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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch den Verfahrenshelfer Mag. Julian Feichtinger, Rechtsanwalt, dieser vertreten durch Mag. Dr. Günter Harrich, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Clementinengasse 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 25. März 1998, Zl. LGSW/Abs.12/1218/56/1998-402, betreffend Verlust der Notstandshilfe gem. § 10 AlVG für die Zeit vom 22. September 1997 bis 2. November 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 22. September 1997 bis 2. November 1997 verloren habe. Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer im Bezug von Notstandshilfe stehend nach dem Besuch eines "Informationstages" an der Maßnahme "Auswege - Mentor" nicht teilgenommen habe. "Seitens des Arbeitsmarktservice und des Kursleiters" sei dazu festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer keinen Sinn in dieser Maßnahme sehe und daran nicht teilnehmen möchte. Der Beschwerdeführer habe dies bestritten und behauptet, dass das Kursangebot für ihn nicht geeignet sei. Da das letzte Dienstverhältnis des Beschwerdeführers im Jahre 1991 geendet habe, - so fährt die belangte Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst fort - sei er ein Langzeitarbeitsloser und damit Angehöriger der Zielgruppe eines solchen Kurses. Seine Einwände könnten daher nicht als "wichtige Gründe" gewertet werden, die eine Ablehnung der Teilnahme an der Maßnahme von Beginn an rechtfertigten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu lassen oder an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.
§ 10 Abs. 1 AlVG bestimmt (u.a.), dass der Arbeitslose für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert, wenn er sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert.
Diese Bestimmungen sind nach § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen vom 21. Dezember 1993, Zlen. 93/08/0215-0218, und vom 20. Dezember 1994, Zl. 93/08/0134, zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. Nr. 502/1993 ausgeführt, es könne aus den §§ 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AlVG nicht abgeleitet werden, dass es im freien Belieben des Arbeitsamtes stünde, einem Arbeitslosen (auch einem Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder ihn zu einer Nach- oder Umschulung zuzuweisen. Eine solche Zuweisung vermöge sich insbesondere auch nicht auf die vom Arbeitslosen (auch wiederholt) an den Tag gelegte Arbeitsunwilligkeit, eine ihm durch das Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, zu stützen. Für eine solche Maßnahme sei vielmehr Voraussetzung, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend seien. Das Arbeitsamt habe diese Voraussetzung zu ermitteln und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis zu bringen. Von einer den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich ziehenden ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an einer ihm zugewiesenen Nach- oder Umschulungsmaßnahme teilzunehmen, könne demgemäß nur dann gesprochen werden, wenn diese Zuweisung sich konkret auf eine solche Maßnahme beziehe und in objektiver Kenntnis des Inhaltes und der Zumutbarkeit sowie Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolge.
Diese Subsidiarität gilt - angesichts des nach wie vor bestehenden Primates der Erlangung bzw. Vermittlung einer dem Arbeitslosen zumutbaren Beschäftigung durch seine eigenen, von ihm zu entfaltenden Bemühungen oder durch das Arbeitsamt - in entsprechender Weise auch im Verhältnis zu einer Maßnahme der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Demgemäß liegt eine ungerechtfertigte Weigerung eines Arbeitslosen, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen, nur dann vor, wenn es sich überhaupt um eine solche Maßnahme handelt, wenn feststeht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es deshalb solcher Maßnahmen der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf, und wenn schließlich das Arbeitsamt das Ergebnis ihres diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht hat und der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an dieser Maßnahme ablehnt (vgl. das Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 99/03/0132, im Anschluss an das Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0246).
Nach der Aktenlage hat der Beschwerdeführer die Nichtteilnahme an der gegenständlichen Wiedereingliederungsmaßnahme damit gerechtfertigt, dass diese für ihn ungeeignet sei (Niederschrift AS 19); er hat sich in einer schriftlichen Äußerung vom 26. September 1997 (AS 21) ferner darauf berufen, dass man es ihm freigestellt habe, an dieser Maßnahme teilzunehmen. Ungeachtet dessen, dass die regionale Geschäftsstelle ihren erstinstanzlichen Bescheid vom 3. Oktober 1997 damit begründet hat, der Beschwerdeführer "habe sich geweigert an einer vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen", wird in einer an die belangte Behörde gerichteten Stellungnahme der regionalen Geschäftsstelle zur erwähnten Äußerung
des Beschwerdeführers und zu seiner Berufungsschrift eingeräumt, dass "die Teilnahme am Infotag bei Auswege ... vorgeschrieben (wurde), die Maßnahme selbst nicht."
Aufgrund dieser Aktenlage und dem vorerwähnten rechtlichen Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als rechtswidrig, weil die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice - wie sie in ihrer Stellungnahme vom 9. Jänner 1998, AS 43, an die belangte Behörde selbst einräumt - dem Beschwerdeführer zwar die Teilnahme "am Infotag", nicht aber die Maßnahme selbst vorgeschrieben hat (sodass im Übrigen rätselhaft ist, wie sie im erstinstanzlichen Bescheid vom gegenteiligen Sachverhalt ausgehen konnte). Wurde der Beschwerdeführer zu der in Aussicht genommenen Maßnahme aber nicht zugewiesen, dann kommt eine "Vereitelung" dieser Teilnahme schon begrifflich nicht in Betracht, zumal das Gesetz - anders als bei sich bietenden Arbeitsgelegenheiten - den Arbeitslosen nicht dazu verpflichtet, von sich aus sich bietende Gelegenheiten zur Teilnahme an Schulungsmaßnahmen wahrzunehmen.
Die belangte Behörde hat eine explizite Aussage zur Frage, ob dem Beschwerdeführer seitens der regionalen Geschäftsstelle ein Auftrag zur Teilnahme an der Wiedereingliederungsmaßnahme erteilt worden ist, in der Begründung des angefochtenen Bescheides vermieden; es ist daher davon auszugehen, dass sie - in offenem Widerspruch zum Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 AlVG und zur oben erwähnten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - diese Frage als rechtlich unerheblich angesehen hat.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gem. § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei die Entscheidung im Hinblick auf die Klärung der maßgeblichen Rechtsfragen durch die Vorjudikatur in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Februar 2000
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998080220.X00Im RIS seit
18.10.2001