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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision des D P in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 10. Mai 2017, Zl. LVwG-1- 294/2016-R11, betreffend Verfall nach § 52 Abs. 4 Datenschutzgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich des ausgesprochenen Verfalls der Micro SD Speicherkarte der Marke "memory zone", wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (belangte Behörde) vom 5. Februar 2016 wurde über den Revisionswerber als Auftraggeber im Sinn des § 4 Z 4 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) wegen drei Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit dem nicht gemeldeten Betrieb einer Videoüberwachung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1, 6 und 7 DSG 2000 eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt EUR 650,-
verhängt. Unter einem wurde gemäß § 52 Abs. 4 DSG 2000 eine Micro SD Speicherkarte der Marke "memory zone" für verfallen erklärt.
2 Dem Revisionswerber wurde vorgeworfen, er habe es jeweils unterlassen, die Videoüberwachung mittels zweier Videokameras vor Aufnahme der Datenanwendung an die Datenschutzbehörde zu melden, die aufgezeichneten Daten spätestens nach 72 Stunden zu löschen sowie jeden Verwendungsvorgang zu protokollieren. Der Revisionswerber habe die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen in objektiver und subjektiver Weise zu verantworten.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Mai 2017 wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Dem Revisionswerber wurde die Bezahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 130,- auferlegt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
4 Das Verwaltungsgericht stellte - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - fest, der Revisionswerber habe als Inhaber eines Gastgewerbebetriebes in einem Raum eine Videoüberwachung eingerichtet, ohne dies der Datenschutzbehörde zu melden. Die Videoaufzeichnungen seien auf einer Speicherkarte digital gespeichert und (zumindest teilweise) nicht nach 72 Stunden gelöscht worden. Zudem sei die Verwendung der Daten nicht lückenlos protokolliert worden. Das Verwaltungsgericht sah den Revisionswerber als datenschutzrechtlichen Auftraggeber und die jeweiligen Straftatbestände als verwirklicht an. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Videoüberwachung mit Willen und Wissen des Revisionswerbers eingerichtet worden sei. Die Verantwortung des Revisionswerbers, eine Protokollierung sei mangels Verwendung der Daten unterblieben, erachtete das Verwaltungsgericht als nicht glaubhaft.
5 Zum Verfall hielt das Verwaltungsgericht wie folgt fest:
"Im Straferkenntnis wurde der Verfall jener Speicherkarte ausgesprochen, auf der die Videoaufzeichnungen gespeichert waren.
Die Strafe des Verfalls von Datenträgern und Programmen sowie Bildübertragungs- und Bildaufzeichnungsgeräten kann ausgesprochen werden (§§ 10, 17 und 18 VStG), wenn diese Gegenstände mit einer Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 oder 2 in Zusammenhang stehen (§ 52 Abs. 4 DSG 2000).
Auf der für verfallen erklärten Speicherkarte befinden sich nicht gelöschte Aufzeichnungen aus einer Videoüberwachung. Dieser Datenträger steht im Zusammenhang mit Übertretungen nach § 52 Abs. 2 DSG 2000. Die Behörde war daher berechtigt, den Verfall auszusprechen."
6 Abschließend erfolgten Ausführungen zur Strafbemessung, in denen das Verwaltungsgericht die sich am untersten Rand des Strafrahmens bewegenden Strafen als angemessen erachtete.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung der Revision, in eventu deren Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Vorauszuschicken ist zunächst, dass das angefochtene Erkenntnis mit der vorliegenden Revision ausdrücklich nur "im Umfang des bestätigten Verfalls der Micro Speicherkarte ,memory zone' angefochten" wird. Die übrigen Spruchpunkte bleiben - so die Revision - unbekämpft. Auf die dem Revisionswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sowie die verhängten Geldstrafen war daher nicht weiter einzugehen.
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Erwägungen bei Ermessensentscheidungen nachvollziehbar darzulegen seien, damit eine Überprüfung der Ermessensübung auf ihre Gesetzmäßigkeit erfolgen könne (Verweis auf VwGH 16.5.2006, 2005/05/0376). Es bedürfe nachvollziehbarer Darlegungen, warum der Verfall aus spezial- und generalpräventiven Gründen notwendig sei. Der Hinweis des Verwaltungsgerichtes, die Behörde sei berechtigt gewesen, den Verfall der Speicherkarte auszusprechen, stelle keine Begründung für die Notwendigkeit des Ausspruchs des Verfalls dar.
11 Die Revision ist im Hinblick darauf zulässig und auch berechtigt.
12 § 52 DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 83/2013, lautet auszugsweise:
"Verwaltungsstrafbestimmung
§ 52. ...
...
(4) Die Strafe des Verfalls von Datenträgern und Programmen sowie Bildübertragungs- und Bildaufzeichnungsgeräten kann ausgesprochen werden (§§ 10, 17 und 18 VStG), wenn diese Gegenstände mit einer Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 oder 2 in Zusammenhang stehen.
..."
13 § 52 Abs. 4 DSG 2000 räumt der Behörde hinsichtlich der Wahl dieses Strafmittels Ermessen ein. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es hinsichtlich der Ermessensübung nachvollziehbarer Darlegungen, die dem Verwaltungsgerichtshof eine (wenn auch nur eingeschränkt erfolgende) Überprüfung dahin, ob das Ermessen im Sinn des Gesetzes geübt wurde, ermöglichen (siehe zum Verfall bzw. zur Wahl des Strafmittels VwGH 16.5.2006, 2005/05/0376; 26.5.1977, 1957/76; sowie zur Strafbemessung VwGH 11.1.2018, Ra 2017/02/0136; 3.12.1992, 91/19/0169). Der vorliegend im angefochtenen Erkenntnis ins Treffen geführte Umstand, dass der Datenträger mit den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen in Zusammenhang stehe, ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung und kann daher nicht zugleich Determinante für die Ermessensübung sein. Eine darüber hinausgehende Begründung für den Ausspruch des Verfalls enthält das angefochtene Erkenntnis nicht. Eine nachvollziehbare Überprüfung der Ermessensübung anhand der Ausführungen des Verwaltungsgerichtes dahingehend, ob der Verfallsausspruch notwendig bzw. verhältnismäßig war (siehe zu letzterem Wessely, in Raschauer/Wessely (Hrsg.), VStG2 § 17 Rz. 6), ist somit nicht möglich.
14 Soweit die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung darauf verweist, sie habe in ihrer Entscheidung den Verfall der Speicherkarte deshalb als notwendig erachtet, weil weiterhin Missbrauchsgefahr bestehe und um den Revisionswerber von zukünftigen ähnlichen Vergehen abzuhalten, ist darauf zu verweisen, dass sich die tragenden Überlegungen des Verwaltungsgerichtes aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst zu ergeben haben (siehe VwGH 2.9.2015, Ra 2015/02/0115, mwN).
15 Dem derart geltend gemachten Begründungsmangel kann eine Relevanz auch nicht abgesprochen werden, zumal nach dem Vorbringen des Revisionswerbers eine "Gefährlichkeit" der Speicherkarte nicht vorliege, weil die auf einer Speicherkarte gespeicherten Daten in wenigen Sekunden gelöscht werden könnten (vgl. zur Einziehung nach § 26 Abs. 1 StGB das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 5. Juli 2012, 13 Os 32/12y).
16 Ausgehend davon war das Erkenntnis im angefochtenen Umfang des ausgesprochenen Verfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG aufzuheben.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. Mai 2018
Schlagworte
Ermessen VwRallg8Begründung von ErmessensentscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040080.L00Im RIS seit
14.06.2018Zuletzt aktualisiert am
10.07.2018