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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmanns von Wien (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht), gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. Mai 2017, VGW- 151/011/6131/2017-1, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Z Z in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 21. März 2017 wies der Revisionswerber den Antrag des Mitbeteiligten, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 11. Oktober 2016 auf Verlängerung seiner - zuletzt bis zum 4. November 2016 verlängerten - Aufenthaltsbewilligung "Studierender" nach § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in Verbindung mit § 8 Z 7 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) und § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG) ab. Der Revisionswerber führte begründend aus, der Mitbeteiligte befinde sich seit Oktober 2014 im außerordentlichen Studium/Vorstudienlehrgang Deutsch. Mit Zulassungsbescheid der Universität vom 29. September 2014 sei ihm der Nachweis von Deutschkenntnissen auf dem Niveau B2 vorgeschrieben worden, bevor er zum ordentlichen Bachelorstudium "Wirtschaftsingenieurwesen - Maschinenbau" zugelassen werden könne. Der Vorstudienlehrgang sei dabei grundsätzlich in vier Semestern zu absolvieren, der Mitbeteiligte hätte daher die notwendigen Deutschkenntnisse bis zum Ende des Sommersemesters 2016 erwerben und durch eine Prüfung nachweisen müssen. Er habe jedoch den Vorstudienlehrgang auch im Wintersemester 2016/2017 noch nicht abgeschlossen gehabt und einen Nachweis über die Absolvierung der Deutschprüfung B2 nicht erbracht. Die erstmals ab dem 3. November 2014 erteilte und zuletzt bis zum 4. November 2016 verlängerte Aufenthaltsbewilligung "Studierender" sei daher mangels Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen (Erfolgsnachweis über die Ablegung der Ergänzungsprüfung) nicht weiter zu verlängern gewesen.
1.2. Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde gegen den Bescheid und brachte vor, die Universität habe ihm ein fünftes Studiensemester für die Ablegung der Ergänzungsprüfung im Rahmen des Vorstudienlehrgangs eingeräumt. Er habe das weitere Semester im Wintersemester 2016/2017 absolviert und am 19. Dezember 2016 die Ergänzungsprüfung Deutsch B2 erfolgreich abgelegt, wie aus der (unter einem vorgelegten) Bestätigung des ÖSD (über die am Prüfungszentrum "b GmbH" abgelegte Prüfung) hervorgehe. Seit dem Sommersemester 2017 sei er als ordentlicher Studierender zugelassen, womit auch die Universität die rechtzeitige Absolvierung des Vorstudienlehrgangs bestätigt habe. Er habe daher durch den Besuch und den positiven Abschluss des Vorstudienlehrgangs innerhalb der eingeräumten Frist einen hinreichenden Studienerfolgsnachweis erbracht und erfülle damit die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten statt, indem es den Bescheid vom 21. März 2017 behob und die beantragte Aufenthaltsbewilligung für die Dauer eines Jahres ab Rechtskraft der Entscheidung (längstens bis zum Ablauf der Gültigkeit des Reisepasses am 15. Dezember 2018) erteilte sowie die Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts bis zum Eintritt der Rechtskraft feststellte. Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, ein Studienerfolgsnachweis sei bereits am 19. Dezember 2016 in Form der Bestätigung über die abgelegte Ergänzungsprüfung vorgelegen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könne - wenn auf Grund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bereits ein weiteres Semester verstrichen sei - der Fremde den Erfolgsnachweis auch in Bezug auf das jüngst abgelaufene Semester erbringen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichts sei einem fremdsprachigen Studierenden ferner zuzubilligen, bei der Ablegung der Deutschprüfung B2 "die Studienzeit um ein Semester zu überschreiten". Vorliegend habe der Mitbeteiligte die ihm laut Studienblatt eingeräumte "Frist von drei Semestern nur geringfügig überschritten", was "mit Nachsicht behandelt werden" könne. Der Mitbeteiligte habe daher die Ergänzungsprüfung in angemessener Zeit abgelegt und den Erfolgsnachweis erbracht, sodass er die besonderen Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 NAG erfülle und die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei.
2.2. Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision mangels Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen ausgeführt wird, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es zu Unrecht von der Erbringung eines Studienerfolgsnachweises nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften ausgegangen sei.
Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Die Revision ist aus dem vom Revisionswerber geltend gemachten Grund zulässig und auch berechtigt.
5. Nach § 64 Abs. 3 NAG ist - wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums dient - die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis (hier) der Universität erbringt. Liegen Gründe vor, die seiner Einflusssphäre entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, so kann trotz Fehlen eines Studienerfolgs die Aufenthaltsbewilligung verlängert werden. Gemäß § 8 Z 7 lit. b NAG-DV ist im Fall eines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Studierender" ein schriftlicher Nachweis (hier) der Universität über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 UG, BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 131/2015, vorzulegen. Nach der zuletzt genannten Bestimmung hat die Universität einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf seinen Antrag einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat.
6.1. Der Revisionswerber macht geltend, der Mitbeteiligte habe keinen Studienerfolgsnachweis im Sinn der obigen Bestimmungen erbracht. Soweit er ein B2-Zertifikat des ÖSD, ausgestellt von der "b GmbH", vorgelegt habe, sei eine solche außerhalb des Vorstudienlehrgangs absolvierte Prüfung nicht als ein nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften erbrachter Erfolgsnachweis zu erachten. Der Mitbeteiligte sei auch im Zulassungsbescheid darauf hingewiesen worden, dass zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung der Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten, der Deutschkurs der Österreichischen Orientgesellschaft oder ein Semesterkurs bei den Deutschkursen der Universität Wien besucht werden könne, und ausschließlich die Absolvierung eines dieser Kurse als Nachweis für die Ablegung der Ergänzungsprüfung gelte.
6.2. Nach den oben angeführten Bestimmungen der §§ 8 Z 7 lit. b NAG-DV und 75 Abs. 6 UG (in der genannten Fassung) ist der Studienerfolg eines ausländischen Studierenden für das vorangegangene Studienjahr zu prüfen, wobei dies grundsätzlich jenes Studienjahr ist, das vor dem Gültigkeitsende des bestehenden Aufenthaltstitels liegt (vgl. VwGH 3.10.2013, 2012/22/0066). Nur wenn bereits ein weiteres Studienjahr verstrichen wäre - was hier jedoch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht der Fall ist - könnte auf das jüngst abgelaufene Studienjahr abgestellt werden (vgl. VwGH 20.8.2013, 2012/22/0028). Vorliegend ist daher für die Beurteilung eines Studienerfolgs des Mitbeteiligten das Studienjahr 2015/2016, das sich im Hinblick auf § 52 UG vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 erstreckt, maßgeblich. Ein in diesem Zeitraum erbrachter Studienerfolg lässt sich jedoch dem angefochtenen Erkenntnis und dem zugrunde liegenden Verfahren nicht entnehmen.
6.3. Zur Frage, ob eine - wie hier - nicht im Rahmen des Vorstudienlehrgangs, sondern bei einer externen Einrichtung absolvierte Deutschprüfung, die letztlich von der Universität akzeptiert worden ist und die Zulassung zum ordentlichen Studium ermöglicht hat, einen Studienerfolgsnachweis im Sinn des § 64 Abs. 3 NAG darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen (vgl. etwa VwGH 25.10.2017, Ro 2017/22/0006 zu einem ganz ähnlich gelagerten Sachverhalt). Demnach ist eine vom ausländischen Studierenden außerhalb des von ihm betriebenen Vorstudienlehrgangs bei einer externen Einrichtung abgelegte Deutschprüfung nicht als Studienerfolgsnachweis nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften anzusehen (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2017/22/0052; 20.6.2017, Ro 2017/22/0008). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar dem Grunde nach anerkannt, dass die Anrechnung von Prüfungen für den Nachweis eines Studienerfolgs von Bedeutung sein kann (vgl. VwGH 7.12.2016, Ra 2016/22/0037). Dass es vorliegend zu einer solchen formalen Anerkennung der vom Mitbeteiligten bei einer externen Einrichtung abgelegten Deutschprüfung im Rahmen des Vorstudienlehrgangs gekommen wäre, ist jedoch dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen und wurde auch nicht vorgebracht (vgl. neuerlich VwGH Ra 2017/22/0052). Auch aus der letztlich erfolgten Zulassung des Mitbeteiligten zum ordentlichen Bachelorstudium ab dem Sommersemester 2017 ergibt sich keine andere Beurteilung: Durch die Zulassung wurde zwar die Erfüllung der Bedingungen für das Studium bestätigt, was aber keinen Nachweis über die Erbringung von universitären Leistungen in einem bestimmten Ausmaß darstellt (vgl. abermals VwGH Ra 2016/22/0037). Eine Bindungswirkung der Niederlassungsbehörde bezüglich des Vorliegens eines Studienerfolgsnachweises an die Entscheidung der Universität über die Zulassung zum ordentlichen Studium ist jedenfalls nicht gegeben (vgl. erneut VwGH Ro 2017/22/0008). Vielmehr handelt es sich bei der Prüfung des Vorliegens der universitätsrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen einerseits und eines Studienerfolgsnachweises nach dem NAG andererseits um zwei voneinander zu unterscheidende Beurteilungen (vgl. neuerlich VwGH Ro 2017/22/0006).
6.4. Demnach hätte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gelangen müssen, dass der Mitbeteiligte keinen Studienerfolgsnachweis im Sinn der maßgeblichen studienrechtlichen Bestimmungen erbracht hat, zumal das außerhalb des Vorstudienlehrgangs bei einer externen Einrichtung erlangte B2- Zertifikat keinen entsprechenden Nachweis darstellt. Der Mitbeteiligte hat schon deshalb die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 64 Abs. 3 NAG nicht erfüllt.
7.1. Der Revisionswerber macht weiters geltend, das Verwaltungsgericht gehe verfehlt davon aus, dass nicht das zuletzt abgelaufene Studienjahr (2015/2016) sondern das jüngst abgelaufene Semester (Wintersemester 2016/2017) für den Studienerfolgsnachweis herangezogen werden könne. Das Prüfungszeugnis vom 19. Dezember 2016 sei auch deshalb nicht als ausreichender Erfolgsnachweis zu erachten.
7.2. Wie schon eingehend erörtert wurde, ist zur Beurteilung des Vorliegens eines Studienerfolgs das vorangegangene Studienjahr 2015/2016, das sich vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 erstreckte, heranzuziehen. Für dieses Studienjahr konnte der Mitbeteiligte keinen Studienerfolgsnachweis erbringen. Die erst am 19. Dezember 2016 abgelegte Deutschprüfung liegt außerhalb des maßgeblichen Beurteilungszeitraums und kann (auch) deshalb keinen beachtlichen Studienerfolg im Sinn des § 64 Abs. 3 NAG begründen (vgl. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/22/0120). Auf das Wintersemester 2016/2017 ist daher - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - bei der Beurteilung des Vorliegens eines hinreichenden Studienerfolgs nicht abzustellen. Auch dem Umstand, dass dem Mitbeteiligten dieses weitere (fünfte) Semester im Rahmen des Vorstudienlehrgangs durch die Universität eingeräumt wurde, kommt im gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung zu (vgl. VwGH 21.3.2017, Ra 2017/22/0016).
8.1. Der Revisionswerber releviert, ein Verlängerungsantrag könne trotz fehlendem Studienerfolg nur bei Bestehen von Hinderungsgründen im Sinn des § 64 Abs. 3 NAG bewilligt werden. Derartige Gründe seien vom Mitbeteiligten nicht vorgebracht worden und auch nicht ersichtlich. Der Behörde bzw. dem Gericht sei insofern kein Ermessen eingeräumt. Die im angefochtenen Erkenntnis vertretene Ansicht, die Frist für den Vorstudienlehrgang sei nur geringfügig überschritten worden und könne mit Nachsicht behandelt werden, sei als willkürlich und verfehlt zu erachten.
8.2. Gemäß § 64 Abs. 3 NAG kann eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" trotz Fehlen eines Studienerfolgsnachweises verlängert werden, wenn Gründe vorliegen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind. Das Bestehen solcher Gründe hat der Studierende konkret zu behaupten und ausreichend darzulegen (vgl. etwa VwGH 10.11.2009, 2009/22/0261; 24.4.2012, 2011/23/0293). Vorliegend wurde vom Mitbeteiligten nicht einmal ansatzweise behauptet und in keiner Weise dargetan, dass für das Fehlen eines ausreichenden Studienerfolgs Hinderungsgründe im soeben aufgezeigten Sinn vorgelegen wären. Wie der Revisionswerber zutreffend hervorhebt, steht es nicht im Ermessen der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts, den beantragten Aufenthaltstitel trotz fehlender besonderer Voraussetzungen zu erteilen (vgl. VwGH 21.6.2011, 2009/22/0293).
9.1. Insgesamt ergibt sich daher, dass der Mitbeteiligte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen hinreichenden Studienerfolgsnachweis im maßgebenden Studienjahr erbracht und damit die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 64 Abs. 3 NAG nicht erfüllt hat. Folglich hat er keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Studierender".
9.2. Der Revision war daher stattzugeben und das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 23. Mai 2018
Schlagworte
Ermessen VwRallg8Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastBesondere RechtsgebieteAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220109.L00Im RIS seit
15.06.2018Zuletzt aktualisiert am
15.01.2019