TE OGH 2018/5/17 12Os40/18a

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Veröffentlicht am 17.05.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinksi und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Danijel V***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 6. Februar 2018, GZ 38 Hv 132/17d-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Danijel V***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB (I./) sowie des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 24. Juni 2017 in I***** Elke K*****

I./ mit Gewalt, nämlich durch Herunterreißen der Hose, Versetzen von mehreren Faustschlägen ins Gesicht und Zerren an den Haaren, zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, wobei die Tat einen Nasenbeinbruch (ohne Dislozierung; US 5) sowie Prellungen und Hämatome im Brust- und Gesichtsbereich zur Folge hatte;

II./ durch die Äußerung, er werde ihr die „Schnauze“ einschlagen, sollte sie ihn anzeigen, somit durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung, zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, Z 5 und Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des Antrags „auf Nichteinvernahme der Zeugen Martin B*****, Florian S*****, Bernhard G*****, Thomas H*****, weil diese Zeugen den Vorfall nur vom Hörensagen kennen“ (ON 55 S 13), und die anschließende Abhörung dieser Zeugen.

Voranzustellen ist, dass eine Vernehmung des (richtig:) Bernd G***** als Zeugen in der Hauptverhandlung nicht erfolgte (siehe ON 55 S 14) und dessen Angaben über Aussagen des Opfers dem Urteil nicht zugrunde gelegt wurden (US 3). In diesem Umfang geht die Beschwerde daher schon im Ansatz ins Leere.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen, wonach eine Vernehmung sogenannter „Zeugen vom Hörensagen“ (vgl Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.523) ausschließlich „zulässig [wäre], wenn kein unmittelbarer Beweis zur Verfügung steht“, verbietet die StPO die Abhörung solcher Zeugen dann, wenn darin eine unzulässige Umgehung (§ 252 Abs 4 StPO) des die Aussage des unmittelbaren Zeugen betreffenden Vorkommensverbots nach § 252 Abs 1 StPO liegt (RIS-Justiz RS0053564 [insbes T13]; Kirchbacher WK-StPO § 252 Rz 2; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 10; Kirchbacher, WK-StPO § 154 Rz 9; vgl aber Schmoller, WK-StPO § 3 Rz 38). Dies ist hier in Ansehung der Vernehmung der Polizeibeamten Martin B*****, Florian S***** und Thomas H***** als Zeugen über die Angaben des Opfers ihnen gegenüber unmittelbar nach der Tat (ON 55 S 14–18) schon deshalb nicht der Fall, weil die Protokolle über die Aussage der Elke K***** vor dem Stadtpolizeikommando Innsbruck (ON 20 S 3 ff) und über deren kontradiktorische Vernehmung (ON 23; vgl § 252 Abs 1 Z 2a StPO) vom Vorsitzenden des Schöffensenats gemäß § 252 Abs 2a StPO mit Zustimmung der Beteiligten des Verfahrens zusammenfassend vorgetragen wurden (ON 55 S 22).

Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die Feststellungen, wonach der Angeklagte Gewalt einsetzte, um den Widerstand der Elke K***** zu brechen und diese zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs zu zwingen (US 5 ff). Entgegen dem Einwand der Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die Konstatierungen zum objektiven Geschehensablauf ohne Widerspruch zu den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0118317) aus den Angaben des Opfers sowie der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen abgeleitet (US 9 f). Ebenso wenig ist der vom Schöffensenat gezogene Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wissen oder Wollen (US 10) zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882).

Mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe die bekämpften Feststellungen getroffen, ohne dass dazu Beweisergebnisse vorlägen, wird ein formaler Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gar nicht behauptet.

Die Tatrichter berücksichtigten ausdrücklich, dass Elke K***** anlässlich ihrer ersten Vernehmung zu einer geordneten Schilderung des Vorfalls nur schwer in der Lage war und sich anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung kaum mehr erinnern konnte bzw den Vorfall verdrängt hatte (US 9). Davon ausgehend waren sie dem Beschwerdevorbringen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht dazu verhalten, darauf einzugehen,

wie weit einzelne Teile der Aussage der Genannten (ON 20 S 3 ff, ON 23) für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (RIS-Justiz RS0098377 [T19]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428). Die Schilderung der Elke K*****, sie habe „Nein Nein Nein“ gerufen, als der Angeklagte sie an der Brust berührte, steht überdies nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu der bekämpften Feststellung.

Vielmehr wendet sich der Beschwerdeführer mit eigenen Erwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen verhindern. Tatsachenrügen die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit dem neuerlichen Hinweis darauf, dass die Feststellungen weder in den Angaben des Opfers vor der Polizei noch im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung Deckung finden, erweckt die Rüge keine solcherart erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E121711

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00040.18A.0517.000

Im RIS seit

18.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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