Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
EO §35;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des M L in W, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Mag. Gernot Götz, Rechtsanwalt in 9800 Spittal an der Drau, Kirchgasse 4a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 19. Mai 1999, Zl. KUVS-K1-303/3/99, betreffend Vollstreckung einer Geldstrafe wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 1. Dezember 1998 wurde gemäß Art. 9 Abs. 6 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, (im Folgenden als "Vertrag" bezeichnet) über den vom Beschwerdeführer erhobenen Widerspruch gegen das Bestehen, die Höhe und die Vollstreckbarkeit der mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 28. Oktober 1997 wegen Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 verhängten Geldstrafe zuzüglich Verfahrenskosten von insgesamt S 2.750,-- dahin entschieden, dass der Widerspruch als unbegründet abgewiesen und zugleich festgestellt wurde, dass das angeführte Straferkenntnis vom 28. Oktober 1997 keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug unterliege.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Mit Beschluss vom 24. November 1999 teilte der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des Verwaltungsverfahrens mit, dass für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides folgende, einer Partei bisher nicht bekannt gegebene Gründe maßgebend sein könnten:
"Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 30. Juni 1999, Zl. 99/03/0042) stellen Entscheidungen über Einwendungen im Sinne des Art. 9 Abs. 6 des Vertrages, die nach österreichischem Recht zu erledigen sind, zwar keine Vollstreckungsverfügungen im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG dar; als solche sind nämlich nur Verfügungen von Vollstreckungsbehörden anzusehen, die im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergehen und unmittelbar die Durchführung der Vollstreckung zum Gegenstand haben. Die Entscheidungen über die genannten Einwendungen zählen vielmehr zu den im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens ergehenden verfahrensrechtlichen Bescheiden, für welche jedoch sowohl die Zuständigkeitsregelungen des VVG als auch - hinsichtlich einer Geldstrafe zumindest soweit sie die Vollstreckung des zu vollstreckenden Anspruches betreffen - die Vorschriften über den zweigliedrigen Instanzenzug gelten.
Danach geht die Berufung an den Landeshauptmann, sofern es sich aber um eine Angelegenheit im selbständigen Wirkungsbereich des Landes handelt, an die Landesregierung. Die demnach zuständige Behörde entscheidet endgültig (§ 10 Abs. 3 zweiter und dritter Satz VVG).
Auf dem Boden dieser Rechtslage könnte die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid unzuständig gewesen sein. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen sind keine "Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 EO", die gemäß § 3 Abs. 2 zweiter Satz VVG bei der Stelle einzubringen sind, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist, wobei sich diese Zuständigkeitsnorm nicht nur auf die Entgegennahme der Einwendungen, sondern auch auf deren materielle Erledigung erstreckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Slg. Nr. 12 278/A); dies deshalb, weil die Einwendungen nicht "auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind" (§ 35 Abs. 1 EO). Es handelt sich bei diesen Einwendungen auch nicht um einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung, der nach der hg. Rechtsprechung (vgl. neben dem schon angeführten Erkenntnis vom 23. Oktober 1986 auch das Erkenntnis vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0224) hinsichtlich des Verfahrens und des Instanzenzuges den für das Titelverfahren geltenden Vorschriften unterliegt.
Der angefochtene Bescheid könnte daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behaftet sein."
Der Beschwerdeführer vertrat in seiner Stellungnahme zu diesem Beschluss die Auffassung, dass die belangte Behörde zur Entscheidung über die von ihm eingebrachte Berufung "jedenfalls" unzuständig sei; die belangte Behörde kam in ihrer Stellungnahme zum Ergebnis, dass sowohl sie als auch die erstinstanzliche Behörde zur Entscheidung nicht zuständig gewesen seien. "Wäre aber eine Zuständigkeit der Titelbehörde gemäß Art 9 Abs 6 des Vertrages gegeben, wäre die Titelbehörde, die vorliegend ja auch rechtshilfeersuchende Behörde ist, auch entscheidungspflichtig und unterliegt der Instanzenzug den für das Titelverfahren geltenden Vorschriften."
Auf Grund dieser Stellungnahmen sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass, von der im angeführten Beschluss vom 24. November 1999 skizzierten Rechtsprechung abzuweichen.
Zur Klarstellung sei bemerkt, dass die Vorschriften des § 10 Abs. 3 VVG hinsichtlich des zweigliedrigen Instanzenzuges für Entscheidungen über Einwendungen im Sinne des Art. 9 Abs. 6 des Vertrages dann gelten, wenn die Zuständigkeitsregelungen des VVG nichts anderes vorsehen, wie dies etwa bei Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 EO oder bei Anträgen auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung der Fall ist, über welche die Titelbehörde nach den hinsichtlich des Verfahrens und des Instanzenzuges für das Titelverfahren geltenden Vorschriften zu entscheiden hat. Ein derartiges von der Titelbehörde zu behandelndes Vorbringen hat der Beschwerdeführer aber in den von ihm erhobenen Einwendungen nicht erstattet.
Über die vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingebrachte Berufung wäre somit gemäß § 10 Abs. 3 zweiter Satz VVG vom Landeshauptmann zu entscheiden gewesen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Februar 2000
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Organisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999030307.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
12.10.2011