TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/30 L506 2120729-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.2018
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Entscheidungsdatum

30.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2120729-1/35E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2016, Zl. 1000705905/14683698, Regionaldirektion Niederösterreich, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2017 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § und 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein iranischer Staatsangehöriger, moslemischen Glaubens und der kurdischen Volksgruppe zugehörig, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 20.01.2014 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der Erstbefragung gab der BF an, dass er vorerst zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit gänzlich falsche Angaben gemacht habe, da er nicht in Österreich registriert werden wolle.

Zu den Gründen für das Verlassen des Irak gab der BF an, das Leben dort sei nicht auszuhalten und sei der Vater schwer krank. Er benötige Geld und wolle bei seinem Bruder in Dänemark als Pizzakoch arbeiten. Politisch werde er nicht verfolgt; er habe keine weiteren Fluchtgründe. Im Rückkehrfall werde er misshandelt werden.

2. Da in weiterer Folge keine Daten für eine Meldeauskunft des BF vorlagen, wies das BFA den Antrag des BF mit Bescheid vom 18.03.2014 hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz und des Antrages auf subsidiären Schutz ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung des BF für zulässig.

Das BFA führte aus, dass weder die Identität des BF noch der Herkunftsstaat des BF habe festgestellt werden können und dieser an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt habe und die Angaben des BF unglaubwürdig seien.

Diese Entscheidung wurde durch Hinterlegung im Akt gem. § 23 Abs. 2 ZustellG zugestellt.

3. Mit Schreiben vom 27.05.2014 wurde seitens der Danish National Police dem BFA mitgeteilt, dass gem. der Dublin II VO der BF am 04.06.2014 von Dänemark nach Österreich rücküberstellt werde.

4. Der BF gab anlässlich er Befragung nach seiner Rücküberstellung im Sondertransitraum am Flughafen Schwechat am 04.06.2014 an, er wolle nicht in Österreich sein und habe er in Dänemark einen Asylantrag gestellt und wolle er dorthin zurück.

5. Am 05.06.2014 erfolgte eine Erstbefragung des BF (AS 11) und gab dieser an, er sei iranischer Staatsangehöriger und Sunnit, er gehöre der Volksgruppe der Kurden an.

Zum Verlassen seines Staates gab der BF an, sein Vater sei im Iran politisch tätig gewesen; dieser sei Mitglied der der Demokratischen Partei Kurdistan im Iran gewesen und habe Anfang der Achzigerjahre aus dem Iran fliehen müssen und sei Flüchtling im Irak gewesen; der BF sei im Irak im Flüchtlingslager XXXX geboren und habe dort bis 2004 oder 2005 gewohnt. Nach dem Sturz Saddams hätten sie aus Angst vor den Terroristen nach Kurdistan im Irak fliehen müssen, wo sie von UNHCR in einem Flüchtlingslager namens XXXX registriert und untergebracht worden seien. Er habe als Flüchtling keine Rechte gehabt und seine Schulausbildung nicht fortsetzten können und seien die Lebensumstände im Lager schlecht gewesen. Er sei Anhänger der Komala und werde er im Iran im Rückkehrfall deshalb hingerichtet werden. Im Irak hätten Sie keine Dokumente und keine Unterstützung erhalten. Im Rückkehrfall in den Iran werde er sofort verhaftet und hingerichtet werden.

6. Eingangs der Einvernahme des BF vor dem BFA am 09.07.2014 wurden Kopien der Bescheinigung des UNHCR hinsichtlich der Registrierung des BF und seiner Familie als Flüchtlinge im Irak vorgelegt (AS 49ff).

Der BF erklärte, dass sein Bruder und sein Cousin in Dänemark aufhältig seien.

Zu seinem ersten Asylverfahren in Österreich gab der BF an, er habe keinen diesbezüglichen Antrag stellen wollen, doch sei er dazu gezwungen worden. Auch habe er keine Angaben zu seinen Fluchtgründen gemacht, da er in eine Zelle gesperrt worden sei und man ihm gesagt habe, er werde eingesperrt werden, wenn er keine Angaben mache. Auch habe er den arabisch und den kurdisch-kurmanci Dolmetscher nicht verstanden. Bereits nach einer Nacht sei er nach Dänemark weitergereist. Auch habe er sich mit dem "Dublin Gesetz" nicht ausgekannt.

Gefragt, warum der den Irak verlassen habe, führte der BF aus, er wisse nicht, zu welchem Staat er gehöre und habe er sein ganzes Leben in einem Flüchtlingslager im Irak verbracht. Die dortigen Umstände seien schlecht gewesen und habe er für den Unterhalt der Familie sorgen müssen, da sein Vater nicht mehr arbeiten habe können. Sein Vater sei Mitglied der Kurdischen Demokratischen Partei des Iran und er selbst sei Anhänger der Komala. Sie hätten auch keine Unterstützung im Irak durch UNHCR bekommen. Er habe in verschiedenen Flüchtlingslagern gewohnt, bis er im Jahr 2013, genauer könne er es zeitlich nicht einordnen, den Irak verlassen habe. Die schlechten Umstände aufgrund derer er den Irak verlassen habe, hätten sich im Flüchtlingslager weiter verschlechtert; es gebe kein Benzin und keinen Strom.

7. Nach Zulassung des Verfahrens erfolgte am 30.04.2015 eine weitere Einvernahme des BF

in welcher dieser erklärte, dass er iranischer Staatsbürger, jedoch noch nie im Iran gewesen sei und habe er nie einen Reisepass besessen. Außer der Bescheinigung der UNHCR Registrierung habe er keine weiteren Dokumente. Der BF erklärte, er habe im ersten Verfahren falsche Identitätsdaten angegeben, da er in Dänemark um Asyl ansuchen habe wollen. Er habe neune Jahre die Schule besucht und habe als Satellitentechniker gearbeitet. Der BF führte über Befragen, ob er einer politischen Partei angehöre, an, er sei Anhänger der Komala Partei. Er habe der Partei geholfen, sei zu Versammlungen gegangen und habe die Parteizeitung im Flüchtlingslager verteilt.

Zu seinen Ausreisegründen erklärte der BF, er sei 27 Jahre alt und habe bislang keine Dokumente erhalten. Er habe im Irak keine Rechte und bekomme von den dortigen Behörden auch keine Dokumente. Auch sei er von den Behörden immer diskriminiert worden. Er wolle in Europa Schutz und Hilfe und hier eine Ausbildung absolvieren.

Zu Diskriminierungen befragt, gab der BF an, er sei nach dem Schulabbruch nirgends aufgenommen worden, da ein Staatsbürgerschaftsnachweis dafür verlangt werde. Auch sei er an Kontrollstützpunkten immer wieder streng kontrolliert worden, da er nur im Besitz der vorgelegten Bescheinigung gewesen sei und sei diese nicht als Identitätsnachweis anerkannt worden.

Wegen seiner Betätigungen für die Partei habe er keine Probleme gehabt, da er kein Mitglied gewesen sei. Seine Familie habe wegen Armut und Hunger den Iran verlassen und sei danach sein Vater im Irak politisch tätig geworden. Nachgefragt, ob er alle Gründe für die Antragstellung genannt habe, bejahte dies der BF und erklärte, er habe alles angeführt; befragt zum Falle seiner Rückkehr in den Iran gab der BF an, sein Vater sei bei der Demokratischen Partei Kurdistan des Iran und würde er im Rückkehrfall in den Iran verhaftet werden, bis sich dieser den Behörden stelle.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt stellte fest, dass die Identität des BF nicht feststehe, dieser iranischer Staatsangehöriger sei, der kurdischen Volksgruppe angehöre, Sunnit sei und sein Leben als registrierter Flüchtling im Irak verbracht habe. Der BF habe sein Leben in verschiedenen kurdischen Flüchtlingslagern im Irak verbracht. Er sei Sympathisant der Komala-Partei, habe diesbezüglich keine Probleme gehabt und habe er keine exilpolitischen Aktivitäten gesetzt. Politische Verfolgung habe weder im Iran noch im Irak festgestellt werden können.

Beweiswürdigend wurde seitens des BFA ausgeführt, dass die Identität des BF nicht feststehe.

Die geltend gemachten Ausreisegründe hätten sich lediglich auf den Irak bezogen und handle es sich beim Irak nicht um den Herkunftsstaat des BF. Als entscheidungsrelevanter Faktor sei der Iran zu werten und habe der BF mit iranischen Behörden bislang keine Probleme gehabt.

Die Ausreisegründe der Eltern in den 1980er Jahren seien Armut und Hunger aufgrund des damals herrschenden Krieges gewesen und habe sich seitdem viel verändert.

Hinsichtlich der Komala Partei sei der BF nicht Mitglied, sondern nur Sympathisant und habe er keine Führungsrolle inne, sondern habe ab und zu mitgeholfen, die Parteizeitung zu transportieren, wobei auch keine Kontrollen stattgefunden hätten. Es sei davon auszugehen, dass keine allzugroße Nähe zu dieser Partei bestehe und habe der BF selbst angegeben, bislang keinerlei Probleme gehabt zu haben. Die Fühler des iranischen Geheimdienstes seien weitläufig und wäre dieser bereits tätig geworden, wenn er eine potentielle Gefährdung im BF oder seiner Familie gesehen hätte, jedoch habe der BF keine derartigen Vorfälle erwähnt.

Auch aus der Mitgliedschaft des Vaters des BF zur PDK könne keine Gefährdungslage für den BF erkannt werden, da der BF selbst keine Nähe oder Sympathie zu dieser Partei erwähnt habe und der Vater "krankheitsbedingt" für diese nicht mehr aktiv sei; auch sei die Mitgliedschaft des Vaters zur Partei zweifelhaft und habe der BF diese nie als Anlassfall für das Fluchtvorbringen genannt. Dass der BF bereit sei, nicht immer die Wahrheit anzugeben, sei auch aus dem Umstand ersichtlich, dass dieser in seinem ersten Verfahren falsche Angaben zu seiner Person getätigt habe, weshalb auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei dem nunmehrigen Vorbringen des BF um ein Konstrukt handle.

Ferner seien staatliche Repressionen gegenüber der kurdischen Ethnie nicht zwangsläufige Bestandteile der allgemeinen Gepflogenheiten im Iran. Der iranische Staat gehe jedoch gegen kurdische Aktivisten wie die Komala-Partei vor, doch bestehe im Falle des BF weder eine Mitgliedschaft noch sonst Gründe, um diesen als Aktivisten mit dieser Organisation in Zusammenhang zu bringen.

Aus dem Vorbringen des BF haben sich keinerlei Anhaltspunkt dafür ergeben, dass eine konkret gegen den BF gerichtete asylrelevante Verfolgung im Iran zu befürchten sei; es sei davon auszugehen, dass der BF den Irak aufgrund der dort erlebten Einschränkungen als Flüchtling verlassen habe, um sich so ein sozial besser gestelltes Leben in Europa zu ermöglichen.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 15.01.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21.01.2016 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Der Beschwerdeführer führte aus, dass die Behörde ohne nähere Erläuterung davon ausgehe, dass der BF iranischer Staatsbürger sei, jedoch hätte diese dazu Ermittlungen durchführen müssen. Er besitze derzeit weder die iranische noch die irakische Staatsbürgerschaft und sei daher wie ein Staatenloser zu behandeln.

Das iranische Regime greife gegen Anhänger der Komala hart durch und sei der BF Sympathisant und habe Hilfstätigkeiten für die Partei verrichtet und sei der iranische Geheimdienst weit verzweigt und über die Tätigkeiten des BF informiert; er sei bislang im Irak nicht belangt worden, da aus politischen Gründen im Irak bloß die "großen Fische" festgenommen werden würden.

Auch die Tatsache, dass der Vater des BF aktives Mitglied der PDK gewesen sei, bringe den BF im Iran in große Gefahr und würden auch Familienmitglieder von Verdächtigen belangt werden, wozu auf einen englischsprachigen Bericht, DIS/DRC, 30 September 2013 verwiesen wurde.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Beschiedes wurde ausgeführt, dass der BF über kein soziales Netzwerk im Iran verfüge und noch nie iranischen Boden betreten hätte; ferner sei er Angehöriger der kurdischen Minderheit und als solcher starken Diskriminierungen im Iran ausgesetzt und könne er sich im Iran unter diesen Umständen keine Existenz aufbauen.

Der vorliegende Sachverhalt sei so mangelahft ermittelt worden, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens unvermeidlich erscheine, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt werde.

7. Am 05.02.2016 langte gegenständliche Beschwerde samt dem bezug habenden Verwaltungsakt in der hg. Gerichtsabteilung ein.

8. Am 08.02.2016 langten eine Deutschkursbestätigung, ein Empfehlungsschreiben einer Privatperson und die Kopie eines Dokumentes hg. ein.

9. Am 15.04.2016 langte eine Beschwerdeergänzung ein, in welcher die Angaben des BF detalliert und auf diverse diesbezügliche Quellen verwiesen wurde.

Seine Eltern seien vom Iran in den Irak geflüchtet, da der Vater des BF politisch tätig gewesen und aufgrund dessen verfolgt worden sei.

Es könne nicht nachvollzogen werden, wie das BFA zur Ansicht gelange, dass der BF iranischer Staatsangehöriger sei und habe er zu keiner Zeit einen iranischen Staatsbürgerschaftsnachweis besessen. Auch habe der BF niemals behauptet, iranischer Staatsbürger zu sein und handle es sich um einen Fehler im Einvernahmeprotokoll und habe er lediglich angegeben, dass sein Vater iranischer Staatsbürger sei. Auch sei der BF Sunnite und würden solche im Iran diskriminiert werden.

Auch wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe drohe dem BF im Falle seiner Abschiebung in den Iran asylrelevante Bedrohung, da Kurden im Iran im Alltag diskriminiert werden würden; auch habe der BF aufgrund der Tatsache, dass er Sympathisant der Komala Partei sei, asylrelevante Verfolgung zu befürchten.

10. Am 23.09.2016 langte hg. ein Empfehlungsschreiben einer Privatperson ein.

11. Am 03.07.2017 und am 13.09.2017 langte hg. ein Kurzbericht der Ambulanz XXXX vom 31.05.2017 ein, wonach der BF an einer depressiven Anpassungsstörung leide sowie eine Bestätigung der Caritas XXXX , wonach sich ein psychotherapeutischer Behandlungsbedarf mit psychischer Belastung des BF gezeigt habe und stehe der BF in psychotherapeutischer Behandlung und wurde eine Diagnose einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt, wonach der BF an einer mittelgradigen depressiven Störung sowie an einer Anpassungsstörung leide.

12. Am 24.10.2017 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der BF und das BFA geladen wurden; In der hg. Verhandlung wurden dem Vertreter des BF die hg. Feststellungen zur aktuellen Situation im Iran zur Abgabe einer Stellungnahme ausgefolgt.

13. Mit hg. Schreiben vom 24.10.2017 wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA gerichtet und langte am 12.12.2017 die entsprechende Anfragebeantwortung der Staatendokumantation ein.

14. Am 10.04.2018 langte hg. eine Stellungnahme der Vertretung des BF zum hg. gewährten Parteiengehör hinsichtlich der Anfagebeantwortung der Staatendokumentation des BFA ein.

15. Mit hg. Schreiben an den UNHCR wurde nach Einholung der entsprechenden Einverständiserklärung des BF eine Anfrage hinsichtlich der Registrierung des BF als Flüchtling gestellt und langte am 07.05.2018 ein Antwortschreiben des UNHCR ein, welches dem BF zum Parteiengehör zur Kenntnis gebracht wurde. Am 18.05.2018 langte eine Stellungnahme des BF ein.

16. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

17. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2017 sowie durch eine Anfrage an UNHCR Österreich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 21.10.2015 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 27.10.2015 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger, moslemischen Glaubens (Sunnit) und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Die Eltern des Beschwerdeführershaben nach der iranischen Revolution im Jahr 1979 den Iran verlassen und leben im Irak als Flüchtlinge; dass diese den Iran aus indiviuellen politischen Gründen verlassen haben, kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer, welcher im Irak aufgewachsen ist und dort auch fallweise gearbeitet hat, wurde durch UNHCR prima facie, d.h. ohne Durchführung einer umfassenden Einzelfallprüfung der Asyleinschluss- und Ausschlussgründe im Irak als Flüchtling registriert und liegen UNHCR keine Informationen zu den individuellen Fluchtgründen des Beschwerdeführers vor.

Der Beschwerdeführer verfügt über zwei Onkel und zwei Tanten im Iran und steht die Familie des Beschwerdeführers zu diesen Verwandten in Kontakt. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in Dänemark.

Am 21.01.2014 stellte der Beschwerdefüher unter falschem Namen und Geburtsdatum sowie falscher Nationalität - dieser gab an, syrischer Staatsangehöriger zu sein - erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesenund Asyl vom 18.03.2014 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Dieser Bescheid wurde aufgrund der Abwesenheit des Beschwerdeführers gem. § 23 Abs. 2 Zustellgesetz durch Hinterlegung im Akt am 18.03.2014 zugestellt.

Am 04.06.2014 wurde der Beschwerdeführer gem. der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 von Dänemark nach Österreich rücküberstellt.

Am 05.06.2014 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer hat den Staat seines bisherigen Aufenthaltes, den Irak, aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten und benachteiligten Lage der Flüchtlinge verlassen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer oder seine Familie in seinem Herkunftsstaat Iran asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung im Iran ausgesetzt sein wird.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig; er leidet an einer Anpassungsstörung sowie an einer depressiven Störung und befindet sich in psychotherapeutischer Behnadlung.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstige nahe Bezugspersonen. Der Beschwerdeführer lebt von der staatlichen Grundversorgung, hat einen Deutschkurs besucht und die A1-Prüfung abgelegt.

Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Weitere maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

1. Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt. Leiter der Exekutive ist der iranische Staatspräsident, seit August 2013 Dr. Hassan Rohani, der vom Volk in direkten Wahlen auf vier Jahre gewählt und vom Revolutionsführer bestätigt wird. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Juni 2013 statt. Der Staatspräsident bildet ein Kabinett; das Parlament muss den einzelnen Ministern zustimmen und kann ihnen das Vertrauen auch wieder entziehen. Auch das Parlament wird auf vier Jahre direkt vom Volk gewählt. Sowohl Parlament als auch Regierung haben legislatives Initiativrecht. Als Kontrollinstanz fungiert im Gesetzgebungsverfahren der "Wächterrat" (bestehend aus sechs vom Revolutionsführer ausgewählten islamischen Rechtsgelehrten und sechs vom Parlament bestellten juristischen Experten), der auch über weitreichende Befugnisse der Verfassungsauslegung und bei der Vorauswahl der Kandidaten bei Parlaments-, Präsidentschafts- und Expertenratswahlen verfügt. Der "Schlichtungsrat" fungiert im Gesetzgebungsverfahren als vermittelndes Gremium und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 6.2016a, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Volk hat am 26. Februar 2016 das Parlament und den Expertenrat gewählt. Während Letzterer weiterhin stark konservativ dominiert ist, ist das neue Parlament deutlich zentristischer als zuvor. Der wiedergewählte traditionell-konservative Parlamentspräsident Larijani und Teile seiner Unterstützer haben sich im Zuge des Konflikts um die Verabschiedung des Nuklearabkommens im letzten Sommer der Regierung sichtbar angenähert. Die pragmatische Unterstützung Rohanis durch Larijani dürfte sich auch in Zukunft fallabhängig wiederholen und wirkt insgesamt systemstabilisierend. Weiterhin zeigen institutionelle Vetorechte des konservativen Establishments der Regierung Rohani und ihrer innenpolitischen Agenda von mehr Bürgerrechten und mehr Freiheiten Grenzen auf. Die Regierung Rohani ist überdies weiterhin bestrebt, den Iran aus seiner außenpolitischen Isolierung herauszuführen. Wichtige Grundlage hierfür war der Abschluss des Nuklearabkommens. Die Revolutionsgarden (IRGC) bleiben militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor im Gefüge der Islamischen Republik. Sie begrenzen die Macht des Staatspräsidenten in grundsätzlichen Fragen. Es gelang der Regierung, den dramatischen Rückgang der Wirtschaftsaktivität seit 2011 aufzuhalten, die Inflation auf unter 10 % zurückzufahren und die Währung zu stabilisieren (AA 8.12.2016).

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami / Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer, seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran; Abk.: IRGC) und damit auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Für die entscheidenden Fragen der Islamischen Republik ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2016).

Ausschließlich politische Parteien und Fraktionen, die sich dem Establishment und der Staatsideologie als loyal erweisen, ist es erlaubt, im Iran zu arbeiten. Reformistische Parteien und Politiker sind seit 2009 immer wieder unter Druck geraten (FH 2017).

Das Parlament, der Expertenrat sowie der Präsident werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Dabei sind Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 8.12.2016, vgl. IPG 27.1.2014). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Parteien [im westeuropäischen Verständnis] gibt es in Iran nicht. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Aufgrund der schwierigen Lage der reformorientierten Opposition unterstützt diese im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems Islamische Republik angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 8.12.2016).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft:

Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte im Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden; insbesondere für einige religiöse Minderheiten, wie die Bahai, und Journalisten wird eher von einer Verschlechterung der Situation im Jahr 2015 ausgegangen. Dies zeigt sich gegenwärtig etwa in der Vorlage einer Gesetzesnovelle für das Medienrecht, welche die Meinungsfreiheit von Journalisten weiter einschränkt. (ÖB Teheran 10.2016).

Die Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern dauern im Iran schon fast vierzig Jahre an. Nie zuvor jedoch disqualifizierten die greisen Kleriker des allmächtigen Wächterrates so viele Bewerber bei einer Parlamentswahl [26.2.2016] wie diesmal. Sieben lange Wochen dauerte das Ringen hinter den Kulissen, sieben kurze Tage der eigentliche Wahlkampf. Am Ende kam auf den Stimmzetteln ein Reformkandidat auf 30 Hardliner. Landesweit lag die Zahl der zugelassenen Politiker, die für eine Öffnung der Islamischen Republik eintreten, bei kümmerlichen 200 und damit sogar unterhalb der Gesamtmenge von 290 Wahlkreisen. Und trotzdem erteilte das Volk den durch beispiellose klerikale Machtwillkür dezimierten Mitstreitern des moderaten Präsidenten Hassan Rohani ein eindeutiges Mandat. In der 16-Millionen-Metropolregion Teheran eroberten die Reformer sämtliche Sitze. In der Provinz verschoben sich ebenfalls die Gewichte, wenn auch nicht so fundamental wie in der Hauptstadt. Doch die lähmende Dominanz der Erzkonservativen ist vorbei. Die Mehrheit der Iraner zeigte auf dem Stimmzettel, dass sie dem Ende des Atomkonflikts zustimmt und für mehr Offenheit und Pluralität im Inneren votiert. Hassan Rohani, der den Wahltag zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, ist gestärkt. Er kann künftig bei der Regierungsbildung freier agieren. Zudem sind die Hardliner durch diese Niederlage mit ihrem Ziel gescheitert, den Handlungsspielraum des Präsidenten in einer möglichen zweiten Amtszeit ab 2017 einzuschränken. Nun aber hat Rohani gute Chancen, während der ersten Neuwahl eines Revolutionsführers in der Geschichte der Islamischen Republik Präsident zu sein. Machthaber Ali Chamenei ist betagt [76 Jahre] und hat [Prostata]Krebs. 2009 verhinderten er und seine erzkonservative Gefolgschaft den Ansturm der Reformer mit einer Unterdrückungskampagne. Doch seit dem Atomkompromiss verschieben sich die innenpolitischen Gewichte massiv. Das Volk will nach dem außenpolitischen Aufbruch nun auch die Umsetzung der Reformen im Inneren. 2013 bei seiner Wahl hatte Rohani den Bürgern sogar eine Grundrechtecharta in Aussicht gestellt, die die Willkürmacht der islamischen Herrschaft begrenzen soll. Gut zwei Jahre hielten die 81 Millionen Iraner still und ertrugen die Betonfraktion, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den Atomstreit lösen würde. Die Zahl der Hinrichtungen stieg auf ein Rekordniveau, politische Aktivisten und sogar Musiker wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Zeitungen geschlossen. Entsprechend lang ist die politische, soziale und kulturelle Forderungsliste der Menschen für die nächsten beiden Jahre - angefangen von Pressefreiheit und Parteienvielfalt bis hin zur Freilassung aller politischen Häftlinge, allen voran der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, die damaligen Präsidentschaftsbewerber Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi. Ob Rohani diese Erwartungen erfüllen kann, ist ungewiss (Zeit Online 29.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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AA - Auswärtiges Amt (6.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Iran/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2017

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FH - Freedom House (2017): Freedom in the World 2017, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/iran, Zugriff 25.4.2017

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IPG - Internationale Politik und Gesellschaft (27.1.2014): Wer jetzt Druck fordert, versteht den Iran nicht!

http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/wer-jetzt-an-druck-glaubt-versteht-den-iran-nicht-244/, Zugriff 13.3.2017

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ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

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Zeit Online (29.2.2016): Neue Aufgabe für den Meisterstrategen, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/iran-wahl-parlament-reformer-hassan-ruhani, Zugriff 13.3.2017

2. Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 10.5.2017b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 10.5.2017b, vgl. BMEIA 10.5.2017).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und kurdischen Separatistenorganisation wie PJAK und DPIK, mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am 6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMeiA 10.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.5.2017b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IranSicherheit.html, Zugriff 10.5.2017

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BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/iran-de.html, Zugriff 10.5.2017

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.5.2017): Reisehinweise Iran, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/iran.html, Zugriff 10.5.2017

3. Verbotene Organisationen

Zu den militanten separatistischen Gruppen im Iran zählen insbesondere die kurdisch marxistische Komalah-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet. Im Jahr 2015 wurden mehrere Todesurteile gegen Angehörige dieser Vereinigungen ausgesprochen (AA 8.12.2016).

An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den vielen Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen außerhalb des Regimes stehenden oppositionellen Gruppen. Der Spielraum für außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen allumfassenden Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.): Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisation so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen auf Grund diffuser Strafrechtstatbestände ("regimefeindliche Propaganda", "Beleidigung des Obersten Führers" etc.). Darüber hinaus werden Angehörige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen, etwa Drogendelikten. Im Frühling 2016 wurde ein Gesetz zu politischen Verbrechen erlassen, welches zwar eine Sonderbehandlung für politische Häftlinge einführt (eigene Gefängnisse, keine Gefängniskleidung), den Begriff "politisches Vergehen" aber sehr offen definiert, weshalb weiter willkürliche Verfolgung zu befürchten ist. Statistiken zur Zahl der politischen Gefangenen sind nicht verfügbar. Es wird aber von mehr als 1.000 politischen Gefangenen ausgegangen, wobei diese Zahl auch Menschen, die wegen ihrer religiösen Überzeugung festgehalten werden, beinhaltet (ÖB Teheran 10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

3.1. Volksmudschaheddin (Mudjahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People's Mojahedin Organisation of Iran - PMOI)

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO, "iranische Volksmudschahedin") gilt im Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von 17.000 IranerInnen verantwortlich gemacht wird. Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten wurde von iranischer Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten als moharebeh (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 10.2016).

Es handelt sich um eine linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, um sich gegen den Schah zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegen die klerikalen Führer. Die Führung in Teheran macht die Gruppierung für Tausende Morde an iranischen Zivilisten und Beamten verantwortlich. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten die Volksmudschaheddin ihr Camp in den Irak. Nach der US-geführten Invasion des Irak 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde, wurde die Gruppierung entwaffnet. 2012 strichen die USA die Volksmudschaheddin von ihrer Terrorliste, was von Teheran scharf verurteilt wurde. Nun hat der iranische Botschafter im Irak verlautbart, dass der Iran bereit sei, hunderte Mitglieder der Volksmudschaheddin zu amnestieren, die niemanden getötet haben oder gegen die keine Gerichtsverfahren anhängig sind. 423 Personen, die keine rechtlichen Probleme im Iran haben, können laut dem Botschafter in den Iran zurückkehren. Das sind ca. 14% der geschätzten 3.000 Mitglieder, die im Exil im Camp Liberty nahe Bagdad leben (Dailystar 19.3.2014, vgl. Global Security o.D., ACCORD 7.2015).

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin im Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad bei der US-Invasion im Irak ist durch die Amerikaner passiert. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in Teheran betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK-Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen. Diese Behauptung wird von AkademikerInnen und anderen Iran-ExpertInnen bestritten. Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD 9.2013).

Die MEK ist im Iran verboten und wird von den iranischen Behörden als feindlich eingestuft, obwohl es in den letzten Jahren keine gewalttätigen Aktionen der MEK im Iran gab. Momentan konzentriert sich die MEK auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Der Iran führt eine Liste mit ca. 100 MEK-Unterstützern (hauptsächlich Anführern), die nicht in den Iran zurückkehren können, da sich das Interesse der Behörden auf sie richten würde. In Bezug auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung für die MEK gibt es widersprüchliche Informationen. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik zu stürzen, und die iranische Regierung und der Sicherheitsapparat die MEK als die am meisten ernstzunehmende regimekritische Organisation betrachten. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen. Die MEK hat keine große Basis im Iran und auch die Untergrundbewegung ist klein. Nur einige MEK-Aktivisten sind im Iran aufhältig (ACCORD 7.2015).

Angehörige und Sympathisanten der als terroristische Organisation eingestuften MKO werden verfolgt und sind Repressalien ausgesetzt. Regimekritische Iraner werden häufig der MKO-Mitgliedschaft bezichtigt, um eine Verurteilung zu begründen. Allgemeingültige Aussagen zum Strafmaß für MKO-Anhänger können nicht getroffen werden. Nach Art. 88 des fünften Strafgesetzbuches (Tazirat) droht eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren Haft und bis zu 74 Peitschenhiebe bei Straftaten gegen die innere und äußere Sicherheit des Staates oder die Grundlagen der Staatsform der Islamischen Republik oder gegen Ehre, Leben und Besitz der Bevölkerung, wenn diese Straftat von einer Vereinigung von zwei oder mehr Personen geplant worden ist, sofern die Straftaten nicht unter den "Kampf gegen Gott" oder "Korruption auf Erden" fallen. Im "Camp Liberty" am Bagdader Flughafen leben zurzeit ca. 2.200 Exiliraner. Aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der MKO und der Verfolgung durch das iranische Regime sind sie im Verlauf der letzten 25 Jahre in den Irak geflohen und gruppierten sich ursprünglich über die Jahre in Camp Ashraf. Inzwischen sind die Bewohner des Camps Ashraf im Rahmen eines durch die VN-Mission UNAMI vermittelten Prozesses nach Camp Liberty umgezogen, wo sie auf ihre Umsiedlung in sichere Drittstaaten warten (AA 9.12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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ACCORD (9.2013): Iran COI compilation, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1384784380_accord-iran-coi-compilation-september-2013-corrected-2013-11-18.pdf, Zugriff 25.4.2017

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ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi-compilation-july-2015.pdf, Zugriff 25.4.2017

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Dailystar (19.3.2014): Iran says ready to pardon hundreds of exiled dissidents,

http://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2014/Mar-19/250726-iran-says-ready-to-pardon-hundreds-of-exiled-dissidents.ashx#axzz2wDdV1c7H, Zugriff 25.4.2017

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Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO), http://www.globalsecurity.org/military/world/para/mek.htm, Zugriff 25.4.2017

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ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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