Entscheidungsdatum
12.04.2018Norm
VwGG §30 Abs2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Schwarzmann als Einzelrichter über den Antrag von A, vertreten durch B, Rechtsanwälte in ***, ***, seiner gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 20.2.2018, ***, erhobenen Beschwerde vom 23.3.2018 aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, folgenden
B E S C H L U S S :
1. Der Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird abgewiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 5 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 – NÖ BO 2014
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
B e g r ü n d u n g:
Mit Bescheid vom 12.9.2017, 40/1-2016, hat der Bürgermeister der Stadtgemeinde *** der Bauwerberin „C Genossenschaft m.b.H. in ***“ die baubehördliche Bewilligung zum Teilabbruch eines Gebäudes und zur Errichtung eines Wohnhauses für Junges Wohnen (12 Wohneinheiten) inkl. Nebenräume, einer Garage für 17 Pkw und 2 Freistellplätzen samt Außenanlagen und eines Kinderspielplatzes sowie von Einfriedungen auf dem Grundstück Nr. *** EZ *** KG *** erteilt und die Einwendungen u.a. des Beschwerdeführers, der Hälfteeigentümer des nördlich angrenzenden Grundstückes Nr. *** EZ *** KG *** ist, als unbegründet abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 20.2.2018, ***, keine Folge gegeben.
In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde vom 23.2.2018 beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Antrag um Erteilung der Baubewilligung abgewiesen wird, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Sache an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Weiters stellt er darin den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit folgender Begründung: Mit der Ausübung der eingeräumten Berechtigung sei ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Beschwerdeführer verbunden. Das lärmschutztechnische Gutachten weise einige Ungereimtheiten auf, sodass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei, dass „die Beschwerdeführer in ihren subjektiven öffentlichen Rechten nach § 6 Abs. 2 iVm § 48 NÖ BO 2014 verletzt“ seien. An der Errichtung des projektierten Bauwerks bestünden keinerlei zwingende öffentliche Interessen, weil die Errichtung im ausschließlich eigennützigen Interesse der mitbeteiligten Partei stehe und in der Stadtgemeinde *** schon genügend Wohnraum zur Verfügung stehe. Während die Interessen an der Errichtung des Bauwerks rein vermögenswerter Natur seien, sei das Interesse des Beschwerdeführers am Unterbleiben der Errichtung mit dem Schutz seiner körperlichen und mentalen Gesundheit, sohin einer absolut geschützten, verfassungsgesetzlich gewährleisteten und auch menschenrechtlich verbrieften Rechtsposition untrennbar verbunden, zumal nicht ausgeschlossen sei, dass er in seinem subjektiv öffentlichen Recht auf Schutz vor örtlich unzumutbaren Lärmimmissionen verletzt sei. Sein rechtliches Interesse am Unterbleiben des sofortigen Vollzugs des Baubewilligungsbescheids überwiege somit objektiv betrachtet schon aus grundrechtlicher Perspektive die Interessen der Bauwerberin an der sofortigen Errichtung ihres Bauvorhabens.
Über diesen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wie folgt erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 3 NÖ BO 2014 in der maßgeblichen Fassung vor dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 50/2017 (siehe § 70 Abs. 10 NÖ BO 2014) hat die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht in Baubewilligungsverfahren (§ 14 NÖ BO 2014) keine aufschiebende Wirkung. Das Landesverwaltungsgericht hat jedoch – ab Vorlage der Beschwerde – auf Antrag der beschwerdeführenden Partei die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Gegen diese von § 13 VwGVG, wonach eine Beschwerde grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat, abweichende Regelung hat das Landesverwaltungsgericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zur insofern gleichgelagerten Rechtslage nach der Oö. Bauordnung 1994 VfGH vom 12.3.2015, E 58/2015, VfSlg. 19.969/2015).
§ 5 Abs. 3 NÖ BO 2014 gleicht in seiner Formulierung im Wesentlichen dem § 30 Abs. 2 VwGG, weshalb die zu dieser Bestimmung betreffend Anträge auf aufschiebende Wirkung im Baubewilligungsverfahren entwickelte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übertragen werden kann.
Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Beschwerde erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen. Unter den Annahmen der belangten Behörde sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die bloße Ausübung der mit einer Baubewilligung eingeräumten Berechtigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden, während das massive wirtschaftliche Interesse der Bauwerberin an der baldigen Umsetzung ihres Bauvorhabens auf der Hand liegt. Im Fall des Obsiegens des Nachbarn als Beschwerdeführer hat allein die Bauwerberin die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen und wäre die Baubehörde von Amts wegen verpflichtet, für die Beseitigung eines dann konsenslos errichteten Baues zu sorgen (vgl. zum Ganzen VwGH vom 10.9.2014, Ro 2014/05/0065).
Der Antragsteller hat zur Begründung des von ihm vorgebrachten unverhältnismäßigen Nachteils bloß vorgebracht, dass das lärmschutztechnische Gutachten „einige Ungereimtheiten“ aufweise und „nicht auszuschließen“ sei, dass er in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf Schutz vor örtlich unzumutbaren Lärmimmissionen verletzt sei. Dieses Vorbringen reicht nicht aus, um dem Konkretisierungsgebot zu entsprechen (vgl. VwGH vom 8.7.2015, Ra 2015/05/0040), weil damit keine konkrete Verletzung seines angesprochenen subjektiv-öffentlichen Rechts, kein konkreter drohender „unverhältnismäßiger Nachteil“ bzw. kein konkreter drohender Schaden dargelegt wird (er hält es bloß für „nicht auszuschließen…“). In diesem Provisorialverfahren geht es nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, sondern einzig um die Auswirkung eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Bescheides. Das Landesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Baubehörde die mit der Benützung des gegenständlichen Bauvorhabens verbundenen Lärmemissionen geprüft hat und dass diese (nach dem nicht von vornherein unschlüssigen lärmtechnischen Sachverständigengutachten des X vom 23.4.2017) die Lärmhöchstwerte der Verordnung der NÖ Landesregierung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen, LGBl. 8000/4-0, nicht überschreiten, zumal der Beschwerdeführer in der Begründung seines Aufschiebungsantrages keine Unschlüssigkeit dieses Gutachtens aufzeigt, sondern eben nur – ohne nähere Ausführungen oder Untermauerungen – „allgemeine Ungereimtheiten“ anspricht. Der Umstand, dass Bauausführungen typischerweise geeignet sind, Immissionsbelästigungen auf Nachbargrundstücken herbeizuführen, kann nicht für sich allein zur Gewährung der aufschiebenden Wirkung führen, weil für den Regelfall § 5 Abs. 3 NÖ BO 2014 bestimmt, dass Beschwerden im Baubewilligungsverfahren eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt. Im Übrigen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die geplante Bauführung irreversible Veränderungen mit sich bringen würde. Falls er mit seiner Beschwerde obsiegt, hätte allein die Bauwerberin die Folgen der dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Baues und die damit verbundenen Nachteile zu tragen.
Da der Beschwerdeführer keinen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des § 5 Abs. 3 NÖ BO 2014 für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dargelegt hat, war seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge zu geben.
Über die Beschwerde selbst wird im Verfahren LVwG-AV-375/002-2018 gesondert zu entscheiden sein.
Die Revision gegen diesen Beschluss ist unzulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (vgl. VwGH vom 23.9.2014, Ro 2014/01/0033) dar.
Schlagworte
Baurecht; Verfahrensrecht; aufschiebende Wirkung; Konkretisierung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.375.001.2018Zuletzt aktualisiert am
18.06.2018