TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/17 LVwG-2018/16/0123-7

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Veröffentlicht am 17.05.2018
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Entscheidungsdatum

17.05.2018

Index

80/02 Forstrecht
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz
Naturschutz Tirol

Norm

ForstG 1975 §174 lita Z25
NatSchG Tir 2005 §45 Abs1 lita
NatSchG Tir 2005 §9 lita
NatSchG Tir 2005 §9 litc
VStG §45 Abs1 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Lehne nach mündlichen Verhandlungen über die Beschwerde des Herrn AA, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 05.12.2017, Zl X, betreffend Übertretungen des Forstgesetzes 1975 und des Tiroler Naturschutzgesetzes 2015,

zu Recht erkannt:

1.       Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde hinsichtlich Punkt 1 des Straferkenntnisses stattgegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt. Hinsichtlich Punkt 2 wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.       Gemäß § 52 VwGVG hat der Beschwerdeführer Beschwerdekosten in der Höhe von Euro 160,00 an die Bezirksverwaltungsbehörde in 2 Wochen einzuzahlen.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:

„Sie haben, wie am 04.05.2017 und am 13.07.2017 festgestellt wurde, auf den Grundstücken **1 bzw. **2 KG W und sohin außerhalb geschlossener Ortschaften beginnend auf einer Seehöhe von 1.455 m im Schutzwald und Feuchtgebiet ohne forstrechtliche Bewilligung und naturschutzrechtliche Bewilligung einen ca. 190 m langen Forstweg bzw. Traktorweg – Traktorweg Zubringer W – errichtet, wobei auf einer Länge von ca. 140 bis 150 lfm ein Hangmoor zerschnitten wurde, obwohl

1.   Forststraßen, wenn sie durch ein Arbeitsfeld der Wildbach- und Lawinenverbauung oder durch Schutzwald oder Bannwald führen, eine Bewilligung der Behörde (Errichtungsbewilligung) bedürfen.

2.   in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden, naturschutzrechtlichen Bewilligung bedürfen.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 174 Abs. 1 lit. a Ziffer 25 i.V.m. § 62 Abs. 1 lit. c Forstgesetz 1975 (FG)

2. § 45 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 9 lit. c Tiroler Naturschutzgesetz 2005“

Nach § 174 Abs 1 lit a Z 25 Forstgesetz wurde über ihn eine Geldstraße in der Höhe von Euro 400,00 zum Tatbestand zu Punkt 1 Ersatzarrest von 36 Stunden. Nach § 45 Abs 1 lit a Tiroler Naturschutzgesetz wurde über ihn zu Punkt 2 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 800,00 und Ersatzarrest von 8 Stunden zuzüglich Verfahrenskosten erster Instanz verhängt.

Parallel dazu wurde ein Wiederherstellungsverfahren zu ***** mit Bescheid vom 20.12.2017 abgeschlossen. Das Wiederherstellungsverfahren wurde dem Richter Mag. Dünser zugeteilt, das Verwaltungsstrafverfahren dem Richter Dr. Lehne. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde, bestritt der Beschwerdeführer eine Urheberschaft an der Weganlage und sei kein Beweis erbracht worden, dass diese Weganlage errichtet wurde. Zudem handle es sich nur um die Abänderung eines alten Holztriftweges. Er beantragte die Einstellung des Verfahrens.

In den mündlichen Verhandlungen wurde Beweis aufgenommen durch die Einvernahme des Beschwerdeführers, die Einvernahme seines Sohnes und die Erörterung von alten TIRIS-Aufnahmen und Laserscanauszügen.

In der zweiten Verhandlung wurden das Verwaltungsstrafverfahren und das Wiederherstellungsverfahren gemeinsam verhandelt und danach wieder getrennt. In der ersten Verhandlung wurde auch die naturschutzfachliche Amtssachverständige zur Übertretung befragt. Als Verlesen galten die erstinstanzlichen Akten.

II.      Sachverhaltsfeststellung:

Der Beschwerdeführer hat aus eigenem Antrieb wie durch Forstbeamte und Naturschutzbeamte festgestellt wurde den Grundstücken für **1 bzw **2 KG W und sohin außerhalb geschlossener Ortschaften beginnend auf einer Seehöhe von 1455 m im Schutzwald und Feuchtgebiet ohne eine naturschutzrechtliche Bewilligung einen ca 190 langen Forstweg bzw Traktorweg – Traktorweg Zubringer W – errichtet, wobei auf einer Länge von ca 140 bis 150 lfm ein Hangmoor zerschnitten wurde, obwohl die Straße durch ein Arbeitsfeld der Wildbach- und Lawinenverbauung führte, obwohl in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs 1 berührt werden, einer naturschutzrechtlichen Bewilligung bedürfen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Arbeiten an der Anlage im Herbst 2015 beendet wurden.

Durch die Einsichtnahme in die Luftbildaufnahmen ausgehend vom Jahr 2003 bis zum Jahr 2015 sowie aus den Laserscandaten aus den Zeiträumen 2006 bis 2009 im Vergleich zum Jahr 2015 wird ersichtlich, dass tatsächlich vor diesem Eingriff, jedenfalls vor dem Jahr 2009 im gegenständlichen Bereich keine in der Natur erkennbare Anlage bestanden hat. Insbesondere ist aus den Laserscandaten ersichtlich, dass die Bodenverwundungen im Sinne dessen, dass eine Weganlage offensichtlich mit einem Bagger errichtet wurde, erst zwischen 2009 und 2015 erfolgt sind, also die maßgeblichen Bauarbeiten da passiert sind. Es handelt sich somit nicht um eine Änderung einer bestehenden Weganlage.

Aufgrund der Tatsache, dass das Niedermoor auf ganzer Länge durch die Weganlage durchschnitten wurde, kann die Eingriffsintensität als hoch eingestuft werden. Das heißt, die Störung bzw der Verlust von Teilflächen des Lebensraumes führen zu einem teilweisen Funktionsverlust dessen und durch die fortwährende Entwässerung über die offenen Wegböschungen kommt es zu einer nachhaltigen und (bei Belassen der Weganlage) irreversiblen hohen Beeinträchtigung des Bestandes. Wegen der Sensibilität und Seltenheit des Lebensraumes, welche durch die natürlichen Wasserzügigkeiten geprägt sind (welche wiederum nun gestört sind), sind keine naturkundefachlichen Kompensationsmaßnahmen durchführbar, welche dem unmittelbaren Lebensraumverlust entgegenwirken könnten.

III.     Beweiswürdigung:

Dem Gutachten der naturschutzfachlichen Amtssachverständigen hat der Beschwerdeführer nichts entgegenhalten können. Ebenso hat er nicht widerlegen können, dass in den aufgezählten Luftbildaufnahmen keine bestehende Weganlage ersichtlich ist. Der Beschwerdeführer hat nicht bestritten, für die Weganlage verantwortlich zu sein.

IV.      Rechtliche Beurteilung:

Nach § 45 Abs 1 lit a Tiroler Naturschutzgesetz 2005 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 30.000,00 zu bestrafen, wer ein nach den §§ 6, 7 Abs 1 und 2, 8, 9 Abs 1 und 2, 14 Abs 4, 27 Abs 3 und 28 Abs 3 bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne naturschutzrechtliche Bewilligung ausführt.

Gemäß § 9 lit a und c Tiroler Naturschutzgesetz 2005 bedürfen in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften das Einbringen von Material und die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs 1 berührt werden, einer naturschutzrechtlichen Bewilligung. Die Interessen des Naturschutzes werden durch die starke Beeinträchtigung eines Feuchtgebietes eindeutig berührt. Für die naturschutzrechtliche Bewilligungspflicht ist nicht maßgeblich, ob Material vom Ort eingebracht wurde. Wesentlich ist, dass eine Weganlage errichtet wurde. Als Verschuldensgrad ist grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Der Unrechtsgehalt der Übertretung ist gravierend, da gerade Feuchtgebiete einen hohen gesetzlichen Schutz genießen. Als mildernd ist die bisherige Unbescholtenheit zu werten auch unter Zugrundelegung eines niedrigen Einkommens eines Pensionisten ist die Geldstrafe angemessen, wurde doch nur ein sehr geringer Prozentsatz des Strafrahmens ausgeschöpft. Die Kostenentscheidung beruht auf den bezogenen Gesetzesstellen.

Nach § 174 Abs 1 lit a Z 25 Forstgesetz 1975 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 7.270,00 oder mit Freiheitsstrafe bis zu 4 Wochen zum Strafen, wer einige wie § 62 Abs 1 bewilligungspflichtige Bringungsanlage ohne Bewilligung errichtet oder den in der Errichtungsbewilligung gemäß § 62 Abs 3 enthaltenen Vorschreibungen nicht nachkommt. Die Verjährungsfrist beträgt nach dem Forstgesetz 1 Jahr. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die gegenständliche Weganlage erst im Jahr 2015 abgeschlossen wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten. Daher ist das Verfahren nach dem Forstgesetz einzustellen. Soweit vom rechtsfreundlichen Vertreter Bedenken gegen die Wiedereröffnung des noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens für die zweite Verhandlung (zur Erörterung der Flugbilder und Scanaufnahmen) geäußert wurden, ist darauf zu replizieren, dass die Beschränkungen des § 69 AVG 1999 und der Wiederaufnahmegründe des VStG nicht für die Wiedereröffnung eines noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens gelten.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Lehne

(Richter)

Schlagworte

Eingriff; Feuchtgebiet; Schäden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.16.0123.7

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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