TE OGH 2018/5/23 15Os44/18m

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Veröffentlicht am 23.05.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinksi, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Igor M***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 8. Jänner 2018, GZ 607 Hv 4/17v-87, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Igor M***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 9. Mai 2017 in W***** versucht, Romana N***** zu töten, indem er mit einem Messer (Klingenlänge 35 cm) auf ihren Rücken einstach und ein weiteres Mal auf ihren Bauch einstechen wollte, wodurch sie eine 5 cm lange Stichwunde an der rechten oberen Rückenhälfte mit Eröffnung der Brusthöhle und Verletzung der Lunge erlitt.

Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellte Hauptfrage bejaht und die nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) gestellte Zusatzfrage verneint.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 6, 8 und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Werden in einem Tatbestand auf der subjektiven Tatseite keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichenden Vorsatzformen oder allfällige zusätzliche Vorsatzerfordernisse verlangt, wird bedingter Vorsatz unterstellt (§ 7 Abs 1 StGB). Dieser braucht daher in der Frage nach den gesetzlichen Merkmalen der strafbaren Handlung nicht ausdrücklich erwähnt zu werden (RIS-Justiz RS0113270).

Da eine dem § 75 StGB entsprechende Formulierung der Hauptfrage – wie auch die Beschwerde einräumt – die erforderliche subjektive Tatseite unmissverständlich zum Ausdruck bringt (vgl 13 Os 22/06v), macht die Fragenrüge (Z 6) mit dem Vorbringen, im vorliegenden Fall sei eine „differenzierte Formulierung der Hauptfrage indiziert gewesen“, nicht klar, welche über die in der in Rede stehenden Hauptfrage angeführten Umstände hinausgehenden Tatdetails in subjektiver Hinsicht noch hätten beschrieben werden müssen. Unklarheiten rechtlicher Art hingegen ist durch die Rechtsbelehrung zu begegnen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 33).

Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt überdies die deutliche und bestimmte Bezeichnung jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, somit fallbezogen eines die begehrte Zusatzfrage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS-Justiz RS0119417). Die Kritik der Rüge an der Unterlassung der Stellung einer Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) lässt diese gebotene Ausrichtung am Verfahrensrecht vermissen. Denn weder die Verantwortung des Angeklagten, er habe aus Wut und Eifersucht zugestochen (ON 79 S 12 f), noch der Umstand, dass der Angeklagte erkannte, dass das Opfer noch lebte, als er den Tatort – ohne jede Hilfeleistung – verließ (ON 79 S 14), bilden ein ernst zu nehmendes Indiz dafür, dass er von der Annahme geleitet war, dass die Realisierung des ursprünglichen – von ihm im Übrigen geleugneten (ON 79 S 25) – Tötungsvorhabens trotz der mit lebensgefährlichen Verletzungen verbundenen, massiven Stichführung mit einem Messer mit 35 cm Klingenlänge gegen Rücken und Bauch noch weiterer Aggressionsakte bedurft hätte, der Versuch sohin noch nicht beendet gewesen wäre (15 Os 39/17z; zum fehlgeschlagenen oder misslungenen Versuch vgl Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 157 ff).

Nichts anderes gilt für die vom Rechtsmittelwerber begehrte Eventualfrage nach Totschlag (§ 76 StGB). Denn mit dem Hinweis auf die schwierige Vorgeschichte und problematische Persönlichkeitszüge des Angeklagten sowie die „äußerst angespannte Beziehungssituation zum Opfer samt Schwangerschaft“ wird kein hinreichendes Indiz für einen nicht nur heftigen, sondern auch allgemein begreiflichen tiefgreifenden Affekt zur Tatzeit bezeichnet (vgl RIS-Justiz RS0092271, RS0092087).

Die das Fehlen einer Belehrung über den Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) und die Abgrenzung von Mord (§ 75 StGB) und Totschlag (§ 76 StGB) kritisierende Instruktionsrüge (Z 8) vernachlässigt, dass die Rechtsbelehrung nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen auch tatsächlich gestellt wurden (RIS-Justiz RS0101085 [T3]).

Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit dem nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichen Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der behaupteten Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549).

Indem die Beschwerde zwei in der Rechtsbelehrung zu den – im Ergebnis nicht gestellten (§ 317 Abs 3 StPO) – Eventualfragen angeführte Beispiele zitiert und behauptet, diese hätten „eine unrichtige Vorstellung und Irreführung über die Wichtigkeit des Einstichortes in den Rücken oder die Tiefe der Wunde“ hervorrufen können, legt sie nicht dar, inwieweit sich dies auf die Beantwortung der Hauptfrage ausgewirkt haben sollte (RIS-Justiz RS0110682 [T1]; RS0111311). Darüber hinaus negiert sie den Inhalt der Belehrung, die dezidiert festhält, dass aus einer Begehungsweise, mit der in der Regel Lebensgefahr verbunden ist („Stich mit einem Messer in den Rücken“), nicht ohne weiteres auf einen Tötungsvorsatz geschlossen werden kann (Blg zu ON 86 S 13).

Die Geltendmachung materiell-rechtlicher Nichtigkeit im geschworenengerichtlichen Verfahren verlangt einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tat mit der im Schuldspruch vorgenommenen Subsumtion (RIS-Justiz RS0101148). Diese Kriterien vernachlässigt die Rechtsrüge (Z 11 lit a), indem sie – ohne Vergleich mit dem Wahrspruch – lediglich behauptet, das Erstgericht sei rechtsirrig nicht von einem Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) ausgegangen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E121681

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00044.18M.0523.000

Im RIS seit

15.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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