mit Bescheiden vom 19. April 2017 wies das Österreichische Generalkonsulat Istanbul diese Anträge ab und führte begründend aus, die Bezugsperson der revisionswerbenden Parteien - ihr in Österreich asylberechtigter Sohn bzw. Bruder - habe zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits die Volljährigkeit erlangt.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien wies das Österreichische Generalkonsulat Istanbul mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. Juli 2017 gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Die revisionswerbenden Parteien stellten gemäß § 15 VwGVG einen Vorlageantrag.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden als unbegründet ab und sprach aus, dass nach Art. 133 Abs. 4 B-VG die Erhebung einer Revision unzulässig sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision vor, der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner bisherigen Rechtsprechung in Verfahren betreffend Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 hinsichtlich des Kriteriums der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung abgestellt. Der EuGH habe mit Urteil vom 12. April 2018, A und S, C- 550/16, nunmehr aber ausgesprochen, dass Art. 2 Buchst. f in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungsrichtlinie) dahin auszulegen sei, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt gewesen sei, aber während des Asylverfahrens volljährig werde und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werde, als "Minderjähriger" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sei. Im vorliegenden Fall sei die Bezugsperson der revisionswerbenden Parteien erst nach Zuerkennung des Status des Asylberechtigten volljährig geworden und sei daher für Zwecke der Familienzusammenführung weiterhin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling anzusehen.
9 Der gegenständliche Fall gleicht in seinem entscheidungswesentlichen Sachverhalt sowie in den maßgeblichen Rechtsfragen jenem, über den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. Mai 2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, entschieden hat. Aus den dort genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, besteht kein Anlass von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zum Begriff der "Familienangehörigen" nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 (vgl. dazu VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0230-0231; 26.1.2017, Ra 2016/20/0231- 0234; 22.11.2017, Ra 2017/19/0218) abzugehen und ist es weiterhin nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 35 AsylG 2005 zu erweitern, um dem Anliegen der revisionswerbenden Parteien, nämlich der Gestattung der Familienzusammenführung mit ihrer in Österreich lebenden Bezugsperson, in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass den revisionswerbenden Parteien im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt werden kann. Dass eine unionsrechtliche Verpflichtung bestünde, den revisionswerbenden Parteien eine über dieses Ziel hinausgehende Rechtsstellung, die die Familienzusammenführungsrichtlinie gar nicht zum Regelungsinhalt hat, zu verschaffen (nämlich letztlich den Status der Asylberechtigten), ist aus dem in der Revision genannten Urteil des EuGH vom 12. April 2018, A und S, C- 550/16, nicht abzuleiten.
10 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH 19.10.2017, Ra 2016/18/0280, mwN).
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. Mai 2018
Gerichtsentscheidung
EuGH 62016CJ0550 A und S VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190042.L00Im RIS seit
20.06.2018Zuletzt aktualisiert am
23.07.2018