TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/24 W161 2193314-1

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Veröffentlicht am 24.05.2018
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Entscheidungsdatum

24.05.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W161 2193314-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch XXXX, Rechtsanwalt in 1130 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2018, Zl: 237206703-170896855.

zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3, 1. Satz BFA-VG

stattgegeben, der Asylantrag wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht

zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer brachte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 01.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Eine durchgeführte Eurodac-Abfrage ergab keinen Treffer.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 05.09.2017 ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien.

Mit Schreiben vom 08.11.2017 wurde Italien vom Eintritt der Zuständigkeit durch Fristablauf gem. Art. 22(7)/25(2) Dublin III-VO ab 05.11.2017 in Kenntnis gesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.03.2018 wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. gem. §61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. §61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Italien zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wurde, eine Abschiebung nach Italien verletze die Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 3 und 8

EMRK.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 01.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2017 wurde ein Konsultationsverfahren mit Italien eingeleitet und ergibt sich aus der durch Verfristung eingetretenen Zustimmung Italiens, dass Italien zur Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers zunächst zuständig war.

Obwohl die Zuständigkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers unzweifelhaft vorlag, erfolgte die Überstellung nicht binnen der in Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung festgelegten Frist. Das Verfahren wurde nicht ausgesetzt, bzw. fand keine sonstige Fristverlängerung im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung statt, sodass die in Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung normierte Rechtsfolge des Zuständigkeitsüberganges stattgefunden hat.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere auch aus dem Konsultationsverfahren.

Die Überschreitung der Frist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung ergibt sich aus der fiktiven Zustimmungserklärung Italiens sowie aus dem dem Akt einliegenden Schreiben des Bundesamtes vom 24.05.2018. .

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Die gegenständliche Beschwerde ist nach dem 01.01.2014 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig geworden, sodass insgesamt nach der Rechtslage ab diesem Tag vorzugehen ist.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idF BGBl I 2013/144).

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 145/2017 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) i.d.g.F. lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) i.d.g.F. lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

....

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

In Art. 49 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) ist zu deren Inkrafttreten und Anwendbarkeit Folgendes geregelt:

"Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden, und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003."

Artikel 29 Dublin III - VO: Modalitäten und Fristen

(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez- passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

Österreich stellte am 05.09.2017 ein Übernahmeersuchen an Italien. Nachdem Italien darauf nicht fristgerecht antwortete, setzten die österreichischen Dublin-Behörden Italien mit Schreiben vom 08.11.2017 vom Eintritt der Zuständigkeit Italiens durch Fristablauf ab 05.11.2017 in Kenntnis, wodurch der Beginn der Frist nach Art. 29 Abs.1 Dublin III-VO ab 05.11.2017 begründet wurde.

Die beschwerdeführende Partei war durchgehend ordentlich gemeldet. Fristverlängerungen aus den in Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Gründen haben nicht stattgefunden, bzw. wurde ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung seitens des BVwG nicht gewährt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist somit die sechsmonatige Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 1 Dublin III - VO abgelaufen. Die Verfristungsbestimmungen der Dublin-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang bzw. eine Zuständigkeitsbegründung des trotz der rechtlichen Möglichkeiten eine Überstellung nicht während dieser Frist durchführenden Mitgliedsstaates.

Ein Übergang der Zuständigkeit gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III - VO hat im gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und Österreich ist somit nunmehr für die Führung des materiellen Verfahrens zuständig. Dementsprechend war gegenständlicher, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende, Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt bzw. nach Konsultierung des Bundesamtes abklärbar waren.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

 

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung,
Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W161.2193314.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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