TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/25 W111 2137659-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2018
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Entscheidungsdatum

25.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W111 2137659-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) des XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX, betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 24.04.2015, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.05.2017, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG stattgegeben.

II. Der Antrag auf internationalen Schutz wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 24/2016 (im Folgenden: AsylG 2005) im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen.

III. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

IV. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, stellte am 24.04.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist war.

Anlässlich seiner am gleichen Tag durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 9 bis 19), aus XXXX zu stammen, der Volksgruppe der Ashraf sowie dem moslemischen Glauben anzugehören. Seinen Herkunftsstaat habe er aufgrund eines Problems mit Al Shabaab verlassen, im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl setzte in weiterer Folge keinerlei weiteren Verfahrensschritte.

3. Am 10.10.2016 brachte der Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch genannten Vollmachtsverhältnisses eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein und führte infolge kurzer Darstellung des Verfahrensganges begründend aus, sein Verfahren sei beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seit mehr als 15 Monaten anhängig und sei über dessen Antrag bis dato nicht entschieden worden. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgabe der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und dem Beschwerdeführer Asyl, gegebenenfalls subsidiären Schutz, gewähren.

Mit Verfahrensanordnung vom 17.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation beigegeben.

4. Am 19.10.2016 (einlangend) legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die gegenständliche Säumnisbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor. Eine Erklärung für die Säumnis findet sich darin nicht. Angemerkt wurde, dass nach individueller Prüfung des Verwaltungsaktes eine Erledigung im vorliegenden Fall nicht innerhalb der 3-Monats-Frist erfolgen könne, weshalb der Akt in Vorlage gebracht werde.

5. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 17.01.2017 beauftragte das Bundesverwaltungsgericht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 19 Abs. 6 AsylG, in der Fassung BGBl I Nr. 24/2016, mit der Einvernahme des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge am 03.04.2017 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Anlässlich jener Einvernahme brachte der Beschwerdeführer kurz zusammengefasst vor (im Detail vgl. Verwaltungsakt, Seiten 123 bis 142), er sei gesund und fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung durchzuführen. Seine bisher im Verfahren erstatteten Angaben seien korrekt gewesen, doch seien ihm diese nicht wörtlich rückübersetzt worden. Vorgelegt wurden Kopien einer Geburtsurkunde sowie einer Heiratsurkunde des Beschwerdeführers. Im Herkunftsstaat hätte er gemeinsam mit seine Eltern und Geschwistern gelebt, die wirtschaftliche Lage seiner Familie hätte sich abwechselnd als gut und schlecht erwiesen, seine Mutter hätte den Lebensunterhalt der Familie durch den Verkauf von Lebensmitteln erwirtschaftet. Er habe sich zuletzt im April 2014 in seinem Heimatort aufgehalten, ob seine Familie nach wie vor dort lebe, sei ihm nicht bekannt. Er sei verheiratet, seine Frau habe er im Internet kennengelernt, er habe diese, als er bereits in Österreich gewesen wäre, telefonisch geheiratet und kenne sie bislang nicht persönlich. Anschließend wurde der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtweg befragt und gab dabei insbesondere an, die Kosten seiner Schleppung in der Höhe von USD 4.500,- von seiner Mutter erhalten zu haben, welche zu diesem Zweck ein Grundstück verkauft hätte.

In Bezug auf seinen Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, im Geschäft seiner Mutter gewesen und von Al Shabaab gezwungen worden zu sein, mit diesen mitzukommen. Sie hätten ihm vorgeworfen, ein Spion zu sein, ihn aus diesem Grund in ein Gefängnis gebracht und ihn 20 Tage gefoltert und täglich geschlagen. Am Ende sei ihm gesagt worden, dass man keine Beweise dafür gefunden hätte, dass er ein Spion sei, doch sei von ihm verlangt worden, mit Al Shabaab zusammenzuarbeiten. Der Beschwerdeführer habe sich geweigert. Am 20. Tag sei es ihm gemeinsam mit zwei anderen Gefangenen gelungen, zu fliehen, als der Wachmann gerade geschlafen hätte. Gemeinsam mit den beiden anderen sei er nach XXXXgelangt und sei in der Folge aus Somalia geflohen. Auf die Frage, ob dies all seine Fluchtgründe wären, ergänzte der Beschwerdeführer, überdies dem Minderheitenclan der Ashraf anzugehören, welcher nicht das Recht gehabt hätte, sich in die Gesellschaft einzubinden und andere Leute zu kontaktieren. Der Beschwerdeführer wurde anschließend zum näheren Ablauf seiner Entführung, seiner Gefangenschaft sowie seiner Flucht aus dem Gefängnis befragt. Nachgefragt, sei er im Herkunftsstaat von keinen Problemen mit staatlichen Behörden betroffen und keiner Verfolgung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit ausgesetzt gewesen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, von Al Shabaab gefunden und umgebracht zu werden. Diese würde ihn aufgrund seiner Flucht sowie seiner Weigerung, mit dieser zusammenzuarbeiten, suchen. Weiters gab der Beschwerdeführer an, im Fall einer Rückkehr auch Probleme mit staatlichen Behörden bzw. mit seinem Clan zu befürchten, welche er jedoch nicht näher spezifizieren könne. Auch in XXXX hätte er Angst, dass Al Shabaab ihn finden würde.

Abschließend wurde der Beschwerdeführer zu seinem Leben in Österreich befragt, wobei er insbesondere angab, regelmäßig gemeinnützige Arbeiten zu leisten und Deutschkurse zu besuchen (in diesem Zusammenhang wurde ein Konvolut an Unterlagen hinsichtlich erfolgter Integrationsbemühungen vorgelegt). Anschließend bestätigte der Beschwerdeführer, den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden zu haben und bestätigte nach Rückübersetzung der aufgenommenen Niederschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls durch seine Unterschrift.

6. Die neuerliche Aktenvorlage durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erfolgte am 06.04.2017.

7. Am 24.05.2017 fand zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen rechtsfreundlicher Vertreter sowie ein Dolmetscher für die somalische Sprache teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, verzichtete jedoch im Vorfeld schriftlich auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Seitens des Beschwerdeführers wurden Unterlagen zum Nachweis erfolgter Integrationsbemühungen in Vorlage gebracht (Bestätigungen über die Verrichtung gemeinnütziger Arbeit vom 09.05.2017, 28.07.2016 und 24.03.2017, Deutschkursteilnahmebestätigung A1/A2 vom 28.03.2017 sowie Unterstützungsschreiben der Kursleitung vom 14.07.2016, Teilnahmebestätigung Kompetenzanalyse vom 20.10.2016).

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:

(...)"

R: Möchten Sie Ihrem bisherigen Verfahren etwas hinzufügen oder korrigieren?

BF: Nein, das möchte ich nicht. Meine Angaben waren vollständig und richtig. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Einvernahme vom 03.04.2017 rückübersetzt wurde.

R: Bitte Schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf, bis zu dem Zeitpunkt als Ihre Probleme begonnen haben.

BF: Ich bin am XXXX geboren. Ich habe eine Schwester und einen Bruder. Wir alle haben in unserem Elternhaus gewohnt. Ich habe keine Schule besucht. Gearbeitet habe ich auch nicht. Mein Vater ist schwer krank geworden und ist bettlägerig. Meine Mutter hat ein Lebensmittelgeschäft. Ich kann weder lesen noch schreiben. Ich gehöre dem Clan der Ashraf an und bin Moslem. Meistens war ich untertags zu Hause, manchmal habe ich meiner Mutter geholfen. Ich bin verheiratet, aber meine Frau ist in Somalia. Meine Frau heißt XXXX, sie ist im Jahr XXXX geboren. Wir haben keine Kinder. Mein Bruder heißt XXXX und meine Schwester XXXX. Nachgefragt gebe ich an, ich habe nie mit meiner Frau zusammen gelebt. Ich habe sie geheiratet, während ich in Österreich war. Der Vater meiner nunmehrigen Frau, hat mir vorgeschlagen sie zu heiraten. Dies ist in Somalia der übliche Weg. Die Leute haben sich oft vorher nicht gesehen.

R: Wann begannen Ihre Probleme?

BF: Im Jahr 2014.

R: Hatten Sie jemals Probleme wegen Ihrer Clanzugehörigkeit?

BF: Nein.

R: Schildern Sie mit detailliert und chronologisch richtig, aus welchen Gründen Sie Ihre Heimat verlassen haben.

BF: Eines Tages im Jahr 2014 war ich in unserem Geschäft. Wir wollten nach Hause gehen, ich war alleine im Geschäft. Dann sind ein paar Männer, die alle maskiert waren, in das Geschäft gekommen. Sie forderten mich das Geschäft zu schließen und mit ihnen zu kommen. Sie hatten ein Auto und nahmen mich mit dem Auto mit. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mich nicht an das genaue Datum erinnern kann. Es war Anfang des Jahres. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mitnahme gewaltsam von statten ging. Es waren weniger als fünf Personen, wir sind alle gemeinsam mit einem PKW gefahren.

R: Fahren Sie bitte fort.

BF: Sie haben mich in ein Haus gebracht. Wie lange die Fahrt dorthin gedauert hat, kann ich mich nicht erinnern. Nachgefragt, kann ich nicht sagen ob die Fahrtdauer in Stunden oder Minuten zu messen ist.

R: Ob Sie fünf Minuten oder fünf Stunden unterwegs waren, müssen Sie mir doch sagen können.

BF: Ich glaube die Fahrt hat ca. 20 Minuten gedauert.

R: Wo liegt das Gebäude?

BF: Im Zentrum der Stadt.

R: Haben Sie gesehen wohin Sie gefahren sind?

BF: Meine Augen waren nicht verbunden. Ich sah wohin wir fahren.

R: Beschreiben Sie mir bitte das Gebäude.

BF: Es war ein normales Haus. Es besteht aus einem großen Zimmer. Vor dem Zimmer war ein Hof. In dem Zimmer befanden sich bereits viele inhaftierte Männer. 20 Tage war ich in dem Haus. Jeden Tag sind Mitglieder der Al Shabaab zu uns gekommen und sagten uns, dass wir am heiligen Krieg teilnehmen müssen. Sie haben mich geschlagen und misshandelt. Nach 20 Tagen hat ein Häftling ein Fenster aufgemacht, ich weiß nicht wie. Ich habe die Chance gehabt, mit ihm zu fliehen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich durch das Fenster geflüchtet bin.

R: In Ihrer Einvernahme vom 03.04.2017 geben Sie an, dass Sie das Gefängnis nicht beschreiben können, weil es dort weder Licht noch Fenster gab (AS 134). Wie können Sie mir diesen Widerspruch zu Ihrer nunmehrigen Aussage erklären?

BF: Ich habe damals meine heutigen Angaben gemacht, ich weiß nicht wieso es damals so protokolliert wurde.

R: In Ihrer Einvernahme vom 03.04.2017 geben Sie weiters an, dass Sie den Raum in dem Sie gefangen gehalten wurden, nicht durch ein Fenster, sondern durch einen Tunnel verließen, der unter der Türe hindurch gegraben wurde. Bei diesem Graben haben Sie auch mitgemacht und gaben die Zeit für das graben mit fünf Tagen an. Dieser Widerspruch ist nicht durch eine Unklarheit infolge einer fehlerhaften Protokollierung zu erklären. Vielmehr ist Ihre damalige Aussage, der heutigen diametral entgegengesetzt.

BF: Meine heutige Angabe ist die wirkliche Wahrheit.

R an D: Wirkt der BF sprachlich auffällig?

D: Nein.

R: Welche Farbe hatte das Auto mit dem Sie entführt wurden?

BF: Als sie mich mit dem Auto entführten, war es dunkel. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mich nicht an die Farbe des Autos erinnere.

R: Wieso konnten Sie dann am 03.04.2017 angeben, dass es schwarz war?

BF: Es war sehr dunkel, ich konnte es nicht erkennen.

R: Wie viel kostete Ihre Ausreise?

BF: 4500 USD.

R: Woher hatten Sie das Geld?

BF: Meine Mutter hatte ein Grundstück. Sie verkaufte es, um meine Ausreise zu finanzieren.

R: Was machten Sie unmittelbar, nachdem Sie das Gefängnis verließen?

BF: Nachdem wir der Al Shabaab entkommen sind, ging ich mit zwei Häftlingen mit in Richtung Bushaltestelle. Dort sind wir in einen Bus gestiegen und nach XXXX gefahren. Das Geld haben die Häftlinge bezahlt, ich hatte keines bei mir. Die zwei Häftlinge kannten einen Schlepper und wir sind direkt zu dessen Haus gefahren. Nachgefragt gebe ich an, den Schlepper in seinem Haus gesehen zu haben. Einer meiner beiden Freunde, hatte dem Schlepper erzählt, was mit uns passiert ist. Wir hatten Angst und wollten nach Europa flüchten. Dann fragte der Schlepper uns, wohin jeder von uns hin will. Ich sagte Iran. Dann hat er mich mit einem falschen Dokument ausgestattet. Mit diesem Dokument bin ich von XXXX in den Iran geflohen. Das war am 25.04.2014. Nachgefragt gebe ich an, vier Tage in XXXX gewesen zu sein. Der Schlepper verlangte bis ich im Iran war 1000 USD, diese gab ich ihm auch.

R: Wie erhielten Sie die 4500 USD?

BF: Die Hälfte habe ich in XXXX bekommen, mit dem Geldüberweisungssystem Hawala. Dann habe ich noch weitere Gelder in der Türkei und im Iran über dieses System bekommen.

R: Beschreiben Sie mir, wie Ihre Mutter das Geld organisierte.

BF: Als ich in das Haus von dem Schlepper gekommen bin, habe ich zuerst mit dem Schlepper gesprochen. Danach rief ich meine Mutter an und erzählte ihr, was mir der Schlepper gesagt hat. Meine Mutter hatte zu diesem Zeitpunkt kein Geld, sie hat es von einer Bekannten ausgeliehen. Dann hat sie das Grundstück verkauft. Nachgefragt gebe ich an, dass ich meine Mutter nach drei Tagen kontaktiert habe.

R: Kommen wir zurück zu Ihrer Festnahme durch die Al Shabaab. Schildern Sie mir die Gewalt, die Ihnen während Ihrer Festnahme angetan wurde.

BF: Es war kurz nachdem die Sonne untergegangen ist. Die Männer kamen maskiert hinein und fragten mich, ob ich alleine wäre. Ich sagte ja und darauf sagten sie ich solle das Geschäft zusperren und mit ihnen kommen. Ich fragte, was sie von mir wollten und sie sagten nur ich solle mit ihnen kommen. Als ich mich weigerte, bekam ich eine Ohrfeige. Einer bindete meine Hände am Rücken zusammen. Sie sagten dann, ich soll in das Auto steigen.

R: Hat man von Seiten Al Shabaabs, Ihnen etwas vorgeworfen?

BF: Der Anführer, hat mir vorgeworfen, dass ich die Al Shabaab ausspioniere.

R: Hat man Sie dazu näher befragt?

BF: Nein.

R: Ich frage Sie noch einmal, wurden Sie in dem Gefängnis befragt?

BF: Nein.

R: Am 03.04.2017 haben Sie auf die Frage ob Sie dort (im Gefängnis) befragt worden wären geantwortet, dass man Ihnen zwei Fragen gestellt hätte. Die erste wäre gewesen, ob Sie etwas mit der Regierung zu tun hätten und die zweite wäre gewesen, ob Sie mit ausländischen Geheimdiensten zusammenarbeiten würden. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch.

BF: Während ich im Gefängnis war, hat man mich nicht einvernommen. Aber als wir auf dem Weg zu dem Haus waren, hat man mir diese zwei Fragen gestellt.

R: In der Niederschrift ist aber ausdrücklich von "dort" die Rede, also vom Gefängnis.

BF: Es kann sein, dass es der damalige Dolmetscher so protokolliert hat. Diese Frage wurde mir nur auf dem Weg zu dem Haus gestellt.

R: Aus meiner Sicht macht der BF einen auffällig langsamen und schwerfälligen Eindruck. Sind Sie mit einer medizinisch-psychiatrischen Untersuchung durch XXXX einverstanden?

BFV: Ja.

R: Möchten Sie zum Fluchtgrund noch weitere Angaben machen bzw. Fragen stellen?

BF: Ja ich möchte etwas zugeben. Ich gehöre der Ashraf an. Wir sind eine Minderheit. Wir sind nicht bewaffnet und können uns nicht schützen. Wir wurden auf der Straße beschimpft und bespuckt. Wenn wir in ein Teehaus kommen, werden wir schlecht behandelt.

R: Warum haben Sie dann Eingangs gesagt, dass Sie auf Ihrer Clanzugehörigkeit keine Probleme hätten?

BF: Ich habe die Frage so verstanden, dass ich wegen meiner Clanzugehörigkeit geschlagen wurde.

R: Aus den vorliegenden Länderberichten geht eine spezifische Verfolgung der Ashraf nicht hervor. Vielmehr gelten die Ashraf aufgrund der angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten Mohammed traditionell als respektiert. Wie können Sie mir das erklären?

BF: Dieser Bericht ist wirklich falsch.

BFV: Haben Sie Kontakt mit Ihrer Familie?

BF: Seit ich in Österreich bin, habe ich keinen Kontakt zu meiner Familie.

BFV: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Frau?

BF: Ja, aber der letzte Kontakt war vor vier Monaten. Ich weiß nicht genau wo meine Familie ist. Meine Frau befindet sich in XXXX.

R: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Ihrer Familie?

BF: Kurz bevor ich Somalia verließ.

R: Wie konnte Ihr Vater Zeuge bei der Hochzeit sein, die via Telefon aus Österreich stattgefunden hat?

BF: Mein Vater war nicht Zeuge, sondern mein Schwiegervater und ein Freund von ihm.

R: Stimmt, das haben Sie angegeben, da ist mir ein Fehler unterlaufen.

R: Am 03.04.2017 haben Sie angegeben, dass Sie seit vier Monaten (gerechnet von April 2017) keinen Kontakt mit Ihrer Familie hätten. Wie können Sie sich das erklären?

BF: Die Frage habe ich so verstanden, dass ich mit meiner Familie Kontakt hatte, also mit meiner Frau. Meine Eltern habe ich nicht gemeint.

BFV: Ich habe keine Anmerkungen mehr.

R: Leiden Sie unter schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Nein, außer Stress. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Stress aus meiner Aufenthaltsrechtlichen Situation resultiert. Ich wollte meiner Familie helfen, das kann ich jetzt nicht und ich habe schon längere Zeit keinen Kontakt zu meiner Familie.

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF: Ja, ein bisschen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich bisher keine Prüfungen absolviert habe.

R: Sprechen Sie einige Sätze in deutscher Sprache?

BF auf Deutsch: Ich komme aus Somalia. Ich wohne in XXXX. Ich möchte gerne Deutsch lernen. Ich viel Deutsch lernen.

R: Wovon leben Sie?

BF: Ich bekomme Sozialhilfe und teilweise arbeite ich für die Gemeinde als Straßenkehrer.

R: Wo wohnen Sie?

BF: Ich wohne in XXXX.

R: Sind Sie in Österreich vorbestraft?

BF: Nein.

R erklärt die weitere Vorgehensweise, insbesondere weist der R daraufhin, dass eine psychiatrische Begutachtung angedacht ist. Der BF erklärt, dass er Ärzte nicht mag. Nachdem ihm aber durch den R gesagt wird, dass er durch eine solche Begutachtung nichts zu befürchten habe, erklärt sich der BF einverstanden.

Vorlegt wird das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Somalia mit Stand 13.02.2017. Dem BFV wird ein Exemplar angeboten und eine Frist zur Stellungnahme von 14 Tagen eingeräumt.

R: Möchten Sie noch etwas anmerken?

BF: Nein.

BFV: Nein.

(...)"

Aus einem durch das Bundesverwaltungsgericht folglich in Auftrag gegebenem psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen-Gutachten vom 18.08.2017 ergibt sich im Wesentlichen, dass sich beim Beschwerdeführer kein Hinweis auf das Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung finde und eine psychiatrische Behandlung medizinisch nicht indiziert sei. Es sei keine psychische Erkrankung fassbar, welche den Beschwerdeführer außer Lage setzen würde, an einer Beschwerdeverhandlung teilzunehmen respektive dessen Einvernahmefähigkeit oder dessen Fähigkeit, Erlebtes wiederzugeben, beeinträchtigen würde. Allfällige widersprüchliche und vage Angaben des Beschwerdeführers seien nicht auf eine krankheitswerte psychische Störung rückführbar bzw. durch eine solche erklärbar.

Mit Eingabe vom 04.09.2017 wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme erstattet, in welcher insbesondere auf Berichtsmaterial zur Lage der Ashraf, zur Präsenz der Al Shabaab sowie zur aktuell prekären Versorgungssituation in Somalia hingewiesen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.1. Der Beschwerdeführer, dessen präzise Identität nicht festgestellt werden konnte, ist Staatsangehöriger Somalias, dem Clan der Ashraf und dem moslemischen Glauben zugehörig. Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt XXXX (Mittel-Jubba), wo er zuletzt gemeinsam mit seinen Eltern und seinen beiden Geschwistern gelebt hat.

1.1.2. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen wird der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner physischen oder psychischen Erkrankung, insbesondere liegt keine Krankheit vor, welche dessen Einvernahmefähigkeit respektive seine Fähigkeit, Erlebtes wiederzugeben, einschränken würde.

1.1.3. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem Beschwerdeführer anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia Stand Februar 2017) verwiesen, aus welchen sich die verfahrensgegenständlich relevante Lage ergibt. Diese stellt sich auszugsweise wie folgt dar:

(...)

KI vom 19.1.2017: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

Nach einer schwachen Gu-Regenzeit im Jahr 2016 blieben auch die Regenfälle der Deyr-Regenzeit Ende 2016 aus. Von der Nahrungsversorgungsunsicherheit am schlimmsten betroffen sind landwirtschaftlich genutzte Gebiete im Süden und nomadisch genutzte Gebiete im Nordosten des Landes (FEWSNET 16.1.2017). Alleine im sogenannten South-West-State sind 820.000 Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele suchen in größeren Städten nach Hilfe. Der Gouverneur der Region Bay schätzt, dass bereits rund 3.000 Familien aus ländlichen Gebieten nach Baidoa geflohen sind (UNSOM 16.1.2017). Dabei ziehen Nahrungsmittelpreise an: Der Preis für Mais liegt in Qoryooley 51% über dem Fünfjahresmittel; für Sorghum in Baidoa um 88% darüber (FEWSNET 16.1.2017).

Die humanitäre Situation in Somalia ist zunehmend fragil. Fünf Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 12.1.2017; vgl. UNSOM 16.1.2017) und leiden unter Nahrungsversorgungsunsicherheit (FAO 20.12.2016). 3,9 Millionen davon gelten als "stressed", 1,1 Millionen Menschen leiden unter akuter Nahrungsversorgungsunsicherheit (acutely food insecure) (UNOCHA 12.1.2017) und befinden sich auf den IPC-Stufen drei (Krise) und 4 (Not/Emergency). Alleine im zweiten Halbjahr 2016 hat die Zahl um 20% zugenommen. Prognosen lassen erwarten, dass die Zahl der akut Bedrohten im ersten Halbjahr 2017 um eine weitere Viertelmillion zunehmen wird. Ähnliche Bedingungen hatten im Jahr 2011 zu einer Hungersnot und Hungertoten geführt (FAO 20.12.2016). Folglich fahren humanitäre Organisationen ihre lebensrettenden Maßnahmen hoch, angesammelte Fonds werden angezapft (UNOCHA 12.1.2017).

Eine Entschärfung der Situation ist in rein nomadisch genutzten Gebieten nicht für Mai/Juni zu erwarten; in agro-pastoral genutzten Gebieten nicht vor Juni/Juli. Im schlimmsten anzunehmenden Szenario bleibt auch die Gu-Regenzeit des Jahres 2017 - wie gegenwärtig prognostiziert - schwach und in der Folge sinkt die Kaufkraft auf das Niveau der Jahre 2010/2011. Reicht dann die humanitäre Hilfe nicht aus, wird eine Hungersnot (IPC 5) die Folge sein (FEWSNET 16.1.2017). Bereits jetzt werden vereinzelt Hungertote aus den Regionen Bay (UNSOM 16.1.2017) und Gedo gemeldet (SMN 15.1.2017).

Quellen:

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FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (20.12.2016): With continued drought, Horn of Africa braces for another hunger season,

http://reliefweb.int/report/somalia/continued-drought-horn-africa-braces-another-hunger-season, Zugriff 19.1.2017

-

FEWSNET - Famine Early Warning Systems Network (16.1.2017): Severe drought, rising prices, continued access limitations, and dry forecasts suggest Famine is possible in 2017, http://www.fews.net/east-africa/somalia/alert/january-16-2017, Zugriff 19.1.2017

-

SMN - Shabelle Media Network (15.1.2017): A Mother and her kids die of hunger in Gedo,

http://allafrica.com/stories/201701160709.html, Zugriff 19.1.2017

-

UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (12.1.2017): Somalia: Humanitarian Snapshot (as of 12 January 2017), http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/somalia_humanitarian_snapshot_-_january_2017.pdf, Zugriff 19.1.2017

-

UNSOM - UN Assistance Mission to Somalia (16.1.2017): Deputy SRSG de Clercq assesses humanitarian crisis in Somalia's South West state,

http://reliefweb.int/report/somalia/deputy-srsg-de-clercq-assesses-humanitarian-crisis-somalia-s-south-west-state, Zugriff 19.1.2017

KI vom 20.9.2016: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

Die humanitäre Lage in Somalia bleibt prekär. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken. 305.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Zwischen Jänner und Juni wurden ca. 490.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt, 125.000 Kinder konnten wegen akuter Unterernährung behandelt werden (UNSC 6.9.2016). UNOCHA stellt hinsichtlich Nahrungsmittelsicherheit nebenstehende aktuelle Karte zur Verfügung (UNOCHA 9.9.2016).

Das Klimaphänomen El Niño führte in Somaliland und in Puntland zu Dürre. Dort sind 385.000 Menschen akut von Nahrungsmittelunsicherheit bedroht, weitere 1,3 Millionen Menschen sind dem Risiko ausgesetzt, ohne Unterstützung in eine akute Bedrohung abzugleiten (UNSC 6.9.2016; vgl. UNOCHA 1.9.2016). In Süd-/Zentralsomalia brachte El Niño hingegen schwere Regenfälle und teilweise Überschwemmungen (UNOCHA 1.9.2016).

Die Regenzeit Gu (März-Juni) brachte für Puntland und Somaliland zwar eine teilweise Entlastung; doch wird für den Zeitraum Juli-Dezember 2016 wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet (UNSC 6.9.2016). Für eine nachhaltige Besserung bedarf es mehr als nur einer guten Regenzeit. Prognosen zufolge könnte sich die Situation durch das nachfolgende Wetterphänomen La Niña weiter verschärfen. So bietet auch die Nahrungsmittelsicherheit in Süd-/Zentralsomalia zunehmend Grund zur Sorge. Derzeit sind also - v.a. im Norden - noch die Auswirkungen von El Niño zu spüren, während aufgrund von La Niña eine schlechte Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) erwartet wird. Die schwere Hungersnot der Jahre 2011/2012 war durch La Niña verursacht worden (UNOCHA 1.9.2016).

Quellen:

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (9.9.2016): Somalia - Humanitarian Snapshot, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Somalia%20Humanitarian%20Snapshot%20-%20September%202016.pdf, Zugriff 20.9.2016

-

UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.9.2016): Humanitarian Bulletin Somalia, August 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/August%202016%20Somalia%20Humanitarian%20Bulletin.pdf, Zugriff 20.9.2016

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UNSC - UN Security Council (6.9.2016): Report of the Secretary-General on Somalia [S/2016/763], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1473923936_n1627603.pdf, Zugriff 20.9.2016

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren - mit der Ausnahme von al Shabaab - akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vgl. AA 1.12.2015).

Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).

Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vgl. AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).

Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).

Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016

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AP - Associated Press (23.12.2015): Somalia no longer a failed state, just a fragile one, says UN. The Guardian, http://www.theguardian.com/world/2015/dec/23/somalia-no-longer-a-failed-state-just-a-fragile-one-says-un, Zugriff 20.4.2016

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

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UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

-

UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

-

UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

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Sicherheitslage

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen. Es wurden die unterschiedlichen Akteure in Somalia kategorisiert:

* Die farbigen Gebiete zeigen Akteure, die über signifikanten Einfluss verfügen. Diese Akteure verfügen auch über Ressourcen, um diesen Einfluss zu garantieren. Derartige Akteure sind: Somaliland, Puntland, die Galmudug Interim Administration (GIA), AMISOM und die Somali National Army (SNA), die Jubbaland Interim Administration (JIA), al Shabaab (AS) und die Ahlu Sunna Wal Jama'a (Zentralsomalia; ASWJ). Einige Städte werden von anderen Parteien beherrscht: Von der Clan-Miliz SSC (Dulbahante; Khatumo), von der Clan-Miliz der Warsangeli, von ASWJ (Fraktion Gedo), von Clan-Milizen an der Grenze zu Äthiopien (in den Regionen Gedo, Bakool und Hiiraan). Eine Gebiete - und hier vor allem in Süd-/Zentralsomalia - werden von zwei dieser relevanten Akteure beeinflusst.

* In mit strichlierten Linien umrandeten Gebieten gibt es zusätzliche Akteure mit eingeschränktem Einfluss. Diese Akteure agieren neben den oben erwähnten Hauptakteuren, und sie verfügen nur über eingeschränkte Ressourcen (EASO 2.2016).

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Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Dies ist einerseits bei der Verteilung terroristischer Aktivitäten im urbanen Raum zu erkennen, andererseits bei der Anzahl bewaffneter Auseinandersetzungen je Bezirk (BFA 10.2015).

Quellen:

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BFA - BFA Staatendokumentation (10.2015): Analyse zu Somalia:

Lagekarten zur Sicherheitslage, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329638_soma-analyse-lagekarten-2015-10-12-endversion.pdf, Zugriff 23.3.2016

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

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Interim Juba Administration (IJA; Gedo, Lower und Middle Juba)

Mehrere wichtige Städte auf dem Gebiet der IJA sowie große Teile des Hinterlandes befinden sich noch unter Kontrolle der al Shabaab, z.B. Buale, Jilib und Jamaame. Auf dem Gebiet der IJA kommt es zu v.a. kleineren Angriffen und Hinterhalten der al Shabaab auf somalische Armee und AMISOM sowie auf die Kräfte der IJA. Dabei gibt es auch zivile Opfer. Im Hinterland, das sich unter Kontrolle der al Shabaab befindet, kommt es auch zu Luftschlägen gegen die Terroristen (EASO 2.2016).

Im nördlichen Teil der IJA kommt es v.a. in Garbahaarey zu Spannungen. Außerdem gibt es in diesem Landesteil zahlreiche Clanmilizen, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Neben der somalischen Armee und AMISOM finden sich dort als weitere Akteure die äthiopische Armee, Kräfte der Verwaltung von Jubaland, Reste der Ahlu Sunna Wal Jama'a (im Raum Luuq) und eine Marehan-Miliz (entlang der Grenze). Al Shabaab kontrolliert den ländlichen Raum im Gebiet Baardheere und Buurdhuubo sowie im Süden von Belet Xawo (EASO 2.2016).

Mit der Regierung verbündete Kräfte (Armee, AMISOM, Äthiopien) kontrollieren fast alle wichtigen Städte von Gedo. Der Bezirk Luuq wird als relativ sicher beschrieben. Dies gilt auch für die Stadt Doolow (EASO 2.2016). In Ceel Waaq und Luuq hat sich die Lage in der Vergangenheit verbessert (BFA 10.2015).

Größere Garnisonen der AMISOM befinden sich in Doolow, Luuq, Bulo Xawo, Garbahaarey, Ceel Waaq und Baardheere (Gedo); sowie in Dif, Dhobley, Tabta, Afmadow, Kismayo und Badhaade (Lower Juba). Die Region Middle Juba befindet sich zur Gänze unter Kontrolle der al Shabaab (EASO 2.2016).

In der Hauptstadt der IJA, Kismayo, stieg die Zahl terroristischer Aktivitäten nach der Befreiung im Jahr 2012 konstant an und erreichte im Quartal Q4 2013 ihren Höhepunkt. Seither sind die Zahlen gezielter Attentate und Sprengstoffanschläge konstant zurückgegangen (BFA 10.2015).

In Kismayo kam es im Oktober 2015 zu Auseinandersetzungen zwischen Kräften der IJA und der somalischen Armee. Außerdem gibt es in der Stadt ein großes Potential für Clankonflikte. Die al Shabaab hat in Kismayo eine verdeckte Präsenz, während die Stadt und der nähere Umkreis von den Kräften der IJA, der somalischen Armee und AMISOM kontrolliert wird (EASO 2.2016).

Quellen:

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BFA - BFA Staatendokumentation (10.2015): Analyse zu Somalia:

Lagekarten zur Sicherheitslage, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329638_soma-analyse-lagekarten-2015-10-12-endversion.pdf, Zugriff 23.3.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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