Index
62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §39 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der K in P, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer, Rechtsanwalt in Lienz, Tiroler Straße 30/2, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 5. Mai 1997, Zl. LGSTi/V/1217/1044 28 02 64-707/1997, betreffend Einstellung der Sondernotstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stand bis zum 25. September 1990 in einem Beschäftigungsverhältnis und bezog danach aufgrund der Geburt des Sohnes Kevin am 29. November 1990, der Tochter Jenny am 19. Dezember 1992 und der Tochter Sarah am 24. Dezember 1994 abwechselnd Wochen- und Karenzurlaubsgeld. Nach Erschöpfung des Anspruchs auf Karenzurlaubsgeld aufgrund der Geburt des dritten Kindes bezog die Beschwerdeführerin ab dem 25. Dezember 1996 Sondernotstandshilfe.
Der Gewährung der Sondernotstandshilfe lag eine formularmäßige Bescheinigung der Gemeinde Prägraten zugrunde, wonach die Beschwerdeführerin in dieser Gemeinde ihren Hauptwohnsitz habe und eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit für das am 24. Dezember 1994 geborene Kind "voraussichtlich ab 1/97" verfügbar sein werde.
Am 23. Jänner 1997 bescheinigte die Gemeinde Prägraten in einer gleichartigen Urkunde, ab sofort stehe als geeignete Unterbringungsmöglichkeit im Sinne des § 1 der Sondernotstandshilfeverordnung der "Verein MOBEDI, Matrei i. O., Lienzerstraße 43" zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 6. März 1997 sprach die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gegenüber der Beschwerdeführerin aus, die Sondernotstandshilfe werde ab 23. Jänner 1997 eingestellt, weil das Ermittlungsverfahren Folgendes ergeben habe:
"Ihre Wohnsitzgemeinde Prägraten hat eine Unterbringungsmöglichkeit für Ihre Tochter Sarah, geboren am 24.12.94"
Ab dem 23. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund eines diesbezüglichen Antrages statt der Sondernotstandshilfe die Notstandshilfe gewährt. Die Beschwerdeführerin unterfertigte eine der "Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen des § 7" AlVG dienende Erklärung, wonach sie "zur Aufnahme und Ausübung einer am Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden, zumutbaren Beschäftigung bereit" sei.
In ihrer Berufung gegen den Bescheid vom 6. März 1997 brachte die Beschwerdeführerin Folgendes vor:
"Ich möchte gegen Ihren Bescheid Einspruch erheben, da die Unterbringungsmöglichkeit, die von der Gemeinde genannt wurde, sich in Matrei befindet. Das sind ca. 15 - 20 Min. Fahrzeit, mit dem Auto. Ich habe aber die meiste Zeit kein Auto zur Verfügung, da mein Lebensgefährte mit diesem zur Arbeit fahren muss. Also müsste ich mit dem Bus fahren. Da ich aber drei Kinder habe, meinen Sohn Kevin muss ich erst in den Kindergarten bringen ca. um 8 Uhr. Dann mit dem Bus nach Matrei, die anderen zwei Kinder abliefern, anschließend wieder zurück, so ist der Vormittag schon fast vorbei, denn um 11,30 Uhr ist mein Sohn Kevin wieder vom Kindergarten zu holen, nach Hause und etwas essen, dann müsste ich wieder mit dem Bus nach Matrei fahren, um Kevin abzuliefern, anschließend wieder zurück, also ist es mindestens 14 Uhr bis ich wieder in Prägraten bin, und um 17 Uhr muss ich schon wieder nach Matrei fahren, um die Kinder abzuholen. Ich bitte Sie daher dieses alles zu beachten und Ihren Bescheid nochmals zu behandeln."
Mit Schreiben vom 9. April 1997 hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin Folgendes vor:
"Das Ermittlungsverfahren des Arbeitsmarktservice hat ergeben, dass der MOBEDI in Matrei mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist, da am Morgen entweder um 6,26 Uhr oder um 7,17 Uhr ein Bus ab Prägraten nach Matrei mit ca. 1/2-stündiger Fahrtzeit verkehrt. Auch am Abend verkehren regelmäßig Busse ab 'Matrei Hauptschule' ab 16,34 Uhr, 17,49 Uhr oder 18,54 Uhr in Richtung Prägraten. Außerdem wurde festgestellt, dass die Berufungswerberin lediglich einige Gehminuten von der Haltestelle Prägraten entfernt wohnt und sich weiters die Haltestelle 'Matrei Hauptschule' direkt beim MOBEDI befindet."
Hiezu nahm die Beschwerdeführerin wie folgt schriftlich Stellung:
"Ich habe Ihr Schreiben erhalten und möchte Ihnen mitteilen, dass die Lage etwas anders liegt. Da ich nicht nur ein Kind, sondern drei Kinder habe, und mein Sohn Kevin in Prägraten in den Kindergarten geht, muss ich auch meinen Sohn in den Kindergarten bringen und ihn wieder abholen. Ich könnte also erst mit dem Bus um 7,17 Uhr fahren, da im Kindergarten frühestens um 7,15 Uhr jemand ist. Ich komme dann um 7,26 Uhr in Matrei an, der nächste Bus ab Matrei fährt um 9,44 Uhr und ist um 10,10 Uhr in Prägraten. Um 11,30 Uhr ist mein Sohn Kevin vom Kindergarten zu holen. Der nächste Bus nach Matrei fährt um 12,16 Uhr von Prägraten weg und kommt um 12,37 Uhr an. Von Matrei fährt er um 13,34 Uhr weg und ist um 13,59 Uhr in Prägraten. Um 17,05 Uhr fährt der Bus ab Prägraten und ist um 17,32 Uhr in Matrei, das MOBEDI (gemeint offenbar: bis) 18,00 Uhr geöffnet. Außerdem hat mein Sohn jeden Dienstagnachmittag von 14 Uhr bis 16 Uhr Vorschule, und jeden Donnerstagnachmittag um die gleiche Zeit Kindergarten. Ich sehe somit nicht viel Möglichkeit, um eine geeignete Arbeitsstelle zu bekommen."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Diese Entscheidung stützte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften auf folgende Gründe:
"Im berufungsgegenständlichen Fall konnte von der Gemeinde Prägraten eine Unterbringungsmöglichkeit für ihre Tochter Sarah beim MOBEDI in Matrei zur Verfügung gestellt werden. Dem Einwand der Berufungswerberin, dass sie noch zwei weitere Kinder zu betreuen habe, ist entgegenzuhalten, dass gemäß den Bestimmungen der SNH-VO die Gemeinde lediglich verpflichtet ist eine Unterbringungsmöglichkeit für das Kind zur Verfügung zu stellen, zu dessen Betreuung von der Berufungswerberin die Sondernotstandshilfe beantragt wurde.
Im Hinblick darauf, dass die Unterbringungsmöglichkeit beim MOBEDI in Matrei vom Wohnort der Berufungswerberin aus sowohl mit einem eigenen Fahrzeug als auch mit einem öffentlichen Verkehrsmittel innerhalb einer halben Stunde erreicht werden kann, ist die zur Verfügung gestellte Unterbringungsmöglichkeit beim MOBEDI in Matrei als durchaus zumutbar im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. b SNH-VO zu beurteilen. Außerdem hat sich das Arbeitsmarktservice gemäß § 2a Abs. 2 der SNH-VO bei seiner Entscheidung über den Anspruch auf Sondernotstandshilfe in vollem Umfang auf die Gemeindebestätigung zu stützen, da davon ausgegangen werden muss, dass die Gemeinde bei Abgabe der Bestätigung sämtliche Voraussetzungen für die Eignung der Unterbringungsmöglichkeit berücksichtigt hat.
Der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten gelangte aufgrund der Tatsache, dass für das jüngste Kind der Berufungswerberin eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit beim MOBEDI in Matrei zur Verfügung steht, zur Ansicht, dass die Berufungswerberin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Sondernotstandshilfe hat."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 39 AlVG hatte in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 201/1996 folgenden Wortlaut:
"Sondernotstandshilfe für Mütter oder Väter
§ 39. (1) Mütter oder Väter haben Anspruch auf Sondernotstandshilfe für die Dauer von 52 Wochen, maximal bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, wenn
1.
der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld erschöpft ist,
2.
sie wegen Betreuung ihres Kindes, dessen Geburt Anlass für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil für dieses Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht, und
3. mit Ausnahme der Arbeitswilligkeit und der Voraussetzung gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt sind.
Der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld ist erschöpft, wenn das Höchstausmaß erreicht ist oder infolge Verzichtes (§ 26a Abs. 1) kein Karenzurlaubsgeld mehr bezogen werden kann und der Vater des Kindes nicht im Bezug des vollen Karenzurlaubsgeldes gemäß § 27 steht.
(2) Der Vater kann nur für jene Zeiträume Sondernotstandshilfe beziehen, für die die Mutter nicht ihren Anspruch geltend macht. Hinsichtlich eines Wechsels in der Anspruchsberechtigung beim Bezug der Sondernotstandshilfe gilt § 26a Abs. 2.
(3) Im Übrigen sind die Bestimmungen über die Notstandshilfe, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, anzuwenden. Hinsichtlich des Ruhens der Sondernotstandshilfe gilt § 29 sinngemäß.
(4) Arbeitslosigkeit ist auch während der Zeit eines Urlaubes gegen Entfall der Bezüge anzunehmen.
(5) Dem Antrag auf Gewährung der Sondernotstandshilfe ist eine Bescheinigung der Hauptwohnsitzgemeinde über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind beizulegen. Die Hauptwohnsitzgemeinde ist im Hinblick auf den gemäß § 2 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes 1993, BGBl. Nr. 30/1993, idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 853/1995, zu leistenden Kostenersatz an das Arbeitsmarktservice verpflichtet, eine solche Bescheinigung auszustellen. Sie ist dabei an die Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995, in der jeweils geltenden Fassung, gebunden."
Die für die Lösung des Falles maßgeblichen Bestimmungen der Sondernotstandshilfeverordnung in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 264/1996 lauteten:
"Unterbringungsmöglichkeit für das Kind
§ 1. (1) Als geeignete Unterbringungsmöglichkeit gilt jedenfalls eine Einrichtung, die nach den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften (z.B. Kindergartengesetz, Kindertagesheimgesetz, Jugendwohlfahrtsgesetz u. dgl.) für Kinder im dritten Lebensjahr entweder vom Land oder der Gemeinde selbst oder von Rechtsträgern geführt wird, denen sich das Land oder die Gemeinde zur Erreichung dieser Ziele bedient. Eine private Einrichtung (wie Privatkindergarten, Pfarrkindergarten, Kindergruppe u. dgl.) ist einer solchen Einrichtung gleichzuhalten.
(2) Weiters müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
a) die Öffnungszeiten müssen den auf dem Arbeitsmarkt üblichen Arbeitszeiten einschließlich der Zeit, die für die Hinbringung bzw. Abholung des Kindes erforderlich ist, angepasst sein,
b) der Betreuungsort muss mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderweitig zur Verfügung stehenden Beförderungsmitteln (z.B. Kindergartentransporte, familieneigener PKW oder Abholung und Rückbringung durch die Tagesmutter/vater, wenn diese eine entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben) oder zu Fuß erreichbar sein, wenn der kürzeste Fußweg zwischen der Wohnung und dem Betreuungsort in einer Richtung unter Ausschluss der mit Verkehrsmitteln zurückgelegten Wegstrecke nicht mehr als 30 Gehminuten dauert, wobei jedoch die aufzuwendende Zeit (Fahrzeit und Gehzeit) vom Wohnort zum Betreuungsort in einer Richtung 60 Minuten nicht überschreiten darf,
c) das Entgelt für die Unterbringung muss angemessen sein, das bedeutet, dass es nicht wesentlich, dh. nicht mehr als 25 vH, über den durchschnittlichen Kosten anderer vergleichbarer Einrichtungen liegen darf. Als vergleichbare Einrichtung in diesem Sinne gelten auch Tagesmütter/väter.
(3) Tagesmütter/väter gelten nur insoweit als geeignete Unterbringungsmöglichkeit, als für sie bzw. für die Einrichtung, die die Tagesmütterbetreuung organisiert, eine Bewilligung nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften vorliegt.
(4) Die im Haushalt bzw. am Wohnsitz lebenden Eltern und Großeltern der/des Antragstellerin/Antragstellers können nicht zwingend für die Betreuung herangezogen werden.
Mitwirkung der Gemeinde
§ 2. (1) Die Gemeinde ist verpflichtet, binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch das Arbeitsmarktservice zu bescheinigen, ob eine Unterbringungsmöglichkeit für das Kind besteht. Die Bescheinigung hat mit einem bundeseinheitlich aufgelegten Formular des Arbeitsmarktservice zu erfolgen.
(2) Bei der Beurteilung, ob eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit besteht, ist § 1 anzuwenden. Wird von dem/der Antragsteller/in die Eignung der von der Gemeinde bekannt gegebenen Unterbringungsmöglichkeit bestritten, so hat die Gemeinde nach neuerlicher Überprüfung der vorgebrachten Einwendungen entweder eine neue, geänderte Bescheinigung auszustellen oder die Erstangaben auf der Bescheinigung zu bestätigen. Die Gemeinde ist verpflichtet, derartige Prüfungen und Bescheinigungen ohne Verzug, dh. innerhalb der zweiwöchigen Frist, nach Abs. 1 vorzunehmen.
(3) Wird die Ausstellung der Bescheinigung verweigert bzw. nicht vorgenommen, so ist anzunehmen, dass für das Kind keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit besteht.
(4) Der Gemeinde steht es frei, in jenen Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Abgabe der Bescheinigung keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit vorhanden ist und auch ein voraussichtlicher Termin für das Vorhandensein einer solchen nicht angegeben werden kann, zu einem späteren Zeitpunkt das Vorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit unter Angabe des Verfügbarkeitsdatums dem/der Sondernotstandshilfebezieher/in bekannt zu geben und gleichzeitig das Arbeitsmarktservice davon in Kenntnis zu setzen. Hiefür ist ebenfalls das Formular gemäß Abs. 1 zu verwenden.
(5) Die Bescheinigung für das Arbeitsmarktservice gilt für den Fall, dass keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit gegeben ist, gleichzeitig als Voranmeldung für die Abrechnung der Kosten der Sondernotstandshilfe mit der Gemeinde.
Durchführung durch das Arbeitsmarktservice
§ 2a. (1) Die Beurteilung der Gebührlichkeit von Sondernotstandshilfe hat jedenfalls anhand einer verbindlichen Bescheinigung der Gemeinde über das Vorhandensein oder Fehlen einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit (§ 2) zu erfolgen.
(2) Das Arbeitsmarktservice hat sich bei seiner Entscheidung über den Anspruch auf Sondernotstandshilfe hinsichtlich der Frage, ob mangels Vorhandensein einer Unterbringungsmöglichkeit keine Beschäftigung aufgenommen werden kann, in vollem Umfang auf die Bescheinigung der Gemeinde zu stützen. Es hat davon auszugehen, dass bei der Abgabe der Bescheinigung sämtliche Voraussetzungen für die Eignung der Unterbringungsmöglichkeit von der Gemeinde berücksichtigt wurden und daher eigene Beurteilungen nicht zu erfolgen haben. Im Berufungsverfahren ist allenfalls in Bezug auf die Berufungseinwendungen die ergänzende Stellungnahme der Gemeinde als Entscheidungsgrundlage einzuholen.
(3) Wird von dem/der Antragsteller/in die Eignung der von der Gemeinde bekannt gegebenen Unterbringungsmöglichkeit bestritten, so ist die Partei zur Durchführung des im § 2 Abs. 2 geregelten Verfahrens an die die Bescheinigung ausstellende Stelle zu verweisen.
(4) Wird von der Gemeinde das voraussichtliche Vorhandensein einer Unterbringungsmöglichkeit erst für einen späteren Zeitpunkt bestätigt, so ist zunächst die Sondernotstandshilfe zuzuerkennen und vor dem voraussichtlich angegebenen Termin die Gemeinde zur Abgabe einer neuerlichen, nunmehr verbindlichen Bescheinigung im Wege der Partei aufzufordern."
Dass der Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 10. Dezember 1998, V 76/98, ausgesprochen hat, § 2a der Sondernotstandshilfeverordnung in der wiedergegebenen Fassung sei gesetzwidrig gewesen, hat nicht zur Folge, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht mehr anzuwenden wäre.
Im Verwaltungsverfahren war die Eignung der in der Bescheinigung der Gemeinde Prägraten vom 23. Jänner 1997 erwähnten Unterbringungsmöglichkeit nur unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit des Betreuungsortes und somit der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 lit. b Sondernotstandshilfeverordnung strittig. An ihren diesbezüglichen Argumenten hält die Beschwerdeführerin - abgesehen vom in der Beschwerde nun auch erhobenen Einwand, die Höhe des zu entrichtenden Entgelts sei nicht festgestellt worden - weiterhin fest.
Insoweit sich die Beschwerdeführerin dabei auf Schwierigkeiten beruft, die sich aus den Betreuungspflichten für ihren Sohn Kevin ergeben, sind ihre Argumente nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der Annahme einer Beschäftigung entgegenstehende Betreuungspflichten sind nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut nur geeignet, den Anspruch auf Sondernotstandshilfe zu begründen, wenn sie sich auf das Kind beziehen, dessen Geburt Anlass für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war. Besteht für dieses Kind eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit, so können Betreuungspflichten für andere Kinder (oder sonstige Familienangehörige) nur im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 3 AlVG - bei Zutreffen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen - etwa zur Gewährung der Notstandshilfe statt der Zuweisung einer mit solchen Betreuungspflichten kollidierenden Beschäftigung führen. Dabei mag es auch als vertretbar erscheinen, im Falle der Verweisung der Mutter oder des Vaters auf eine außerhalb des Wohnortes gelegene Unterbringungsmöglichkeit für das Kind, wegen dessen Geburt Karenzurlaubsgeld gewährt wurde, die sich daraus ergebenden Erschwernisse für die Betreuung anderer Familienangehöriger über den Wortlaut des § 9 Abs. 3 AlVG hinaus auch dann zu berücksichtigen, wenn eine Beschäftigung am Wohnort zugewiesen werden soll. In Verbindung mit der Zuweisung einer am Wohnort gelegenen Beschäftigung scheint sich die Frage nach deren Zumutbarkeit bei gleichzeitiger Verweisung auf eine nicht am Wohnort gelegene Unterbringungsmöglichkeit für das jüngste Kind an Stelle einer Zuerkennung der Sondernotstandshilfe nämlich nicht wesentlich anders zu stellen als im Falle der Zuweisung einer nicht am Wohnort gelegenen Beschäftigung. Folgte man dieser Auffassung, worüber hier nicht zu entscheiden ist, so würde dies aber nicht dazu führen, dass trotz einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind, dessen Geburt Anlass für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war, Sondernotstandshilfe zu gewähren wäre. Etwas anderes könnte gelten, wenn die mit der auswärtigen Unterbringung dieses Kindes verbundenen Wegzeiten (nach § 1 Abs. 2 lit. b Sondernotstandshilfeverordnung jeweils bis zu 60 Minuten, insgesamt daher bis zu vier Stunden täglich) schon für sich genommen und ohne Hinzutreten einer Beschäftigung die Versorgung unterhaltsberechtigter Familienangehöriger gefährden würden. Inwieweit die vom Gesetz- und Verordnungsgeber getroffenen Regelungen über die Sondernotstandshilfe die Bedachtnahme auf eine aus diesem Grund gegebene Unzumutbarkeit einer auswärtigen Unterbringung des Kindes ermöglichen würden, braucht aus Anlass des vorliegenden Falles aber nicht geklärt zu werden. Die Behauptungen der Beschwerdeführerin gehen nur dahin, ihre Betreuungspflichten ließen im Falle einer Inanspruchnahme der von ihrer Wohnsitzgemeinde bescheinigten Unterbringungsmöglichkeit für die (zusätzliche) Annahme einer Beschäftigung "nicht viel Möglichkeit".
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie müsse ihren Sohn Kevin mittags im Kindergarten in Prägraten abholen und im Falle der Inanspruchnahme der bescheinigten Unterbringungsmöglichkeit in Matrei ebenfalls dorthin bringen, was erhebliche Teile des Nachmittags in Anspruch nehmen würde, ist für die Entscheidung über ihren Anspruch auf Sondernotstandshilfe daher nicht wesentlich.
Der angefochtene Bescheid ist in Bezug auf die Klärung der Frage, ob die bescheinigte Unterbringungsmöglichkeit den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 lit. b Sondernotstandshilfeverordnung in der Fassung BGBl. Nr. 264/1996 entspricht, aber aus einem anderen Grund mangelhaft:
Entgegen der in der Darstellung des Verfahrensganges von der belangten Behörde gebrauchten Formulierung, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme zum Vorhalt vom 9. April 1997 "im Wesentlichen die Angaben in der Berufung wiederholt", hat die Beschwerdeführerin darin nämlich geltend gemacht, sie müsse sich zur Erreichung des Betreuungsortes einer Busverbindung bedienen, mit der sie bei Abfahrt von Prägraten um 7,17 Uhr erst um 10,10 Uhr wieder in Prägraten einlange. Trifft dies zu, so übersteigt die aufzuwendende Zeit insgesamt zwei Stunden und somit das in § 1 Abs. 2 lit. b Sondernotstandshilfeverordnung in der Fassung BGBl. Nr. 264/1996 vorgegebene Höchstmaß von 60 Minuten in einer Richtung. In dieses auf die Summe aus "Fahrzeit und Gehzeit" bezogene Höchstmaß für die "aufzuwendende Zeit" sind auch Wartezeiten aufgrund ungünstiger Verkehrsverbindungen einzurechnen. Die belangte Behörde hätte sich mit dem erwähnten Argument der Beschwerdeführerin in der Begründung der angefochtenen Entscheidung daher ausführlicher, als dies geschehen ist, auseinander setzen müssen.
Mit dem Hinweis auf die im gesetzwidrigen § 2a Sondernotstandshilfeverordnung angeordnete Verbindlichkeit der Bescheinigung der Gemeinde konnte sich die belangte Behörde schon deshalb nicht begnügen, weil sie das in § 2a Abs. 2 letzter Satz und Abs. 3 der Verordnung vorgesehene Verfahren nicht eingehalten hatte.
Der Verwaltungsgerichtshof ist aber auch der Ansicht, dass die gesetzwidrige Anordnung einer Verbindlichkeit derartiger Bescheinigungen nicht auf Bescheinigungen über Unterbringungsmöglichkeiten außerhalb der die Bescheinigung ausstellenden Gemeinde zu beziehen ist:
§ 1 Abs. 1 Sondernotstandshilfeverordnung geht im ersten Satz von einer "Einrichtung" aus, die vom Land oder "der Gemeinde selbst" oder von Rechtsträgern geführt wird, "denen" (gemeint wohl: deren) sich das Land oder "die Gemeinde" bedient. Die für die Verordnung verantwortliche Bundesministerin hat in ihrer im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgegebenen Stellungnahme auch hervorgehoben, die "Versorgung der örtlichen Gemeinschaft" mit Kinderbetreuungsplätzen sei primär im Verantwortungsbereich der Gemeinden gelegen, weshalb "auch lediglich die Gemeinde" überprüfen könne, ob ausreichend Kinderbetreuungsplätze in entsprechender Anzahl und Qualität gegeben seien. Des Weiteren sei die kritisierte Konstruktion u.a. deshalb gewählt worden, weil es kein "rechtsförmiges" Verfahren für die Zuteilung bzw. Vergabe eines solchen Betreuungsplatzes gebe (vgl. die Wiedergabe dieser Stellungnahme im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1998, V 76/98). Diese Argumentation lässt - ungeachtet der Frage ihrer gedanklichen Schlüssigkeit - nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes erkennen, dass der Gegenstand der verbindlichen Bescheinigung auch nach dem Willen des Verordnungsgebers das Vorhandensein oder Fehlen geeigneter Einrichtungen im Verantwortungsbereich der die Bescheinigung ausstellenden Gemeinde sein sollte, wobei dies im Falle des Fehlens derartiger Einrichtungen in der Wohnsitzgemeinde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch mit dem Hinweis verbunden sein kann, dass wegen entsprechender Einrichtungen in nahe gelegenen anderen Gemeinden kein Bedarf danach bestehe. Dass auch die fallbezogene Beurteilung von Einrichtungen in anderen Gemeinden durch die Wohnsitzgemeinde hinsichtlich der Eignung für ein bestimmtes Kind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 96/08/0095) für das Arbeitsmarktservice mit der Wirkung, dass "eigene Beurteilungen nicht zu erfolgen haben", verbindlich sein sollte, ist bloß daraus, dass die Wohnsitzgemeinde auch daran ein finanzielles Interesse hätte und den Gemeinden in der teilweise gesetzwidrigen Verordnung offenbar die Möglichkeit zur Entscheidung "in eigener Sache" eingeräumt werden sollte, nicht abzuleiten. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde aber ohnehin ein eigenes Ermittlungsverfahren durchgeführt, der Beschwerdeführerin dessen Ergebnis vorgehalten und die Entscheidung darauf gestützt, weshalb im Zweifel nicht davon auszugehen ist, sie habe der Bescheinigung der Gemeinde Prägraten, wonach die Unterbringungsmöglichkeit in Matrei für das Kind der Beschwerdeführerin geeignet sei, eine für die Berufungsentscheidung rechtlich verbindliche Wirkung beigemessen.
Der angefochtene Bescheid war daher nicht wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, sondern gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Anspruch auf gesonderten Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand besteht danach nicht.
Wien, am 23. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997080420.X00Im RIS seit
18.10.2001