Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §38 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die außerordentliche Revision des F P in P, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Jänner 2018, W178 2149288-1/3E, betreffend Gesamtpension (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter - BVA Pensionsservice), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht seit 1. August 2016 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund.
2 Mit Bescheid vom 25. Jänner 2017 stellte die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde unter Verweis auf die §§ 3 bis 7, 58, 61 in Verbindung mit 69, 88, 90 bis 94 und 99 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340, fest, dass dem Revisionswerber ab 1. August 2016 eine Gesamtpension von monatlich brutto EUR 2.899,53 gebühre.
3 In seiner dagegen erhobenen Beschwerde führte der Revisionswerber aus, dass er bei der Dienstbehörde die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags zur Berücksichtigung seiner vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Lehrzeit von drei Jahren beantragt habe. Eine positive Entscheidung hätte auch Auswirkung auf die Höhe der Pension.
4 Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis keine Folge und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Es begründete sein Erkenntnis damit, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Berechnung der Leistung (Ruhegenuss und weitere Bestandteile der Gesamtpension) - einschließlich der herangezogenen Ruhegenussvordienstzeiten - der Rechtslage "einschließlich dem EU-Recht" entspreche. Dafür verwies es auf das Urteil des Gerichtshofs (erste Kammer) vom 16. Juni 2016, C- 159/15, wonach die Nichtberücksichtigung von Lehr- und Beschäftigungszeiten, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt worden seien, bei der Festsetzung der Ruhegehaltsansprüche ehemaliger Beamter dem EU-Recht, konkret der Richtlinie 2000/78/EG, nicht widerspreche.
5 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, der vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs liege ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Im Vorabentscheidungsverfahren zu C-159/15 sei es darum gegangen, ob vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte Zeiten überhaupt als Ruhegenussvordienstzeiten (§§ 53 f PG 1965) zu berücksichtigen seien. Demgegenüber gehe es im gegenständlichen Verfahren darum, dass auf Basis eines laufenden Verfahrens über die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags die Anrechnung seiner Lehrzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres zu erfolgen habe, woraus eine frühere Vorrückung in die jeweils höhere Gehaltsstufe resultieren würde. Ihm stünden somit monatlich höhere Bezüge zu, sodass sich auch die für die Pensionsbemessung relevante Bemessungsgrundlage erhöhen würde, sodass ihm im Endergebnis auch ein höherer Pensionsbezug zustehen würde.
8 Dem Bundesverwaltungsgericht wäre es gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG in Ermangelung einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren über die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages frei gestanden, die Vorfrage eigenständig zu beurteilen und das Ergebnis diesem Verfahren zu Grunde zu legen, oder aber bis zu einer Entscheidung im Verfahren über die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages zuzuwarten (Hinweis auf VwGH 30.4.2014, 2013/12/0220). Die gegenständlich getroffene Entscheidung orientiere sich jedoch an einer sachverhaltsfremden Rechtsprechung und sei somit verfehlt.
9 Da eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur innerhalb von zehn Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung möglich sei und sein verfahrenseinleitender Antrag bereits über sieben Jahre zurück liege, sei die Bekämpfung der gegenständlichen Entscheidung auch aus diesem Gesichtspunkt geboten. Die angefochtene Entscheidung sei offenbar gesetzwidrig und widerspreche auch der gesamten Judikatur zur Bemessung des Ruhebezugs auf Basis der gebührenden Aktivbezüge (Hinweis auf VwGH 30.5.2006, 2003/12/0037).
10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
11 § 4 Abs. 1 Z 1 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340, in der Fassung dieser Ziffer nach der durch die Dienstrechts-Novelle 2013, BGBl. I Nr. 210/2013, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2014 erfolgten Novellierung lautet:
"Ruhegenußberechnungsgrundlage
§ 4. (1) Die Ruhegenussberechnungsgrundlage ist wie folgt zu ermitteln:
1. Für jeden nach dem 31. Dezember 1979 liegenden Monat der ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit, für den ein Pensionsbeitrag nach den jeweils geltenden Bestimmungen zu leisten ist oder war (Beitragsmonat), ist die Bemessungsgrundlage für den Pensionsbeitrag (Beitragsgrundlage) nach § 22 des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54, in der jeweils geltenden Fassung zu ermitteln wobei anstelle der besoldungsrechtlichen Stellung (§ 22 Abs. 2 Z 1 GehG) die tatsächliche Besoldung maßgebend ist. Sonderzahlungen und anspruchsbegründende Nebengebühren bleiben dabei außer Betracht."
12 Wenn der Revisionswerber sich zur Zulässigkeit seiner Revision auf die Rechtsprechung zur Bemessung des Ruhebezugs auf Basis der gebührenden Aktivbezüge beruft, von der das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis abgewichen sei, übersieht er die oben dargestellte Novellierung durch die Dienstrechts-Novelle 2013. Danach kommt es bei der Ermittlung der Ruhegenussberechnungsgrundlage nicht mehr auf den - aufgrund der besoldungsrechtlichen Stellung - gebührenden Aktivbezug an, sondern es ist vielmehr die tatsächliche Besoldung maßgebend.
13 In diesem Zusammenhang stellt sich daher keine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG, welche die Pensionsbehörde eigenständig zu beurteilen hätte. Die Pensionsbehörde hat ihrer Bemessung vielmehr die tatsächliche Besoldung zugrunde zu legen und nicht selbständig eine allenfalls gebührende Besoldung zu ermitteln (vgl. dazu ferner auch VwGH 24.2.2010, 2009/12/0121, zur beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit nach § 115d Abs. 2 Z 2 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984), BGBl. Nr. 302/1984).
14 Die in der Revision in den Raum gestellte Gefahr einer Versäumung der im Dienstrechtsverfahren zehn Jahre betragenden absoluten Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrags (§ 69 Abs. 2 AVG iVm § 14 Abs. 4 DVG) ist ebenfalls nicht zu besorgen. Im Falle einer nachträglichen Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags und der sich daraus ergebenden besoldungsrechtlichen Stellung durch die Dienstbehörde, ändert sich, wenn dies - unter Rücksicht auf die Verjährungsbestimmungen -
zu einer Nachzahlung führt, dadurch auch die tatsächliche Besoldung in den von der Nachzahlung betroffenen Monaten. Damit wäre jedoch die Rechtskraft des hier gegenständlichen Feststellungsbescheids über die gebührende Gesamtpension durchbrochen (siehe zu den Grenzen der Rechtskraft und dem Ende der Feststellungswirkung VwGH 9.9.2016, Ro 2015/12/0025, Rn. 90 und 132, mwN; 24.2.2010, 2009/12/0121). Neu entstandene Tatsachen, also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhalts die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheids nicht entgegensteht (VwGH 21.9.2000, 98/20/0564, mwN).
15 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 9. Mai 2018
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova productaRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018120014.L00Im RIS seit
12.06.2018Zuletzt aktualisiert am
19.11.2018