TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/23 99/09/0110

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Veröffentlicht am 23.02.2000
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §125a Abs3 idF 1998/I/123;
BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §43 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes bei der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 16. April 1999, Zl. 101/7-DOK/98, betreffend Freispruch in einer Disziplinarsache (mitbeteiligte Partei: R in Purbach am See, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenbegehren des Disziplinaranwaltes wird abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist Beamter des Entminungsdienstes und der Abteilung II/17 des Bundesministeriums für Inneres zugeteilt. Die Dienstbehörde erstattete mit Schreiben vom 22. April 1998 gegen den Mitbeteiligten Disziplinaranzeige. Dem Mitbeteiligten sei am 11. April 1998 der Führerschein "infolge übermäßigen Alkoholgenusses" abgenommen worden. Dieses außerdienstliche, verwaltungsstrafgesetzlich strafbare Verhalten habe zum Verlust "einer für die Ausübung als Beamter des Entminungsdienstes notwendigen Berechtigung (Führerschein) geführt". Durch das außerdienstliche Fehlverhalten gefährde der Bedienstete die Einsatzfähigkeit des Entminungsdienstes, da nur Mitarbeiter, die auch ein Kraftfahrzeug zu lenken berechtigt seien, vollwertig eingesetzt werden können. Es bestehe die Vermutung, der Mitbeteiligte habe durch sein Verhalten gegen seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (idF: BDG 1979), nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen. Dies auch unter dem Aspekt, dass er im Bereich des Bundesministeriums für Inneres im Entminungsdienst tätig sei und daher im Hinblick auf die Notwendigkeit zur Benützung eines Kraftfahrzeuges im Rahmen der Bearbeitung sprengstoffhältiger Gegenstände und den allfälligen Transport besonders sensibler Güter bezüglich der Einhaltung kraftfahrrechtlicher Bestimmungen einer besonderen Sorgfaltspflicht unterliegt.

Im rechtskräftigen Einleitungsbeschluss vom 26. Mai 1998 ist unter anderem ausgeführt, der Beamte gefährde durch das außerdienstliche Fehlverhalten die Einsatzfähigkeit des Entminungsdienstes, da nur Mitarbeiter, die auch ein Kraftfahrzeug zu lenken berechtigt sind, vollwertig eingesetzt werden könnten. Er unterliege im Hinblick auf die Notwendigkeit zur Benützung eines Kraftfahrzeuges im Rahmen der Bearbeitung sprengstoffhältiger Gegenstände und des allfälligen Transportes sensibler Güter einer besonderen Sorgfaltspflicht. Es bestehe der Verdacht, der Mitbeteiligte habe seine Dienstpflichten gemäß § 91 BDG verletzt und gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen.

Mit Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 28. Mai 1998 wurde der Disziplinarkommission mitgeteilt, dass über den Mitbeteiligten wegen der Verletzung des § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 rechtskräftig eine Geldstrafe von S 12.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) verhängt worden sei. Aus dem beigelegten Strafakt ergibt sich einerseits, dass der Bestrafung ein Lenken eines Kraftfahrzeuges zugrunde lag, wobei der Mitbeteiligte einen Atemluftalkoholgehalt von 0,65 mg/l aufwies. Der Führerschein wurde anlässlich dieser Amtshandlung am 11. April 1998 vorläufig abgenommen und dem Mitbeteiligten das weitere Lenken von Fahrzeugen untersagt.

Der rechtskräftige Verhandlungsbeschluss vom 2. Juli 1998 gleicht inhaltlich dem Einleitungsbeschluss.

In der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission rechtfertigte sich der Mitbeteiligte damit, dass sein Lenken in alkoholbeeinträchtigtem Zustand ein einmaliger Vorfall gewesen sei. Es habe sich aus der Vorbereitung eines Festes ergeben. Die Fahrt habe sich "zwingend ergeben, da dort kein Taxi fährt". Zur dienstlichen Notwendigkeit des Besitzes einer Lenkerberechtigung für Beamte des Entminungsdienstes gab der Mitbeteiligte an, er sei "die drei Monate während der FS-Abnahme" als Beifahrer gefahren. Es habe sich kein Problem ergeben, denn "wir sind immer mehrere Personen". Der Vorfall habe keine dienstlichen Auswirkungen gehabt. Seit er "den FS wieder habe", lenke er auch wieder Dienstkraftfahrzeuge. Es gebe "auch jetzt noch Kollegen, die keinen passenden FS haben".

Im Protokoll findet sich mitten in der Wiedergabe des Vorbringens des Mitbeteiligten der Satz: "Die Vertrauensperson bestätigt die Antwort."

In der mündlichen Verhandlung wandte der Disziplinaranwalt nichts gegen die Rechtfertigungsangaben des Mitbeteiligten ein.

Mit dem Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz vom 22. Oktober 1998 wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, am 11. April 1998 um 0.40 Uhr in Donnerskirchen ein näher bestimmtes Kraftfahrzeug alkoholisiert gelenkt zu haben, was zu seiner Führerscheinabnahme und in weiterer Folge zu einer Geldstrafe wegen der Verletzung des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO in der Höhe von S 12.000,-- geführt habe. Er habe gegen seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen. Es wurde gemäß § 95 Abs. 3 iVm § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Strafe abgesehen und kein Kostenersatz auferlegt. Die Behörde erster Instanz führte hiezu aus:

"Der persönliche Eindruck, den der Senat während der Verhandlung vom Beschuldigten gewinnen konnte, spricht für eine Einmaligkeit des Vorfalls. Wenn auch sicherlich Beeinträchtigungen der Einsatzfähigkeit des Entminungsdienstes während der Zeit, in der der Beschuldigte keinen Führerschein hatte, gegeben waren, können diese sicherlich nicht sehr groß gewesen sein. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass der Beschuldigte während dieser Zeit von seinen Dienstvorgesetzten für seine ausgezeichnete Tätigkeit anlässlich der Entschärfung einer Bombe für eine Auszeichnung vorgeschlagen wurde. Der Beschuldigte ist also nach dem Vorfall der ihm obliegenden besonderen Sorgfaltspflicht während seiner Tätigkeit nachgekommen.

Der Senat verkennt jedoch nicht die Tatsache, dass der Beschuldigte ein Fahrzeug im alkoholisierten Zustand gelenkt hat. Der Beschuldigte ist zwar kein Exekutivbeamter, insbesondere im Hinblick auf seine Tätigkeit muss man jedoch von ihm erwarten, dass er ein derartiges - auch von einem anderen Staatsbürger nicht geduldetes und mit Sanktionen bedrohtes - Verhalten nicht setzt, sondern gerade darin Vorbildwirkung zeigt. Die vom Beschuldigten angebotene Rechtfertigung, die Fahrt sei auf Grund der Organisation eines Festes dringend notwendig gewesen und in der dortigen Umgebung sei kein Taxidienst vorhanden, ist nach Ansicht des Senates nicht dazu geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die rechtmäßige Aufgabenerfüllung des Beschuldigten zu erhalten. Der Beschuldigte hat daher seine Dienstpflichten gemäß § 91 BDG verletzt und gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen, wonach der Beamte verpflichtet ist, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 ist, wenn von der Verfolgung nicht abgesehen wird, dann, wenn sich eine verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichten abzuhalten. Es war daher gem. § 95 Abs. 3 iVm. § 115 BDG von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abzusehen und allein ein Schuldspruch zu fällen. Der generalpräventive Aspekt ist nach Ansicht des erkennenden Senates durch die verwaltungsbehördliche Strafe gewährleistet. Als mildernd war die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten anzusehen sowie seine Schuldeinsicht, als erschwerend kein Umstand."

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob nur der Disziplinaranwalt Berufung, die im Wesentlichen folgendermaßen begründet wurde:

"Bereits in der Disziplinaranzeige ist klar und unmissverständlich ausgeführt, dass der, wenn auch nur zeitweilige Verlust der Lenkerberechtigung Gruppe B eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstes darstellt.

Die vom erkennenden Senat ungeprüft übernommene Behauptung des Beschuldigten, wonach immer mehrere Entminer gemeinsam unterwegs sind und sich daher keine dienstlichen Auswirkungen des Vorfalles ergeben hätten, ist falsch und entspricht nicht dem Dienstalltag beim Entminungsdienst. Eine derartige Behauptung der Vertrauensperson, die offensichtlich als Zeuge befragt wurde, erfüllt, sollte sie tatsächlich so aufgestellt worden sein, den Tatbestand der falschen Zeugenaussage und wäre gem. § 84 StPO von der Disziplinarbehörde von Amts wegen wahrzunehmen. Entgegen § 124 (8) BDG hat sich der erkennende Senat in diesem Punkt über den Wortlaut der Disziplinaranzeige hinweggesetzt und ausschließlich auf Grund der Aussage des Beschuldigten und der angeblichen Bestätigung des als Vertrauensperson anwesenden Personalvertreters entschieden. Warum vom erkennenden Senat offenbar unterlassen wurde, das Verfahren gem. § 124 (8) BDG kurzzeitig zu unterbrechen und einen informierten Vertreter des Entminungsdienstes (EMD), z.B. den Leiter der Abteilung II/17, der nur einige Türen weiter sein Büro hat, zum Sachverhalt zu befragen, ist dem gefertigten Disziplinaranwalt nicht nachvollziehbar.

Eine derartige Einvernahme des Abteilungsleiters oder des technischen Referenten des Entminungsdienstes hätte nämlich ergeben, dass Entminer überwiegend alleine unterwegs sind, was bei einem bundesweiten Personalstand von 16 Mann schlüssig ist. Bei den Einsatzstellen in Graz und Linz, die die westlichen und südlichen Bundesländer betreuen, wird überwiegend von 1 Mann Dienst versehen.

Bei besonders schwierigen Entminungsaktionen, wie der vom Beschuldigten angesprochenen Vorfall in Wr. Neustadt, rücken tatsächlich mehrere Beamte aus. Ein solcher Bombenfund stellt jedoch eine ganz schwierige Ausnahmesituation dar, und die Beseitigung dieser Gefahr war Anlass des Auszeichnungs- und Belohnungsantrages. Schon aus diesem Antrag ergibt sich die Außergewöhnlichkeit dieses Ereignisses, da ja sonst bei jeder Entschärfungstätigkeit ein Belohnungsantrag zu stellen wäre. Der erkennende Senat hat in Verkennung der Tatsachen dieses Vorbringen derart gewürdigt, als er daraus ableitete, dass Entminer immer gemeinsam ausrücken.

Zum Belohnungs- und Auszeichnungsantrag ist zu bemerken, dass ein Ausschluss des Beschuldigten einer Maßnahme gem. § 121 (e) BDG gleichzusetzen wäre und in keinem Zusammenhang zur Dienstpflichtverletzung des Beschuldigten zu sehen ist.

Würde man der Argumentation des Beschuldigten, wonach eine Lenkerberechtigung für einen Entminer entbehrlich ist, folgen, ergäbe dies die Konsequenz, dass Entminer mit Fahrer zu ihren Einsatzorten zu befördern wären. Im Übrigen haben alle Entminer eine Berechtigung zum Lenken von Gefahrenguttransporten. Die Behauptung des Beschuldigten, dass einige Beamte des Entminungsdienstes keine 'passende' Lenkerberechtigung hätten, ist wahrscheinlich so zu verstehen, dass nicht alle eine Lenkerberechtigung der Gruppe C (Lastwagen) oder E (Anhänger) besitzen. Für die Einsatzfahrzeuge des Entminungsdienstes (VW-Pritschenfahrzeuge) ist nur die Lenkerberechtigung 'B' erforderlich, sodass diesem Argument bezüglich einer Entlastung von der Dienstpflichtverletzung nichts abgewonnen werden kann.

Außerdem besitzt lediglich ein Beamter aus Gesundheitsgründen nicht die Lenkerberechtigung der Gruppe C und nicht einige."

Der Mitbeteiligte erstattete hiezu eine Gegenäußerung.

In der Folge erließ die belangte Behörde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. April 1999. Sie gab der Berufung des Disziplinaranwaltes keine Folge und änderte das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis dahingehend ab, dass der Mitbeteiligte von der gegen ihn erhobenen Anschuldigung gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen werde.

Die belangte Behörde begründete nach Wiedergabe von Teilen des hg. Erkenntnisses vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418, ihre Entscheidung im Wesentlichen mit Auszügen aus dem Kommentar von Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten2, Seite 117 ff. Sie verneinte mit folgender Begründung, dass das angelastete Verhalten des Mitbeteiligten eine Dienstpflichtverletzung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 darstelle:

"Der Disziplinarbeschuldigte ist ein Beamter der allgemeinen Verwaltung, konkret ein Beamter des Entminungsdienstes, dessen vornehmliche Aufgabe darin besteht, sprengstoffverdächtige Gegenstände zu entschärfen bzw. zu beseitigen. Die Aufgaben des öffentlichen Sicherheitsdienstes - wie z.B. die Ahndung von Übertretungen der StVO - zählen nicht zu seinem Aufgabengebiet. Diese sind vielmehr den dafür speziell ausgebildeten Exekutivbeamten vorbehalten, welcher Berufsgruppe der Beschuldigte - wie bereits erwähnt - jedoch nicht angehört.

Ist aber das Vorliegen eines besonderen Funktions(Dienst)bezuges im vorliegenden Fall zu verneinen, ist lediglich noch zu prüfen, ob das dem Beschuldigten angelastete Verhalten derart schwerwiegend ist, dass es für sich allein geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu beseitigen (allgemeiner Funktionsbezug).

Das in Rede stehende außerdienstliche Verhalten des Beschuldigten ist aber mit den in den Erläuternden Bemerkungen zur RV zum BDG 1979 angeführten Beispielen besonders krasser Fälle außerdienstlichen Verhaltens nicht zu vergleichen. Insbesondere kann in casu nicht von einem Trunkenheitsexzess die Rede sein.

Eine Rückwirkung dieses Verhaltens auf den Dienst des Beschuldigten dahingehend, er werde seine dienstlichen Aufgaben nicht in sachlicher (rechtmäßiger, korrekt und unparteiisch sowie in uneigennütziger) Weise erfüllen, kann sohin in Anbetracht der oben aufgezeigten Rechtslage nicht angenommen werden.

Das angelastete Verhalten stellt daher keine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 dar.

Die Abnahme der Lenkerberechtigung für mehrere Monate stellt eine administrative Maßnahme dar, der keine disziplinäre Relevanz zukommt. Denn allfällige, dadurch hervorgerufene Beeinträchtigungen des Dienstbetriebes wären von der Dienstbehörde durch zielführende Korrekturmaßnahmen zu beseitigen gewesen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Disziplinaranwaltes. Der Beschwerdeführer rügt die Unterlassung der Einholung der in der Berufung genannten Beweismittel. Als Rechtswidrigkeit des Inhalts macht der Beschwerdeführer einen (besonderen) Funktionsbezug der Tat im Wesentlichen mit den schon wiedergegebenen Argumenten der Dienstbehörde und der Berufung geltend. Er fügte hinzu:

"... zieht die Disziplinaroberkommission ohne weitere Begründung den Schluss, dass das Vorliegen eines besonderen Funktions(Dienst)bezuges im vorliegenden Fall zu verneinen sei.

Dieser Rechtsansicht kann wohl schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie zu dem obskuren und vom Gesetzgeber wohl nicht gewünschten Ergebnis führen müsste, dass aus der großen Bandbreite von Beamten mit unterschiedlichsten dienstlichen Aufgabenstellungen ausschließlich jene der Verpflichtung gemäß § 43 (2) BDG 1979 unterliegen würden, deren Aufgabe darin besteht, das von ihnen selbst verletzte Rechtsgut zu schützen, ja sogar mit der weiteren Einschränkung, dass es sich um Beamte des öffentlichen Sicherheitsdienstes handeln müsse.

In ihrer rechtlichen Beurteilung des Funktionsbezuges übersieht die Disziplinaroberkommission vollends den Umstand, dass die Bevölkerung darauf vertrauen können muss, dass ein Beamter des Entminungsdienstes, insbesondere beim Transport von Sprengmitteln nicht nur alle Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, sondern auch darüber hinausgehende Sicherheitsvorschriften genauestens einhält und daher bestimmte allgemeingefährliche Verhaltensweisen, wie das Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand, jedenfalls unterlassen wird. Dieses Vertrauen wird aber wohl im gegebenen Fall in besonderer Weise beeinträchtigt."

Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

§ 43 Abs. 2 BDG fordert die Sachlichkeit der Amtsführung. Unter einer sachlich ausgeübten Tätigkeit versteht der Sprachgebrauch eine solche, die der "Sache", dem "Gegenstand" der Tätigkeit entspricht und sich ausschließlich auf das "Wesentliche" bezieht. Beim Beamten kommt es auf die sachliche "Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben" an; da diese jedoch sehr weitgehend durch die Rechtsordnung bestimmt sind, wird durch § 43 Abs. 2 BDG in erster Linie das Vertrauen in die rechtmäßige Aufgabenerfüllung geschützt sein. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung rechtmäßig vorgehen werde, und damit seine "Glaubwürdigkeit" einbüßt.

Die genannten Rückschlüsse können von einem Verhalten gezogen werden, das mit dem Aufgabenbereich des Beamten in konkretem Zusammenhang steht. Dabei kann ein Bezug zu den besonderen Aufgaben des jeweiligen Beamten bestehen. Die Pflicht zur Vertrauenswahrung wird daher für die einzelnen Beamtengruppen unterschiedliche Konturen gewinnen (besonderer Funktionsbezug). Es kann jedoch auch ein allgemeiner Bezug zu jenen Aufgaben bestehen, die jedem Beamten zukommen. Insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (allgemeiner Funktionsbezug; vgl. Kucsko-Stadlmayr, Das Disziplinarrecht der Beamten2, S. 117).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418, Folgendes ausgeführt:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hiedurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1982, Zl. 82/09/0046 = Slg. N.F. Nr. 10.864/A; vom 14. November 1983, Zl. 82/12/0156; vom 29. Juni 1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A).

Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabl/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten2, Fußnote 17 zu § 43 BDG, S 7 f). Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das außerdienstliche Verhalten des Beamten an die Öffentlichkeit gedrungen ist oder nicht, spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle. Bei der Prüfung, ob ein außerdienstliches Verhalten dem Beamten diesen Dienstbezug aufweist, ist ein strengerer Maßstab (nicht bloßes geringfügiges Fehlverhalten) anzulegen als bei dienstlichem Fehlverhalten. Dies folgt aus der mit dem Wortlaut zu vereinbarenden Absicht des Gesetzgebers, die disziplinarrechtliche Verantwortung des Beamten für den außerdienstlichen Bereich (Freizeitverhalten) einzuschränken. In diesem Sinn wird in den Erläuternden Bemerkungen in der Regierungsvorlage zum BDG 1979, 11 der Beil. Sten. Prot. des NR, XV. GP zu § 43 (S 85) ausgeführt, im Gegensatz zur Dienstpragmatik und zur Lehrerdienstpragmatik, die die Verletzung von Amts- und Standespflichten unter disziplinäre Sanktion stellten, sei nach dem BDG nur mehr die Verletzung von Dienstpflichten disziplinär zu ahnden. Der in der DP und in der LDP enthaltene Gesetzesbefehl zur Wahrung des Standesansehens habe häufig zu einem Eindringen des Staates in die Privat- und Intimsphäre von Beamten geführt. Dies solle in Hinkunft grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Dies solle allerdings nicht bedeuten, dass sich der Begriff 'Dienstpflichten' ausschließlich auf das Verhalten des Beamten in Ausübung seines Dienstes beschränke und die Disziplinarbehörde nicht in besonders krassen Fällen auch das außerdienstliche Verhalten zu überprüfen hätte."

Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst oder ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, stellt die Judikatur grundsätzlich darauf ab, ob der Schutz des betreffenden Rechtsguts zu den Berufspflichten des Beamten gehört. Damit wird der Bemerkung in den Erläuternden Bemerkungen zum BDG 1979 Rechnung getragen, § 43 Abs. 2 BDG wolle in das außerdienstliche Verhalten des Beamten nur "in besonders krassen Fällen" eingreifen. Der damit gewählte Bezugspunkt führt dazu, dass etwa an das Verhalten von Sicherheitswachebeamten insoweit besonders qualifizierte Anforderungen gestellt werden, als diese im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben idR zum Schutz von Verletzungen des gesamten StGB sowie von Großteilen des Verwaltungsstrafrechts berufen sind und von ihnen zu erwarten ist, dass sie die darin geschützten Rechtsgüter nicht verletzen (vgl. Kucsko-Stadlmayer, aaO, S. 117 bis 120 mwN).

Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch ein Verhalten außer Dienst auf Grund der im besonderen Aufgabengebiet des zu beurteilenden Beamten gelegenen Umstände die genannten Bedingungen für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 erfüllen kann. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Umstände in ihrer Art, Ausgestaltung und Gewichtung eine einem besonderen Funktionsbezug vergleichbare Konstellation bilden. Zu Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, es dürfe nicht zum Ergebnis kommen, dass aus der großen Bandbreite von Beamten mit unterschiedlichsten dienstlichen Aufgabenstellungen ausschließlich jene der Verpflichtung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 unterlägen, deren Aufgabe im Schutz des von ihnen selbst verletzten Rechtsgutes liegt.

Bereits in der Disziplinaranzeige wurden Umstände aufgezeigt, die den besonders hohen Stellenwert eines korrekten Verhaltens bei dem zur Dienstausübung notwendigen Lenken von Dienstkraftfahrzeugen eines Beamten des Entminungsdienstes gerade im Hinblick auf den Transport gefährlicher Gegenstände aufzeigen.

Zwar hat die Behörde erster Instanz in der mündlichen Verhandlung den gegenteiligen Ausführungen des Beschwerdeführers und der "Bestätigung" dieser Angaben durch die Vertrauensperson (offen bleibt hiebei, ob diese als Zeuge vernommen wurde) geglaubt und der Disziplinaranwalt hat in der Verhandlung diesbezüglich keinen Gegenantrag gestellt.

Mit der Berufung des Disziplinaranwaltes wurde allerdings in ausreichend konkreter Weise der Stellenwert des notwendigen Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Ausübung des Dienstes des Mitbeteiligten im Hinblick auf die von ihm notwendigerweise zur Diensterfüllung durchzuführenden Fahrten mit dem Dienstkraftfahrzeug im Straßenverkehr (samt Transport gefährlicher Gegenstände) erneut aufgezeigt. In der Berufung wurde auch ein konkreter Beweisantrag gestellt (Einvernahme des Leiters der Abteilung II/17, Entminungsdienst).

Träfen die Angaben des Disziplinaranwaltes in der Berufung (die im Wesentlichen in der Beschwerde wiederholt werden) zu, so könnte nicht mehr ohne Weiteres davon ausgegangen werden, es liege im konkreten Fall keine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG vor. Denn in diesem Fall stünde das gegenständliche außerdienstliche Verhalten des Mitbeteiligten in engem Zusammenhang mit seinem konkreten Aufgabenbereich und käme somit einem besonderen Funktionsbezug nahe.

Gemäß § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 kann die Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrags von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen, wenn der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Diese Bestimmung beruht auf der ersten Dienstrechtsnovelle 1998 mit Wirkung ab 1. Juli 1997, BGBl. I Nr. 123/1998. Die Erläuterungen (20. GP, RV 1258, AB 1321) führen hiezu aus, dass der nunmehr "zutreffender" gefasste Entfallsgrund für die mündliche Verhandlung des § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 "beispielsweise dann nicht anwendbar" ist, "wenn in der Berufung die Sachverhaltsfeststellungen der Disziplinarkommission bestritten werden." Indem die belangte Behörde die Bedeutung des dem Mitbeteiligten zugewiesenen Aufgabenbereiches in Erfüllung seines Dienstes im Zusammenhang mit der Beurteilung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung und ihrer dienstlichen Auswirkung verkannte und dementsprechend weitere Ermittlungen samt Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem auf Verkennung der Rechtslage beruhenden sekundären Verfahrensmangel.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Antrag auf Kostenzuspruch des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil gemäß § 47 Abs. 4 VwGG in den Fällen (u.a.) des Art. 131 Abs. 2 B-VG für den Beschwerdeführer und die belangte Behörde kein Aufwandersatz stattfindet.

Wien, am 23. Februar 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999090110.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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