TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/23 97/08/0155

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Veröffentlicht am 23.02.2000
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Index

L92054 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art7 Abs1;
SHG OÖ 1973 §12 Abs4;
SHG OÖ 1973 §9 Abs1;
SHG OÖ 1973 §9 Abs6;
SHV OÖ 1993 §1 Abs3;
SHV OÖ 1993 §1 Abs4;
SHV OÖ 1993 §9 Abs1 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der P in M, vertreten durch Dr. Thomas Brückl, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Bayrhammergasse 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Dezember 1996, Zl. SH-130088/21-1996, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach dem Oberösterreichischen Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 8. Oktober 1996, mit dem der Beschwerdeführerin für den Zeitraum ab dem 1. Jänner 1996 eine Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes lediglich in einer den Richtsatz unterschreitenden Höhe zuerkannt worden war. Dies mit der Begründung, dass die monatlichen Mieteinnahmen der Beschwerdeführerin von S 4.000,-- in voller Höhe auf den Sozialhilferichtsatz anzurechnen seien. Eine (teilweise) Anerkennung der Zinsbelastung für einen von der Beschwerdeführerin für den Ankauf des vermieteten Objekts aufgenommenen Kredit sei auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich.

Die belangte Behörde stellte fest, die Beschwerdeführerin sei ursprünglich gemeinsam mit ihrem inzwischen geschiedenen Ehegatten M. W. Hälfteeigentümerin einer Liegenschaft mit Haus in Münzkirchen gewesen. Nach der Scheidung habe sie die andere Eigentumshälfte im Wege einer Teilungsklage und anschließender Zwangsversteigerung erworben. Der Beschwerdeführerin sei für den Erwerb des genannten Liegenschaftsteiles von der allgemeinen Sparkasse Oberösterreich ein Kredit eingeräumt worden. Die Kreditschulden der Beschwerdeführerin hätten im Jänner 1996 S 1.418.621,96 bei einer Verzinsung von 8 % jährlich betragen. Seit dem 1. Jänner 1996 habe die Beschwerdeführerin eine Wohnung des genannten Hauses für die Dauer von mindestens vier Jahren gegen eine monatliche Miete von S 4.000,-- ohne Mehrwertsteuer zuzüglich einer Pauschale in Höhe von S 500,-- für Heizung und Wasser vermietet. Die Nebenkosten wie Strom, Müllentsorgung usw. seien von den Mietern selbst zu tragen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass die monatliche Miete bei der Bemessung der Sozialhilfe einzubeziehen sei. Der Aufwand für die monatliche Rückzahlung des Bankkredits könne bei der Festsetzung der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nicht berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihre Mieteinnahmen von jährlich S 48.000,-- wegen eines davon in Abzug zu bringenden jährlichen Zinsaufwandes von S 113.489,75 bei der Bemessung der Sozialhilfe nicht anzurechnen seien. Als monatliche Leistung für den Lebensunterhalt hätte daher ein Betrag in Höhe des Richtsatzes von S 5.610,-- und nicht nur ein Betrag von S 1.610,-- zuerkannt werden müssen. Der Erwerb der Liegenschaft im Zuge der Zwangsversteigerung sei für die Beschwerdeführerin erforderlich gewesen, um sich und ihrem Sohn die Wohnung zu erhalten und ihre Familie nicht der Gefahr der Obdachlosigkeit auszusetzen. Es sei von der belangten Behörde anerkannt worden, dass die Liegenschaft kein Vermögen darstelle, welches zum Zweck der Bestreitung des Lebensunterhaltes verwertbar wäre. Die belangte Behörde hätte die Tilgung des Kredits von den mit diesem verbundenen Zinsenbelastungen unterscheiden und letztere neben den Betriebskosten als Aufwand bei der Berechnung des Einkommens der Beschwerdeführer aus Vermietung berücksichtigen müssen.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der § 9 des Oberösterreichischen Sozialhilfegesetzes (OÖ SHG), LGBl. Nr. 66/1973, lautet auszugsweise:

"Einsatz der eigenen Mittel

(1) Hilfe ist nur soweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.

...

(6) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Vorschriften darüber zu erlassen, inwieweit Einkommen und verwertbares Vermögen nicht zu berücksichtigen sind."

Der zu § 9 Abs. 6 OÖ SHG ergangene § 9 der Oberösterreichischen Sozialhilfeverordnung 1993, LGBl. Nr. 100/1992, lautet auszugsweise:

"Einsatz eigener Mittel

(1) Bei der Festsetzung des Ausmaßes von Leistungen zur Sicherung des ausreichenden Lebensbedarfes sind außer den in anderen Rechtsvorschriften als anrechnungsfrei hinsichtlich der Sozialhilfe bestimmten Einkünften folgende Einkünfte nicht zu berücksichtigen:

a)

...

b)

25 v. H. der Einnahmen aus einem Untermietverhältnis;

..."

§ 9 OÖ SHG definiert den Begriff "Einkommen" nicht, sondern nimmt bloß bestimmte Arten von Einkommen von einer Anrechnung aus bzw. ermächtigt in seinem Absatz 6 die Landesregierung, solche durch Verordnung für anrechnungsfrei zu erklären. Auf Grund dieser Vorgangsweise ist eindeutig von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen, der grundsätzlich alle Einkünfte des Hilfe Suchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen. Es dürfen aber nur tatsächlich anfallende und für den Lebensbedarf zur Verfügung stehende Einkünfte berücksichtigt und angerechnet werden, also zB nicht ein Bruttoeinkommen, sondern der um Steuern und Sozialversicherungsbeiträge verminderte Bezug. Auch müssen die zur Erzielung der Einkünfte erforderlichen Aufwenden ("Werbungskosten" i. S.d. § 16 EStG 1988) vom Anrechnungsbetrag abgezogen werden (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 408).

Die belangte Behörde ist im bisherigen Verfahren nicht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin ihr Liegenschaftsvermögen im Sinne des § 9 Abs. 1 OÖ SHG etwa durch eine (weitere) Verpfändung zwecks Darlehensaufnahme oder durch Verkauf zum Zwecke der Bestreitung des Lebensunterhaltes verwerten müsse. Als eine solche Verwertung ist auch die Vermietung anzusehen (zu den möglichen Verwertungsformen vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 403), wobei die belangte Behörde nicht annimmt, dass die Beschwerdeführerin umfangreichere Vermietungen vornehmen könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0237, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.319/A, ausgesprochen, dass auf die Deckung von Schulden aus Sozialhilfemitteln kein Rechtsanspruch bestehe, sofern sich nicht gerade darin die sozialhilferechtlich relevante Notlage ausdrückt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998, 97/08/0114). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die geltend gemachten Aufwendungen mit anzurechnenden Einnahmen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen: Soweit nämlich Kreditrückzahlungen nicht der Schaffung von Vermögen dienen (wie dies für die Kapitaltilgung zutrifft), sondern in Form von Schuldzinsen mit Einnahmen aus Vermietung in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, sind sie - wie auch andere zur Erzielung der Miete erforderliche Ausgaben (vgl. dazu die zu Fragen der Notstandshilfe ergangenen hg. Erkenntnisse vom 16. Juni 1992, Slg. Nr. 13659/A, und vom 16. Februar 1999, Zl. 96/08/0092) - von den Mieteinnahmen in Abzug zu bringen. Dieses Prinzip liegt nicht nur der Pauschalanrechnung von 25 v.H. der Einnahmen aus einem Untermietverhältnis nach dem zitierten § 9 OÖ SHV zu Grunde und ergibt sich keineswegs nur aus einer - im hier anzuwendenden Gesetz gar nicht ausdrücklich angeordneten - Berücksichtigung steuerlicher Gesichtspunkte bei Ermittlung des anzurechnenden Einkommens (wie in den genannten Vorerkenntnissen zur Notstandshilfe), sondern aus dem im Gleichheitsgrundsatz wurzelnden Sachlichkeitsgebot: dieses schlösse es nämlich aus, Einkünfte sozialhilferechtlich als verfügbare eigene Mittel zu werten, wenn sie dem Hilfebedürftigen entweder von vornherein nicht ungeschmälert zufließen oder er zu ihrer Erzielung oder in deren Folge Aufwendungen zu tätigen genötigt ist, die diese Einkünfte im Ergebnis schmälern und auch anderweitig zu keinem vermögenswerten Vorteil führen. Die zur Erzielung der Mieteinkünfte von S 4.000,-- monatlich erforderlichen Aufwendungen der Beschwerdeführerin - wie etwa Darlehenszinsen und Betriebskosten - sind freilich nur anteilig, dh im Verhältnis der Nutzfläche der vermieteten Räumlichkeiten zur Gesamtnutzfläche des Gebäudes zu berücksichtigen.

Die Einwendung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, die Beschwerdeführerin könnte bestimmte Betriebskosten "problemlos ebenfalls den Mietern verrechnen", läuft auf die Behauptung hinaus, die Beschwerdeführerin habe es schuldhaft versäumt, durch die mögliche Überwälzung von Betriebskosten auf die Mieter einen höheren Mietzins zu erzielen. Auf diese unzulässige Neuerung kann in diesem Verfahren nicht eingegangen werden, sodass offen bleiben kann, unter welchen Voraussetzungen einem solchen Einwand der Behörde Berechtigung zukäme (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/08/0163).

Weil die belangte Behörde die genannten anteiligen Aufwendungen der Beschwerdeführerin bei der Ermittlung ihres Einkommens aus der Vermietung einer Wohnung nicht berücksichtigte und die Mieteinkünfte von S 4.000,-- monatlich ungeschmälert der Beurteilung des Anspruches zur Sicherung des Lebensbedarfes zugrundelegte, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben.

Sollte die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren zu dem Ergebnis gelangen, dass ein auf die Sozialhilfe anzurechnendes Einkommen verbleibt, so wird ferner zu berücksichtigen sein, dass die Beschwerdeführerin, die das Haus, aus dem Mieteinkünfte erzielt werden, selbst bewohnt, nach § 12 Abs. 4 OÖ SHG, LGBl. Nr. 66/1973, i. V.m. § 1 Abs. 3 und 4 OÖ SHV, LGBl. Nr. 100/1992, auch einen Anspruch auf einen vertretbaren Unterkunftsaufwand hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Februar 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997080155.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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