TE Bvwg Beschluss 2018/5/30 L510 2196103-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L510 2196103-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Michael Genner, Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2018, Zl: XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei (bP), XXXX , wurde im Jahr XXXX im XXXX Bundesgebiet des Mordes beschuldigt und reiste während des laufenden Gerichtsverfahrens zurück in die Türkei und anschließend weiter zu ihrem in Kanada lebenden Cousin.

Aufgrund eines internationalen Haftbefehls wurde sie in Kanada festgenommen und zurück in die XXXX überstellt.

Mit Urteil vom XXXX wurde sie vom XXXX wegen Mordes und schweren Raubes zu XXXX Jahren Haftstrafe verurteilt.

Am 08.04.2013 wurde vom XXXX ein schengenweites Einreiseverbot gegen die bP erlassen, welches bis zum 31.12.2099 gültig ist.

Nach Ihrer verbüßten Haftstrafe in der XXXX wurde sie in ihren Herkunftsstaat Türkei abgeschoben.

Am 17.03.2017 reiste sie trotz des gültigen Einreiseverbots durch die Vorlage eines gefälschten Reisepasses in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die bP stellte dar, dass sie Staatsangehöriger der Türkei mit alevitischem Glaubensbekenntnis sei, der Volksgruppe der Kurden angehöre und aus XXXX , stamme.

Anlässlich der Erstbefragungen durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 20.03.2017 gab die bP zum Fluchtgrund an, dass es in ihrer Heimatstadt ein Flüchtlingslager gebe. Sie habe gegen das Flüchtlingslager demonstriert, sei von der Polizei festgenommen worden, sie sei einvernommen worden und sei gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet worden. Sie befürchte deswegen in ihrer Heimat festgenommen zu werden, weshalb sie die Türkei verlassen habe. Sie sei in Istanbul stellvertretender Geschäftsführer einer Firma gewesen. Die Firma sei von den Behörden gesperrt worden und sei der Geschäftsführer nach Kanada geflüchtet. Sie habe Angst in ihrer Heimat eingesperrt zu werden. Ansonsten habe sie mit keinen Sanktionen zu rechnen.

In der Einvernahme beim BFA am 07.06.2017 brachte die bP im Wesentlichen vor, dass sie türkischer Staatsangehöriger, Kurde, Alevit, ledig sei und keine Sorgepflichten habe. Sie legte diverse türkische Schriftstücke vor, wie einen Haftbefehl für einen Verhandlungstermin am 05.07.2017, Unterlagen über den Verhandlungstermin, Fotos mit Aziz Tunc. Glaublich seien die Fotos im Juni 2015 oder Juni 2016 gemacht worden. Sie habe damals gegen das Flüchtlingslager in ihrem Heimatdorf demonstriert und sei von Soldaten festgenommen worden. Die bP legte Fotos und einen Zeitungsartikel in Bezug auf die Demonstrationen vor. Die Personen in diesem Artikel seien genauso wie sie festgenommen worden. Laut Feststellungen des Dolmetschers scheint der Name der bP in diesem Artikel nicht auf, was auch durch die bP nicht weiter bestritten wurde. Weiter legte die bP Fotos mit der Fahne der HDP vor, welche im Juni 2015 gemacht worden seien. Es erfolgte die Dokumentenvorlage über die Ermordung eines Verwandten mütterlicherseits im Jahr 1994, welcher Vorsitzender der HDP gewesen sei.

In Österreich habe sie entfernte Verwandte, mit welchen sie aber nicht in gemeinsamen Haushalt lebe. In der XXXX lebe die gesamte Familie.

Sie sei in der XXXX wegen Mordes verhaftet worden. Dann sei sie frei gelassen worden und habe sie auf das Gerichtsverfahren gewartet. Sie sei jedoch in die Türkei zurückgekehrt und von 1998 bis 2000 dortgeblieben. Danach sei sie nach Kanada zu ihrem Cousin geflogen. In Kanada sei sie aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen und in die XXXX verbracht worden. Sie sei dort angeklagt und verhaftet worden. 2013 sei sie in die Türkei abgeschoben worden. In der Türkei sei sie nicht im Gefängnis gewesen, sondern sei wegen der Demonstration nur kurz festgenommen worden. Sie sei nicht Mitglied einer Partei gewesen. Sie sei nur Sympathisant der HDP gewesen und sei bei Wahlen gewesen. Sie sei Beisitzer gewesen und habe die Wahlen überwacht. Sonst sei sie nicht tätig gewesen. Sie werde in der Türkei als Kurde und Alevit unterdrückt. Sie hätten Angst gehabt, dass viele IS Kämpfer in das Flüchtlingslager gebracht worden wären. 1978 seien viele Aleviten umgebracht worden. Damals sei auch ihr Haus angezündet worden. Ein IS Mitglied habe 40 Kilometer von der Stadt entfernt bei einer kurdischen Hochzeit HDP Leute umgebracht. IS Mitglieder hätten viele Anschläge gegen HDP und Linksparteien vollzogen. Sie habe Angst festgenommen zu werden, da sie angezeigt worden sei. Ihr Arbeitgeber in Istanbul sei bei der Gülen Bewegung gewesen. Das Geschäft sei geschlossen worden und der Arbeitgeber sei ins Ausland gegangen. Deshalb habe sie Angst gehabt, dass sie auch festgenommen werden könnte. Sie sei aber nicht Gülen Anhänger und habe dort nur gearbeitet. Sie sei dann in ihr Heimatdorf XXXX zurückgegangen. Sie habe einen Imkerkurs gemacht, sich Bienen gekauft und sei bis zu ihrer Ausreise Bienenzüchter gewesen.

Zur Festnehme konkretisierte die bP, dass sie in das Camp hineingehen wollten. Dort sei eine Demonstration organisiert worden, doch hätten ihnen Soldaten den Weg versperrt. Sie seien dann festgenommen und einvernommen worden. Es sei mi einer hohen Geldstrafe gedroht worden. Ein Abgeordneter der HDP sei bei den Festgenommenen dabei gewesen und es seien Journalisten und Anwälte dabei gewesen. Dann seien sie entlassen worden. Den Befehl zur Verhaftung habe ein Kommandant gegeben, den Namen kenne sie nicht. Strafe hätten sie nicht bezahlen müssen, jedoch sei eine hohe Strafe angedroht worden, die anwesenden Anwälte hätten alles geklärt. Der bestehende Haftbefehl sei von der Staatsanwaltschaft ausgestellt worden. Danach sei sie in die Stadt XXXX gegangen und habe sich dort bis zu ihrer Ausreise versteckt.

Sie sei dann legal mit dem Flugzeug von Istanbul nach Moldawien ausgereist. Die Schlepperkosten hätten Euro 10.000 betragen. Sie habe 11 Jahre lang in der XXXX und in Istanbul gearbeitet und das Geld gespart. In Istanbul und Ankara habe sie Verwandte. Diesen gehe es gut.

2. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BFA mit Bescheid vom 18.04.2018 gemäß § 3 Abs. 3 Z. 2iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 und § 6 Abs. 1 Z. 3, 4 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.).

Gem. § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III).

Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV).

Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt V.)

Gem. § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI).

Gem. § 18 Abs. 1 Z. 2, 3 und 6 BFA-Verfahrensgesetz wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung aberkannt (Spruchpunkt VII).

Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 und 5 FPG wurde gegen die bP ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII).

3. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde dargelegt, dass die Identität durch die Vorlage des türkischen Identitätsnachweises feststellbar wäre. Zudem verkenne die belangte Behörde, dass sie sehr wohl zur Prüfung des Refoulement-Verbots verpflichtet sei, auch wenn sie den Antrag auf Asyl ohne Prüfung abweisen durfte. Art. 3 EMRK sei in jedem Fall zu beachten. Die Behörde habe sich unzureichend mit den in der Einvernahme zu Protokoll gebrachten Gerichtsakten und dem Haftbefehl gewidmet. Die bP sei aufgrund der Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen und ihrer Sympathie und ihrer Wahlhelferschaft für die HDP bereits mehrfach in der Türkei festgenommen worden. Zudem sei ein Verfahren gegen sie und andere Demonstranten nach Paragraph 2911 des türkischen Strafgesetzbuches eröffnet worden. Es sei ein Haftbefehl ausgestellt worden und werde eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Jahren gegen sie angestrebt. Ein solches Strafausmaß stehe in keinem Verhältnis zu einer Verwaltungsübertretung wie der Teilnehme an der Demonstration.

Es wurden allgemeine Ausführungen zum Refoulement-Verbot getätigt. Sie könne in der Türkei nicht mit einem fairen Verfahren rechnen. Es sei kein angemessener Schutz vor erniedrigender und unmenschlicher Behandlung oder gar Folter gegeben. Beigefügt wurde ein Bericht der Musikerin Pinar AYDINLAR, bei welcher eine Nacktdurchsuchung stattgefunden habe. Die Haftbedingungen würden nationalen Standards nicht entsprechen. Es wurde ein Bericht von Nils Melzer beigefügt. Selbst wenn die bP nicht Mitglied der Gülen-Bewegung sei, reiche der Verdacht, um unmenschliche Behandlung zu befürchten. Berühmtestes Beispiel sei Murat Arslan. Es wurde ein entsprechender Bericht beigebracht wonach man sehe, dass Anklageerhebungen in der Türkei völlig willkürlich erfolgen würden und kein faires Verfahren möglich sei. Gülen Anhänger, Assoziierte sowie Kurden und Aleviten würden in der Haft erniedrigt und gefoltert, was sich aus beigefügten Länderberichten ergeben würde.

4. Mit Mail vom 24.05.2018 wurde seitens Asyl in Not dem BVwG die Vollmacht vom 30.05.2017 übermittelt, welche auch eine Zustellvollmacht enthält.

5. Die gegenständliche Rechtssache langte mit 24.05.2018 vollständig bei der Gerichtsabteilung L510 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes Beweis erhoben.

1. Feststellungen:

Das BFA hat im angefochtenen Bescheid die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen und ergibt sich dieser auch nicht aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Ergänzende Ermittlungsschritte sind erforderlich. Die Behörde hat wesentliche Ermittlungen an das BVwG delegiert.

2. Beweiswürdigung:

Der für diese Entscheidung relevante Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes [VwGH] zu § 28 VwGVG verlangt es das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH v. 17.03.2016, Zl. Ra 2015/11/0127; v. 29.04.2015, Zl. Ra 2015/20/0038;

v. 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 RS29).

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Die bP gab im Zuge des Verfahrens im Wesentlichen an, dass in ihrem Herkunftsstaat gegen die Errichtung eines Flüchtlingslagers protestiert habe und aufgrund des Übertrittes eines Sperrgebietes vorläufig festgenommen worden sei. Nun sei ein Haftbefehl gegen sie erlassen worden, da eine Gerichtsverhandlung anhängig gewesen sei. Sie befürchte im Falle einer Verurteilung festgenommen zu werden. Ihr Arbeitgeber sei Mitglied der Gülen Bewegung gewesen. Der Arbeitsplatz sei verloren gegangen, sie sei gekündigt worden. Der Chef sei ins Ausland gegangen und sie habe Angst auch festgenommen zu werden.

Es wurden diverse Unterlagen vorgelegt, u. a. ein Haftbefehl, Fotos mit Aziz Tunc, Fotos in Bezug auf die Demonstration, ein Zeitungsartikel über die Demonstration, Fotos mit der HDP Fahne, Dokumentenvorlage über die Ermordung eines Verwandten mütterlicherseits im Jahr 1994, welche Vorsitzender der HDP gewesen sei.

Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, eine Prüfung des Refoulement-Verbotes vorzunehmen, in welcher sie die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates dennoch ausreichend zu ermitteln gehabt hätte, auch wenn diese dann in erster Linie für die Prüfung des Refoulementschutzes heranzuziehen wären. Die diesbezüglichen Ermittlungen und Feststellungen fanden jedoch lediglich in dem Umfang statt, dass die bP gesund und arbeitsfähig sei. Mit dem individuellen Vorbringen setzte sich die belangte Behörde überhaupt nicht näher auseinander, was jedoch auch bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes erforderlich ist.

So hat sich die belangte Behörde - soweit aus dem Bescheid und Akteninhalt ersichtlich - nicht mit dem konkreten Inhalt der vorgelegten Unterlagen auseinandergesetzt. Weder wurden diese vorgelegten Unterlagen übersetzt, noch befinden sich die angesprochenen Beweismittel zur Gänze im Akt. Der konkrete Inhalt der vorgelegten Dokumente ist somit nicht bekannt und hat sich die belangte Behörde damit nicht spezifisch auseinandergesetzt bzw. diese beurteilt. Auch in Bezug auf den Zeitungsartikel wurde lediglich dargelegt, dass die bP namentlich darin nicht aufscheint. Nähere Feststellungen, insbesondere auch zu den Hintergründen dieser Demonstration, bzw. von welchem Sachverhalt die belangte Behörde diesbezüglich konkret ausgeht, erfolgten nicht. Vor dem Hintergrund der Vorlage eines Haftbefehls aufgrund eines eingeleiteten Verfahrens wären nach Beurteilung dieses Haftbefehls gegebenenfalls weitere Unterlagen bei der bP anzufordern gewesen, aus welchen ersichtlich ist, ob bereits ein Urteil gegen die bP bzw. sonstige Personen ergangen ist, bzw. wäre die tatsächlich drohende Strafe zu ermitteln gewesen.

Danach hat sich die belangte Behörde in Zusammenschau mit einschlägigen Berichten im Lichte einer Refoulementprüfung konkret mit der zu erwartenden Rückkehrsituation auseinander zu setzen.

Notwendige weitere Ermittlungsschritte und eine Auseinandersetzung mit dem maßgeblichen Vorbringen und den maßgeblichen Beweismitteln wurden jedenfalls unterlassen.

Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren diese Bescheinigungsmittel jedenfalls zu übersetzen, weitere Erhebungen und eine ergänzende Befragung durchzuführen.

Wie die vorherigen Ausführungen zeigen, wurde der maßgebliche Sachverhalt vom BFA nicht festgestellt. Dieser ist weder dem gegenständlich angefochtenen Bescheid, noch dem vorliegenden Akteninhalt zu entnehmen. Die vorgelegten Beweismittel liegen nicht gänzlich im Akt auf. Das BFA hat dadurch, dass wesentliche Punkte des Vorbringens der bP und von ihr vorgelegte Bescheinigungsmittel nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt wurden, essentielle Ermittlungen unterlassen, weswegen im gegenständlichen Fall entsprechend der Rechtsprechung des VwGH zu § 28 Abs. 3 VwGVG (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) davon auszugehen ist, dass genau solch gravierende Ermittlungslücken vorliegen, die zur Zurückweisung an die Verwaltungsbehörde (BFA) berechtigen, zumal das Vorliegen eines entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht abschließend beurteilt werden kann, ohne sich mit dem gesamten Sachverhalt auseinandergesetzt zu haben.

Da im gegenständlichen Fall das den Kern des Vorbringens betreffende Ermittlungsverfahren vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert wäre, käme dies einer Delegation des Verfahrens an das BVwG gleich. Es liegt nicht auf der Hand, dass die Ermittlungen und Entscheidung in der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht rascher durchgeführt werden könnten oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wären.

Das BFA hat somit die aufgezeigten Mängel zu beheben bzw. den maßgeblichen Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das BFA zurückzuverweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).

Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Begründungspflicht, Bescheinigungsmittel, Ermittlungspflicht,
Haftbefehl, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
non-refoulement Prüfung, unterstellte politische Gesinnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L510.2196103.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten