TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/15 VGW-001/076/4826/2018

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Veröffentlicht am 15.05.2018
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Entscheidungsdatum

15.05.2018

Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

IntG §9 Abs1
IntG §9 Abs2
IntG §23 Abs1
VStG §31

Text

                          

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde des Herrn D. L., Wien, B.-straße, vertreten durch Rechtsanwältin, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 26.02.2018, Zahl MBA ... - S 4108/18, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Person ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz - IntG), in der geltenden Fassung,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 und 2 VStG wegen Strafbarkeitsverjährung eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 26. Februar 2018, Zl MBA ... – S 4018/18, lautet wie folgt:

„Sie haben es als Drittstaatsangehöriger (Staatsangehörigkeit: staatenlos) im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 6 NAG unterlassen, der Pflicht zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung binnen 2 Jahren nach Erteilung des Aufenthaltstitels mit 23.1.2007, somit spätestens bis zum 23.1.2009 nachzukommen, da Sie in der Zeit vom 24.1.2009 bis zumindest 29.1.2018 die Integrationsvereinbarung aus Gründen, die ausschließlich Ihnen zuzurechnen sind, der Behörde, das ist der Magistrat der Stadt Wien – Magistratsabteilung 35 in Wien, Meiereistraße 7 nicht nachgewiesen haben und Sie zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht weder unmündig waren, noch die Erfüllung der Integrationsvereinbarung aufgrund Ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands nicht zugemutet werden konnte noch ein Antrag auf Verlängerung des Zeitraums der Erfüllungspflicht gestellt wurde und keine Nachweise vorlagen, die geeignet wären, Sie von der Erfüllungspflicht der Integrationsvereinbarung zu befreien.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 und Abs. 2 des Bundesgesetzes zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz – IntG) in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von € 160,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Stunden

gemäß § 23 Abs.1 Integrationsgesetz idgF

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 16,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 176,00. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.“

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers vom 3. April 2018, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, dass im vorliegenden Fall - entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde - kein Dauerdelikt vorliege und die begangene Verwaltungsübertretung daher bereits verjährt sei.

II. 1. Das Verwaltungsgericht Wien nimmt als erwiesen an, dass dem Beschwerdeführer erstmalig am 23. Jänner 2007 ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilt wurde. Der Beschwerdeführer hat die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung weder bis zum 23. Jänner 2009, noch bis dato nachgewiesen, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre.

Die erste Verfolgungshandlung erfolgte mit Strafverfügung vom 31. Jänner 2018, die nach erfolglosem Zustellversuch am 5. Februar 2018 durch Hinterlegung am selben Tag dem Beschwerdeführer an seine Wohnadresse zugestellt wurde. Die darin enthaltene Tatanlastung ist ident mit jener des in weiterer Folge ergangenen Straferkenntnisses.

2. Diese Feststellungen gründen sich auf den unbedenklichen und im Verfahren unstrittig gebliebenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes.

III. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz – IntG) in der geltenden Fassung, lauten:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule ent-spricht,

. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,

. die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;

. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;

. wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von 24 Monaten innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung enthält den unwiderruflichen Verzicht auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrags im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 11 NAG nach dem ersten Verlängerungsantrag.

(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 1 oder 2 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.

(7) Der Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 gemäß Abs. 4 Z 1 bzw. 2 oder Abs. 4 iVm. § 10 Abs. 2 Z 1 bzw. 2 darf zum Zeitpunkt der Vorlage im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens (§ 24 NAG) nicht älter als zwei Jahre sein.“

Strafbestimmungen
„Verstöße gegen Pflichten aus der Integrationsvereinbarung

§ 23. (1) Wer zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet ist und den Nachweis zwei Jahre nach Erteilung des Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bzw. im Falle, dass eine Verlängerung gemäß § 9 Abs. 2 gewährt wurde, nach Ablauf dieses Zeitraums, aus Gründen, die ausschließlich ihm zuzurechnen sind, nicht erbringt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen.“

2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 31 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der maßgeblichen Fassung, lauten:

"Verjährung

§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

(2) Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. …."

IV. 1. Gemäß § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Nach Eintritt der Strafbarkeitsverjährung liegt ein Strafaufhebungsgrund vor.

Bei Unterlassungsdelikten wird die Nichtvornahme eines gebotenen Tuns unter Strafe gestellt. Bei solchen ist danach zu unterscheiden, ob die Strafbarkeit der Unterlassung darauf abstellt, dass die unterlassene Handlung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt hätte werden müssen – zB die Vornahme einer Meldung binnen einer bestimmten Frist – oder nicht. Im ersten Fall ist die Tat mit Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist vollendet, die Verjährungsfrist beginnt daher mit Ablauf dieser Frist (zB VwSlg 12.286 A/1986). Im zweiten Fall beginnt die Verjährungsfrist erst mit Beendigung der Unterlassung. Diesfalls umfasst das Tatbild die Beibehaltung des rechtswidrigen Zustandes, es liegt häufig ein Dauerdelikt vor (zB VwGH 21. 05. 2008, 2007/02/0165).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet die Verletzung einer fristgebundenen Pflicht zur Fragebeantwortung jedenfalls kein Dauerdelikt.

Die Auskunftspflicht ist mit Fristablauf verletzt, das verwirklichte Unrecht ist danach keiner Steigerung mehr zugänglich (vgl. VwGH vom 31.10.1986, Zl 86/10/0018 zur Verletzung der Auskunftspflicht).

Diese Fallkonstellation ist mit jener im vorliegenden Fall vergleichbar, zumal nach § 23 Abs. 1 Integrationsgesetz ausschließlich die Verletzung der fristgebundenen Pflicht, den Nachweis der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung zu erbringen, pönalisiert wird. Demgegenüber kann dem Wortlaut der genannten Bestimmung nicht entnommen werden, dass auch die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes, im Sinne eines Dauerdeliktes, von der Strafdrohung umfasst ist. Mit Ablauf der gesetzlich festgelegten Frist von zwei Jahren ist die Nachweispflicht verletzt und der objektive Tatbestand als erfüllt anzusehen, weshalb kein Dauerdelikt vorliegt.

Den Feststellungen zufolge wurde dem Beschwerdeführer erstmalig am 23. Jänner 2007 ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilt. Er hätte seiner Pflicht, den Nachweis der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung zu erbringen, binnen 2 Jahren, also spätestens bis zum 23. Jänner 2009 nachkommen müssen. Die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung war daher mit Ablauf des 23. Jänner 2009 beendet. Die Frist der Strafbarkeitsverjährung begann somit am 24. Jänner 2009 und endete am 24. Jänner 2012. Umstände, die die Frist der Strafbarkeitsverjährung gehemmt hätten, sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen. Die erste Verfolgungshandlung wurde erst mit Strafverfügung vom 31. Jänner 2018 gesetzt, und somit zu einem Zeitpunkt der bereits 6 Jahre nach Ablauf der Strafbarkeitsverjährungsfrist lag.

Aus diesem Grund war das angefochtene Straferkenntnis wegen Verjährung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung aufzuheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.

2. Der Kostenbeitrag des Beschwerdeführers zum verwaltungsbehördlichen Verfahren entfällt, weil das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze aufgehoben wurde.

3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen.

4. Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil Rechtsprechung zur Frage, ob es sich bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung tatsächlich um ein Dauerdelikt handelt, fehlt. Ungeachtet der Erwägungen unter Punkt IV. erscheint die Rechtslage diesbezüglich auch nicht derartig eindeutig, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung von vorneherein ausscheiden würde.

Schlagworte

Integrationsvereinbarung; Strafbarkeitsverjährung; Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.001.076.4826.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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