Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision der M K in W, vertreten durch Dr. Franz A. Höfer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 40, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 3. Mai 2017, VGW-151/086/3497/2017- 4, betreffend Aufenthaltsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine russische Staatsangehörige, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Schüler" gemäß § 63 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), gültig bis zum 18. August 2016.
2 Mit Bescheid vom 2. Februar 2017 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Antrag der Revisionswerberin vom 11. August 2016 auf Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung ab. Die belangte Behörde ging - mit näherer Begründung - davon aus, dass der erforderliche Schulerfolg nicht vorliege und die besondere Erteilungsvoraussetzung nach § 63 Abs. 3 NAG somit nicht erfüllt sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. Mai 2017 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin seit dem Wintersemester 2015 ein näher bezeichnetes Kolleg für Berufstätige besuche. Nach den vorgelegten Semesterzeugnissen seien im Wintersemester 2015/2016 von neun benoteten Gegenständen fünf positiv beurteilt worden, im Sommersemester 2016 seien zwei Gegenstände positiv und neun Gegenstände nicht beurteilt worden. Im Wintersemester 2016/2017 habe die Revisionswerberin Fächer aus dem zweiten Semester wiederholt, sei aber "vom dritten Semester nicht abgemeldet" gewesen.
5 Vorliegend sei - so das Verwaltungsgericht in seinen rechtlichen Erwägungen - das vom 7. September 2015 bis zum 4. September 2016 andauernde Schuljahr das "vorangegangene Schuljahr" im Sinn des § 8 Z 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) und somit maßgeblich. Weiters verwies das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein "positives Schulzeugnis" vorliege, wenn ein Schüler zum Aufstieg berechtigt sei und er sich auf diese Weise ohne Verzögerung der abschließenden Prüfung zu nähern vermöge.
6 Für die gegenständliche Schulform gelange - so das Verwaltungsgericht - das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge (SchUG-BKV) zur Anwendung. Die vorgesehene Ausbildungsdauer betrage vier Semester. Werde ein Studierender in einem oder mehreren Modulen nicht oder mit "nicht genügend" beurteilt, könne er in diesen Modulen außerhalb des lehrplanmäßigen Unterrichts ein Kolloquium ablegen. Gemäß § 26 SchUG-BKV sei ein Studierender zum Aufsteigen in das nächste Semester berechtigt. Eine Ausbildung sei erfolgreich abgeschlossen, wenn jedes Modul positiv beurteilt worden sei. Zusammenfassend hielt das Verwaltungsgericht fest, dass ein Schüler ein Semester zwar freiwillig wiederholen könne, jedoch nicht zum Wiederholen eines Semesters gezwungen sei. Selbst ein Schüler, der in sämtlichen Modulen mit "nicht genügend" (oder nicht) beurteilt werde, sei zum Aufstieg in das nächste Semester berechtigt. Der Schüler habe in der Folge die Möglichkeit, negative Noten durch ein Kolloquium auszubessern.
7 Im Hinblick auf die von der Revisionswerberin vorgelegten Semesterzeugnisse erachtete das Verwaltungsgericht den Nachweis eines Schulerfolgs im Sinn des § 63 Abs. 3 NAG als nicht erbracht. Bei "einer derartigen Häufung von negativen Noten bzw nicht beurteilten Modulen" sei "evident", dass sich der Schüler (hier somit die Revisionswerberin) nicht ohne Verzögerung der abschließenden Prüfung nähern könne. Der fehlende Schulerfolg im Schuljahr 2015/2016 führe dazu, dass die Revisionswerberin auf Grund der nachzuholenden Module am Erlernen des Lernstoffes der weiteren Semester gehindert sei. Dass dies auch tatsächlich der Fall gewesen sei, zeige das ebenfalls vorgelegte Semesterzeugnis für das Wintersemester 2016/2017.
8 Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 2013, 2013/22/0050, ergebe sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes nicht, dass ein Schüler eines Kollegs im Anwendungsbereich des SchUG-BKV von der Erbringung eines Schulerfolgs befreit wäre. Diesbezüglich verwies das Verwaltungsgericht auf die unterschiedlichen Regelungen im SchUG-BKV einerseits und im Schulunterrichtsgesetz (SchUG) andererseits. Während im "konventionellen" Schulsystem ein Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe mit einer negativen Schulnote nur unter strengen Voraussetzungen möglich sei (Verweis auf § 25 SchUG), erfolge ein Aufstieg in das nächste Semester nach § 26 SchUG-BKV automatisch. Würde man annehmen, dass im Anwendungsbereich des SchUG-BKV allein durch den Aufstieg ein Schulerfolg erbracht werde, würde dies zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von Schülern je nach besuchter Schulform führen. Der bloße Aufstieg stelle daher keinen Schulerfolgsnachweis dar. Zudem merkte das Verwaltungsgericht noch an, dass der vorliegende Fall von jenem, der dem Erkenntnis 2013/22/0050 zugrunde lag, abweiche, weil die Revisionswerberin im Wintersemester 2016 das zweite Semester wiederholt habe.
9 Abschließend legte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung noch dar, dass die von der Revisionswerberin in der Beschwerde ins Treffen geführte Erkrankung ihrer Großmutter keinen unabwendbaren oder unvorhersehbaren Hinderungsgrund im Sinn des § 63 Abs. 3 letzter Satz NAG darstelle.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
11 Die belangte Behörde sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, sie habe den Schulerfolg in ausreichender Weise nachgewiesen, weil sie zum Aufstieg in das dritte Semester berechtigt gewesen sei. Von dieser Rechtsprechung sei das Verwaltungsgericht abgewichen.
13 Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig. 14 § 63 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, lautete auszugsweise:
"Schüler
§ 63. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Schüler ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1. ordentliche Schüler einer öffentlichen Schule sind;
...
(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen dem Besuch einer Schule im Sinne des Abs. 1, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis über den Schulerfolg und in den Fällen des Abs. 1 Z 5 darüber hinaus über die Aufnahme als ordentlicher Schüler erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Schulerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden."
15 § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 481/2013, lautete auszugsweise:
"Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen
§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:
...
6. für eine ¿Aufenthaltsbewilligung - Schüler':
...
c) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher
Nachweis der Schule oder der nichtschulischen Bildungseinrichtung über den Schulerfolg im vorangegangenen Schuljahr und in den Fällen des § 63 Abs. 1 Z 5 NAG darüber hinaus über die Aufnahme als ordentlicher Schüler;
..."
16 Die maßgeblichen Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge (SchUG-BKV), BGBl. I Nr. 33/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2016, lauten auszugsweise:
"Kolloquien
§ 23. (1) Jeder Studierende, der in einem oder in mehreren Modulen nicht oder mit ¿Nicht genügend' beurteilt wurde, ist berechtigt, in diesen Modulen außerhalb des lehrplanmäßigen Unterrichtes ein Kolloquium abzulegen.
...
(7) Wegen vorgetäuschter Leistungen nicht beurteilte oder mit ¿Nicht genügend' beurteilte Kolloquien dürfen höchstens zwei Mal wiederholt werden. Die vorstehenden Absätze finden Anwendung.
...
Zeugnisse
§ 24. (1) Dem Studierenden ist am Ende jedes Halbjahres ein Zeugnis über alle in diesem Halbjahr absolvierten Module und auf seinen Antrag ein Zeugnis über sämtliche zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgreich oder nicht erfolgreich abgeschlossene Module auszustellen.
...
Aufsteigen
§ 26. Ein Studierender oder eine Studierende ist zum Aufsteigen in das nächste Semester berechtigt.
...
Erfolgreicher Abschluss
§ 27. (1) Eine Ausbildung, die nicht mit einer abschließenden Prüfung beendet wird, ist erfolgreich abgeschlossen, wenn jedes Modul (vorbehaltlich einer allfälligen Befreiung gemäß § 13 Abs. 4 oder einer Anrechnung gemäß § 30) positiv beurteilt wurde. Alle übrigen Ausbildungen sind mit dem erfolgreichen Abschluss der abschließenden Prüfung erfolgreich abgeschlossen.
...
Wiederholen
§ 28. (1) Ein nicht erfolgreich abgeschlossenes Modul darf auf Antrag höchstens ein Mal in einem weiteren Halbjahr besucht werden. Werden die Leistungen in diesem Modul nach dessen Wiederholung nicht oder mit ¿Nicht genügend' beurteilt, so entfällt die zweite Wiederholungsmöglichkeit eines allenfalls negativ beurteilten Kolloquiums.
...
Beendigung des Schulbesuches
§ 32. (1) Die Eigenschaft als Studierender einer Ausbildung endet:
...
3. mit dem Zeitpunkt, in dem feststeht, dass ein
Studierender im Falle des Weiterbesuches die gemäß § 31 zulässige
Höchstdauer des Schulbesuches überschreitet,
4. mit dem Ende eines Halbjahres, wenn nicht in diesem und
in dem vorangegangenen Halbjahr Module im Mindestausmaß von
10 Wochenstunden erfolgreich abgeschlossen wurden, sofern dies
nicht auf rücksichtswürdige Gründe zurückzuführen ist,
5. mit dem Zeitpunkt, in dem die Leistungen des
Studierenden bei der letztmöglichen Ablegung oder Wiederholung
eines Kolloquiums nicht oder mit ¿Nicht genügend' beurteilt wurden,
6. bei Fernbleiben vom Unterricht mit dem ungenützten
Ablauf der zweiwöchigen Frist seit der Zustellung der
schriftlichen Aufforderung gemäß § 45, sofern diese nicht aus
rücksichtswürdigen Gründen unterblieben ist oder
..."
17 Zunächst ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht zutreffend das Schuljahr 2015/2016 als das im vorliegenden Fall im Sinn des § 8 Z 6 lit. c NAG-DV vorangegangene und somit maßgebliche Schuljahr angesehen hat. Unbestritten ist auch, dass die hier gegenständliche, von der Revisionswerberin besuchte Schulart in den Anwendungsbereich des SchUG-BKV fällt.
18 Weiters ist vorab Folgendes festzuhalten:
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem - ebenfalls den Besuch einer dem SchUG-BKV unterliegenden Schule betreffenden - Erkenntnis vom 25. Oktober 2017, Ra 2017/22/0048, zum Ausdruck gebracht, dass von einem Aufstieg bzw. einem nachgewiesenen Schulerfolg keine Rede sein könne, wenn die (dortige) Revisionswerberin ein (dort das erste) Semester wiederholt habe.
20 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht den fehlenden Nachweis des Schulerfolgs primär damit begründet, dass die vorgelegten Semesterzeugnisse im Hinblick auf die zahlreichen nicht oder mit "nicht genügend" beurteilten Gegenstände nicht als positives Jahreszeugnis angesehen werden könnten. Allerdings merkt das Verwaltungsgericht an einer Stelle "der Vollständigkeit halber" noch an, dass die Revisionswerberin im Wintersemester 2016 das zweite Semester wiederholt habe. Dies zugrunde gelegt wäre die Annahme des fehlenden Schulerfolgs schon im Hinblick auf die Ausführungen im zitierten Erkenntnis Ra 2017/22/0048 und somit ungeachtet der weiteren Begründung des Verwaltungsgerichtes nicht als rechtswidrig zu erkennen.
21 Es ist allerdings für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, auf welche Grundlage das Verwaltungsgericht diese Aussage stützt. Im Rahmen der Feststellungen hat das Verwaltungsgericht festgehalten, die Revisionswerberin habe im "Wintersemester 2016 (drittes Semester)" Fächer aus dem zweiten Semester wiederholt, sei aber "vom dritten Semester nicht abgemeldet" gewesen. Im Anwendungsbereich des SchUG-BKV ist aber für die Frage des Aufstiegs zwischen der Wiederholung eines Semesters und der Wiederholung von Modulen (gemäß § 28 SchUG-BKV) zu unterscheiden (siehe dazu unten Rn. 30). Auch die von ihr vorgelegten, im Verwaltungsakt befindlichen Schulbesuchsbestätigungen legen nahe, dass die Revisionswerberin im Wintersemester 2016/2017 das dritte Semester besucht hat. Ausgehend von der insoweit mangelhaften Begründung des angefochtenen Erkenntnisses vermag dieser Umstand die Abweisung des Verlängerungsantrags somit nicht zu tragen.
22 Das Verwaltungsgericht erachtete es im Hinblick auf die (laut den vorgelegten Semesterzeugnissen) zahlreichen nicht oder mit "nicht genügend" beurteilten Gegenstände als "evident", dass sich die Revisionswerberin nicht ohne Verzögerung der abschließenden Prüfung nähern könne, weil die Revisionswerberin auf Grund des Nachholens der fehlenden Module am Erlernen des neuen Stoffes gehindert sei.
23 Demgegenüber geht die Revisionswerberin davon aus, dass ein ausreichender Schulerfolg vorliege, wenn sie - wie vorliegend der Fall - zum Aufstieg in das nächste Semester berechtigt sei. Da für die Beurteilung des Schulerfolgs ausschließlich das Schuljahr 2015/2016 heranzuziehen sei, habe das Verwaltungsgericht zudem zu Unrecht die Leistungen der Revisionswerberin im noch nicht abgelaufenen Schuljahr 2016/2017 herangezogen. Da sich Schüler in Schulen, die dem SchUG-BKV unterliegen, trotz negativer oder nicht beurteilter Module ohne Verzögerung der abschließenden Prüfung nähern können, sei unklar, warum das Verwaltungsgericht § 63 Abs. 3 NAG für den Fall, dass die Berechtigung zum Aufstieg als Schulerfolg gewertet werde, einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstelle.
24 Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Nachweis eines Schulerfolgs im Sinn des § 63 Abs. 3 erster Satz NAG lässt sich Folgendes entnehmen: Unter Schulerfolg ist grundsätzlich ein positives Jahreszeugnis zu verstehen (VwGH 31.3.2008, 2006/21/0308). Auch dann, wenn in einem Jahreszeugnis einzelne Gegenstände mit "nicht genügend" beurteilt worden sind, ist von einem positiven Schulzeugnis zu sprechen, wenn ein Schüler zum Aufstieg berechtigt ist und er sich auf diese Weise ohne Verzögerung der abschließenden Prüfung zu nähern vermag (siehe VwGH 13.10.2011, 2010/22/0205; 29.5.2013, 2013/22/0050; 7.12.2016, Ra 2016/22/0037). Im zitierten Erkenntnis 2013/22/0050 hat der Verwaltungsgerichtshof auf die Berechtigung zum Aufsteigen in das nächste Semester gemäß § 26 SchUG-BKV hingewiesen und der dort belangten Behörde vorgehalten, sie habe der vorgelegten Bestätigung über den Besuch des nächsten (dort dritten) Semesters zu Unrecht keine Relevanz beigemessen.
25 § 63 Abs. 3 NAG enthält keine weitergehenden Vorgaben betreffend das (Nicht)Vorliegen eines für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Schüler" notwendigen Schulerfolgs. § 8 Z 6 lit. c NAG-DV verlangt lediglich in allgemeiner Form die Vorlage eines schriftlichen Nachweises der Schule über den Schulerfolg im vorangegangenen Schuljahr (anders als die vergleichbare Regelung für die Aufenthaltsbewilligung "Studierender" in § 8 Z 7 lit. b NAG-DV wird dabei nicht auf Bestimmungen verwiesen, die ihrerseits den Erfolgsnachweis an die Ablegung von Prüfungen in einem bestimmten Ausmaß knüpfen; vgl. dazu § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz, BGBl. I Nr. 120/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 131/2015, sowie VwGH 26.2.2013, 2010/22/0127). Der Verwaltungsgerichtshof hat - wie oben dargelegt - das Vorliegen eines positiven Zeugnisses und somit eines Schulerfolgs dann als gegeben angenommen, wenn der Schüler zum Aufstieg berechtigt ist und sich ohne Verzögerung dem Abschluss der Schulausbildung nähern kann. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich mangels eigenständiger Regelungen im NAG anhand der einschlägigen schulunterrichtsrechtlichen Normen (vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 17.12.2009, 2009/22/0005, wonach hinsichtlich der Frage, ob die Aufnahme eines Drittstaatsangehörigen als ordentlicher Schüler zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei, eine selbständige rechtliche Beurteilung durch die Niederlassungsbehörde nicht in Betracht kommt).
26 Maßgeblich für das Vorliegen eines Schulerfolgs sind hier somit die Bestimmungen des SchUG-BKV. § 26 Abs. 1 SchUG-BKV hat bereits in seiner Stammfassung BGBl. I Nr. 33/1997 die grundsätzliche Berechtigung des Studierenden (als solche werden "Schüler" im SchUG-BKV bezeichnet) zum Aufstieg in das nächste Semester vorgesehen, davon allerdings noch Ausnahmen normiert. So war ein Studierender etwa nicht zum Aufstieg berechtigt, wenn er in einem Pflichtgegenstand nicht oder mit "nicht genügend" beurteilt worden ist und keinen positiven Abschluss eines Kolloquiums nachweisen konnte. Die Erläuterungen (RV 383 BlgNR 20. GP, 43) haben zu dieser Regelung Folgendes ausgeführt:
"Der erste Satz des § 26 Abs. 1 normiert einen Grundsatz, der den Charakter dieses Gesetzentwurfes als eine erwachsenengerechte Unterrichtsordnung wesentlich mitprägt. Es wird die besondere Situation des berufstätigen bzw. erwachsenen Studierenden insofern berücksichtigt, als von diesen Studierenden im Hinblick auf die Mehrfachbelastung (Familie - Beruf - persönliche Belastungen - Schule) eine kontinuierliche gleiche Leistung weniger verlangt werden kann, als dies bei Schülern der Normalform möglich ist. Dazu kommt, daß den Schülern der Normalform ein Jahr als Schulstufe zur Verfügung steht, wogegen im Bereich der durch den vorliegenden Entwurf erfaßten Schulen Halbjahre (Semester) als Schulstufen gelten sollen; daraus ergibt sich, daß die hier auf die besondere Situation der erwachsenen Studierenden Bedacht nehmende Regelung keineswegs eine Erleichterung in dem Sinne bedingt, daß weniger Leistung und Erfolg beim Schulbesuch verlangt werden."
27 Durch die Novelle BGBl. I Nr. 53/2010 wurden die Ausnahmen von der Berechtigung zum Aufstieg (abgesehen von einer hier nicht einschlägigen Sonderregelung für die Theresianische Militärakademie) beseitigt. Dazu wurde in den Erläuterungen (RV 654 BlgNR 24. GP, 7) wie folgt ausgeführt:
"§ 26 in der derzeitigen Fassung regelt das (grundsätzliche) Aufsteigen in das nächsthöhere Semester, welches durch die Z 1 und 2 des § 26 Abs. 1 eingeschränkt wird. Durch den Entfall dieser Einschränkungen (ausgenommen am Realgymnasium für Berufstätige an der Theresianischen Militärakademie) sind Studierende jedenfalls berechtigt, in das nächste Semester aufzusteigen. Nicht oder nicht erfolgreich absolvierte Module können durch Kolloquien oder durch Wiederholen des Moduls erfolgreich abgeschlossen werden. Ein Studien(miss)erfolg kann jedenfalls nicht mehr in Semestern, sondern sinnvoller Weise nur an der Gesamtstudiendauer der Ausbildung gemessen werden."
28 Zudem halten die Erläuterungen zu § 24 SchUG-BKV (RV 654 BlgNR 24. GP, 6) fest, es solle im Hinblick auf die Einführung des Modulsystems "bei der neuen (modularen) Unterrichtsorganisation keine ,Semesterzeugnisse' geben".
29 Für Schüler an dem SchUG-BKV unterliegenden Schulen wird daher nicht weniger Schulerfolg verlangt, er wird aber nicht in der (für Schüler an dem SchUG unterliegenden Schulen maßgeblichen) kontinuierlichen Weise verlangt. Im Hinblick auf die besondere Situation erwachsener Studierender bzw. im Sinn einer "erwachsenengerechten Unterrichtsordnung" soll der Aufstieg in das nächste Semester nicht von einer bestimmten Anzahl absolvierter Prüfungen abhängig sein. Vielmehr soll der "Studienerfolg" in Bezug auf die "Gesamtstudiendauer" gemessen werden.
30 Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass dies mit dem im NAG vorgesehenen Erfordernis eines auf ein bestimmtes Schuljahr bezogenen Schulerfolgs in einem Spannungsverhältnis steht. Das ändert aber nichts daran, dass das NAG keine Vorgaben dazu enthält, anhand welcher Parameter die Niederlassungsbehörde - abweichend von den Regelungen des SchUG-BKV - beurteilen soll, dass sich ein Schüler nicht mehr ohne Verzögerung dem Abschluss der Schulausbildung nähern kann. Insbesondere lässt sich dem NAG nicht entnehmen, dass die Niederlassungsbehörde insoweit eine eigenständige Prognosebeurteilung vornehmen kann. Würde man für derartige Konstellationen die im SchUG (vgl. dessen § 25) bestehenden Anforderungen für das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe gleichsam analog auf die dem SchUG-BKV unterliegende Schulen übertragen, so würde dies der mit § 26 SchUG-BKV verfolgten Zielsetzung, die besondere Situation erwachsener Studierender zu berücksichtigen, zuwiderlaufen. In Ermangelung eigenständiger Vorgaben im NAG ist daher davon auszugehen, dass mit der Berechtigung zum Aufstieg in das nächste Semester in einer Konstellation wie der vorliegenden so lange die Möglichkeit einhergeht, sich ohne Verzögerung dem Abschluss der Schulausbildung zu nähern, wie nach dem System des SchUG-BKV ein Abschluss der Ausbildung innerhalb der vorgesehenen Ausbildungsdauer möglich ist. Das bloße Erfordernis, Module zu wiederholen, zieht nach dem System des SchUG-BKV - anders als das Wiederholen eines Semesters - nicht zwingend eine derartige Verzögerung nach sich.
31 Dabei ist auch zu beachten, dass das SchUG-BKV weder hinsichtlich der Ablegung von Kolloquien über negativ (oder nicht) beurteilte Module (vgl. § 23 SchUG-BKV) noch hinsichtlich der Möglichkeit, nicht erfolgreich abgeschlossene Module in einem weiteren Halbjahr zu wiederholen (vgl. § 28 SchUG-BKV) eine Beschränkung etwa auf eine bestimmte Anzahl enthält. Nach dem System des SchUG-BKV ist es somit nicht ausgeschlossen, die für den Abschluss der Ausbildung erforderlichen Module überwiegend (unter Beachtung des § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKV) im letzten Semester abzuschließen. Ausgehend davon vermag das Verwaltungsgericht nicht aufzuzeigen, wieso eine Verzögerung beim Abschluss der Ausbildung (die zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht eingetreten war) auf Grund der Häufung von nicht bzw. negativ beurteilten Modulen "evident" sei.
32 Zwar enthält das SchUG-BKV ungeachtet der Grundsatzregelung seines § 26 gewisse (wenn auch nur geringfügige) Mindestanforderungen hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen. So kann jedenfalls kein Schulerfolg vorliegen, wenn einer der (an bestimmte Leistungsanforderungen anknüpfenden) Tatbestände nach § 32 Abs. 1 Z 3 bis 6 SchUG-BKV erfüllt und somit die Eigenschaft als Studierender beendet ist. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich (ungeachtet einer bestehenden Berechtigung zum Aufstieg) etwa aus Lehrplänen weitere Vorgaben ergeben, aus denen abzuleiten ist, dass ein Abschluss der Schule ohne Verzögerung in einem konkreten Fall nicht mehr möglich ist. Eine dahingehende Beurteilung enthält das angefochtene Erkenntnis aber nicht.
33 Soweit das Verwaltungsgericht schließlich ins Treffen führt, eine differenzierende Behandlung von Schülern, die eine dem SchUG-BKV unterliegende Schule besuchen, und anderen Schülern würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung führen, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Differenzierung eine Folge der Maßgeblichkeit der schulunterrichtsrechtlichen Normen (mangels eigenständiger niederlassungsrechtlicher Regelungen) und der insoweit mit dem SchUG-BKV ausdrücklich intendierten Rücksichtnahme auf die Besonderheiten erwachsener Studierender ist. Eine Gleichheitswidrigkeit vermag der Verwaltungsgerichtshof darin nicht zu erblicken.
34 Ausgehend davon war das angefochtene Erkenntnis somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
35 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.
36 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Mai 2018
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220098.L00Im RIS seit
14.06.2018Zuletzt aktualisiert am
23.01.2019