Norm
BDG 1979 §43Schlagworte
DienstpflichtverletzungText
BESCHEID
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hat durch EOStA HR Dr. Harald SALZMANN als Vorsitzenden sowie die weiteren Mitglieder des Disziplinarsenates RidOLG Mag. Susanne LEHR und FOI Franz GSCHIEL in der Disziplinarsache gegen Fachinspektor *** ***, *** des ***gerichtes ***, in nichtöffentlicher Sitzung am 4. April 2018 beschlossen:
Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Fachinspektor *** *** wegen des in der Disziplinaranzeige des Präsidenten des Oberlandesgerichtes *** vom ***, AZ *** Jv ***/***, geschilderten Sachverhalts, wonach der Genannte am *** in *** (Gemeinde *** in ***) anlässlich einer von ihm im Verfahren *** E ***/*** des Bezirksgerichtes *** durchzuführenden Vollzugshandlung der darüber aufgebrachten *** *** ***, als diese ihn anschrie und wegzustoßen versuchte, einen Schlag gegen die linke Wange versetzt habe, wird abgelehnt und das Verfahren gemäß § 118 Abs 1 Z 4 BDG 1979
e i n g e s t e l l t.
BEGRÜNDUNG:
Zur Person:
FI *** *** ist am *** geboren. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten.
Er wurde am *** als *** beim damaligen Kreisgericht *** in den Justizdienst aufgenommen und mit Wirksamkeit vom *** auf eine Planstelle des mittleren Dienstes in der Dienstklasse III (Verwendungsgruppe D) beim Kreisgericht *** ernannt. Am *** bestand er die Gerichtsvollzieherprüfung und am *** die Gerichtsvollzieherfachprüfung. Am *** wurde FI *** *** auf eine Planstelle des Fachdienstes in der Dienstklasse III (Verwendungsgruppe C) beim Bezirksgericht *** überstellt und mit Wirksamkeit vom *** in die Besoldungsgruppe allgemeiner Verwaltungsdienst (Verwendungsgruppe A3, Funktionsgruppe 2) übergeleitet. Mit Wirksamkeit vom *** erfolgte seine Versetzung zum Oberlandesgericht ***, wobei er (wieder) mit einem Arbeitsplatz eines Gerichtsvollziehers (Bewertung A3/2) betraut wurde. Er ist seit *** als Gerichtsvollzieher beim Bezirksgericht *** tätig.
Zur Sache:
Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes *** vom ***, GZ *** Hv ***/***, wurde FI *** *** gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe am *** in *** als Gerichtsvollzieher im Verfahren AZ *** E ***/***des Bezirksgerichtes *** unter Ausnützung seiner Amtsstellung (§ 313 StGB) *** *** *** mit Gewalt zu einer Unterlassung und Duldung, nämlich zur Abstandnahme davon, weiter laut zu schreien, ihn mit den Worten „Sie Trottel“ etc zu beschimpfen sowie aus dem Haus zu weisen und die Pfändung von Gegenständen im genannten Exekutionsverfahren gegen ihren Ehegatten *** *** in ihrem Wohnhaus zuzulassen, teils genötigt, teils zu nötigen versucht, indem er ihr mit der rechten flachen Hand eine Ohrfeige gegen den linken Wangen- und Mundbereich versetzt und dadurch das Vergehen der teils versuchten, teils vollendeten Nötigung unter Ausnützung einer Amtsstellung nach §§ 105 Abs 1, teils iVm 15 StGB und iVm § 313 leg cit begangen habe.
Nach den Urteilsfeststellungen beabsichtigte FI *** ***, am *** bei *** *** eine gegen diesen eingeleitete Exekution des Bezirksgerichtes *** zu vollziehen bzw Gegenstände zu pfänden. Er begab sich daher zu dessen Wohnadresse, um einerseits die Exekutionsbewilligung zuzustellen und andererseits den Vollzugsauftrag durchzuführen. Vor Ort läutete er an der Haustüre, welche von *** *** – der Ehefrau des *** *** – geöffnet wurde. Diese verneinte ihm gegenüber die Anwesenheit des *** ***. Sie erkannte ihn als Gerichtsvollzieher von vorherigen Amtshandlungen wieder, wobei auch gegen sie in der Vergangenheit mehrere Exekutionsverfahren anhängig waren. Ob der Ansichtigwerdung des Gerichtsvollziehers wollte *** *** vor diesem gleich wieder die Türe zuschlagen. Um dies zu verhindern, stellte FI *** *** seinen Fuß zwischen Türstock und Türe und drückte sie mit beiden Händen nach innen, wodurch diese wieder aufgegangen ist. Er vermeinte ihr gegenüber, dass er die Pfändung betreffend *** *** durchführen und die Polizei holen müsse, wenn sie ihn daran hindere. Daraufhin begann *** *** hysterisch zu schreien und FI *** *** zu beschimpfen, wobei sie ihn unter anderem als „Trottel“ bezeichnete. FI *** *** war darüber verärgert, ließ sich provozieren und fuhr *** *** daraufhin mit seiner rechten Hand zu ihrem Gesicht und ihre dabei mit zwei Fingern an der linken Wange seitlich über den linken Mundwinkel. Dabei handelte es sich nicht um eine Ohrfeige, sondern um eine leichte Berührung, umgangssprachlich „Tatscherl“, um sie derart zur Abstandnahme einer Behinderung der Amtshandlung zu veranlassen.
Als FI *** *** am *** mit zwei Fingern über die linke Wange und über den Mundwinkel der *** *** strich, nahm er es nicht einmal billigend in Kauf und fand sich auch nicht damit ab, dass er dadurch Gewalt anwandte, um sie zu eine bestimmten Handlung, nämlich das Unterlassen ihn zu beschimpfen bzw ihn aus dem Haus zu weisen und die Pfändung von Gegenständen zuzulassen, zu veranlassen.
B e w e i s w ü r d i g u n g
Die Feststellungen zur Person und zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Disziplinarbeschuldigten sowie zu dem seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt, insbesondere zur objektiven und subjektiven Tatseite, gründen sich auf den Inhalt der Disziplinaranzeige des Präsidenten des Oberlandesgerichtes *** und auf den Inhalt des Aktes AZ *** Hv ***/*** des Landesgerichtes ***.
R e c h t l i c h e B e u r t e i l u n g
Gemäß § 95 Abs 2 BDG 1979 ist die Disziplinarbehörde an den einem rechtskräftigen Strafurteil zugrunde liegenden Sachverhalt gebunden. Diese Bindung der Disziplinarbehörde erstreckt sich auch auf die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (VwGH 8.2.1998, 95/09/0146) und damit auf die Frage eines schuldhaften Fehlverhaltens iSd § 91 BDG. Dies gilt auch für die Frage des Grades des Verschuldens (VwGH 24.11.1982, 82/09/0094, sowie implizit 21.9.2005, 2004/09/0087).
Auch ein gerichtlicher Freispruch wegen eines bestimmten Verhaltens steht der rechtlichen Würdigung desselben Verhaltens unter disziplinarrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegen (VwGH 12.9.2017, Ra 2017/09/0032).
Nach § 43 Abs 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach § 43 Abs 2 leg.cit. hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 118 Abs 1 Z 4 BDG 1979 ist das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen, wenn die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Von einem Gerichtsvollzieher ist zu erwarten, dass er seine Dienstpflichten gewissenhaft erfüllt, zumal von seiner Gewissenhaftigkeit der Erfolg der Pfändung und damit Vermögenswerte Dritter abhängen (VwGH 24.6.2009, 2007/09/0116). Zur Beseitigung eines ihnen entgegengestellten Widerstands können Vollstreckungsorgane die Sicherheitsbehörden unmittelbar um Unterstützung ersuchen (§ 26 Abs 2 und 3 EO).
*** *** beschimpfte den Gerichtsvollzieher lautstark („Trottel“) und versuchte, ihn am Betreten des Hauses zu hindern. Auch vor diesem Hintergrund einer objektiv begreiflichen Erregung des Gerichtsvollziehers ist das vom Strafgericht festgestellte „Tatscherl“ in der konkreten Situation mit den Dienstpflichten eines Gerichtsvollziehers nicht vereinbar. Die ihm als emotionale Reaktion unterlaufene Handgreiflichkeit ist grundsätzlich geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben eines Gerichtsvollziehers zu beeinträchtigen. Das von den Tatsachenfeststellungen des Einzelrichters des Landesgerichtes *** in seinem Urteil vom *** umfasste Verhalten von FI *** *** lässt aber eine (nur) geringgradige schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten iSd § 91 BDG 1979 erkennen. Die Handgreiflichkeit zog auch keine bzw nur unbedeutende Folgen nach sich. Eine Bestrafung ist nicht geboten, um FI *** *** künftig von der Verletzung von Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diesen Bescheid kann binnen vier Wochen nach seiner Zustellung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Die Postaufgabe der Beschwerde an die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides gilt als rechtzeitig. Die Beschwerde kann auch in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden. Die Einbringung mit E-Mail ist jedoch nur insoweit zulässig, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz und den Parteien nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen bzw. etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs im Internet bekannt gemacht sind
(§ 13 Abs. 2 AVG).
Die Beschwerde hat gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde hat gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung. Diese kann jedoch ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist (§ 13 Abs. 2 VwGVG).
Zuletzt aktualisiert am
14.06.2018