TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/29 W123 2176962-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2018
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Entscheidungsdatum

29.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W123 2176962-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2017, Zl. 1097568104-151912124, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 22.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 01.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 02.02.2015 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass sein Vater sehr krank sei. Der Vater des Beschwerdeführers sei behindert und habe nicht mehr für den Beschwerdeführer sorgen können. Die finanzielle Lage sei sehr schlecht und die Lage sei unsicher.

3. Am 07.09.2017 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"[...]

LA: Wie war Ihre wirtschaftliche Lage im Heimatland?

VP: Gut.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland gearbeitet? Wenn ja welche Tätigkeit? Wie lange haben Sie diese Tätigkeit ausgeübt?

VP: Nein. Ich habe noch die Schule besucht.

LA: Haben Sie noch Angehörige in Ihrem Heimatland und wo genau halten sich in Ihrem Heimatland Ihre Angehörigen auf?

VP: Meine Eltern leben in Kabul. Mein Vater hat auch noch eine zweite Frau. Wir haben alle in einem Haus gelebt.

LA: Haben Sie Geschwister- auch Stiefgeschwister?

VP: Zwei leibliche Schwestern und einen leiblichen Bruder. Ebenfalls habe ich auch zwei Stiefschwestern und auch zwei Stiefbrüder.

LA: Wo leben Ihre Geschwister und auch Stiefgeschwister?

VP: Meine Stiefschwester XXXX lebt in XXXX. Eine weitere Stiefschwester lebt in Kanada. Meine beiden Stiefbrüder leben in Kabul. Eine leibliche Schwester ist verheiratet hat eine Tochter und lebt in Kabul. Die andere Schwester und meine zwei leiblichen Brüder leben bei meinen Eltern.

LA: Wie heißt Ihre Stiefschwester mit Nachnahmen?

VP: Sie ist volljährig, verheiratet und hat ein Kind. Sie wird vermutlich so heißen wie Ihr Ehemann. Ich weiß den Namen nicht.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Angehörigen in Afghanistan(Eltern, Geschwister ...) ?

VP: Ungefähr jede Woche ein Mal.

LA: Haben Sie auch Kontakt zu Ihrer verheirateten Schwester die in Kabul verheiratet ist?

VP: Ungefähr ein Mal im Monat.

LA: Wie alt sind Ihre Geschwister die in Kabul leben?

VP: Weiß ich nicht genau.

LA: Wer von Ihren Geschwistern ist älter als Sie?

VP: Die Schwester XXXX die in Kabul verheiratet ist älter als ich. Ich glaube, dass meine zweite Schwester die bei meinen Eltern ist älter als ich ist. Mein leiblicher Bruder XXXX ist fünfzehn Jahre alt. Er ist drei Jahre jünger als ich. Meine beiden Stiefbrüder sind verheiratet und leben mit Ihrer Familie bei meinen Eltern.

LA: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund? Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?

VP: Wir hatten insgesamt drei Häuser in Kabul. Wir haben noch ein Haus wo meine Familie lebt. Mein Vater ist einseitig gelähmt und kann nicht mehr arbeiten. Die Stiefbrüder haben ein Haus verkauft. Ein Haus hat mein Vater selbst verkauft.

[...]

Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:

VP: Mein Vater ist vor fünf Jahren erkrankt. Meine Stiefbrüder haben ein Haus verkauft und von diesen Geld gelebt. Ich war gegen diesen Verkauf. Ich wollte, dass das Haus nicht verkauft wird. Ich habe die Situation nicht mehr ausgehalten. Ich habe einfach zu meiner Mutter gesagt, dass ich hier fortgehen werde.

LA: Wurden Sie in Afghanistan persönlich bedroht oder verfolgt?

VP: Nein. Solche Sachen hat es nicht gegeben.

LA: Sind Sie bis zur Ausreise aus Ihrem Heimatland zur Schule gegangen?

VP: Ja. Ich habe die neunte Schulklasse beendet.

LA: Wollen Sie noch etwas Wichtiges mitteilen?

VP: Ich habe meiner Mutter gesagt, dass ich die Situation nicht mehr ertrage und nach Europa gehe um mir selbst ein Leben aufzubauen.

LA: Welche Situation haben Sie nicht mehr ertragen?

VP: Die Stiefbrüder haben unser Haus verkauft. Sie haben mich auch geschlagen.

LA: Warum wurden Sie geschlagen?

VP: Sie erfanden immer ausreden.

LA: Was hat Ihr Vater dazu gesagt?

VP: Mein Vater war krank. Was hätte er sagen sollen. Mein Vater war krank man hat es ihn nicht erzählt. Meine Mutter konnte dagegen nichts machen.

LA: Haben sie Kontakt zu Ihren Stiefbrüdern?

VP: Nein.

LA: Wollen Sie noch etwas Wichtiges sagen?

VP: Als ich in Österreich war hat mein Vater ein Haus verkauft und es gerecht auf alle aufgeteilt. Er hat gesagt, dass er in Ruhe leben möchte.

LA: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

VP: Ich habe alles gesagt.

LA: Wie lange hat die Ausreise aus Ihrem Heimatland nach Pakistan gedauert? Hat es dabei Probleme gegeben?

VP: Vier oder fünf Tage. Ich bin illegal über die Grenze gegangen. Ich hatte Angst von der Polizei erwischt zu werden.

LA: Könnten Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Herkunftsland wieder an Ihrer Wohnadresse bzw. bei ihrer Mutter und Vater wohnen?

VP: Ich kann schon dort leben. Ich will aber dort nicht mehr leben. Ich möchte in Freiheit leben.

LA: Wurden Sie persönlich in Ihrem Heimatland Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Überzeugung bedroht oder verfolgt?

VP: Nein.

[...]"

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlich aus, dass der Beschwerdeführer kein Verfolgung seiner Person in seinem Herkunftsstaat Afghanistan bzw. keine asylrelevanten Gründe vorgebracht habe.

5. Gegen den oben genannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 15.11.2017. Der Beschwerdeführer habe als Fluchtgrund stets angegeben, dass er von seinen Stiefbrüdern geschlagen worden sei, da er gegen einen Hausverkauf seines Vaters gewesen sei. Diese Schilderungen des Beschwerdeführers würden glaubhaft erscheinen, zumal er im gesamten Verfahren gleichbleibende Aussagen getätigt habe. Seitens der Behörde würden Feststellungen fehlen, warum das Haus des Vaters des Beschwerdeführers verkauft worden sei und warum der Beschwerdeführer sich dagegen gewehrt habe. Diese Feststellungen seien zur Beurteilung jedoch wesentlich, da es denkbar sei, dass der Grund dafür in einer von der GFK genannten Gruppe liege, wobei insbesondere an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu denken sei.

6. Am 22.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung nahm der Beschwerdeführer insbesondere zu seiner Herkunft und seiner Familie Stellung.

Zu seinen Fluchtgründen erneut befragt gab der Beschwerdeführer u.a. wortwörtlich folgendes an:

"[...]

R: Wie geht es Ihren Familienangehörigen?

BF: Mein Vater ist seit ca. 5 oder 6 Jahren krank. Den anderen Familienmitgliedern geht es gut, auch finanziell geht es meinen Familienmitgliedern gut.

R: Welche Fluchtgründe machen Sie geltend?

BF: Als mein Vater krank wurde, verkaufte mein älterer Bruder das Auto meines Vaters und hat das Geld für sich ausgegeben. Er hat damit Reisen nach Dubai unternommen. Er hat auch eines der drei Häuser, die mein Vater hatte, verkauft. Das Geld hat er für seine Hochzeit ausgegeben, er hat sich auch ein Auto gekauft. Danach wollte er ein weiteres Haus meines Vaters verkaufen, ich war damit nicht einverstanden. Ich war der Meinung, dass wir alle ein Recht auf diese Häuser haben, während, wenn mein Bruder sie verkauft, er den gesamten Erlös für sich nimmt. Deswegen hat mich mein Bruder oft geschlagen. am Anfang war ich klein, später als ich erwachsen wurde, wollte ich mir das nicht mehr gefallen lassen, deshalb habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich von dort weggehe. Wir haben auch eine Tankstelle besessen und haben ein regelmäßiges Einkommen davon gehabt. Meiner Meinung nach reichte dieses Geld aus, daher musste man die Häuser meines Vaters nicht verkaufen.

R: Waren das alle Ihre Fluchtgründe?

BF: Ich bin aus diesem Grund von dort weggegangen. Ich bin eigentlich nicht geflüchtet. Ich habe nur meiner Mutter gesagt, dass ich weggehe. Ich habe derzeit auch nur Kontakt zu meiner Mutter.

R: D.h. Sie wurden in Afghanistan nie persönlich verfolgt?

BF: Meine Brüder haben mich oft geschlagen. Bei uns kommt es vor, dass die jüngeren Geschwister von den älteren oft geschlagen werden. Ich konnte aber diese Situation nicht mehr ertragen und bin deshalb von dort weggegangen. Ich wurde zwar nicht persönlich bedroht oder verfolgt, aber ich wurde sehr viel von meinen Brüdern geschlagen.

R: Wem hatten die drei Häuser gehört, nur Ihrem Vater?

BF: Ja.

R: War Ihr Vater einverstanden, dass Ihr Bruder die Häuser verkauft?

BF: Als mein Vater krank wurde, konnte er nicht mehr klar denken, er konnte auch nur mehr wenig sprechen. Ich weiß nicht, wie meine Brüder vorgegangen sind als sie das erste Haus verkauft haben. Beim Verkauf des zweiten Hauses war mein Vater dagegen. Als ich nach Österreich gegangen bin, habe ich erfahren, dass mein Vater selbst das zweite Haus verkauft hat und das Geld meinen beiden Halbbrüdern geben möchte, damit sie damit eine Arbeit beginnen.

[...]

R: Ich möchte nunmehr Ihre Flucht zeitlich einordnen. Schildern Sie wann ca. der erste Verkauf des Hauses war bzw. der zweite.

BF: Genau kann ich es nicht angeben. Mein Vater ist vor ca. 5 oder 6 Jahren erkrankt. Ca. 10 Monate bis ein Jahr nach seiner Erkrankung wurde das Haus verkauft. In diesem Haus lebten meine zwei Onkel väterlicherseits. Ich habe bis zum Verkauf des Hauses nicht gewusst, dass das Haus meinem Vater gehört.

[...]

R: Sie haben ja noch einen leiblichen Bruder und eine leibliche Schwester. Werden diese auch von den Stiefbrüdern geschlagen?

BF: Meinen Bruder haben sie geschlagen, mittlerweile ist er aber erwachsen. Er ist 15 Jahre alt und wird nicht mehr geschlagen. Meine Schwester kann niemand schlagen, weil mein Vater sie sehr lieb hat.

R: Was befürchten Sie im Fall einer Rückkehr nach Kabul?

BF: Ich weiß dass, wenn meine Brüder die Gelegenheit haben, sie alles, was meinem Vater gehört, für sich nehmen werden. Ich möchte nichts von dem was meinem Vater gehört und möchte aber auch nichts mehr mit meinen Brüdern zu tun haben. ich möchte ein ruhiges und freies Leben führen.

R: Haben Sie Kontakt zu anderen Onkeln und Tanten?

BF: Ich habe zu niemand meiner Verwandten Kontakt. Seit meiner Ausreise habe ich einmal mit meinem Onkel väterlicherseits telefoniert. Er war bei meinen Eltern, als meine Mutter mich angerufen hat. Ich habe auch kurz mit ihm gesprochen.

R: Sie haben vor dem BFA gesagt, dass Sie im Falle einer Rückkehr wieder an Ihrer Wohnadresse bei Ihrer Mutter und Ihrem Vater wohnen können. Gilt das noch immer?

BF: Ja, das habe ich gesagt. Aber jetzt möchte ich nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren. Ich möchte nichts von meiner Familie. Ich möchte aber auch meine Familie nicht mehr.

RV hat keine weiteren Fragen.

[...]

Nunmehr übergibt der R dem RV folgende Unterlagen:

* Auszug des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 02.03.2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2018) mit folgendem Inhalt: "Green Zone" in Kabul; High-profile Angriffe in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat; Sicherheitslage in den Provinzen Kabul, Balkh und Herat; Erhaltungskosten in Kabul; Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan

* EASO-Bericht, "Afghanistan Netzwerke" (Stand Jänner 2018)

Der RV gibt bekannt, dass er diese Berichte bereits kennt. Eine schriftliche Stellungnahme dazu möchte er nicht abgeben.

[...]"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist ein lediger und volljähriger afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan geboren, ist aber in der Stadt Kabul aufgewachsen. Der Beschwerdeführer besuchte in Kabul insgesamt 10 Jahre lang die Schule.

In Kabul lebt die Kernfamilie des Beschwerdeführers (Vater, Mutter, Bruder und zwei Schwestern). Der Beschwerdeführer steht mit seinen Eltern in Kontakt. Der Familie des Beschwerdeführers geht es - auch finanziell - gut. Ferner leben zwei Onkeln und zwei Tanten des Beschwerdeführers ebenfalls in der Stadt Kabul.

Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Er ist in Afghanistan weder vorbestraft noch war er in Afghanistan inhaftiert.

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde. Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ist der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die Stadt Kabul ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Bei einer Rückkehr kann er mit finanzieller Hilfe seiner Familie rechnen. Mit dieser Unterstützung ist ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich. Seine Existenz könnte er dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der Beschwerdeführer hat zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Der Beschwerdeführer kann die Hauptstadt Kabul von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten sowie hat keine Sorgepflichten. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner entgeltlichen Tätigkeit nach. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs besucht, konnte jedoch kein Sprachzertifikat nachweisen. Der Beschwerdeführer ist in keinem Verein aktiv.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Staatendokumentation (Stand 02.03.2017 inklusive integrierter Kurzinformation vom 30.01.2018)

Sicherheitslage Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Distrikt Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen

21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

3

Insgesamt

151

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Provinz Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen

5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

161

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Erhaltungskosten in Kabul

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

High-profile Angriffe

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

1.2.2. EASO-Bericht "Afghanistan Netzwerke" aus Jänner 2018

Die Unterstützungspflicht der Großfamilie

Die wechselseitige Verpflichtung, einander innerhalb der Großfamilie zu helfen und zu unterstützen, ist stark, und die Traditionen, Verantwortung für Menschen innerhalb der Gruppe zu übernehmen, sind tief verwurzelt. Je enger die Verwandtschaft, desto stärker ist die Pflicht zu helfen und zu unterstützen. Mehrere Menschen, mit denen Landinfo in Kabul sprach, äußerten die Ansicht, dass es unmöglich sei, Menschen aus dem engsten Umfeld wie Brüder, die Kinder des Bruders des Vaters etc. zurückzuweisen, es sei denn, es besteht ein schwerwiegender Konflikt innerhalb der Familie. Man könne sich unmöglich vorstellen, dass ein Afghane kein Dach über dem Kopf anbietet, wenn die Alternative wäre, dass ein enges Familienmitglied auf der Straße stünde. Es ist kulturell inakzeptabel, eine Person, die um Zuflucht ersucht, abzuweisen, und das gilt insbesondere für enge Verwandte. Die Dauer des Aufenthaltes ist von den Mitteln der Familie abhängig. Die Pflichten gegenüber der Großfamilie gelten für alle Afghanen ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit, unter Paschtunen sind sie aber wahrscheinlich am stärksten ausgeprägt.

Stämme und Clans

Die soziale Organisation in Stämmen und Clans beruht auf der Annahme eines gemeinsamen Vorfahren und somit einer vermuteten Beziehung zwischen den Mitgliedern des Stammes/Clans. Einige Stämme und Clans der Paschtunen sind groß und umfassen Millionen Menschen.

Es wird angenommen, dass die Paschtunen die größte Stammesgesellschaft der Welt bilden; ihre Sozialstruktur besteht aus Stämmen, die ihrerseits in Clans gegliedert sind. Der Begriff Clan wird auch von anderen ethnischen Gruppen verwendet und bilden einen wichtigen Teil der Sozialstruktur in ländlichen Gebieten Afghanistans. So ist die Abstammung zum Beispiel auch für Hazara wichtig und gilt als Grundlage ihrer Sozialstruktur, obwohl die meisten ihre Vorfahren höchstens acht Generationen zurückverfolgen können. Im Gegensatz zu den Paschtunen und Hazara ist die tadschikische Bevölkerung Afghanistans nicht in Stämmen und Clans organisiert, sie hat auch keine Vorstellungen eines gemeinsamen Ahnen.

In Afghanistan besteht eine Tradition der lokalen Selbstverwaltung, und der Stammesführer verfügt in diesem Zusammenhang über große Macht. Die führenden Familien innerhalb der Stämme genießen hohen sozialen und wirtschaftlichen Status. Die Identifikation mit einem Stamm/Clan ist ein wichtiger sozialer Indikator um zu zeigen: ‚Ich bin einer von euch'. Die verschiedenen Stämme/Clans bilden jedoch keine homogene Gruppe, unterschiedliche politische, wirtschaftliche, soziale und wertebezogene Trennlinien können die Mitglieder spalten. Die verschiedenen Regime, die das Land regiert haben, hatten sowohl Anhänger als auch Gegner innerhalb desselben Stammes und Clans. Das gilt auch noch heute, in den meisten Stämmen findet man Anhänger und Gegner sowohl des Staatsbildungsprojektes als auch der bewaffneten Opposition.

Zugang zum Arbeitsmarkt

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gibt es lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarkts. Der Arbeitsmarkt besteht zu einem großen Teil aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder.

Ein Mitarbeiter einer Botschaft vor Ort beschrieb, wie Tagelöhner von der Straße weg angeheuert werden. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Diese Treffpunkte befinden sich an speziellen Orten der Stadt. Hier treffen sich Arbeitssuchende und Anbieter von Arbeit am frühen Morgen und einigen sich über Tagelöhnerschaft und kurzzeitige geringfügige Tätigkeiten, für gewöhnlich manuelle Hilfsarbeit, manchmal auch qualifiziertere Arbeit. Durch das Mitführen seiner eigenen Werkzeuge oder Ausrüstung zeigt der Arbeitssuchende, was er kann. Nach einem kurzen Gespräch und einer Prüfung entscheidet der "Arbeitgeber", wer angeheuert wird. Viele bewerben sich, aber nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt in etwa 300 Afghani (ca. USD 4,3) für Hilfsarbeiter, während gelernte Kräfte bis zu 1.000 Afghani (ca. USD 14,5) pro Tag verdienen können.

Zugang zur Unterkunft

Für Fahrer und andere Reisende, Tagelöhner, Straßenverkäufer, Jugendliche, unverheiratete Männer und andere, die über keine permanente Wohnmöglichkeit in der Gegend verfügen, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität. Dabei handelt es sich um einfache, große Zimmer, wo Tee und einfaches, billiges Essen aufgetischt wird. Um wenig Geld kann man hier auch übernachten. Nach Quellen von Landinfo beträgt der Preis zwischen 30 und 100 Afghani (in etwa USD 0,4 bis 1,4) pro Nacht. Diese Lokale werden örtlich als chai khana bezeichnet - generell bekannt als samawar - oder übersetzt Teehaus. In Kabul und den anderen großen Städten gibt es viele solcher chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden, und es ist nichts Ungewöhnliches, dass Gäste alleine kommen. Der afghanische Forscher Hafizullah Emadi bezeichnet die chai khana als wichtige Treffpunkte und Orte der Sozialisierung.

Hilfe aus entfernten Netzwerken

In einer Empfehlung des UNHCR an Asylländer im Juni 2005 heißt es, dass Hilfe und Unterstützung durch Netzwerke auf Gebiete beschränkt seien, wo diese Netzwerke physisch präsent sind. Nach Einschätzung von Landinfo verliert der Faktor geografische Nähe durch technologische Entwicklungen an Wichtigkeit für den Zugriff auf Netzwerke. Wie schon erwähnt, ist der Besitz von Mobiltelefonen "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten.

Geld kann über das Bankensystem überwiesen werden, doch nicht alle Afghanen verfügen über ein Bankkonto. Dies gilt vor allem für die ländliche Bevölkerung. In der Durchschnittsbevölkerung ist das Vertrauen in Banken und den Bankenapparat gering. Wer das Bankensystem nicht nutzen kann oder möchte, kann Geld über ein informelles Geldüberweisungssystem (hawala) überweisen. Es gibt ein gut etabliertes System für grenzüberschreitende Zahlungen und Überweisungen, in das die Menschen Vertrauen haben. Ein gewisser Prozentsatz der transferierten Summe wird als Gebühr verrechnet. Geld kann in alle Landesteile überwiesen werden, auch in die und aus den Nachbarstaaten, etwa Iran und Pakistan.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Identität, Sprachkenntnissen, Herkunft und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Wie bereits von der belangten Behörde festgehalten, konnte der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme am 07.09.2017 keine asylrelevanten Gründe vorbringen. Das Vorbingen des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22.05.2018 entsprach im Wesentlichen jenem in der Einvernahme vor der belangten Behörde. Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht ist Sachverhalt hervorgekommen, der geeignet wäre, eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers festzumachen. Allein die Tatsache, von Stiefbrüdern öfters geschlagen worden zu sein, stellt noch keinen Asylgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Der Beschwerdeführer gestand im Übrigen selbst zu, dass er in Afghanistan nicht persönlich bedroht oder verfolgt wurde. Abgesehen davon, war der Beschwerdeführer auch nicht im Stande, die geschilderten Ereignisse auch nur einigermaßen zeitlich abzugrenzen. Anzumerken ist überdies, dass ein weiterer leiblicher Bruder nach wie vor im selben Haus wie die Stiefbrüder des Beschwerdeführers wohnt und offenkundig von diesen nunmehr in Ruhe gelassen wird (vgl. Seite 5 f Verhandlungsprotokoll arg. "R: Sie haben ja noch einen leiblichen Bruder und eine leibliche Schwester. Werden diese auch von den Stiefbrüdern geschlagen? BF: Meinen Bruder haben sie geschlagen, mittlerweile ist er aber erwachsen. Er ist 15 Jahre alt und wird nicht mehr geschlagen. Meine Schwester kann niemand schlagen, weil mein Vater sie sehr lieb hat."). Angesichts dieses Vorbringens erschließt sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht, warum dann ausgerechnet der Beschwerdeführer bei der Rückkehr nach Kabul der Gefahr ausgesetzt wäre, wiederum von den Stiefbrüdern geschlagen zu werden, zumal auch der Beschwerdeführer mittlerweile "erwachsen" geworden ist.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Es wurde vor allem Einsicht genommen in folgende Erkenntnisquellen des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers:

1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 inklusive letzter Kurzinformation vom 30.01.2018:

-

"Green Zone" in Kabul

-

High-profile Angriffe: Hauptstadt Kabul

-

Sicherheitslage Provinz Kabul

-

Erhaltungskosten in Kabul

2. EASO-Bericht "Afghanistan Netzwerke" aus Jänner 2018

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquelle sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).

§ 28 VwGVG ("Erkenntnisse") regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[...]"

Zu Spruchpunkt A)

1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.3. Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).

"Glaubhaftmachung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH vom 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH vom 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248; 23.01.1997, 95/20/0303) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft gemacht werden (vgl. Beweiswürdigung). Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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