TE Vwgh Erkenntnis 2018/5/25 Ra 2017/10/0013

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Veröffentlicht am 25.05.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
LMSVG 2006 §5 Abs1 Z2;
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des J F in G, vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Habsburgergasse 3/20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 18. November 2016, Zl. LVwG-S-2555/001-2015, betreffend Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 13. Juli 2015 wurde der Revisionswerber einer Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG) schuldig erkannt. Der Spruch dieses Straferkenntnisses lautet wie folgt (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Sie haben als Erzeuger und Inverkehrbringer folgende

Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit: 2.12.2014

Ort: G., B.-Gasse ...

Tatbeschreibung:

Sie haben eine Ware, und zwar mit der Warenbezeichnung ‚Forellenfilet ohne Haut geräuchert' und der Sachbezeichnung ‚Süßwasserfischerzeugnisse' erzeugt, abgepackt und über die Firma E. an die Firma R. in N. geliefert und somit in verbotener Weise in Verkehr gebracht, die ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt war, obwohl dieses Lebensmittel nicht dem LMSVG entsprochen hat, da die Untersuchung der gegenständlichen Probe folgendes Gutachten ergeben hat:

‚Die gegenständliche als ‚Forellenfilet ohne Haut geräuchert' bezeichnete Lebensmittelprobe weist folgende Beschaffenheit auf:

Der Gehalt an Enterobacteriaceen (Hygieneindikatorkeime) ist stark überhöht.

Die Ware hat somit eine erhebliche Minderung ihrer spezifischen, wertbestimmenden Eigenschaft erfahren und ist daher als wertgemindert im Sinne des § 5 Abs. 5 Z. 4 des LMSVG zu beurteilen.'

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 90 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 5 Abs. 5 Z. 4 LMSVG" 2 Wegen dieser Übertretung wurde über den Revisionswerber

eine Geldstrafe von EUR 200,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden) verhängt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 18. November 2016 wurde einer dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch unter "Tatbeschreibung" im ersten Satz nach der Wortfolge "Forellenfilet ohne Haut geräuchert" "Charge L32414F" und nach der Wortfolge "in Verkehr gebracht" "(Probenziehung am 10.12.2014 in der Filiale der M. AG in W. )" eingefügt wurde. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges aus, es ergebe sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt: Am 10. Dezember 2014 sei in der Filiale der M. AG in W. eine Probe von drei Packungen zu 100g Forellenfilet ohne Haut geräuchert gezogen worden, deren Analyse bei der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt W. einen Gehalt von Enterobacteriaceen von mehr als 3,0 Mio/g ergeben habe. Die Ware sei von der Filiale am 2. Dezember 2014 bezogen worden. Der Revisionswerber sei Erzeuger des verfahrensgegenständlichen Lebensmittels gewesen.

5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften - sofern hier von Bedeutung - aus, da bei dem verfahrensgegenständlichen Lebensmittel der Gehalt an Enterobacteriaceen mehr als 3,0 Mio/g betragen habe und sohin stark überhöht gewesen sei, habe die Ware eine erhebliche Minderung ihrer spezifischen, wertbestimmenden Eigenschaft erfahren; sie sei daher als wertgemindert zu beurteilen.

6 Soweit der Revisionswerber vorbringe, die Behörde sei fälschlich von einer Tatbegehung am 2. Dezember 2014 (Bezugsdatum jener Filiale, in der die Probe gezogen worden sei) ausgegangen, es handle sich um einen falschen Tatzeitpunkt und um eine Verletzung des Konkretisierungsgebotes, da das dem Revisionswerber vorgeworfene Inverkehrbringen bereits am 21. November 2014 stattgefunden habe (Übergabe an die T. GmbH laut Lieferschein vom 21. November 2014), so werde diese Auffassung nicht geteilt. Dem Revisionswerber sei innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung ein vollständiger und zutreffender Tatvorwurf dahingehend angelastet worden, dass ihm das Inverkehrbringen durch Lieferung vom Herstellungsort "über die Firma E. an die Firma R. in N." eines genau definierten Lebensmittels zu einer bestimmten Zeit vorgeworfen worden sei, wobei dieses Produkt als wertgemindert zu beurteilen gewesen sei.

7 Da sich der Revisionswerber von sich aus damit gerechtfertigt habe, die beanstandete Ware sei bereits am 21. November 2014 durch Übergabe an ein Lebensmittellogistikunternehmen in Verkehr gebracht worden, was er durch Vorlage eines Lieferscheines unter Beweis stelle, sei er "eindeutig in die Lage versetzt" gewesen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten. Das Verwaltungsgericht könne auch die Gefahr einer Doppelbestrafung nicht erkennen, da das beanstandete Lebensmittel durch Angabe der Charge/Losnummer exakt definiert werde. Da dies dem Revisionswerber innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung vorgehalten worden sei, habe diese Angabe seitens des Verwaltungsgerichtes spruchgemäß ergänzt werden können.

8 Da als Inverkehrbringen jede Form der Weitergabe gelte, sei auch die Lieferung eine Form des Inverkehrbringens. Diese Lieferung habe - wie vom Revisionswerber ausgeführt - im Wege eines Lebensmittellogistikunternehmens stattgefunden, dieser "Lieferungs- und Distributionsvorgang inklusive Lagerungen und Zwischenlagerungen" habe sich über mehrere Tage erstreckt. Wenn der Revisionswerber behaupte, die Ware sei am 21. November 2014 an ein Lebensmittellogistikunternehmen übergeben worden, und nicht bestreite, dass die Ware am 10. Dezember 2014 in der Filiale der M. AG in W. vorgefunden und beanstandet worden sei, so habe "zweifelsfrei im Zeitraum zwischen diesen beiden Zeitpunkten ein mehrtägiger Lieferungs- und Distributionsprozess stattgefunden, der insgesamt unter den Begriff ‚Inverkehrbringen' zu subsumieren" sei. Es habe daher "an diesem innerhalb dieses Zeitraumes liegenden - von der Behörde angeführten - Tatzeitpunkt (2. Dezember 2014) jedenfalls eine Lieferung, d.h. ein Inverkehrbringen stattgefunden", wobei es unerheblich sei, ob und inwieweit "die Lieferung mittels Lebensmittellogistikunternehmen, im Wege der Konzernleitung etc." stattgefunden habe. Ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot sei demnach nicht zu erkennen.

9 Soweit der Revisionswerber vorbringe, es stehe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass eine die Wertminderung begründende Keimbelastung bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens durch den Revisionswerber gegeben gewesen sei, so sei dem "mit den Ausführungen der Sachverständigen" entgegenzuhalten, dass die erhöhte Keimzahl herstellungsbedingt begründet sei, da die Enterobacteriaceen jedenfalls vor der Verpackung auf das verfahrensgegenständliche Lebensmittel gelangt seien. Da der Lebensmittelunternehmer die Verantwortung für die Ware habe und bei hygienisch einwandfreier Herstellung und Verpackung keine Enterobacteriaceen auf einem Produkt wie dem gegenständlichen vorhanden seien, könne es dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus nach der Inverkehrbringung durch Lieferung eine Keimvermehrung infolge Temperaturerhöhung über sechs bis acht Grad Celsius stattgefunden habe.

10 Soweit der Revisionswerber einwende, dass das Lebensmittel bereits seinen Bereich als Erzeuger verlassen habe, sei auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (Verweis auf VwGH 21.5.2012, 2011/10/0050 (gemeint aber offenbar VwGH 29.2.2012, 2008/10/0191)), wonach dem dortigen Vorbringen entgegnet worden sei, dass der Begriffsbestimmung des Artikel 3 Z 8 EG-Basisverordnung eine Einschränkung des maßgeblichen "Bereithaltens von Lebensmittel für Verkaufszwecke" auf solche Lebensmittel, welche bereits unmittelbar für den Verkauf verarbeitet sind, nicht zu entnehmen sei.

11 Den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit einem Verweis auf den Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 Das Verwaltungsgericht legte die Akten vor. 14 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, BGBl. I Nr. 13/2006 idF BGBl. I Nr. 67/2014 (LMSVG), lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 3. Für dieses Bundesgesetz gelten folgende

Begriffsbestimmungen:

...

9. Inverkehrbringen: Inverkehrbringen gemäß

Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt sinngemäß für Gebrauchsgegenstände, wobei ein Inverkehrbringen von Spielzeug dann nicht vorliegt, wenn sichergestellt ist, dass das Spielzeug in seiner den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt sinngemäß auch für kosmetische Mittel, wobei ein Inverkehrbringen dann nicht vorliegt, wenn es sich um die Anwendung am Endverbraucher im Rahmen der Berufsausübung handelt. Für Wasser für den menschlichen Gebrauch gilt auch die Abgabe zum Zweck der Gemeinschaftsversorgung als Inverkehrbringen, sofern diese nicht im Rahmen des familiären Verbandes erfolgt.

Davon abweichend ist als Inverkehrbringen bei ursprünglich auf Grund des Lebensmittelgesetzes 1975 - LMG 1975, BGBl. Nr. 86, erlassenen Verordnungen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige den lebensmittelrechtlichen Vorschriften gemäß Z 13 nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Die Befugnisse der Aufsichtsorgane gemäß §§ 35, 39 und 41 bleiben davon unberührt.

...

Lebensmittel

Allgemeine Anforderungen

§ 5. (1) Es ist verboten, Lebensmittel, die

...

2.        verfälscht oder wertgemindert sind, ohne dass dieser

Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist,

oder

     ...

     in Verkehr zu bringen.

     ...

     (5) Lebensmittel sind

     ...

4.        wertgemindert, wenn sie nach der Herstellung, ohne dass

eine weitere Behandlung erfolgt ist, eine erhebliche Minderung an wertbestimmenden Bestandteilen oder ihrer spezifischen, wertbestimmenden Wirkung oder Eigenschaft erfahren haben, soweit sie nicht für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind.

...

Verwaltungsstrafbestimmungen

Tatbestände

§ 90. (1) Wer

...

2. Lebensmittel, die wertgemindert oder verfälscht sind,

wenn dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist,

...

in Verkehr bringt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Z 1 und 2, die in Kenntnis der Rechtwidrigkeit des Handelns begangen werden, ist, sofern die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, eine Geldstrafe in der Höhe von zumindest 700 Euro, bei Wiederholung von 4000 Euro festzusetzen. Im Fall der Uneinbringlichkeit ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen."

16 Nach Art. 3 Z 8 der in § 3 Z 9 LMSVG zitierten Verordnung (EG) Nr. 178/2002 bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das "Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst".

17 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision - unter anderem - vor, das angefochtene Erkenntnis weise einen Widerspruch zwischen Spruch und Begründung auf, zumal das Verwaltungsgericht im Spruch von einer Tatzeit am 2. Dezember 2014, in der Begründung jedoch von einem Tatzeitraum vom 21. November 2014 bis 2. Dezember 2014 ausgehe. Das Verwaltungsgericht weiche damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (Verweis auf VwGH 26.4.2016, Ro 2015/09/0014). Zudem fehle es an Rechtsprechung, wann bei Lieferung in einer Lieferkette der Tatbestand des Inverkehrbringens durch den Erstlieferanten (bzw. Erzeuger) abgeschlossen sei. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die gesamte Liefer- und Distributionskette dem Revisionswerber als Erzeuger zuzurechnen sei, sodass auch noch an jenem Tag, an dem die Filiale der M. AG das Lebensmittel bezogen habe, ein Inverkehrbringen durch den Revisionswerber stattgefunden habe.

18 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist im Ergebnis auch begründet.

19 Das Verwaltungsgericht geht im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses - durch Bestätigung des insofern weder abgeänderten noch ergänzten Spruchs des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses - davon aus, dass der Revisionswerber eine Übertretung des LMSVG dadurch begangen habe, dass er am 2. Dezember 2014 in G. die in Rede stehende Ware "über die Firma E. an die Firma R. in N. geliefert und somit in verbotener Weise in Verkehr gebracht" habe, obwohl dieses Lebensmittel als wertgemindert im Sinne des § 5 Abs. 5 Z 4 LMSVG zu beurteilen gewesen sei.

20 Der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses sind allerdings Feststellungen lediglich dahin zu entnehmen, dass die in Rede stehende Ware "von der Filiale (in W.) am 2.12.2014" bezogen worden und der Revisionswerber der Erzeuger des Lebensmittels sei. Feststellungen dazu, dass der Revisionswerber die Ware am 2. Dezember 2014 am Herstellungsort in G. dadurch in Verkehr gebracht habe, dass er sie "über die Firma E. an die Firma R. in N. geliefert" habe, wurden nicht getroffen. Die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen vermögen den im Spruch des Erkenntnisses zur Last gelegten Vorwurf daher von vornherein nicht zu tragen.

21 Der Revisionswerber hat - wie vom Verwaltungsgericht wiedergegeben - im Verfahren geltend gemacht, die in Rede stehende Ware sei von ihm am 21. November 2014 durch Übergabe an die T. GmbH in Verkehr gebracht worden. Feststellungen dazu, dass dieses Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht etwa den Tatzeitpunkt im Spruch des bestätigten Straferkenntnisses - unbeschadet der Frage, ob dies zulässig gewesen wäre - abgeändert. Es geht vielmehr im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, dass eine Lieferung "im Wege eines Lebensmittellogistikunternehmens stattgefunden" habe und sich "dieser Lieferungs- und Distributionsvorgang inklusive Lagerungen und Zwischenlagerungen über mehrere Tage erstreckt" habe. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang von einem Tatzeitpunkt am 2. Dezember 2014 ausgeht, weil dieser Zeitpunkt innerhalb eines Zeitraumes eines "mehrtägigen Lieferungs- und Distributionsprozesses" liege, der "insgesamt unter den Begriff "Inverkehrbringen" zu subsumieren sei, sodass jedenfalls (auch) an diesem Tag "eine Lieferung, d. h. ein Inverkehrbringen stattgefunden" habe, wird verkannt, dass dem Revisionswerber im Spruch des bestätigten Straferkenntnisses nicht ein Inverkehrbringen durch einen "mehrtägigen Lieferungs- und Distributionsprozess" (an verschiedenen Orten), sondern ein am 2. Dezember 2014 am Herstellungsort in G. erfolgtes Inverkehrbringen durch Auslieferung "über die Firma E. an die Firma R. in N." vorgeworfen wird. Die Begehung des Delikts in einer anderen (späteren) Phase des Inverkehrbringens und (somit) an einem anderen Tatort wurde dem Revisionswerber nicht vorgeworfen. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher in Ansehung seines Spruches und seiner Begründung als widersprüchlich. Widersprüche zwischen dem Spruch und der Begründung, z.B. über konkrete Tatumstände wie die Tatzeit, ziehen allerdings die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses nach sich (vgl. etwa VwGH 26.4.2016, Ro 2015/09/0014, mwN).

22 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich allerdings auch aus einem weiteren Grund als rechtswidrig: Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nach § 44a Z 1 VStG rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und 2. die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1. anlangt, sind entsprechende, d.h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können (vgl. etwa VwGH 25.2.2003, 2003/10/0025, VwSlg. 16026 A, mit Verweis auf VwGH (verstärkter Senat) 13.6.1984, 82/03/0265, VwSlg. 11466 A).

23 In Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erfordern im Hinblick auf den Verwaltungsstraftatbestand des § 90 Abs. 1 Z 2 LMSVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z 2 leg. cit. allerdings auch die Angabe im Spruch eines Straferkenntnisses, dass Lebensmittel, die wertgemindert sind, in Verkehr gebracht wurden, ohne dass dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht wurde. Der bloße Vorwurf des Inverkehrbringens wertgeminderter Lebensmittel allein genügt nicht dem § 44a Z 1 VStG, weil dieses Verhalten nur dann strafbar ist, wenn der Umstand der Wertminderung nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht wird.

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

25 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Mai 2018

Schlagworte

Spruch und BegründungBesondere Rechtsgebiete"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung Divergenzen Spruch Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100013.L00

Im RIS seit

20.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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