Entscheidungsdatum
28.05.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W211 2191283-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin aufgrund des Vorlageantrags über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Beschwerdevorentscheidung vom XXXX, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat:
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, stellte am XXXX2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX2016 gab die beschwerdeführende Partei an, aus Jilib zu stammen und dem Clan der Ashraf anzugehören. Sie habe Somalia verlassen, weil dort Al Shabaab an der Macht sei, und einer deren Anführer die beschwerdeführende Partei heiraten habe wollen. Als sie sich geweigert habe, sei sie mit dem Tod bedroht worden. Auch sei ihr Vater von Al Shabaab entführt worden, und sie wisse nicht, ob dieser noch lebe.
3. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX2017 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, in Jilib geboren worden zu sein. Sie gehöre der Volksgruppe der Ashraf an und sei moslemischen Glaubens. Ihre Familie habe in Jilib gelebt und dort einen kleinen Imbiss betrieben. Die beschwerdeführende Partei habe in Somalia die Grundschule besucht und das Land im Mai XXXX verlassen. Nach Österreich sei sie gekommen, da ihr ihre Mutter erzählt habe, hier würden Verwandte leben, bisher habe sie jedoch noch keine ausfindig machen können. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die beschwerdeführende Partei an, Mitglieder der Al Shabaab seien in ihre Schule gekommen und hätten den Schülern mitgeteilt, dass sie nicht mehr in die Schule gehen dürften und den Koran lernen müssten. Die beschwerdeführende Partei sei daraufhin zuhause geblieben und habe ihrem Vater im Imbiss geholfen. Dieser habe die beschwerdeführende Partei eines Tages alleine gelassen, woraufhin mehrere Männer gekommen seien und nach dem Vater gefragt hätten, jedoch wenig später wieder gegangen seien. Am nächsten Tag habe ihr Vater ihr gesagt, dass Al Shabaab ihm mitgeteilt habe, die beschwerdeführende Partei zwangsverheiraten zu wollen, und ihm eine Frist von einer Woche eingeräumt habe. Daraufhin habe ihr Vater versucht eine Landwirtschaft zu verkaufen, jedoch keinen Erfolg gehabt. Wenig später sei die beschwerdeführende Partei von Mitgliedern der Al Shabaab festgenommen, und ihr Vater geschlagen worden. Sie sei mit verbundenen Augen in das Haus eines Anführers der Miliz gebracht worden, der sich als ihr zukünftiger Ehemann vorgestellt habe. Am nächsten Tag sei sie von einem Mullah zwangsverheiratet worden. Zum Beischlaf sei es nicht gekommen, da die beschwerdeführende Partei die Periode gehabt habe. Als der Mann einmal angerufen worden und hinausgegangen sei, ohne abzuschließen, sei die beschwerdeführende Partei geflüchtet. Da sie nicht gewusst habe, wo sie sich befunden habe, habe sie einen Passanten gefragt und sei zu Fuß nachhause gegangen. Ihre Eltern hätten sie daraufhin zu einer Freundin geschickt, wo ihr ihre Mutter am nächsten Tag mitgeteilt habe, dass Al Shabaab ihre Familie aufgesucht, diese bedroht und den Vater abermals geschlagen habe. Der fremde Mann, den sie nach dem Weg gefragt habe, habe sie an Al Shabaab verraten. Mitglieder der Al Shabaab hätten bei einem dritten Besuch schließlich ihren Vater entführt und sie wisse nicht, wo er sich befinde. Ihre Mutter habe dann beschlossen, sie müsse Somalia verlassen.
4. Mit dem Bescheid vom XXXX2018 wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
5. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht, in welcher zusammengefasst vorgebracht wurde, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt habe, dass die beschwerdeführende Partei zum Zeitpunkt der Vorkommnisse noch sehr jung gewesen sei und Widersprüche lediglich Details der Fluchtgründe beträfen. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei finde auch Deckung in den Länderberichten, wonach Frauen und Mädchen in Jilib einem ernsten Risiko der Vergewaltigung bzw. Zwangsehe durch Al Shabaab ausgesetzt seien. Weiters wurde ein Antrag auf Beschwerdevorentscheidung gestellt.
6. In Erledigung dieser Beschwerde erließ die belangte Behörde am
XXXXXXXX eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher sie die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. als unbegründet abwies (Spruchpunkt I.), hinsichtlich der Spruchpunkte II., III. und IV. stattgab, den IV. Spruchpunkt dahingehend abänderte, als der beschwerdeführenden Partei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilte (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die beschwerdeführende Partei die somalische Staatangehörigkeit besitze sowie den Ashraf angehöre. Eine asylrelevante Gefährdung bzw. Verfolgung habe sie jedoch nicht glaubhaft machen können. Es sei nicht glaubhaft, dass die beschwerdeführende Partei das Haus unbemerkt habe verlassen können und alleine den Weg nachhause gefunden hätte.
7. Die beschwerdeführende Partei beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias, die am XXXX2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
1.1.2. Die beschwerdeführende Partei stammt aus Jilib in Middle Jubba, wo sie fünfeinhalb Jahre die Grundschule besuchte und danach ihren Eltern beim Betrieb eines Imbiss half. In Jilib lebten zumindest zum Zeitpunkt des letzten Kontakts noch ihre Mutter und vier Geschwister. Der Aufenthaltsort ihres Vaters ist der beschwerdeführenden Partei nicht bekannt.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei gehört dem Clan der Ashraf an.
1.1.4. Die beschwerdeführende Partei leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer gastrointestinalen Blutung (Befund des XXXX vom XXXX2017). Sie ist strafgerichtlich unbescholten (Auszug aus dem Strafregister vom XXXX2018) und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung (Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom XXXX2018).
1.2. Festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei von Mitgliedern der Al Shabaab entführt und mit einem ranghohen Angehörigen der Miliz zwangsweise verheiratet wurde. Der beschwerdeführenden Partei gelang die Flucht und konnte sich bei Freunden der Familie verstecken. Der Vater der beschwerdeführenden Partei, der den Aufenthaltsort seiner Tochter nicht preisgab, wurde von Al Shabaab geschlagen und mitgenommen.
Im Falle einer Rückkehr nach Jilib, in eine von Al Shabaab kontrollierte Stadt, würde die beschwerdeführende Partei durch die Maßnahmen der Al Shabaab insbesondere Frauen gegenüber bereits von Bedrohung durch diese Miliz betroffen sein; darüber hinaus könnte ihre Flucht vor dem Al Shabaab Mitglied als eine widerständige Aktion gewertet und die beschwerdeführende Partei daher auch als Spionin oder regierungsnahe angesehen werden.
1.3. Länderfeststellungen zur Situation in Somalia
Sicherheitslage: Interim Juba Administration (IJA; Gedo, Lower und Middle Juba)
Nominell gehören zum Machtbereich der Jubaland Interim Administration (JIA) die Regionen Lower und Middle Juba sowie Gedo. Tatsächlich wird der Großteil von Jubaland aber von der al Shabaab verwaltet. Die JIA verfügt nicht über die entsprechenden Kapazitäten, ganz Jubaland zu kontrollieren. Sie kooperiert mit den AMISOM-Truppen aus Kenia und Äthiopien. AMISOM wiederum kooperiert auf lokaler Ebene mit lokalen Milizen. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017). In Lower Juba haben sich die Clan-Konflikte beruhigt (DIS 3.2017).
Die gesamte Region Middle Juba wird von al Shabaab kontrolliert, sie gilt als Bastion der Gruppe (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017). Auch weite Teile der Region Gedo befinden sich im Bereich der al Shabaab. Garnisonen von AMISOM oder anderen anti-al-Shabaab-Kräften finden sich in Bakhtiti, Buusaar, Faan Weyn, Buulo Garas, Baardheere, Dhamaso, Faafax Dhuun, Ceel Waaq, Garbahaarey, Buurdhuubo, Doolow und Luuq (BFA 8.2017). Badhaade wechselte mehrfach die Hand, im August 2017 befand sich in der Stadt ein Stützpunkt der JIA (EASO 12.2017). Die Grenzstädte Dhobley und Doolow sowie Luuq und das direkte Grenzgebiet zu Äthiopien sind relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017).
Quellen:
-
ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018
-
ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
-
DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,
https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (12.2017): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1514468677_easo-somalia-security-situation-2017.pdf, Zugriff 21.12.2017
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UNFPA - United Nations Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 - Somalia, http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population-Estimation-Survey-of-Somalia-PESS-2013-2014.pdf, Zugriff 21.12.2017
Al Shabaab (AS)
Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016). Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Dabei ist auch die al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (BFA 8.2017).
Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 7.2017). Die al Shabaab stellt aber weiterhin eine potente Bedrohung dar (UNSC 9.5.2017). Die Stärke der al Shabaab wird im Schnitt mit ungefähr 7.000 Mann beziffert (BFA 8.2017; vgl. LI 20.12.2017). Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt die al Shabaab mit dem Amniyad über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BFA 8.2017). Die Gruppe hat sich bei Rückschlägen in der Vergangenheit als resilient und anpassungsfähig erwiesen. Der innere Kern blieb allzeit geeint, auch wenn es bei al Shabaab zu Streitigkeiten und Fraktionierung gekommen ist. Die taktische Entwicklung der Gruppe; ihre wachsenden Fähigkeiten; und die Ausführung komplexer Angriffe auf städtische und ländliche Ziele hat dies jedenfalls bewiesen (UNSC 9.5.2017). In der Vergangenheit hat die Gruppe auch eine konventionell-militärische Bedrohung dargestellt, etwa beim Angriff auf einen kenianischen Stützpunkt bei Kulbiyow im Jänner 2017. Beim Überrennen von AMISOM-Stützpunkten ist al Shabaab auch an schwere Waffen gelangt (SEMG 8.11.2017).
Die Regionalhauptstadt Buale (Middle Juba) sowie die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib (Middle Juba), Jamaame (Lower Juba), Sablaale, Kurtunwaarey (Lower Shabelle), Diinsoor (Bay), Tayeeglow (Bakool), Ceel Buur, Ceel Dheere (Galgaduud) befinden sich unter Kontrolle der al Shabaab. Alle anderen Regional- und Bezirkshauptstädte werden von anti-al-Shabaab-Truppen gehalten. Viele der Städte sind gleichzeitig auch Garnisonsstädte der AMISOM (BFA 8.2017). Eine andere Quelle nennt ebenfalls die o.g. Städte als unter Kontrolle der al Shabaab befindlich, fügt aber die Stadt Xaradheere (Mudug) hinzu und zieht Diinsoor ab (LI 20.12.2017).
In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen (LI 20.12.2017). Die Gruppe verfügt nicht nur über Kämpfer und Agenten, sie kann auch auf Sympathisanten zurückgreifen (NLMBZ 11.2017). Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können (BFA 8.2017). Die al Shabaab übt über das Jubatal Kontrolle aus und kann sich auch in vielen anderen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (USDOS 3.3.2017). Al Shabaab beherrscht weiterhin große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia, v.a. in Bay, Gedo, Lower Shabelle und Middle Juba (AI 22.2.2017; vgl. BFA 8.2017). Auch rund um Städte in Süd-/Zentralsomalia, die von nationalen oder regionalen Sicherheitskräften und/oder AMISOM gehalten werden (SEMG 8.11.2017), kontrolliert al Shabaab den ländlichen Raum und wichtige Versorgungsstraßen (SEMG 8.11.2017; vgl. UKHO 7.2017). Dadurch gelingt es der Gruppe, große Teile der Bevölkerung von einer Versorgung abzuschneiden (SEMG 8.11.2017).
Die al Shabaab übt auch über manche Orte, die eigentlich der Jurisdiktion der Regierung angehören, ein Maß an Kontrolle aus:
Humanitäre Organisationen und Empfänger humanitärer Hilfe werden besteuert oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt (SEMG 8.11.2017). Es gelingt der al Shabaab selbst nominell sichere Teile Mogadischus zu infiltrieren (BFA 8.2017). Außerdem verfügt die Gruppe in vielen Teilen Somalias über Verbindungen in alle Gesellschaftsebenen und -Bereiche (SEMG 8.11.2017). Generell variiert die Präsenz der al Shabaab konstant (BFA 8.2017).
Völkerrechtlich kommen der al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 1.1.2017). Staatlicher Schutz ist in der Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (UKHO 7.2017).
Die Fähigkeit der al Shabaab, in den von ihr beherrschten Gebieten eine effektive Verwaltung zu betreiben, ist ungebrochen. Zusätzlich verfügt die Gruppe über Kapazitäten, um in neu eroberten Gebieten unmittelbar Verwaltungen zu installieren (BFA 8.2017). Die Gebiete der al Shabaab werden als relativ sicher beschrieben. Dort herrscht Frieden und eine Absenz an Clan-Konflikten (UNSOM 18.9.2017). In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt die al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung der al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BFA 8.2017).
Die al Shabaab finanziert sich über unterschiedliche Steuern. Allein aus Abgaben auf den (illegalen) Holzkohlehandel lukriert die Gruppe pro Jahr - nach konservativen Schätzungen - 10 Millionen US-Dollar.
Auch von anderen Wirtschaftstreibenden werden Steuern eingehoben: In Mogadischu reicht die Spannweite von zehn US-Dollar monatlich für einfache Markthändler bis zu 70.000 US-Dollar für große Firmen. Im ländlichen Raum werden auch Viehmärkte besteuert. Außerdem verlangt al Shabaab entlang von Hauptverbindungsstraßen Gebühren und hebt den Zakat ein (SEMG 8.11.2017). Die Zahlung der Abgaben erfolgt in der Form von Geld, Tieren, landwirtschaftlichen Produkten oder anderen Werten. Die Höhe der Besteuerung hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen (LI 20.12.2017).
Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vgl. DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017
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DIS - Danish Immigration Service (9.2015): Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Nairobi, Kenya and Mogadishu, Somalia; 2-12 May 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1443181235_somalia-ffm-report-2015.pdf, Zugriff 13.12.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017
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LI - Landinfo (20.12.2017): Somalia: Al-Shabaab utenfor byene i Sør-Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1515415669_2012.pdf, Zugriff 10.1.2018
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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017
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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017
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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (18.9.2017):
Countering Al-Shabaab Propaganda and Recruitment Mechanisms in South Central Somalia,
https://unsom.unmissions.org/sites/default/files/countering_al-shabaab_propaganda_and_recruitment_mechanisms_report_final_-_14_august_2017.pdf, Zugriff 11.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
Folter und unmenschliche Behandlung
In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten ist regelmäßig von unmenschlicher Behandlung auszugehen, wenn einzelne Personen gegen die Interessen der al Shabaab handeln oder dessen verdächtigt werden (AA 1.1.2017). Al Shabaab foltert und exekutiert Personen, denen die Gruppe Spionage vorwirft, oder welche sich nicht an ihre Interpretation der Scharia halten (AI 22.2.2017). Al Shabaab setzt Menschen auf dem Gebiet unter eigener Kontrolle harten Bestrafungen aus. Von Jänner bis September 2016 wurden von al Shabaab 152 Menschen entführt, 80 davon wurden wieder freigelassen (USDOS 3.3.2017). Bei der Rückeroberung von Territorium kam es zur Verhaftung und Folterung humanitärer Kräfte durch die al Shabaab (SEMG 8.11.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
Frauen
Zu von der al Shabaab herbeigeführten Zwangsehen kommt es auch weiterhin (SEMG 8.11.2017), allerdings nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (DIS 3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt (DIS 3.2017). Die Gruppe nutzt zusätzlich das System der Madrassen (Religionsschulen), um potentielle Bräute für die eigenen Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017). Immer mehr junge Frauen werden radikalisiert und davon angezogen, eine "Jihadi-Braut" werden zu können (SEMG 8.11.2017; vgl. BFA 8.2017).
Al Shabaab setzt Frauen - manchmal auch Mädchen - zunehmend operativ ein, etwa für den Waffentransport in und aus Operationsgebieten; für die Aufklärung und zur Überwachung (SEMG 8.11.2017); oder als Selbstmordattentäterinnen (DIS 3.2017).
In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.1.2017).
Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch benachteiligt (USDOS 3.3.2017). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten (ÖB 9.2016), und unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung. Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum. Allerdings werden Frauen beim Besitz und beim Führen von Unternehmen nicht diskriminiert - außer in den Gebieten der al Shabaab (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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A - Sicherheitsanalyseabteilung (2.2017): Sicherheitsbericht im Februar 2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,
https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017
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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):
Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017
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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
2. Beweiswürdigung:
2.1. Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen betreffend die Herkunft der beschwerdeführenden Partei aus Jilib, ihre Familienangehörigen in Somalia und ihre Clanzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe des Verfahrens. Eine Herkunft aus Jilib stellte außerdem bereits die belangte Behörde selbst fest (siehe dazu S 4 der Beschwerdevorentscheidung).
2.3. Es muss der belangten Behörde entgegengetreten werden, wenn sie beweiswürdigend vermeint, das Fluchtvorbringen sei in seiner Gesamtheit unglaubwürdig, da die beschwerdeführende Partei bloß vage und sinnwidrige Angaben hinsichtlich ihrer Zwangsheirat in Somalia gemacht habe. Das Bundesverwaltungsgericht kann dieser Auffassung nicht folgen, da sich das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei diesbezüglich trotz ihres jugendlichen Alters (sie war 14 Jahre alt, als sich die fluchtauslösenden Ereignisse zutrugen) im Laufe des gesamten Verfahrens im Gegenteil als gleichbleibend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar darstellte.
Es muss der belangten Behörde insbesondere entgegengetreten werden, wenn sie vermeint, das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei sei unter anderem deshalb nicht glaubhaft, weil nicht nachvollziehbar sei, dass das Al Shabaab-Mitglied, das sie geheiratet hat, zum Telefonieren aus dem Haus gegangen sei, woraufhin die beschwerdeführende Partei die Chance zur Flucht ergriffen habe, wo es sich doch um dessen eigenes Haus gehandelt habe. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts erscheint es jedoch durchaus plausibel und entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jemand Räumlichkeiten verlässt, um ein Telefongespräch zu führen, mit dem Zweck zu vermeiden, dass eine Konversation mitgehört wird. Gerade im gegenständlichen Fall wirkt das geschilderte Verhalten des Al Shabaab-Mannes plausibel und realistisch, da die beschwerdeführende Partei ja gegen ihren Willen festgehalten wurde und dieser wohl vermeiden wollte, dass die beschwerdeführende Partei ihren Aufenthaltsort erfährt.
Die Beweiswürdigung, wonach die belangte Behörde nicht nachvollziehen könne, wie die beschwerdeführende Partei von jenem Mann, den sie im Zuge ihrer Flucht nach dem Weg gefragt habe, an Al Shabaab verraten habe werden können, weil dieser ihren genauen Wohnort nicht gekannt habe, kann wiederum vom Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollzogen werden. Die beschwerdeführende Partei brachte in der Einvernahme nämlich keineswegs vor, der Mann, den sie um den Weg gefragt habe, hätte ihren genauen Wohnort der Miliz mitgeteilt, sondern bloß, dass dieser erzählt habe, sie sei "nach Hause" gegangen (AS 71). Abgesehen davon dürfte es nämlich für Al Shabaab auch ohne den Hinweis des Passanten nicht schwierig gewesen sein, das Wohnhaus der beschwerdeführenden Partei ausfindig zu machen, da die Gruppierung die Familie der beschwerdeführenden Partei zuvor schon mehrmals aufgesucht hatte. Die Feststellung, dass Al Shabaab sich zum Wohnhaus der Familie der beschwerdeführenden Partei begab und dort deren Vater schlug, um ihren Aufenthaltsort zu erfahren, konnte somit erfolgen.
Auch war die beschwerdeführende Partei im Stande, trotz ihres geringen Alters zum Zeitpunkt der Einvernahme detailreich die versuchte Vergewaltigung durch den Al Shabaab-Mann schildern und auch überzeugend darlegen, warum diese schließlich nicht stattfand (AS 71: "Ich wurde zwangsverheiratet. In der Nacht wollte der Mann mit mir schlafen. Ich hatte die Periode und habe ihm gesagt, dass ich nicht mit ihm schlafen kann. Er hat mir nicht geglaubt und ich musste es ihm zeigen. In dieser Nacht hat er nicht mit mir geschlafen.").
Schließlich steht das vorgebrachte Fluchtvorbringen auch im Einklang mit den relevanten Länderinformationen (siehe oben unter 1.3) für Gebiete, die unter der Kontrolle der Al Shabaab stehen, wie eben Jilib eines ist. In ihrer Beweiswürdigung hält die belangte Behörde dem Faktum, dass das geschilderte fluchtauslösende Vorbringen durchaus in solchen Gebieten vorkommen kann, nichts Wesentliches entgegen.
Ergänzend wird festgehalten, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei in ihrer Erstbefragung und in ihrer Einvernahme bei der belangten Behörde tatsächlich nicht widersprüchlich sind.
Im Ergebnis hat das Bundesverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vorbringen einer Zwangsheirat mit einem Al Shabaab-Mitglied in einer von Al Shabaab kontrollierten Stadt nicht der Wahrheit entspricht.
2.4. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die in Auszügen unter Punkt 1.3. in diesem Erkenntnis wiedergegeben sind. Auf diese bezog sich außerdem bereits die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung.
3. Rechtliche Beurteilung:
A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht ber