Entscheidungsdatum
05.06.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2193565-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.04.2018, Zl. 1182309806-180183401, beschlossen:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz
BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
Der aus Afghanistan stammende, minderjährige Beschwerdeführer, stellte am 20.02.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Einer Eurodac-Treffermeldung zufolge hat der Beschwerdeführer am
19.10.2017 in Ungarn um Asyl angesucht (HU1................vom
19.10.2017).
Im Zuge seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.02.108 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, in Österreich oder einem anderen EU-Staat keine Familienangehörigen zu haben. Er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen; gesundheitliche Probleme wurden nicht vorgebracht. Zum Reiseweg befragt, gab der Beschwerdeführer an, die Heimat vor ca viereinhalb Jahren verlassen zu haben und sich in der Folge drei Jahre im Iran aufgehalten zu haben. In weitere Folge sei er über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt. Der Beschwerdeführer habe in Bulgarien, in Serbien und in Ungarn jeweils Behördenkontakt gehabt und sei in diesen Ländern auch erkennungsdienstlich behandelt worden. Er habe in Bulgarien und in Ungarn um Asyl angesucht. In Ungarn habe der Beschwerdeführer einen "positiven Asylstatus" erhalten; der Stand des Verfahrens in Bulgarien sei ihm nicht bekannt. In Bulgarien habe der Beschwerdeführer nicht bleiben wollen, da Flüchtlinge dort nicht gut behandelt würden. In Ungarn habe der Beschwerdeführer nicht bleiben wollen, da er dort 3 Monate in einem Lager gewesen sei. Es habe ihm nirgendwo in den durchreisten Ländern gefallen. Nach Bulgarien und nach Ungarn wolle der Beschwerdeführer nicht zurückkehren; er habe immer schon nach Österreich kommen wollen. Falls er nicht in Österreich bleiben dürfe werde er nach Deutschland weiterreisen.
Beim Beschwerdeführer wurde ein Konvolut an ungarischen Dokumenten/Unterlagen gefunden, welche in Kopie im Akt erliegen.
Am 26.02.2018 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Informationsersuchen gemäß Art 34 Dublin III-VO an Bulgarien. Dies unter Bekanntgabe der Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinem Reiseweg und seinem Aufenthalt in Bulgarien (AS 179). Am selben Tag richtete das Bundesamt ein gleichlautendes Informationsersuchen gemäß Art 34 Dublin III-VO an Ungarn (AS 185).
Mit Schreiben vom 02.03.2018 teilte die bulgarische Dublinbehörde mit, dass in den bulgarischen Systemen keine Informationen den Beschwerdeführer betreffend vorliegen würden. Auch ein Fingerabdruckvergleich habe zu keinem Ergebnis geführt; der Genannte sei in Bulgarien nicht bekannt (AS 197).
Am 21.03.2018 teilte die ungarische Dublinbehörde mit, dass dem Beschwerdeführer am 27.12.2017 subsidiärer Schutz in Ungarn zuerkannt worden sei. Eine durchgeführte Altersfeststellung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei (AS 209).
Am 30.03.2018 erging eine Ladung hinsichtlich der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt am 06.04.2018. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde mitgeteilt, das beabsichtigt sei, den Asylantrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen, da dieser in Ungarn Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Eine Einvernahme vor dem Bundesamt unterblieb in der Folge infolge Untertauchens des Beschwerdeführers.
Mit Bescheid vom 13.04.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der Beschwerdeführer nach Ungarn zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG werde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs 1 Z 1 FPG angeordnet. Demzufolge sei gemäß § 61 Abs 2 FPG dessen Abschiebung nach Ungarn zulässig (Spruchpunkt II.).
Zusammengefasst wurde im Bescheid ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Es könne nicht festgestellt werden, dass schwere psychische Störungen oder schwere Erkrankungen bestehen würden. Der Beschwerdeführer sei in Ungarn subsidiär Schutzberechtigt. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Ungarn systematischen Misshandlungen bzw Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten hätte. In Österreich verfüge der Beschwerdeführer nicht über familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe nicht. Seit 03.04.2018 sei der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts. Der maßgebliche Sachverhalt stehe aber auch ohne Durchführung eines weiteren Parteiengehörs festgestanden.
Zur Lage in Ungarn wurden folgende Feststellungen getroffen (Stand Juni 2016):
Schutzberechtigte
Im März 2016 wurde ein Paket von Änderungen zum ungarischen Asylgesetz präsentiert, dessen Ziel es war, Verschärfungen bei der Versorgung von AW und Schutzberechtigten durchzusetzen. Zentraler Punkt ist dabei der Aspekt, dass Schutzberechtigte zwar ein Recht auf dieselben sozialen Leistungen haben sollen, wie ungarische Staatsbürger, jedoch darüber hinaus nicht bessergestellt werden sollen. Demgemäß sollen weder Asylwerber noch Inhaber eines Schutzstatus ein Recht auf jedwede Art von Barzuschüssen haben. Die Änderungen traten am 1.4.2016 in Kraft und sind ab 1.6.2016 umzusetzen. Relevante Punkte der sogenannten "Integration Care" sind die Abschaffung des Integrationsvertrages (d.h. keine Mehrzahlungen für Integration, Spracherwerb etc.) und Einführung automatischer Kontrolle des Schutzstatus (subsidiärer wie auch internationaler Schutz (Fortbestehen der Asylgründe und Überprüfung von Integrationsfortschritten) alle 3 Jahre. Bedürftige Schutzberechtigte dürfen 30 Tage nach Statuszuerkennung im Aufnahmezentrum bleiben (bisher 60 Tage). Nicht sozialversicherte Schutzberechtigte sollen hinkünftig für 6 Monate das Recht auf medizinische Versorgung haben (bisher 12 Monate). Wohnkostenzuschuss und Ausbildungszuschuss für Schutzberechtigte werden gestrichen, ebenso Streichung der finanziellen Unterstützung für Geduldete. Die ungarische Regierung sieht dies lediglich als Anpassung an Regelungen, wie sie in Westeuropa bereits gelten. In Ungarn gibt es diverse NGOs, Sozialzentren etc., die kostenlos Leistungen anbieten (z.B. Sprachkurse), aber es besteht auf solche Unterstützung kein Rechtsanspruch (VB 11.3.2016; VB 4.4.2016; vgl. FRA 6.2016; HHC 15.6.2016).
Geduldete können in der Gemeinschaftsunterkunft Balassagyarmat untergebracht werden (AIDA 11.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles, Forum Refugiés-Cosi, the Hungarian Helsinki Committee and the Irish Refugee Council (11.2015): National Country Report Hungary,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hu_update.iv__0.pdf, Zugriff 30.6.2016
-
FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):
Monthly data collection on the current migration situation in the EU. June 2016 monthly report,
http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 30.6.2016
-
HHC - Hungarian Helsinki Committee (15.6.2016): Hungary: Recent legal amendments further destroy access to protection, April-June 2016,
http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-Hungary-asylum-legal-amendments-Apr-June-2016.pdf, Zugriff 30.6.2016
-
VB des BM.I in Ungarn (11.3.2016): Auskunft des BAH, per E-Mail
-
VB des BM.I in Ungarn (4.4.2016): Auskunft des VB, per E-Mail
Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der zusammengefasst vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei. Auch in Österreich sei der Beschwerdeführer als Minderjähriger geführt und diesem die ARGE Rechtsberatung als gesetzliche Vertreterin zur Seite gestellt worden. Die Erstbefragung habe jedoch ohne Beisein eines Rechtsberaters stattgefunden. In der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer angegeben, in Ungarn drei Monate in einem geschlossenen Lager angehalten worden zu sein; trotz seiner Minderjährigkeit habe sich in Ungarn niemand um den Beschwerdeführer gekümmert. Über die Abmeldung aus der Grundversorgung sei die gesetzliche Vertreterin nicht informiert worden. Die gesetzliche Vertreterin habe keine Mitteilung zur beabsichtigten Zurückweisung des Asylantrags des Beschwerdeführers erhalten und sei dieser auch kein LIB zu Ungarn übermittelt worden. Es habe kein Parteiengehör zur beabsichtigten Überstellung nach Ungarn stattgefunden. Der Bescheid sei ausschließlich aufgrund der Aktenlage erlassen worden. Gerade im Fall eines Minderjährigen sei es besonders wichtig, Parteiengehör im Beisein eines gesetzlichen Vertreters zu gewähren. Es wären die Vorkommnisse in Ungarn und das Kindeswohl genau zu prüfen und dem Beschwerdeführer Parteiengehör im Beisein seines gesetzlichen Vertreters zu gewähren gewesen. Das Verfahren sei jedenfalls grob mangelhaft gewesen. Die Behörde habe das Parteivorbringen zur Gänze ignoriert. Der Behörde sei insbesondere auch vorzuwerfen, dass sie sich in keinster Weise damit auseinandergesetzt habe, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei. Sie habe es vollkommen unterlassen, eine Kindeswohlprüfung durchzuführen, welches immer vorrangig zu berücksichtigen sei. Bei der Würdigung des Kindeswohls seien u.a. das Wohlergehen und die soziale Entwicklung zu berücksichtigen. Wichtige Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls seien insbesondere auch eine angemessene Versorgung mit Nahrung, medizinischer Betreuung und Wohnraum sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes sowie etwa auch die Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität. Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner schlechten Behandlung in Ungarn sei von der Behörde nicht gewürdigt worden. Die Behörde habe überhaupt unterlassen, die notwendigen Ermittlungen zu tätigen, die für die Beurteilung des Kindeswohls von Relevanz seien (Aufnahme und Unterbringung in Ungarn, Gefahr weiterer Misshandlungen in Ungarn, psychische Folgen bei Abschiebung in ein Land, wo der Beschwerdeführer nicht hin wolle etc). Der Beschwerdeführer sei als Minderjähriger als besonders vulnerabel anzusehen. Dass der Beschwerdeführer trotz seiner Minderjährigkeit 3 Monate angehalten worden sei, widerspreche eindeutig dem Schutz der Kinderrechte. Seine Außerlandesbringung stehe dem Kindeswohl entgegen und sei nach vorliegendem Ermittlungsstand unzulässig. Generell sei zu den herangezogenen Länderfeststellungen anzumerken, dass diese nicht aktuell sondern eindeutig veraltet seien. Dies vor allem vor dem Hintergrund von drastischen Änderungen im Asylwesen in Ungarn in letzter Zeit. Die Situation von Schutzberechtigten finde sich lediglich in einem kurzen Absatz. Demnach würden Schutzberechtigte etwa keine Zuschüsse für Wohnkosten oder Ausbildung bekommen; unklar sei auch die Regelung hinsichtlich der medizinischen Versorgung, va ob Schutzberechtigte nach sechs Monaten noch Anspruch auf medizinische Leistungen hätten oder nicht. Da es sich beim Beschwerdeführer als unbegleitetem Minderjährigen um eine besonders vulnerable Person handle, hätte die Behörde konkret prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer in Ungarn angemessen und kindgerecht versorgt werden würde. Es gehe aus dem Bescheid auch nicht hervor, ob trotz Zuerkennung subsidiären Schutzes in Ungarn noch ein Verfahren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als Teilmenge eines Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz noch offen sei. Sollte dies der Fall sein, wäre die Dublin-VO anzuwenden. Hingewiesen wurde auf thematisch entsprechende Vorabentscheidungsersuchen deutscher Gerichte (etwa C-517/17). Die Beantwortung der Fragen sei auch für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.04.2018 wurde der Beschwerde gem. § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Eingabe vom 02.05.2018 teilte die Behörde mit, dass Dänemark am 17.04.2018 ein Konsultationsverfahren mit Österreich eingeleitet habe, nachdem der Beschwerdeführer dort um internationalen Schutz angesucht hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:
§ 4a AsylG lautet:
Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs 5 gilt sinngemäß.
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
...
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes
im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen.
Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Im gegenständlichen Beschwerdefall ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl grundsätzlich davon aus, dass der Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückzuweisen sei, da der Beschwerdeführer in Ungarn subsidiären Schutz erhalten hat.
Die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist jedoch auf der Grundlage eines ergänzungsbedürftigen Verfahrens ergangen, weshalb, wie im Folgenden näher dargelegt wird, eine Behebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zu erfolgen hatte:
Die Behörde hat es nämlich unterlassen, Ermittlungen anzustellen und darauf aufbauende Feststellungen zur Situation von (unbegleiteten) minderjährigen Schutzberechtigungen in Ungarn zu treffen. Die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderberichte stammen aus Juni 2016. Abgesehen von der mangelnden Aktualität der Länderfeststellungen ist festzuhalten, dass sich diese Länderberichte in keinster Weise mit der Situation unbegleiteter minderjähriger Schutzberechtigter auseinandersetzen. Dies betrifft insbesondere die Unterbringungssituation, die Frage der Obsorge, die Möglichkeit des Spracherwerbs, die Möglichkeit des Schulbesuchs bzw der beruflichen Ausbildung. Vor allem auch in Hinblick auf die vom Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung geäußerten - von der Behörde jedoch unbeachtet gebliebenen - Kritik, dass sich in Ungarn (nach der Entlassung aus dem Lager) niemand um ihn gekümmert habe und den Ausführungen in den Länderberichten, wonach Schutzberechtigte keine Zuschüsse für Wohnkosten oder Ausbildung bekommen würden, stellt dies einen gravierenden Mangel dar. Das Fehlen entsprechender Ermittlungen und valider Feststellungen hiezu ist gegenständlich besonders schwerwiegend, als es sich beim Beschwerdeführer um einen unbegleiteten Minderjährigen und somit um eine besonders vulnerable Person handelt. Unklar bleiben nach den Länderberichten auch die Regelungen hinsichtlich der medizinischen Versorgung, va ob (minderjährige) Schutzberechtigte nach sechs Monaten noch Anspruch auf medizinische Leistungen beanspruchen können oder nicht.
In diesem Zusammenhang ist auch - wie die Beschwerde richtig aufzeigt - festzuhalten, dass die Prüfung des Kindeswohls fallgegenständlich zur Gänze unterblieben ist. Bei der Würdigung des Kindeswohls wäre insbesondere auch auf eine adäquate Unterbringung und eine angemessene Versorgung mit Nahrung und medizinischer Betreuung des Minderjährigen in Ungarn Bedacht zu nehmen gewesen. In die Beurteilung hätte auch einzufließen gehabt, ob dem minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten Beschwerdeführer in Ungarn die Möglichkeit eines Schulbesuchs bzw einer beruflichen Ausbildung offen steht. Im Bescheid fehlen gänzlich Feststellungen zum Alter des Beschwerdeführers und letztlich auch Erwägungen zur Frage, ob eine Außerlandesbringung des Beschwerdeführers dem Kindeswohl entgegensteht.
Die Behörde wird im fortgesetzten Verfahren auch zu ermitteln haben, ob das Asylverfahren des Beschwerdeführers in Ungarn bereits zur Gänze abgeschlossen ist oder ob etwa die "Teilmenge Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft" noch offen ist. Aus dem Akteninhalt (Antwort Ungarns vom 21.03.2018 auf das Informationsgesuchs Österreichs) geht nicht explizit hervor, ob das Asylverfahren des Beschwerdeführers in Ungarn bereits zur Gänze erledigt ist; dies zur Klärung einer möglichen Anwendbarkeit der Dublin III-VO.
Die Behörde wird sohin im fortgesetzten Verfahren - unter ordnungsgemäßer Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters des unbegleiteten minderjährigen Beschwerdeführers bzw eines entsprechend Obsorgeberechtigten, somit unter Vermeidung von Verfahrensfehlern - eine neue Entscheidung zu treffen haben, welcher insbesondere aktuelle Feststellungen zur Lage von (unbegleiteten) minderjährigen Schutzberechtigten in Ungarn zugrunde zu legen sein wird.
Hinzuweisen ist auch auf die vom deutschen Bundesverwaltungsgericht eingeleiteten Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu den Zahlen C-517/17 und C-297/17, welche sich mit auch fallgegenständlich relevanten Fragen beschäftigen.
Eine mündliche Verhandlung konnte gem. § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG idgF unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W185.2193565.1.01Zuletzt aktualisiert am
14.06.2018