Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch die Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei A***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Alexander Pflaum, Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.772,60 EUR, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. März 2017, GZ 50 R 118/16h-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 10. August 2016, GZ 17 C 212/14x-42, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird als nichtig aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Gegen das Urteil des Erstgerichts erhob die Klägerin Berufung. Irrtümlich wurde allerdings die Berufung der Beklagten nicht zugestellt, sodass sie keine Berufungsbeantwortung einbringen konnte. Das Urteil des Berufungsgerichts erging in Unkenntnis dieses Umstands.
In ihrer daraufhin vom Berufungsgericht nachträglich zugelassenen Revision macht die Beklagte die Nichtigkeit der Berufungsentscheidung gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO geltend.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
§ 468 Abs 2 ZPO räumt dem Berufungsgegner zwingend das rechtliche Gehör in Form einer Berufungsbeantwortung ein. Nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (§ 503 Z 1 ZPO) ist das angefochtene Urteil und, soweit der Grund der Nichtigkeit das vorangegangene Verfahren ergreift, auch dieses als nichtig aufzuheben, wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang, insbesondere durch Unterlassung der Zustellung entzogen wurde (vgl auch RIS-Justiz RS0042202). Hier wurde durch den ungesetzlichen Vorgang der mangelnden Zustellung der Berufung der Revisionswerberin die Möglichkeit genommen, sich am Berufungsverfahren zu beteiligen. Da das rechtliche Gehör der Beklagten nicht gewahrt wurde, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO vor (2 Ob 25/11g; RIS-Justiz RS0042158 [insb T10]; vgl auch 6 Ob 288/04b mwN). Der Wahrnehmung einer Nichtigkeit kommt aber immer erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zu (RIS-Justiz RS0041896; RS0042743).
In Stattgebung der Revision ist daher das Urteil des Gerichts zweiter Instanz als nichtig aufzuheben. Das Berufungsgericht wird die Zustellung der Berufung an die Beklagte zu veranlassen und nach Einlangen einer Berufungsbeantwortung oder nach Ablauf der Berufungsbeantwortungsfrist neuerlich zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 52 ZPO. Da nur die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne ein vorausgegangenes Verfahren aufgehoben wurde, ist § 51 ZPO nicht anzuwenden (RIS-Justiz RS0123067; RS0035870; jüngst 5 Ob 117/17t und 9 ObA 61/17m mwN).
Textnummer
E121705European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00230.17W.0425.000Im RIS seit
18.06.2018Zuletzt aktualisiert am
18.06.2018