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60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
AKG 1954 §5 Abs2 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des P in L, vertreten durch Saxinger, Baumann & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Fadingerstraße 15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 26. Juli 1994, Zl. 53.140/11-3/94, betreffend Zugehörigkeit zur Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich (mitbeteiligte Partei:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Volksgartenstraße 40, 4020 Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit , Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde unter Berufung auf § 11 des Arbeiterkammergesetzes 1992, BGBl. Nr. 626/1991 (AKG), fest, dass der Beschwerdeführer als Angestellter und Geschäftsführer der WIGOF-Wirtschaftsgenossenschaft der Fleischer Oberösterreichs registrierte Gen.m.b.H. (in der Folge: Genossenschaft) gemäß § 10 AKG der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich (mitbeteiligte Partei) angehöre.
Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer mit dem am 29. September 1993 bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben beantragt, seine Nichtzugehörigkeit zur mitbeteiligten Partei festzustellen. Als Bevollmächtigtem des Vorstandes stehe ihm maßgebender Einfluss auf die Führung der Genossenschaft zu.
Die belangte Behörde - so heißt es in der Begründung des Bescheides weiter - lege ihre Entscheidung folgenden im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt zu Grunde:
Der Beschwerdeführer sei seit 1988 Arbeitnehmer und Geschäftsführer der Genossenschaft. Nach dem Dienstvertrag vom 14. Dezember 1987 umfasse sein Aufgabengebiet sämtliche in § 1 der Satzung genannten Geschäftsbereiche und Tätigkeiten, die der gewöhnlicher Betrieb mit sich bringe, ausgenommen die "Buchstelle".
Nach der Satzung sei Gegenstand des Unternehmens:
1. Der Vertrieb von Nebenprodukten aus den Betrieben der Mitglieder;
2. die Belieferung der Mitgliederbetriebe mit Schlacht- und Stechvieh, Weidnerware, Fleisch, Fleischwaren, Wildbret und Geflügel sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Betriebsmitteln und -einrichtungen;
3. die Belieferung der Mitgliederbetriebe mit den branchenüblichen Handelswaren sowie Lebens- und Genussmittel zum Wiederverkauf;
4. die Errichtung und die Führung von Betrieben zur Verwertung von Haupt- und Nebenprodukten aus den Betrieben der Mitglieder und der Genossenschaft, ferner von Betrieben zur Herstellung bzw. Be- und Verarbeitung von in Pkt 1 bis 3 angeführten Waren sowie das Lager-, Frachtführer- und Speditionsgeschäft mit solchen Produkten und Waren;
5. die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben, die der Gesamtheit der Mitglieder zugute kommen, wie insbesondere Werbung, Schulung, Buchungsgemeinschaften, Informationsdienst, Qualitätsförderung, Fachberatung und Interessenvertretung.
Nach Punkt 6. der Satzung könne sich die Genossenschaft an juristischen Personen des Handels-, des Genossenschafts- und des Vereinsrechtes sowie an Personalgesellschaften des Handelsrechtes beteiligen. Die Belieferung von Nichtmitgliedern werde mit der Beschränkung zugelassen, dass die Genossenschaft im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes und der Wirtschaft ihrer Mitglieder zu dienen habe.
Dem Beschwerdeführer sei im Dezember 1992 Einzelprokura erteilt worden, die im Innenverhältnis nicht beschränkt sei. Nach den Angaben der Genossenschaft vom 25. Februar 1994 habe der Beschwerdeführer auf kaufmännischem, betriebstechnischem und administrativem Gebiet Leitungsaufgaben zu erfüllen; er entscheide dabei eigenständig. Die Aufnahme und Kündigung von Personal könne er allein entscheiden; eine Einschränkung bestehe gemäß § 23 der Satzung hinsichtlich der Anstellung von leitenden Angestellten und der Regelung ihrer Dienstverhältnisse. Der Beschwerdeführer könne selbstständig entscheiden, mit welchen branchenüblichen Handelswaren und zu welchen Bedingungen die Mitgliedsbetriebe beliefert würden. Für die kaufmännische Führung des Betriebes bestünden keine Richtlinien, es seien aber für den Bezug von Waren die vom Aufsichtsrat genehmigten Grundsätze zu beachten. Einem solchen Aufsichtsratsbeschluss müsse nach § 23 der Satzung ein Beschluss des Vorstandes vorausgehen. Der Beschwerdeführer, der nicht Mitglied des Vorstandes sei, unterliege in allen Bereichen der Geschäftsführung dem Weisungsrecht des Vorstandes. Nach § 11 der Satzung führe der Vorstand die Geschäfte selbstständig, so weit er dabei nicht durch die Satzung oder Beschlüsse der Generalversammlung beschränkt und an die Genehmigung des Aufsichtsrates oder der Generalversammlung gebunden sei. Die Bestellung von Prokuristen erfolge durch den Vorstand und bedürfe der Zustimmung des Aufsichtsrates. Der Obmann bzw. der Obmann-Stellvertreter vertrete gemäß § 10 der Satzung die Genossenschaft mit einem weiteren Vorstandsmitglied oder gemeinsam mit einem Prokuristen. In finanziellen Angelegenheiten könne der Beschwerdeführer selbstständig entscheiden; die Aufnahme von Krediten und die Anlage von Geldern falle jedoch nicht in seinen Kompetenzbereich. Das gelte auch für die Belastung, den An- und Verkauf von Grundstücken sowie für die Einrichtung und Ausdehnung des gesamten Geschäftsbetriebes oder des Betriebes einzelner Geschäftszweige.
Dieser Sachverhalt wurde von der belangten Behörde in der Begründung ihrer Entscheidung rechtlich folgendermaßen beurteilt:
Nach § 10 Abs. 1 AKG gehörten grundsätzlich alle Arbeitnehmer der Arbeiterkammer an. Es stehe außer Zweifel, dass der Beschwerdeführer Arbeitnehmer und von der angeführten Gesetzesstelle erfasst sei. Nach § 10 Abs. 2 Z. 2 AKG gehörten der Arbeiterkammer Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder nicht an, wenn das Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben würde. In Unternehmen mit anderer Rechtsform gehörten der Arbeiterkammer nur leitende Angestellte nicht an, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zustehe. Da das Unternehmen, in dem der Beschwerdeführer tätig sei, nicht als Kapitalgesellschaft, sondern in einer anderen Rechtsform (Genossenschaft) betrieben werde, sei für die Beurteilung des Beschwerdefalles der zweite Halbsatz dieser Bestimmung heranzuziehen. Es bedürfe keiner näheren Erläuterung, dass der Beschwerdeführer nach dem festgestellten Sachverhalt das Tatbestandsmerkmal des "leitenden Angestellten" erfülle. Es erhebe sich jedoch die Frage, ob ihm "dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens" zustehe. In einer Reihe von arbeitsrechtlichen Gesetzen (Arbeitszeitgesetz, Arbeitsverfassungsgesetz, Arbeiterkammergesetz usw.) würden leitende Angestellte vom jeweiligen Geltungsbereich ganz oder teilweise ausgenommen. Je nach dem Gesetzeszweck sei der Kreis der ausgenommenen Personen verschieden definiert. In § 10 Abs. 2 AKG sei der Ausnahmetatbestand von allen einschlägigen Gesetzen am engsten gezogen, weil nur leitende Angestellte ausgenommen seien, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zusteht. Dies deshalb, weil die Arbeiterkammern nach § 1 AKG dazu berufen seien, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und zu fördern. Nach dem Zweck des Gesetzes seien nur jene Personen ausgenommen, denen gleichsam Unternehmereigenschaft zukomme und deren Interessenwahrung infolge dessen einer anderen gesetzlichen Interessenvertretung zukomme. Wenn der Beschwerdeführer darauf verweise, dass die ihm erteilte Einzelprokura im Innenverhältnis nicht eingeschränkt sei und er infolge dessen dem Arbeiterkammergesetz nicht unterliege, so übersehe er zunächst, dass auch eine uneingeschränkte Prokura nicht zu allen Vertretungshandlungen für das Unternehmen berechtige. Ein Prokurist könne nämlich nicht selbst Prokura erteilen, er sei zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken nur mit besonderer Befugnis des Vollmachtgebers berechtigt, er könne weder den Betrieb einstellen noch das Unternehmen veräußern; er sei auch nicht berechtigt, die Bilanzen zu unterzeichnen. Darüber hinaus habe der Vorstand das Recht, dem Prokuristen Weisungen betreffend die Unternehmensführung zu erteilen.
Schließlich lasse der Beschwerdeführer die Änderung außer Betracht, die das Arbeiterkammergesetz 1992 gebracht habe. Der Gesetzgeber habe im ersten Teilsatz des § 10 Abs. 2 Z. 2 AKG nunmehr eindeutig festgelegt, dass der Arbeiterkammer Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder nicht angehörten, wenn das Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werde. Daraus ergebe sich, dass Prokuristen in solchen Gesellschaften nicht von diesem Ausnahmetatbestand erfasst würden. Nach dem zweiten Teilsatz der genannten Bestimmung seien in Unternehmungen mit anderer Rechtsform nur leitende Angestellte, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zustehe, von der Arbeiterkammerzugehörigkeit ausgenommen. Wenn der Gesetzgeber in dieser Hinsicht auch den Wortlaut der vorher in Geltung gestandenen Bestimmung übernommen habe, so sei dennoch sein normativer Inhalt enger geworden. Der Gesetzgeber habe nur wegen der Vielfalt der hier in Betracht kommenden Rechtsformen von einer kasuistischen Aufzählung der ausgenommenen Personen Abstand genommen. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer die Geschäfte der Genossenschaft führe, die der gewöhnliche Betrieb mit sich bringe, könne noch nicht abgeleitet werden, dass ihm dauernd maßgeblicher Einfluss auf das Unternehmen zustehe. Der Beschwerdeführer könne sich in seiner rechtlichen Stellung nicht mit einem Geschäftsführer einer GesmbH oder einem Vorstandsmitglied einer AG vergleichen. Dies verlange aber eine gesetzeskonforme Auslegung des zweiten Halbsatzes des § 10 Abs. 2 Z. 2 AKG, weil eine Genossenschaft rechtlich ähnlich konstruiert sei wie eine Kapitalgesellschaft. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer in allen Belangen der Geschäftsführung dem Weisungsrecht des Vorstandes unterliege, könne er zum Unterschied von einem Geschäftsführer einer GesmbH in all jenen Angelegenheiten, die dem Aufsichtsrat oder der Generalversammlung der Gesellschaft vorbehalten seien, nicht selbst jene Rechtshandlungen setzen, die dann der Genehmigung der zuständigen Organes bedürften, weil dies nach § 23 der Satzung nur der Vorstand mit seinem Beschluss erwirken könne. Auch der Einwand des Beschwerdeführers, dass es sich bei den Organmitgliedern der Genossenschaft um Gewerbetreibende handle, die nicht hauptberuflich in der Genossenschaft tätig seien, und daher ein fachkundiger Geschäftsführer erforderlich sei, weshalb in vergleichbarer Weise auch das Kreditwesengesetz die Bestellung von Geschäftsleitern vorgeschrieben habe, gehe ins Leere, da der Beschwerdeführer nicht die Rechtsstellung eines Geschäftsführers einer Kreditgenossenschaft habe. Wenn der Beschwerdeführer darauf verweise, dass die Genossenschaft in ihrem Wirkungsbereich eng mit anderen gleichartigen Unternehmen verknüpft sei und er sowohl Vorstandsobmann der Leistungsgemeinschaft österreichischer Fleischer und Geschäftsführer zweier namentlich genannter Gesellschaften mit beschränkter Haftung sei sowie beim Arbeits- und Sozialgericht als Dienstgeberbeisitzer fungiere, so verkenne er damit die Rechtslage. Für das gegenständliche Verfahren betreffend seine Tätigkeit bei der Genossenschaft könne er damit nichts gewinnen, dass er allenfalls bei anderen juristischen Personen echte Unternehmerfunktionen bekleide.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Auch die mitbeteiligte Partei hat einen Gegenschrift erstattet, in der dem gesamten Vorbringen nach ebenfalls die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 10 Abs. 1 AKG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 626/1991 gehören der Arbeiterkammer alle Arbeitnehmer an.
Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 AKG in der genannten Fassung gehören der Arbeiterkammer nicht an: Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, wenn das Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben wird; in Unternehmen mit anderer Rechtsform - unbeschadet Abs. 2 Z. 4 - leitende Angestellte, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zusteht.
Nach dem Ausschussbericht (vgl. 252 BlgNR 18. GP, 8) unterscheide sich die Ausnahmebestimmung für leitende Angestellte in Abs. 2 Z. 2 des § 10 AKG von der korrespondierenden Bestimmung des Arbeiterkammergesetzes 1954 dadurch, dass in Kapitalgesellschaften nunmehr nur Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder als leitende Angestellte bezeichnet und damit von der Zugehörigkeit ausgenommen würden, weil auf Grund der rechtlichen Konstruktion dieser Gesellschaftsformen mit der Funktion des Geschäftsführers bzw. des Vorstandsmitgliedes eine Leitungsfunktion untrennbar verbunden sei. Der Begriff des "leitenden Angestellten" werde also in diesem Bereich konkretisiert. Für leitende Angestellte von Unternehmen, die in anderer Rechtsform betrieben würden, ändere sich die Rechtslage nicht. Die bisherige Judikatur zum Begriff des leitenden Angestellten nach dem Arbeiterkammergesetz 1954 sei daher weiterhin maßgeblich.
Der Ausschussbericht verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1988, Zl. 87/09/0298. Danach muss es sich bei einem "leitenden Angestellten" zunächst um einen Angestellten, also um einen Arbeitnehmer, handeln, dem Leitungsaufgaben zukommen. Es ist dabei erforderlich, dass der Angestellte regelmäßig unter eigener Verantwortung bedeutsame und echte unternehmerische Leitungsaufgaben auf bestimmtem (Teil-)Gebieten, wie die organisatorische, personelle, kaufmännische, wirtschaftliche, technische oder wissenschaftliche Führung des Unternehmens, mit einem erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum wahrnimmt. Die Herausnahme der leitenden Angestellten aus der Anwendung des Arbeiterkammergesetzes ist wegen ihrer funktionellen Nähe zum Unternehmer ("typische Unternehmerfunktion") erfolgt. Ob dies der Fall ist, kann in aller Regel nur anhand der Arbeitsverträge überprüft werden. Die schlichte Vorgesetzteneigenschaft genügt nicht, hauptsächlich sachbezogene, mit der Unternehmensführung nicht zusammenhängende Tätigkeiten eines Angestellten sind kein Qualifikationsmerkmal für "leitende Angestellte", auch wenn diese Tätigkeit mit relativ großer eigener Verantwortung ausgeführt wird. Die Selbsteinschätzung der betroffenen Angestellten kann jedenfalls nicht als maßgebend erachtet werden.
Die belangte Behörde hat bei ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Auffassung vertreten, aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer die Geschäfte der Genossenschaft führe, die der gewöhnliche Betrieb mit sich bringe, könne noch nicht abgeleitet werden, dass ihm maßgebender Einfluss auf das Unternehmen zustehe. Der Beschwerdeführer könne sich in seiner rechtlichen Stellung auch nicht mit einem Geschäftsführer einer GesmbH oder einem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft vergleichen. Dies verlange aber eine gesetzeskonforme Auslegung des zweiten Halbsatzes des § 10 Abs. 2 AKG 1992, weil eine Genossenschaft rechtlich ähnlich konstruiert sei wie eine Kapitalgesellschaft. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer in allen Belangen der Geschäftsführung dem Weisungsrecht des Vorstandes unterliege, könne er zum Unterschied von einem Geschäftsführer einer GesmbH in all jenen Angelegenheiten, die dem Aufsichtsrat oder der Generalversammlung der Genossenschaft vorbehalten seien, nicht selbst jene Rechtshandlungen setzen, die dann der Genehmigung des zuständigen Organes bedürften, weil dies nach § 23 der Satzung nur der Vorstand mit seinem Beschluss erwirken könne.
Diese Auffassung der belangten Behörde erweist sich aus folgenden Überlegungen als unzutreffend:
Was zunächst die Weisungsbefugnis des Vorstandes anlangt, so spricht diese - isoliert betrachtet - weder für noch gegen die leitende Funktion des Beschwerdeführers. Nach dem oben wiedergegebenen § 10 Abs. 2 Z. 2 AKG muss es sich bei einem leitenden Angestellten nämlich zunächst um einen Angestellten, also um einen Arbeitnehmer, handeln. Für die Arbeitnehmereigenschaft ist jedoch die Weisungsgebundenheit hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens charakteristisch. Damit ein solcher Arbeitnehmer zu einem "leitenden" Angestellten im Sinne des Arbeiterkammergesetzes wird, ist es erforderlich, dass der Angestellte im Sinne der zitierten Rechtsprechung regelmäßig unter eigener Verantwortung bedeutsame und echte unternehmerische Leitungsaufgaben auf bestimmten Gebieten des Unternehmens mit einem erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum wahrnimmt.
Diesbezüglich hat die belangte Behörde auf Grund einer Auskunft der mitbeteiligten Partei unter anderem festgestellt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer gemäß dem bestehenden Dienstvertrag auf allen Gebieten Leitungsaufgaben wahrnimmt, die nach § 1 der Satzung Unternehmensgegenstände der Genossenschaft sind. In formeller Hinsicht sei er mit den ihm eingeräumten Befugnissen den Vorstandsmitgliedern gleichgestellt. Seine ihm übertragenen Leitungsaufgaben umfassten die Geschäftsführung auf kaufmännischem, betriebstechnischem und administrativem Gebiet. Bei Aufnahme und Kündigung von Personal könne der Beschwerdeführer allein entscheiden. Eine Einschränkung bestehe nur insofern, als die Anstellung von leitenden Angestellten und die Regelung ihrer Dienstverhältnisse nach § 23 der Satzung der Genehmigung des Aufsichtsrates bedürften. Der Beschwerdeführer könne auch in finanziellen Angelegenheiten selbstständig Entscheidungen treffen. Die Aufnahme von Krediten bzw. die Anlage von Geldern bedürfe der Genehmigung durch den Aufsichtsrat. Vor Abschluss von Geschäften bzw. von bestimmten Geschäften brauche der Beschwerdeführer mit dem Vorstand keine Rücksprache zu halten. Die Übertragung der Geschäftsführung an den Beschwerdeführer bringe konsequenter Weise mit sich, dass er eigenständig Entscheidungen treffen könne und das nicht nur in Notfällen. So könne er etwa selbstständig entscheiden, mit welchen branchenüblichen Handelswaren und zu welchen Bedingungen die Mitgliederbetriebe beliefert würden. Dabei seien nur die vom Aufsichtsrat genehmigten Grundsätze für den Bezug von Waren zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer könne generell sämtliche Dispositionen treffen, die nicht gemäß der Satzung vom Aufsichtsrat bzw. der Generalversammlung zu entscheiden seien. Es gebe auch keine generellen Grundsätze bzw. Richtlinien des Vorstandes für die kaufmännische Führung, ebenso wenig gebe es Richtlinien bezüglich des Vorgehens bei gewissen Geschäftsfällen.
Auf dem Boden dieser Feststellungen nimmt der Beschwerdeführer regelmäßig unter eigener Verantwortung echte unternehmerische Leitungsaufgaben auf verschiedenen Gebieten wahr; es kommt ihm dabei ein erheblicher eigener Entscheidungsspielraum zu:
So ergibt sich etwa aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der ihm eingeräumten Befugnisse "den Vorstandsmitgliedern gleichgestellt" ist, dass seine Entscheidungen und Verfügungen dieselben Rechtswirkungen haben wie die des Vorstandes. Da er in diesem Rahmen "selbständig Entscheidungen treffen" kann und dies "nicht nur in Notfällen", wird er auch dauernd unternehmerische Leitungsaufgaben mit einen erheblichen Entscheidungsspielraum wahrzunehmen haben. Schließlich ist auf das weitere Element der Ausübung unternehmerischer Funktionen, nämlich seine selbständige Disposition bezüglich Aufnahme und Kündigung von Personal, zu verweisen.
Dass in bestimmten, in § 23 der Satzung aufgezählten Angelegenheiten (zB. Aufnahme und Ausschließung von Mitgliedern, Anstellung von leitenden Angestellten, Grundsätze für den Bezug von Waren, Abschluss von Außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebes liegenden Verträgen) die Beschlüsse des Vorstandes der Genehmigung durch den Aufsichtsrat bedürfen, spricht nicht gegen die leitende Funktion des Beschwerdeführers in den von der mitbeteiligten Partei genannten Bereichen.
Der belangte Behörde kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie auf Grund ihrer Feststellungen die Auffassung vertritt, dem Beschwerdeführer komme nicht dauernd maßgebender Einfluss auf das Unternehmen zu, da er nur die Geschäfte der Genossenschaft führe, die der gewöhnliche Betrieb mit sich bringe. Entscheidend ist vielmehr, ob von ihm dabei unter eigener Verantwortung Verfügungen getroffen werden, die auf die Führung des Unternehmens von maßgebenden Einfluss sind. Dass dies der Fall ist, kann auf Grund der unbestrittenen Angaben der mitbeteiligten Partei keinem Zweifel unterliegen.
Auf Grund dieser Erwägungen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nur für drei Beschwerdeausfertigungen und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zuerkannt werden.
Wien, am 23. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1994080212.X00Im RIS seit
20.11.2000