TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/28 L514 2137081-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.05.2018
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Entscheidungsdatum

28.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L514 2137081-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Mariella KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Mag. Nadja LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2016, Zl. 1075467509/150750487 RD Burgenland, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.02.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57 und § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, reiste am XXXX 2015 illegal nach Österreich, wo er am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Hierzu wurde der Beschwerdeführer am 29.06.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Im Rahmen dieser Erstbefragung führte der Beschwerdeführer aus, dass vor etwa einem Jahr den Irak verlassen habe und über die Türkei, Griechenland und weitere ihm unbekannte Länder nach Wien gereist sei.

Als Grund für seine Ausreise gab der Beschwerdeführer an, dass er aus XXXX stamme und die Terrormilizen ebendort eingefallen seien. Weiters habe er Probleme mit den Milizen, da er Sunnite sei. Bei einer etwaigen Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer getötet zu werden.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen führte der Beschwerdeführer aus, dass er sunnitischer Araber sei, sechs Jahre lang die Schule in XXXX besucht und seinen Lebensunterhalt als Frisör verdient habe. Im Irak seien weiters nach wie vor seine Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder aufhältig.

Am 19.09.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich befragt. Er wiederholte im Zuge der Befragung seine bisherigen Angaben und führte ergänzend aus, dass er am XXXX 2014, an dem Tag, als der IS XXXX erobert habe, den Irak legal mit seinem Reisepass verlassen habe. Der Beschwerdeführer gab weiter an, dass seine Eltern und die beiden Schwestern in XXXX , in der Nähe von XXXX , leben würden und würde er mit diesen in Kontakt stehen. Hinsichtlich seines Ausreisegrundes führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass er als Frisör in XXXX und in XXXX mit dem Tode bedroht worden sei. Es habe zwar keine persönlich gegen ihn gerichteten Drohungen gegeben, aber er habe Drohungen anderen Frisören gegenüber mitbekommen.

In Österreich lebe der Beschwerdeführer von der Grundversorgung und besuche er zwei Mal pro Woche eine Nachbarsfamilie, die ihm die deutsche Sprache beibringen würde. Überdies lebe im Bundesgebiet nunmehr sein Bruder, der mittlerweile auch anerkannter Flüchtling sei.

2. Mit Bescheid des BFA vom 22.09.2016, Zl. 1075467509/150750487 RD Burgenland, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Beweiswürdigend führte das BFA aus, dem Beschwerdeführer sei aus näher dargestellten Gründen die Glaubwürdigkeit zu versagen. Vor diesem Hintergrund vermochte das BFA keine individuelle asylrelevante Verfolgung erkennen. Auch eine Gefährdung im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat könne nicht wahrgenommen werden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde sodann, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu verzeichnen, sodass der Status des Asylberechtigten nicht zu gewähren sei. Der Beschwerdeführer verfüge im Irak über ausreichende Ressourcen und drohe diesem keine reale Gefahr einer Verletzung der von der EMRK gewährleisteten Rechte sowie keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts, sodass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen sei. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 23.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen am 27.09.2016 ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellten Bescheid wurde mit Schreiben vom 05.10.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben.

Darin wurde im Wesentlichen das bisher vom Beschwerdeführer Gesagte wiederholt. Ergänzend wurde ausgeführt, dass Mitglieder des IS bereits nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt hätten. Nochmals hingewiesen wurde, darauf, dass seinem Bruder XXXX ( XXXX ) bereits der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden sei.

4. Mit Schreiben vom 18.08.2017 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer bei einer Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes betreten worden sei.

5. Am 22.02.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation darzulegen. Weiteres wurde ihm bzw seinem rechtsfreundlichen Vertreter die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme zu den aktuellen Länderfeststellungen abzugeben, wovon kein Gebrauch gemacht wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, arabischer Abstammung und sunnitischen Glaubens. Er wurde in XXXX geboren, wuchs jedoch in XXXX auf. Seinen Lebensunterhalt hat der Beschwerdeführer als Frisör bestritten.

Im Irak sind nach wie vor die Eltern und zwei Schwestern des Beschwerdeführers aufhältig. Sie halten sich in einem Flüchtlingslager in XXXX , in der Nähe von XXXX auf und leben von den eigenen Ersparnissen und der Unterstützung internationaler Organisationen. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet zusätzlich sporadisch als Tagelöhner. Der Beschwerdeführer hat zu seinen Familienangehörigen einen telefonischen Kontakt und geht es ihnen zwar nicht sehr gut, jedoch ist die Lage auch nicht schlimm. Darüber hinaus leben zwei Tanten und fünf Onkeln väterlicherseits in Kurdistan bzw XXXX und XXXX .

1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu gewärtigen.

Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit hinreichender Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung. Der Beschwerdeführer verfügt über eine gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat und über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte. Dem Beschwerdeführer ist insbesondere die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu Sicherstellung des eigenen Auskommens möglich und zumutbar.

In Österreich bestreitet der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt durch die Grundversorgung und konnten Kenntnisse der deutschen Sprache auf einfachem Niveau festgestellt werden. Er wurde einmal beim Verstoß gegen das AuslBG betreten. Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über einen Freundeskreis, und lebt auch sein Bruder im Bundesgebiet, dem mit Bescheid des BFA vom XXXX 2016, Zl. XXXX , der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer eine österreichische Freundin syrischer Abstammung, mit der er jedoch nicht zusammenlebt.

1.3. Zur Lage im Irak

Zusammenfassung (AA 07.02.2017)

* Laut Verfassung ist Irak ein demokratischer Rechtsstaat mit allen Merkmalen der Gewaltenteilung. In Irak wurde im September 2014 eine Regierung der nationalen Einheit unter Premierminister Al-Abadi (Da'wa-Partei, Rechtsstaatskoalition) mit Beteiligung aller großen Parteienblöcke gebildet.

* Die Sicherheitslage in Irak hatte sich ab Mitte 2014 vor allem durch den Vormarsch der terroristischen Organisation "Islamischer Staat in Irak und Syrien" (i. F. IS) dramatisch verschlechtert und hat sich 2015 und 2016, außer in einigen vom IS zurückeroberten Gebieten nicht verbessert. Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten bleiben XXXX sowie die Provinzen Anbar, Ninawa, Salah al-Din und Diyala im Norden und Westen des Landes. Teile dieser Provinzen sind weiterhin nicht vollständig unter Kontrolle der Zentralregierung. Systematische, grausamste Verbrechen von IS an Tausenden Menschen bis hin zu Versuchen, ganze Bevölkerungsgruppen zu vernichten, prägen hier das Bild. Rund 17 Millionen Menschen (53% der Bevölkerung) sind von Gewalt betroffen. Als Reaktion auf den Vorstoß des IS wurden auch viele Milizen in Irak wieder mobilisiert. Gewalttaten gegen Zivilisten gehen nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der Vereinten Nationen auch von irakischen Sicherheitskräften und Milizen aus.

* Weiterhin gespannt ist das Verhältnis der Zentralregierung zur Region Kurdistan-Irak, die einen semi-autonomen Status innehat. Grundlegende Fragen zwischen XXXX und Erbil bleiben bisher ungelöst, insbesondere die Verteilung der Öl-Einnahmen. Nach Zerbrechen der Allparteienkoalition in der Region Kurdistan-Irak im August 2015 ist auch dort das innenpolitische Klima angespannt. 2016 bildet der gemeinsame Kampf gegen den IS eine Basis für Kooperation. Ein Durchbruch bei der Verbesserung der Beziehungen ist jedoch bisher nicht erkennbar.

* Verstöße gegen die Menschenrechte sind auch außerhalb des vom IS beherrschten Gebietes weit verbreitet. Besonders problematisch sind Folter und Defizite im Justizsystem sowie der Umgang mit Journalisten. Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Region Kurdistan-Irak, oft benachteiligt. Die Hauptsiedlungsgebiete der Minderheiten, darunter Jesiden und Christen, liegen in den Gebieten Nordiraks, die im Sommer 2014 unter die Kontrolle von IS gerieten. Dabei kam es zu systematischer Verfolgung, Zwangskonversion, Massenvertreibungen und -hinrichtungen von Angehörigen religiöser Minderheiten sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Insbesondere Angehörige der Minderheiten, aber auch schiitische Angehörige der Sicherheitskräfte wurden und werden in den von IS beherrschten Gebieten Opfer von Gräueltaten.

* Die irakischen Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Gerichte und Sicherheitskräfte verfügen nicht über ausreichend qualifiziertes Personal, es fehlt an rechtsstaatlichem Grundverständnis. Gewalttaten bleiben oft straflos.

* Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen, die seit Januar 2014 innerhalb Iraks aus ihren Heimatorten geflohen sind, liegt bei ca. 3,11 Millionen (Stand: Dezember 2016). Davon sind rund 1,27 Millionen Irakerinnen und Iraker mittlerweile wieder in die vom IS befreiten Gebiete zurückgekehrt. Die Provinzen Anbar, Ninawa und Salah Al-Din sind besonders stark von Vertreibungen betroffen. Über 11,3 Mio. Binnenvertriebene halten sich in der Region Kurdistan-Irak auf. Über 10 Mio. Menschen im Irak, also knapp ein Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

* Die Offensive zur Befreiung XXXX , der zweitgrößten Stadt des Irak, begann am 17. Oktober 2016. Durch die militärischen Erfolge der Anti-IS-Koalition besteht die Befürchtung, dass der IS verstärkt zu einer asymmetrische Kampfführung übergeht. Die Gefahr von Sprengstoffanschlägen und anderen terroristischen Angriffen könnte dadurch weiter steigen.

* Die nächsten Parlamentswahlen sind 2018 fällig. Allerdings erwarten einige Beobachter vorgezogene Wahlen für 2017. Regionalwahlen sind für April 2017 angesetzt. Wahlen in der Region Kurdistan, die seit August 2015 verschoben wurden, werden ebenfalls für 2017 erwartet.

Sicherheitslage (LIB 24.08.2017 mit Stand 27.09.2017)

Nachdem Premierminister Abadi am 31. August 2017 die gesamte Provinz Ninewah für vom IS zurückerobert erklärt hatte (Rudaw 31.8.2017), liegt der Focus nun auf den Provinzen Anbar und Kirkuk. Am 21. September 2017 startete die Operation zur Rückeroberung der in der Provinz Kirkuk/Tameem liegenden Stadt Hawija und deren Umgebung (BAMF 25.9.2017). Bei der Operation nehmen irakische Truppen, sowie schiitische Milizen teil, die kurdischen Peschmerga sind derzeit nicht beteiligt (Al-Jazeera 23.9.2017). Das Gebiet liegt jedoch im von den Kurden für sich beanspruchten Gebiet (Al-Jazeera 27.9.2017). Gleichzeitig findet eine Offensive zur Rückeroberung der Provinz Anbar statt, an der die irakischen Sicherheitskräfte, einschließlich Polizeieinheiten und schiitischer PMF-Milizen (PMF: Popular Mobilization Forces) teilnehmen (Al-Monitor 26.9.2017).

Im Folgenden finden sich zwei unterschiedliche Quellen, die die aktuelle Situation bzgl. der Kontrollgebiete im Irak darstellen:

Bild kann nicht dargestellt werden

(BBC 21.9.2017)

Bild kann nicht dargestellt werden

(Al-Jazeera 20.9.2017)

In der Provinz Anbar haben sich irakische Regierungstruppen westlich von XXXX heftige Gefechte mit dem IS geliefert. Laut Angaben eines irakischen Generals vom 27.9.2017 waren IS-Kämpfer in die Ortschaft al-Tach südlich der Stadt Ramadi sowie in das "Kilometer Sieben" genannte Gebiet westlich davon vorgedrungen (Standard 27.9.2017).

Relevant für Abschnitt Todesstrafe

Am 24.09.17 wurden 42 Todesurteile wegen terroristischer Angriffe und tödlicher Überfälle auf Sicherheitskräfte vollstreckt (BAMF 25.9.2017).

Nach der Rückeroberung XXXX Ende XXXX 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider al-Abadi am 31. August 2017 mit Tal-Afar eine weitere Stadt als vom "Islamischen Staat" (IS) befreit (Al-Jazeera 31.8.2017).

Indes kommt es im Zuge der Zurückdrängung des IS zu vermehrten Spannungen zwischen jenen Kräften, die den IS bekämpfen, so auch zwischen den USA und schiitischen Gruppen (Al-Monitor 23.8.2017), u. a. der schiitischen PMF-Miliz "Kata'ib Hezbollah" [von den USA als Terrororganisation eingestuft]. Diese droht mit erneuten Angriffen gegenüber den USA im Irak, sollten diese sich nicht aus dem Irak zurückziehen. Die USA zeigen indes keine Anzeichen, sich aus dem Irak zurückziehen zu wollen (MEE 7.9.2017; Economist 12.4.2017).

Neben den Anschlägen und Angriffen, die weiterhin regelmäßig im Irak verübt werden (IBC 15.9.2017), fand nun auch ein großer Doppelanschlag im Süden Iraks statt. (Anm.: In den südlichen Provinzen Iraks ist die Sicherheitslage üblicher Weise eher von stammesbezogener und krimineller Gewalt und - verglichen mit dem Nord- und Zentralirak - nur in geringerem Ausmaß von terroristischer Gewalt geprägt). Bei dem nun am 14. September 2017 stattgefundenen Doppelanschlag stürmten bewaffnete Männer in Militäruniformen ein Restaurant in Nasiriyah, der Hauptstadt der südlichen Provinz Thi-Qar, und eröffneten das Feuer. Kurz darauf explodierte das Auto eines Selbstmordattentäters bei einem Checkpoint in der Nähe des Restaurants. Die beiden Anschläge trafen u.a. schiitische Pilger. Zumindest 60 Menschen (gemäß Washington Post mehr als 80 Menschen) wurden getötet, 93 verletzt. Der IS gab an, für den Anschlag verantwortlich zu sein (WP 14.9.2017; vgl. Al-Jazeera 15.9.2017).

Der IS hat nach wie vor weite Gebiete des Iraks unter seiner Kontrolle [zusätzlich zu jenen Gebieten, in denen er aktiv ist und z. B. terroristische Anschläge verübt - siehe dazu weiter unten], darunter die Städte Tal-Afar westlich von XXXX [mit Stand 24. August 2017 derzeit umkämpft, s.u.], die drei Städte Al-Qaim, Raw und Ana im Westen der Provinz Anbar (BBC 22.6.2017), ein Großteil der Provinz Kirkuk inklusive dem gesamten Bezirk Hawija mit mehreren darin befindlichen Städten (BBC 22.6.2017, BAMF 26.6.2017), sowie Teile der Provinz Salahuddin (IraqiNews 7.8.2017). Dies geht auch aus den vier folgenden Grafiken des Institute for the Study of War, von Al-Jazeera, des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktforschung des österreichischen Bundesheeres und des IHS Conflict Monitor hervor (Es werden hier mehrere unterschiedliche Grafiken abgebildet, da teilweise Abweichungen - v. a. in der Methodik der Darstellung - existieren).

Die Rückeroberung Tal-Afars verzögerte sich zunächst auf Grund der Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen teilnehmenden Akteuren. Vom Iran gestützte schiitische Milizen drängten darauf, eine Rolle bei der Eroberung der Stadt zu spielen, was die Türkei und die USA, sowie auch Premierminister Abadi zu verhindern versuchten. Bei der am 20. August begonnenen Tal-Afar-Offensive nehmen die PMF-Milizen trotz vorangehender Konzessionen gegenüber Abadi nun doch teil (WI 22.8.2017; ISW 26.6.2017; AA 7.2.2017). Luftangriffe auf Tal-Afar werden schon seit längerer Zeit von der Anti-IS-Allianz und der irakischen Luftwaffe durchgeführt. Inzwischen gibt es erste Berichte, nach denen der IS Bewohner aus dem Bezirk Tal-Afar in die Stadt treibt, um sie als Schutzschilde zu verwenden, ähnlich wie er das auch bei der XXXX -Offensive betrieben hatte (Harrer 20.8.2017). Für die schiitischen Milizen ist Tal-Afar ein besonders wichtiges Ziel. Im Gegensatz zum sunnitisch-dominierten XXXX gab es dort vor der Eroberung durch den IS einen signifikanten schiitischen Bevölkerungsanteil und die Stadt war die nördlichste Hochburg der Milizen, die sie nun zurückerobern möchten, und sich darüber hinaus für die seit 2005 durch djihadistische sunnitische Gruppen verübten Verwüstungen rächen wollen (17.7.2017). Ebenso gab es Befürchtungen der Türkei (die weiterhin in der Nähe von XXXX mit Truppen präsent ist), denn Tal Afar ist zum Teil eine turkmenische Stadt (Harrer 20.8.2017). Die UNO warnt vor weiterer Gewalt an mutmaßlichen IS-Kollaborateuren, prangert die - insbesondere auch nach der Rückeroberung XXXX - im ganzen Land stattfindenden Racheakte an und fordert den irakischen Regierungschef Abadi auf, dringend Maßnahmen zur Unterbindung der "Kollektivbestrafung" ganzer Familien zu ergreifen (Standard 17.7.2017).

Bezüglich der Offensive zur Rückeroberung Hawijas gibt es weiterhin Dispute, welche Kräfte das Gebiet betreten werden. Auch hier wird bezüglich schiitischer Milizen und kurdischer Kämpfer befürchtet, dass es zu Racheakten an der sunnitischen Bevölkerung kommen könnte (ICG 22.9.2016), bzw. dass eine Invasion durch nicht-sunnitische Kräfte sogar eine Ausweitung der bewaffneten Kämpfe auf weitere Teile der umstrittenen Gebiete auslösen könnte. Hawija stand in den letzten Jahren im Zentrum mehrfacher und bedeutender sunnitischer Aufstände (Rudaw 17.5.2017).

Die US-geführte Koalition hat gegen den IS im Irak seit August 2014 mehr als 12.200 Luftschläge durchgeführt (BBC 20.7.2017). Bei diesen Luftangriffen sind hunderte, vermutlich tausende Zivilisten ums Leben gekommen. Die US-geführte Koalition hat zugegeben, dass bei ihren Luftangriffen in Syrien und Irak [die zum größten Teil in Irak, dabei vorrangig in XXXX , aber auch in anderen Gebieten des Nord- und Zentral-Irak stattfanden, s. Karte] zumindest 484 Zivilisten getötet wurden. Unabhängige Beobachter sprechen eher von tausenden, das Transparenz-Projekt Airwars spricht von zumindest

3.800 toten Zivilisten in Irak und Syrien. Der tödlichste Einzel-Luftschlag war jener auf den XXXX -Bezirk al-Jadida am 17. März 2017, bei dem zumindest 101 Männer, Frauen und Kinder getötet wurden (IP 3.6.2017), obwohl das Ziel dieses Angriffes lediglich zwei IS-Scharfschützen waren (Zeit 11.7.2017). Neben den "Bedenken bezüglich möglicher Kriegsverbrechen", die den Kampf gegen den IS in XXXX betreffend geäußert werden (IP 3.6.2017), haben nun auch einige ehemalige US-amerikanische Sicherheitsoffiziere einen warnenden Brief an den US-Verteidigungsminister James Mattis gerichtet, dass "unbeabsichtigte Zivilopfer strategische Rückschläge verursachen können, indem etwa die Kooperation mit lokalen Partnern zurückgehen könnte, oder als Antrieb für militante Propaganda benutzt werden könnten" (NYTimes 25.5.2017).

Die Sicherheitslage im Irak hat sich nach der dramatischen Verschlechterung (vor allem durch den Vormarsch des IS ab Mitte 2014) in den Jahren 2015 und 2016 (mit Ausnahme von einigen vom IS zurückeroberten Gebieten) nicht verbessert (AA 7.2.2017). Es herrschen

weiterhin Langzeit-Instabilität und Gewalt an mehreren Fronten gleichzeitig (OA/EASO 2.2017). Die territoriale Zurückdrängung des IS im Laufe des Jahres 2016 hat die Zahl der terroristischen Anschläge in den genannten Provinzen nicht wesentlich verringert, in manchen Fällen hat sie sogar eine asymmetrische Kriegführung des IS mit verstärkten terroristischen Aktivitäten provoziert (AA 7.2.2017; vgl. ÖB 12.2016). Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten bleiben XXXX sowie die Provinzen Anbar, Ninewah, Salahuddin und Dialah im Norden und Westen des Landes (AA 7.2.2017). Teile dieser Provinzen sind weiterhin nicht vollständig unter der Kontrolle der Zentralregierung. Systematische, grausamste Verbrechen des IS an tausenden Menschen bis hin zu Versuchen, ganze Bevölkerungsgruppen zu vernichten, prägen hier das Bild. Rund 17 Millionen Menschen (53 Prozent der Bevölkerung Iraks) sind von Gewalt betroffen (AA 7.2.2017). Zuletzt griff der IS am 4. Juli 2017 das Dorf Imam Gharbi, südlich von Qayyarah, an. Dabei gab es 170 Opfer, einige davon Zivilisten (OCHA 13.7.2017). Dem IS wird auch immer wieder vorgeworfen, Chemiewaffen einzusetzen (Zeit 16.4.2017). Laut World Health Organization (WHO) sind "mögliche Fälle von Einsätzen von Chemiewaffen" im Irak seit 2016 stark angestiegen, insbesondere in XXXX gibt es regelmäßig solche Berichte. Die WHO bezog jedoch nicht Stellung, ob die Chemiewaffeneinsätze auf das Konto des IS oder das von anderen Gruppen, die in die Kämpfe um XXXX verwickelt sind, gehen (New Arab 26.6.2017).

Neben den sicherheitsrelevanten Handlungen des IS wird auch von Gewalttaten gegen Zivilisten von Seiten der irakischen Sicherheitskräfte und Milizen berichtet (AA 7.2.2017). Die Milizen sind ein wichtiger Teil der Offensiven gegen den IS, gleichzeitig sind sie jedoch stark religiös/konfessionell motiviert, und es gibt zahlreiche Berichte über Racheakte insbesondere an der sunnitischen Bevölkerung (s. dazu ausführlich die Abschnitte zur Menschenrechtslage sowie den Abschnitt zu IDPs). Allgemein ergeben sich zunehmende Spannungen dadurch, dass die (vorwiegend) schiitischen Milizen der PMF zunehmend an Macht und Terrain gewinnen. Im Norden Iraks nimmt das Gebiet, das die Milizen im Zuge der XXXX -Rückeroberungsoffensive unter ihrer Kontrolle haben, stark zu. (BBC 3.12.2016). Im Nordwesten des Irak eroberten pro-iranische schiitische Milizen beispielsweise die Stadt Baadsch im irakisch-syrischen Grenzgebiet vom IS zurück. Weitere Vorstöße erfolgten in Richtung der Stadt Al-Qaim. Der Sprecher der Volksmobilisierungseinheiten, Karim al-Nuri, betonte zudem, dass in Koordination mit dem syrischen Regime der IS auch auf syrischem Boden bekämpft wird. Die neue Dominanz der pro-iranischen Milizen im Grenzgebiet stößt auf heftige Kritik der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) in Syrien, die davor warnen syrisches Territorium zu betreten. Ein Einmarsch der schiitischen Milizen würde neue Spannungen zwischen den von den USA unterstützten Kurden und den vom Iran unterstützten schiitischen Milizen schaffen. Premierminister Abadi kritisierte die Aussage des Kommandanten der Volksmobilisierungseinheiten und betonte, dass es gemäß Verfassung Irakern nicht gestattet ist, über die Grenzen des Landes hinaus zu kämpfen (IFK 9.6.2017).

Sicherheitslage in den zurückeroberten Gebieten (LIB 24.08.2017 mit Stand 27.09.2017)

Die prekäre Sicherheitslage in den vom IS zurückeroberten Gebieten ist v.a. durch IEDs (improvised explosive devices) und Minen sowie durch Konflikte zwischen Milizen geprägt (ÖB 12.2016). Besonders in ethnisch gemischten Gebieten werden nach Befreiungsoperationen eskalierende Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppen, die an der Rückeroberung teilgenommen haben, dokumentiert (USDOS 3.3.2017). Auch Angriffe seitens des IS können in diesen Gebieten weiterhin eine Rolle spielen.

Ausweichmöglichkeiten (AA 07.02.2017)

Innerirakische Migration in die Region Kurdistan-Irak ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss zur Asayisch-Behörde des jeweiligen Bezirks gehen und sich anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge. 2015 und 2016 sind weitere Flüchtlingslager entstanden. Auch wegen der eigenen Finanzkrise sieht sich die kurdische Regionalregierung nicht mehr in der Lage, weiter Flüchtlinge aufzunehmen.

Auch die Hauptstadt XXXX (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) haben zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen sind die Grenzen von XXXX , Kerbela und Babel für weitere Vertriebene fast vollständig geschlossen. Rückkehrer aus dem Ausland, die derzeit nicht in ihre noch vom IS kontrollierte Heimat zurückkehren können, haben daher kaum eine Möglichkeit, einen sicheren Aufnahmeplatz in Irak zu finden. Ausnahmen stellen ggf. Familienangehörige in nicht umkämpften Landesteilen dar.

IDPs und Flüchtlinge / Bewegungsfreiheit (LIB 24.08.2017 mit Stand 27.09.2017)

Die Vorstöße des IS in den Jahren 2014/2015 und die nachfolgenden militärischen Operationen gegen den IS haben zu Massenvertreibungen geführt (UNHCR 14.11.2016), während gleichzeitig humanitäre Hilfsorganisationen einen starken Rückgang internationaler Finanzhilfen beklagten (ÖB 12.2017). Die humanitäre Krise im Irak ist eine der größten und brisantesten in der Welt (OCHA 7.3.2017). Gemessen an der Gesamtzahl verfügt der Irak über die drittgrößte Flüchtlingspopulation der Welt (UNHCR 14.11.2016). Im Jahr 2014 waren über 2,5 Millionen Menschen vertrieben worden, im Jahr 2015 war eine weitere Million gezwungen, zu fliehen. Während des Jahres 2016 wurden abermals fast 700.000 Menschen vertrieben (OCHA 7.3.2017). Laut der International Organization for Migration (IOM) gibt es mit Stand Juli 2017 über 3,3 Millionen IDPs im Irak. Zurückgekehrt in ihre Heimatgebiete sind rund zwei Millionen (IOM 15.7.2017). Die Provinzen Anbar, Ninewah und Salahuddin sind besonders stark von den Vertreibungen betroffen (AA 7.2.2017). Fast 1,8 Millionen Iraker und Syrer sind in die KRI geflohen, in der geschätzte 20 Prozent der Bevölkerung Vertriebene sind (UNHCR 27.4.2017). Über 10 Mio. Menschen im Irak, also knapp ein Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 7.2.2017).

Auf Grund der massiven finanziellen Schwierigkeiten kämpfen die irakische Regierung und die Regionalregierung Kurdistans auch auf Grund von Ressourcenproblemen mit der Bewältigung der IDP-Krise. Die irakischen Streitkräfte und die Streitkräfte der Regionalregierung tragen zur Unsicherheit der IDPs bei, indem sie sich zu wenig um den Schutz und die Unterstützung der vom Konflikt betroffenen IDPs kümmern, wodurch viele Vertriebene um ihr Leben kämpfen müssen, obwohl sie sich bereits in von der Regierung kontrollierten Gebieten befinden (MRG 22.12.2016). Die missliche Lage der IDPs wird zum Teil ausgenützt. So werden IDPs - Vorwürfen zufolge - teilweise von Milizen zwangsrekrutiert (auch Minderjährige). Die in Flüchtlingscamps untergebrachten IDPs haben häufig das Problem, dass ihre Bewegungsfreiheit drastisch eingeschränkt ist, sowie dass Milizen ihnen die Papiere abnehmen und für lange Zeit nicht zurückgeben. Ein zusätzliches Problem ist, dass sie nicht mit ihren Familien kommunizieren können, da ihnen die Mobiltelefone abgenommen werden (UNHCR 20.1.2017, vgl. Al-Jazeera 1.2.2017). Dadurch, dass den IDPs in bestimmten Flüchtlingslagern auch ihre Dokumente abgenommen werden, kämpfen diese mit zusätzlichen Problemen bei der Registrierung von personenstandsrechtlichen Ereignissen [z.B. Heirat, Geburt, etc.]. Viele IDPs haben auch das Problem, dass in (vormals) unter der Kontrolle des IS stehenden Gebieten zum Teil viele standesamtliche Aufzeichnungen zerstört wurden (AIO 12.6.2017). UNAMI berichtete, dass aus Konfliktzonen fliehende Zivilisten in manchen Gebieten von bewaffneten Gruppen und Milizen, die mit Unterstützung der ISF operieren, abgefangen werden und Drohungen, Einschüchterungen, physischer Gewalt, Entführungen, Zerstörung von Eigentum und Tötungen ausgesetzt sind (USDOS 3.3.2017).

Fokus XXXX

Weiter angefacht wurde die Flüchtlingskrise durch die XXXX -Offensive. Laut Zahlen der Regierung sind seit Beginn der Offensive im Oktober 2016 mehr als 875.000 Menschen aus XXXX geflohen, aus West XXXX alleine fast 700.000. Über 679.000 Menschen bleiben aus der Stadt vertrieben, die Mehrheit davon ist in Camps rund um XXXX untergebracht (UNHCR 27.6.2017). Die Zustände in den Flüchtlingslagern um XXXX sind geprägt vom Mangel an Nahrung und Medikamenten (BAMF 26.6.2017).

Die zuständigen Behörden in XXXX werden laut Ankündigungen den Zuzug - ebenso wie die Möglichkeit des Umzugs innerhalb XXXX - massiv einschränken. Künftig besteht ein Rückkehrrecht nur dann, wenn man nachweisen kann, dass man vor XXXX 2014 in XXXX gelebt hat und nur zur alten Adresse. Ausnahmen soll es lediglich bei Zerstörung der alten Wohnung geben (BAMF 26.6.2017). Bislang sind 79.000 Menschen - etwa 10 Prozent der Geflüchteten - in den Westen XXXX zurückgekehrt. In den Osten der Stadt, in dem weniger zerstört wurde, sind rund 90 Prozent der Einwohner zurückgekehrt (UNOF 15.8.2017). Allerdings gibt es Berichte, dass die irakische Armee und andere lokale Sicherheitskräfte hunderte IDP-Familien zur Rückkehr nach XXXX zwingen. Auf diese Weise soll in den Lagern Platz für weitere IDPs geschaffen werden, die aus neu zurückeroberten Gebieten stammen (HRW 18.5.2017). Die Infrastruktur ist wesentlich stärker zerstört als gedacht, und die Zivilisten in den zuletzt vom IS gehaltenen Stadtteilen weisen in erheblichem Maße Anzeichen von Unterernährung und Mangelerkrankungen auf.

Staatliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit

Anm.: Die Regelungen bzgl. der Bewegungsfreiheit, insbesondere bezüglich der Zugangs- und Aufenthaltsbestimmungen für IDPs sind laufenden Änderungen und einem hohen Maß an Willkür unterworfen. Darüber hinaus berichten unterschiedliche Quellen bezüglich mancher Aspekte Unterschiedliches. Daher werden die unterschiedlichen

Quellen namentlich erwähnt und nebeneinander gestellt:

Laut Einschätzung des UNHCR sind die Möglichkeiten einer innerstaatlichen Fluchtalternative für IDPs durch die aktuellen Umstände, das Ausmaß innerstaatlicher Vertreibung, die ernstzunehmende humanitäre Krise, die zunehmenden interkommunalen Spannungen, die Beschränkungen bzgl. des Zuganges und/oder Aufenthaltes in fast allen Teilen des Landes und durch den steigenden Druck auf IDPs in ihre Heimatgebiete zurückzukehren, eingeschränkt (UNHCR 12.4.2017). Laut Amnesty International schränkten die Behörden des Irak sowie der KRI die Bewegungsfreiheit vertriebener arabischer Sunniten willkürlich und in diskriminierender Weise ein (AI 22.2.2017). Laut USDOS hatten IDPs während des Jahres 2016 (Berichtszeitraum des USDOS-Menschenrechtsberichtes) eingeschränkten Zugang zu XXXX , Kirkuk, sowie zur Provinz Najaf und zu Gebieten, die unter der Kontrolle der KRG stehen. Hunderten sunnitisch-turkmenischen IDPs aus der Umgebung von Tal Afar wurde die Einreise nach Dohuk in der KRI verwehrt. Der Gouverneur von Dohuk äußerte Bedenken, dass es innerhalb dieser IDPs Elemente des IS gäbe, deren Anwesenheit in den IDP-Lagern in Dohuk zu jesidischen Racheattacken an ihnen führen könnte (USDOS 3.3.2017). Das Gesetz erlaubt es, dass bevollmächtigte Sicherheitskräfte die Reisefreiheit im Inland einschränken, Ausgangssperren verhängen, ein Gebiet absperren oder durchsuchen dürfen, sowie andere notwendige Sicherheits- und Militärmaßnahmen als Reaktion auf Sicherheitsbedrohungen und Angriffe ergreifen können. Es gab im Berichtszeitraum 2016 zahlreiche Berichte, dass Sicherheitskräfte, inklusive der ISF, der Peschmerga, sowie auch der PMF selektiv Bestimmungen bezüglich Aufenthaltsgenehmigungen durchsetzten, um den Zugang von Personen in befreite, unter ihrer Kontrolle stehende Gebiete zu limitieren. UNAMI und das UN Office of the High Commissioner for Human Rights erhielten mehrere Berichte, dass Behörden von Kirkuk sunnitisch-arabischen IDPs aus den Provinzen Salahuddin und Ninewah den Zugang in die Provinz Kirkuk verwehrten (USDOS 3.3.2017).

Das deutsche Auswärtige Amt berichtete am 7.2.2017, dass auch die Hauptstadt XXXX (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen haben. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen sind die Grenzen von XXXX , Kerbela und Babel für weitere Vertriebene fast vollständig geschlossen. (AA 7.2.2017).

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für IDPs verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens eines Sponsors (Bürgen), des Registrierens bei lokalen Behörden, sowie Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden. Diese Maßnahmen wurden zwar damit begründet, dass der Irak mit zahlreichen sicherheitsrelevanten Herausforderungen konfrontiert ist, gleichzeitig weisen Berichte jedoch darauf hin, dass es häufig zu diskriminierenden Vorgehensweisen bezüglich der Gewährung oder Nicht-Gewährung des Zuganges oder Aufenthaltes zu/in den vergleichsweise sichereren Gebieten kommt (UNHCR 12.4.2017). Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der IDPs ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person (UNHCR 12.4.2017, vgl. AI 22.2.2017). Selbst Menschen mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen wurde der Zugang verwehrt (UNHCR 14.11.2016). Laut Amnesty International mussten zehntausende IDPs in Lagern ausharren und hatten keinen Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu grundlegenden Versorgungsleistungen, weil sie vor Ort keine Bürgen hatten, die ihnen die notwendigen offiziellen Aufenthaltsgenehmigungen für die Städte besorgen konnten (AI 22.2.2017).

Ad Sponsorsystem: Die Bedingung des Vorweisens eines Sponsors basiert im Irak auf keinem Gesetz, wird nicht offiziell verkündet, und deren Implementierung ist ständigen Änderungen unterworfen. Ob und auf welche Art diese Bedingung zur Anwendung kommt, ist von Checkpoint zu Checkpoint und von Beamten zu Beamten unterschiedlich. Selbst dann, wenn die betreffende Person alle diesbezüglichen Bedingungen erfüllt, ist der Zugang nicht garantiert. Wenn das Vorweisen eines Sponsors verlangt wird, die betreffende Person jedoch keinen vorweisen kann, führt dies regelmäßig dazu, dass die Person verhaftet, oder unter Druck gesetzt wird, in die Region zurückzukehren, in der sie verfolgt wurde (UNHCR 12.4.2017). Das Erfordernis eines Sponsors und der Umstand, dass weder ihr Geltungsumfang noch die anzuwendenden Verfahren eindeutig geregelt sind, erhöhen die Gefahr, dass Binnenvertriebene ausgebeutet und misshandelt werden, einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, da einige Bürgen Geld oder "Dienste" für die Übernahme einer Bürgschaft verlangen (UNHCR 14.11.2016).

Ebenfalls laut UNHCR betreffen Beschränkungen bezüglich des Zugangs und Aufenthaltes zu/in einer Region insbesondere sunnitische Araber und sunnitische Turkmenen aus (damals oder aktuell) vom IS kontrollierten Gebieten, die vorgeblich als Sicherheitsrisiko wahrgenommen werden, und denen häufig auf der Basis von breit ausgelegten und diskriminierenden Kriterien der Zugang oder der Aufenthalt zu/in vergleichsweise sicheren Gebieten verwehrt wird. Im Gegensatz dazu gibt es im Land für Schiiten, Kurden und Mitglieder religiöser/ethnischer Minderheiten in den überwiegenden Fällen keine außertourlichen Anforderungen für den Zugang oder den Aufenthalt (mit Ausnahme der Provinz Erbil) (UNHCR 12.4.2017).

Die Anforderungen für jene Personen, die in XXXX wohnhaft werden wollen, unterscheiden sich Berichten zufolge (auch bezüglich der geforderten Dokumente) je nach Viertel und dem dafür zuständigen Beamten (Hierbei können auch die Mukhtars - die für die Checkpoints der ISF-Milizen zuständigen Milizenangehörigen eine Rolle spielen). Grundsätzlich sind die Anforderungen, um in XXXX wohnhaft werden zu können, in Bezirken mit einer höheren Konzentration von IDPs strikter (vorwiegend die sunnitischen Viertel wie Adhamiyah, Karkh, Abu Ghraib und die Mahmoudiyah-Bezirke). Personen, die aus (damals oder aktuell) vom IS kontrollierten Gebieten oder aus von Konflikten betroffenen Gebieten stammen und in einem dieser Viertel XXXX wohnhaft werden wollen, müssen grundsätzlich kumulativ drei Anforderungen erfüllen. Anm.: Diese können mit zusätzlichen weiterführenden Informationen aus dem Originaldokument des UNHCR (S.4) entnommen werden (UNHCR 12.4.2017).

Bei der Benützung von Straßenverbindungen (z.B. vom XXXX Flughafen nach XXXX City, oder zwischen den Provinzen) können Iraker mit bestimmtem ethnischen oder religiösen Hintergrund bei Checkpoints Opfer diskriminierender Behandlung werden (einschließlich willkürlicher Verhaftungen aufgrund von pauschalisierendem und diskriminierendem Profiling) (UNHCR 12.4.2017).

Personen werden immer häufiger unter Druck gesetzt, in die Regionen ihrer Herkunft zurückzukehren, wenn diese durch die ISF oder die kurdischen Kräfte vom IS zurückerobert wurden (UNHCR 12.4.2017).

Anm.: In dem hier zitierten Dokument finden sich weiterführende detaillierte Informationen zu den Einschränkungen des Zuganges/Aufenthaltes zu den / in den jeweiligen Provinzen Iraks. Die diesbezüglichen Bestimmungen und unterschiedlichen Handhabungen in der Praxis sind regelmäßigen Änderungen unterworfen. Der Inhalt des Dokuments gibt die Situation wieder, die sich dem UNHCR am 12. April 2017 präsentierte (UNHCR 12.4.2017). Auf Grund des Umfanges dieser Informationen wurde davon abgesehen den gesamten Inhalt des Dokumentes in das Länderinformationsblatt zu übernehmen.

Zugang zur Kurdenregion:

Die dänische Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service, DIS) schreibt in ihrem im April 2016 veröffentlichten Fact-Finding-Mission-Bericht, dass mehrere befragte Quellen angaben, dass es möglich sei, ohne Bürgschaft in die KRI einzureisen. Man brauche jedoch in der Praxis eine solche Bürgschaft, um dort zu arbeiten oder sich niederzulassen. Laut IOM würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Ein westlicher Diplomat hat angegeben, dass man keine Bürgschaft brauche, um in die KRI einzureisen, irakische Bürger aber eine Bürgschaft bräuchten, um Arbeit zu finden. Zwei Quellen gaben an, dass seit Ende 2014 die Behörden für Binnenflüchtlinge eine Bürgschaftspflicht durchgesetzt hätten. Laut UNHCR könne der Zugang zur KRI für Binnenflüchtlinge sehr schwierig sein, wenn sie über keine Bürgschaft oder ein bestimmtes ethnisch/religiöses Profil sowie Verbindungen zu Regierungsbeamten oder Personen, die Kontakte zu lokalen Sicherheitskräften haben, verfügen würden. Auch in den zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung umstrittenen Gebieten würde eine Art Bürgschaft verlangt. Der westliche Diplomat habe hingegen angegeben, dass man als irakischer Binnenflüchtling keine Bürgschaft benötige. Laut Angaben des International Rescue Committee gibt es keine Bürgschaftspflicht für IDPs, die in den Flüchtlingslagern leben würden, aber sehr wohl für IDPs, die außerhalb der Lager leben würden (DIS 12.4.2016).

Laut USDOS-Menschenrechtsbericht schränkte die KRG im Berichtszeitraum 2016 die Bewegungsfreiheit innerhalb der Gebiete, die sie verwaltet ein, indem sie laut eigenen Angaben "notwendige Sicherheitsmaßnahmen" ergriff. Die Behörden verlangten von Nicht-Einwohnern der KRI das Einholen einer Genehmigung, die einen zeitlich beschränkten Aufenthalt ermöglicht. Diese Genehmigungen konnten in den meisten Fällen erneuert werden. Von den irakischen Bürgern, die aus Gebieten außerhalb der KRI stammten und die versuchten, sich eine solche Genehmigung für den Aufenthalt in den von der KRG kontrollierten Gebieten zu beschaffen, wurde das Vorweisen eines "Bürgen", der innerhalb der Region wohnt, verlangt (USDOS 3.3.2017). Die Behörden der KRG schränkten die Bewegungsfreiheit in einigen Gegenden stärker ein, als in anderen. Gemäß Vereinten Nationen und internationalen Hilfsorganisationen war der Zugang in die KRI für IDPs und irakische Flüchtlinge, die versuchten zurückzukehren, stärker oder schwächer eingeschränkt, je nach Ort des Checkpoints und je nach ethno-konfessionellem Hintergrund der Vertriebenen. Es gab auch Berichte, dass Checkpoints in die KRI manchmal für längere Zeiten geschlossen waren. Beamte verwehrten Personen, die sie als Sicherheitsrisiko wahrnahmen, den Zutritt in die Region. In den überwiegenden Fällen gewährten die Beamten jenen IDPs, die Mitglieder einer Minderheitengruppe sind, Zutritt in die Region, es kam allerdings gelegentlich zu in die Länge gezogenen Sicherheitschecks. Für Männer, insbesondere (arabische) Männer ohne Familie war es schwieriger, in die KRI zu gelangen (USDOS 3.3.2017).

Laut Auswärtigem Amt ist die inner-irakische Migration in die Region Kurdistan-Irak grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss zur Asayisch-Behörde des jeweiligen Bezirks gehen und sich anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht (AA 7.2.2017). Laut Human Rights Watch gestatten die Behörden den IDPs nicht, sich in der KRI und den umstrittenen Gebieten frei zu bewegen. Von IDPs wurde verlangt, dass sie in Camps verbleiben, mit ernsthaften Einschränkungen der Bewegungsfreiheit (HRW 12.1.2017). Beispielsweise gewährt keines der Lager, in denen die aus XXXX Geflohenen leben, mit der Ausnahme von einem, das Recht auf Bewegungsfreiheit, so dass die IDPs nach ihrer Befreiung laut Human Rights Watch- Irakexpertin Belkis Wille, nun in "Open Air-Gefängnissen" festsitzen, teilweise mit Telefonverbot und ohne Möglichkeit mit ihren Angehörigen Kontakt aufzunehmen (Al-Jazeera 1.2.2017). Human Rights Watch (HRW) berichtet davon, dass sowohl die irakischen als auch die Sicherheitsbehörden der Autonomen Region Kurdistan widerrechtlich die Bewegungsfreiheit von Binnenflüchtlingen in Lagern in der Nähe von Kirkuk einschränken. Den IDPs ist es nicht erlaubt, die Lager zu verlassen. IDPs in den Lagern Nazrawa und Laylan haben gegenüber HRW erwähnt, dass sie das Lager nur verlassen könnten, wenn sie einen Bürgen finden würden. Diese Einschränkungen haben für die Lagerbewohner den Zugang zu medizinischer Versorgung, Arbeit und Verwandten eingeschränkt (HRW 21.10.2016).

Zu den von den kurdischen Sicherheitskräften kontrollierten Gebieten wurde auch berichtet, dass sunnitisch-arabische Familien von kurdischen Sicherheitskräften zwangsweise umgesiedelt und aus ihren Heimatorten vertrieben wurden. Angeblich erfolgten die Umsiedlungen zur Sicherheit der Betroffenen, doch wurden diese nunmehr in unmittelbarer Nähe der Front angesiedelt (UNHCR 14.11.2016).

Insgesamt hat die zunehmende Anwesenheit und Macht der Milizen eine Reihe von unmittelbaren Folgen für die jeweilige Bevölkerung. Sie bewirkt, dass ihre Möglichkeiten, sich fortzubewegen, oder auch ihre geschäftlichen Tätigkeiten fortzusetzen, jetzt vom Wohlwollen der bewaffneten Milizen abhängen. Um in diesen von Milizen kontrollierten Gebieten leben zu können, müssen die Menschen eine Art von Beziehung zu / Verpflichtung gegenüber diesen Milizen eingehen. Das bedeutet, dass - wenn man reisen / sich fortbewegen will - man sich der Herausforderung stellen muss, mehrere Checkpoints (zum Teil von ganz unterschiedlichen Milizen, teilweise mit unterschiedlichen konfessionellen und ethnischen Identitäten) durchqueren muss. Dies stellt eine massive Abschreckung dar, von A nach B zu fahren, insbesondere auf Grund des tatsächlichen Risikos, das mit einem solchen Unterfangen verbunden ist (Lattimer 26.4.2017).

IDP-RückkehrerInnen und "quasi-staatliche" Einschränkungen der Bewegungsfreiheit

Laut der International Organization for Migration (IOM) sind es mit Stand Juli 2017 rund zwei Millionen IDPs, die in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt sind (IOM 15.7.2017).

Laut REACH, einer Initiative der NGOs IMPACT und ACTED sowie des operativen UN-Satellitenanwendungsprogramm UNOSAT, gibt es im Irak im Allgemeinen eine Präferenz von Binnenvertriebenen, in ihre Herkunftsregionen zurückzukehren, manche würden jedoch noch nicht zurückkehren, da sie bezüglich des Schutzes ernsthaft besorgt seien, und es beim Zugang zu Basisdienstleistungen Probleme gäbe (REACH 12.2016). In den vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wiederhergestellt werden, da einige Städte weitgehend zerstört sind (AA 7.2.2017). Den diesbezüglich größten Bedarf gibt es in erst vor kurzem zurückeroberten Gebieten mit schweren Schäden an der Infrastruktur, beispielsweise in Fallujah und Ramadi. Hingegen sind in Gebieten wie Tikrit und Muqdadiya, in denen es bereits seit mehr als einem Jahr Rückkehrer gibt, deutliche Verbesserungen beim Zugang zu Basisdiensten und beim Wiederaufbau von grundlegender Infrastruktur zu sehen. Eine grundsätzliche Sorge betrifft jedoch den Mangel an ausreichenden Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten, was wiederum den Zugang zu Basisdiensten blockiert (REACH 12.2016). Die Stadt Tikrit ist insofern nennenswert - und noch am ehesten als Erfolgsmodell zu sehen (WP 23.11.2016), als sie eine unerwartete Wendung erlebt hat. Nachdem die Popular Mobilization Forces nach der Rückeroberung in einem Racheakt zunächst ganze Stadtteile niederbrannten und andere Menschenrechtsverletzungen begingen (MOI 11.2.2016), sind inzwischen die meisten der ursprünglichen Einwohner Tikrits zurückgekehrt. Allerdings ist der Großteil der Stadt zerstört und die Infrastruktur noch nicht wieder vollständig hergestellt. Auch ist auf lange Sicht der oben erwähnte Erfolg fraglich, da keine ausreichenden finanziellen Mittel vorhanden sind, um das wiederaufzubauen, was im Zuge des Konfliktes zerstört wurde - die irakische Regierung hat im Zuge des Konfliktes innerhalb kürzester Zeit fast die Hälft ihres Einkommens verloren, und das während sie große Mengen an finanziellen Mitteln für militärische Offensiven aufbringen muss (WP 23.11.2016). Neben Tikrit sind auch Viele in die Städte Fallujah (Anm.: s. dazu auch weiter unten in diesem Abschnitt) und Ramadi zurückgekehrt, in denen ebenfalls wie in Tikrit v.a. Sunniten leben. An Orte zurückzukehren, an denen Sunniten in Nachbarschaft mit Schiiten oder Kurden gelebt hatten, ist für Sunniten besonders schwierig, und Hunderttausenden war dies nicht möglich, obwohl der IS dort bereits verdrängt wurde. Sunniten leiden unter dem Pauschalverdacht, mit dem IS zu sympathisieren. In manchen Orten, die die Popular Mobilization Forces vom IS zurückerobert hatten, werden überhaupt keine ehemaligen Ortseinwohner zurückgelassen. Auch Stammeskonflikte oder Rachefeldzüge können dabei eine Rolle spielen (WP 23.11.2016). Die Sicherheit von Rückkehrern ist also von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u. a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort (AA 7.2.2017). Darüber hinaus müssen sich Rückkehrer Sicherheitsüberprüfungen unterziehen und von verschiedenen lokalen Akteuren in den Rückkehrgebieten - einschließlich der Streitkräfte, die das betreffende Gebiet kontrollieren, örtlicher Behörden und Stämme - eine Rückkehrerlaubnis einholen. Dabei kommen die oben erwähnten Diskriminierungen ebenfalls zum Tragen. In der Provinz Babil beispielsweise gibt es derzeit verschiedene Versuche, die Demographie zugunsten der schiitischen Bevölkerung zu verschieben. So wird einer erheblichen Anzahl an Binnenflüchtlingen sunnitischen Glaubens auch mehrere Jahre nach der Rückeroberung vom IS die Rückkehr in die Provinz verwehrt und sunnitischer Zuzug generell unterbunden (BAMF 17.7.2017). Nicht nur die PMF, sondern auch Peschmerga-Kämpfer und andere kurdische Sicherheitskräfte verwehrten zehntausenden arabischen Bewohnern der KRI, die im Zuge des Konflikts vertrieben worden waren, eine Rückkehr in ihre Heimat (AI 22.2.2017, vgl. AA 7.2.2017), und es kam im Zuge dessen auch zur Zerstörung von Häusern vermeintlicher IS-Kollaborateure (AA 7.2.2017). Auch Turkmenen und anderen ethnoreligiösen Gruppen wurde eine Rückkehr von Seiten der Peschmerga oder der PMF verwehrt (USDOS 10.8.2016). In einigen Fällen wurden die kurdischen Sicherheitskräfte und die mit den PMF verbündeten Streitkräfte sogar beschuldigt, nicht nur einzelne Häuser, sondern ganze sunnitisch-arabische und sunnitisch-turkmenische Dörfer vorsätzlich im Rahmen von Vergeltungsmaßnahmen oder zur Verhinderung einer Rückkehr zerstört zu haben, um ihre Kontrolle über das Gebiet zu konsolidieren (UNHCR 14.11.2017). Das Bemühen bestimmter Akteure, das Rückkehren von IDPs zu verhindern, hat verschiedenste Gründe, v. a. aber auch jenen, dass es oft im Interesse dieser Gruppen liegt, das Gebiet selbst für sich in Anspruch zu nehmen, es einzunehmen, oder als Druckmittel für zukünftige Streitigkeiten bzw. Verhandlungen über territoriale "Tauschgeschäfte" benutzen zu können (Lattimer 26.4.2017).

Zum Teil entscheiden sich Binnenvertriebene dennoch für eine Rückkehr, weil sie in den Gebieten, in die sie geflüchtet sind, unter schwierigen und häufig extrem prekären Umständen leben und Unterbringung, Gesundheits-, Nahrungsmittel- und Wasserversorgung notdürftig und oft unzureichend sind. Aus XXXX wird berichtet, dass Binnenvertriebene aus Anbar aufgrund von Sicherheitsbedenken zurückkehren, insbesondere nach Angriffen auf Al Salam, das drittgrößte Binnenvertriebenenlager in XXXX (UNHCR 14.11.2016).

Die Lage in den rückeroberten Gebieten ist zudem vor allem durch IEDs (Improvised explosive device) und Minen stark gefährdet sowie durch logistische Schwierigkeiten, mangelnde Schulen, eine allgemeine prekäre Sicherheitslage sowie Konflikte zwischen Milizen geprägt (ÖB 12.2016). Der IS versieht Häuser, öffentliche Plätze und Straßen in den von ihm aufgegebenen Gebieten regelmäßig mit Minen und , denen Rückkehrer zum Opfer fallen (UNHCR 14.11.2016). Das Beschlagnahmen und Zerstören des Besitzes von Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten und die Inbesitznahme dieses Eigentums, auch durch die vormaligen Nachbarn, machen (neben dem Problem, dass es in diesen Gebieten kaum Möglichkeiten zur Sicherung der Existenzgrundlage gibt) eine Rückkehr in befreite Gebiete für viele Angehörige von Minderheiten oft unzumutbar (ÖB 12.2016; vgl. UNHCR 14.11.2016). Fallujah beispielsweise war vor etwa einem Jahr vom IS zurückerobert worden. Die dortigen Stabilisierungsbemühungen schreiten fort - etwa 60 Prozent der Stadtbewohner haben wieder Wasserzugang. Gleichwohl sind die Wohngebiete noch nicht im selben Maße von Minen geräumt, und die Stadt ist nach wie vor regelmäßig Ziel von Terrorangriffen des IS (BAMF 26.6.2017). Die irakische Regierung hat laut Berichten Schwierigkeiten, ein umfassendes und wirksames Machtmonopol zu errichten, und die Möglichkeiten des Staates und seiner Institutionen, das Recht durchzusetzen und seine Bürger zu schützen, sind weiterhin schwach ausgeprägt (UNHCR 14.11.2016). Spannungen und Ausbrüche von Gewalt wurden auch im Zusammenhang mit den Machtkämpfen verschiedener Akteure in ehemals vom IS kontrollierten Gebieten gemeldet, insbesondere in Gebieten, die sowohl von der Zentralregierung als auch von der Regionalregierung von Kurdistan (KRG) beansprucht werden ("umstrittene Binnengrenzgebiete") und v.a. in ethnisch gemischten Provinzen (UNHCR 14.11.2106; vgl. USDOS 3.3.2017).

Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch den IS

Der IS beschränkte laut USDOS im Berichtszeitraum 2016 die Bewegungsfreiheit, insbesondere im Westen und Norden des Landes. Der IS verwehrte Bürgern die Ausreise aus den Städten Fallujah, Ramadi, XXXX und anderen Orten, sofern sie nicht Bestechungsgelder zahlten, Familienmitglieder als "Pfand" zurückließen, oder zustimmten, Grundbesitz oder Eigentum, das sie in der jeweiligen Stadt besaßen zu überlassen (USDOS 3.3.2017).

Sunnitische Araber (LIB 24.08.2017 mit Stand 27.09.2017)

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach Entmachtung Saddam Husseins 2003 insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Maliki (2006 bis 2014) aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es ihr weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Die Sunniten leben mehrheitlich in den am stärksten umkämpften Gebieten der Provinzen Anbar und Ninewah. Einige bekennen sich nicht mehr zu ihrer Konfession und versuchen dadurch, Benachteiligungen zu umgehen. (AA 7.2.2017).

Berufsgruppen und andere soziale Gruppen (LIB 24.08.2017 mit Stand 27.09.2017)

Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sind besonders gefährdet. Auch

Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 7.2.2017). Extremisten und bewaffnete Gruppen verübten Angriffe auf Künstler, Poeten, Schriftsteller und Musiker (USDOS 3.3.2017).

Eine Vielzahl von ehemaligen Mitgliedern der seit 2003 verbotenen Baath-Partei Saddam Husseins ist, soweit nicht ins Ausland geflüchtet, häufig auf Grund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten in Haft (AA 7.2.2017). Nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003 wurde die Baath-Partei verboten und höherrangige Baath-Partei-Mitglieder wurden im Zuge des De-Baathifizierungsgesetzes aus ihren Ämtern entfernt. Zu dieser Zeit gab es sogenannte Abschusslisten, anhand derer Baathisten verfolgt und getötet wurden. Dies betraf nicht nur hochrangige Mitglieder, sondern auch Menschen, die in ihren Gemeinden als [einfache] Partei-Mitglieder bekannt waren. Das Ausmaß der Verfolgung war nicht zwangsläufig daran geknüpft, ob eine Person hochrangiges oder niederrangiges Mitglied war, sondern wie bekannt die Baath-Parteimitgliedschaft in der Gesellschaft war, und ob die Person sich aus Sicht der Gesellschaft "schuldig" gemacht hatte. Wenn es heute einen Angriff auf eine Person gibt, ist oft schwer zu sagen, ob es in Zusammenhang mit seiner früheren Partei-Mitgliedschaft oder etwas anderem steht - zum Beispiel mit seiner Tätigkeit nach 2003. Die gezielte Verfolgung von früheren Baathisten speziell auf Grund ihrer ehemaligen Mitgliedschaft ist heute weniger allgegenwärtig als damals, allerdings kann es gelegentlich vorkommen (AIO 12.6.2017). Laut der irakischen Menschenrechtsorganisation Freedom Monitoring Commission wurden alleine zwischen Anfang 2006 und Mai 2007 1.556 ehemalige Baathisten getötet, die Fälle wurden nicht untersucht (UNHCR 5.2007).

Misshandlungen von Migranten, Flüchtlingen und Staatenlosen:

UN-Organisationen, NGOs

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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