Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Gesellschaft m.b.H, *****, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. „S*****“ *****GmbH, *****, vertreten durch Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Bundesbeschaffung GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 91.002 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2018, GZ 2 R 143/17i-56, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin und die Erstbeklagte sind im Großhandelsgewerbe tätig und vertreiben unter anderem Hygienepapier. In den Jahren 2005 bis 2007 belieferte die Klägerin diverse Bundesdienststellen der Republik Österreich mit Hygienepapier. Seit 2008 beliefert die Erstbeklagte nach mehreren zu ihren Gunsten entschiedenen Vergabeverfahren die Zweitbeklagte mit Hygienepapier. Streitgegenständlich ist der Umstand, dass die Erstbeklagte unentgeltlich und leihweise nach der Zuschlagserteilung 2008 eine nicht mehr feststellbare Anzahl von bisher durch die Bundesdienststellen verwendeten Hygienepapierspendern der Klägerin durch ein anderes Spendermodell der Marke „T*****“ ersetzte. Diese Hygienepapierspender sind wegen eines Plastikadapters auf die Befüllung mit jenen Hygienepapierrollen ausgerichtet, die die Erstbeklagte an die Dienststellen liefert. Es besteht aber die Möglichkeit, geeignete Papierrollen samt Adapter von einem anderen Handelspartner zu beziehen, sodass auch Papiere anderer Hersteller in die Hygienepapierspender eingelegt werden können. Diese Option war auch der Klägerin möglich, wurde von ihr aber ebenso wenig genützt wie die Möglichkeit, selbst Systempartnerin des Herstellers der ausgetauschten Papierspender zu werden. In den Vergabeverfahren 2011 und 2013 wies die Zweitbeklagte in der Ausschreibung ausdrücklich darauf hin, dass Rollenhandtuchpapier mit entsprechendem Kern für die bei der Auftraggeberin bereits vorhandenen „T*****“-Spender benötigt werde; wiederum erhielt die Erstbeklagte den Zuschlag.
Die Klägerin beantragte, der Erstbeklagten zu verbieten, Zugaben zu Rollenhandtüchern, insbesondere in Form von nicht herstellerneutralen Spendermodellen, gratis oder zu einem Scheinpreis zu gewähren. Der Zweitbeklagten möge untersagt werden, an der Handlung der Erstbeklagten mitzuwirken. Daneben stellte die Klägerin ein Beseitigungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren.
Für das Revisionsverfahren noch von Relevanz rügt die Klägerin die unentgeltliche Zuwendung der Hygienepapierspender als unlauter im Sinne der §§ 1, 1a und 2 UWG. Es werde hier eine unlautere Sperrwirkung einer Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbs eingesetzt und für kommende Vergabeverfahren benutzt. Die unterlassene Aufklärung über die mangelnde Kompatibilität der neuen Spendersysteme sei eine unlautere, irreführende Geschäftspraktik. Eine aggressive Geschäftspraktik liege darin, dass die Erstbeklagte die von ihr angestrebte Kundenbindung nicht über die ausgeschriebenen Produkte, sondern über die nicht ausgeschriebenen Gratisspender, somit über eine Zugabe, erreicht habe.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Bei der Erstbeklagten verneinten sie die geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Verstöße. Die Klagsabweisung bezüglich der Zweitbeklagten stützten sie auf die mangelnde Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts.
In ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Vorinstanzen haben die lauterkeitsrechtliche Haftung der Zweitbeklagten, die lediglich Waren für die öffentliche Hand beschafft, im Sinne gesicherter Rechtsprechung verneint (vgl dazu 4 Ob 2/15w, Hygienepapier II, 4 Ob 78/16y und die im Aufsatz von Jensik, Handeln der öffentlichen Hand im geschäftlichen Verkehr und zur Förderung fremden Wettbewerbs, GRUR-Prax 2017, 423, referierte Rechtsprechung). Die Behauptung der Klägerin, beim Handeln der Zweitbeklagten stehe nicht die Beschaffungstätigkeit, sondern die Förderung des fremden Wettbewerbs (der Erstbeklagten) im Vordergrund, deckt sich nicht mit den Feststellungen. Das Rechtsmittel ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043312).
2.1 Das Berufungsgericht ging aufgrund der Feststellungen davon aus, es sei offenkundig gewesen, dass das von der Erstbeklagten gelieferte Spendermodell auf die Befüllung mit jenen Hygienepapierrollen ausgerichtet war, die die Erstbeklagte an die Dienststellen liefert. Es sei daher keine Aufklärung erforderlich gewesen, dass es sich bei dem Spendermodell um einen „Systemspender“ gehandelt habe.
2.2 Mit ihren gegen die Bejahung einer „Offenkundigkeit im Sinne des § 269 ZPO“ erhobenen Einwänden wird die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründet. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang keine Feststellungen aufgrund verfahrensrechtlicher Offenkundigkeit getroffen, sondern – im Sinne gesicherter Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0077979 [T2]; RS0077831) – ein unlauteres Unterschieben der Hygienepapierspender schon deshalb verneint, weil für die Abnehmer offenkundig gewesen sei (vgl 17 Ob 25/08p, Red Bull/Wodka: „auch nicht offenkundig ist“), dass nur Rollen mit einem entsprechenden Adapter in die Hygienepapierspender eingefüllt werden. Diese Beurteilung der konkreten Irreführungseignung einer Handlung nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls ist jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (4 Ob 84/15d, Hausbesuche; RIS-Justiz RS0102181 [T10], RS0078681, RS0078579 [T26] uva).
3.1 Das Rechtsmittel stützt die lauterkeitsrechtlichen Bedenken der unentgeltlichen Zuwendung der Hygienepapierspender auf den Rechtssatz RIS-Justiz RS0078065 und wirft hier dem Berufungsgericht ein Abgehen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung vor.
3.2 Nach dieser Judikatur begründen nicht unentgeltliche Zuwendungen an sich, sondern bestimmte Begleitumstände (zB psychischer Kaufzwang; bei größeren Geschenken unter Umständen auch Marktverstopfung) das lauterkeitsrechtliche Unwerturteil. Eine Marktverstopfung im Sinne der Rechtsprechung setzt allerdings voraus, dass das in Frage stehende Angebot quantitativ ausreicht, den freien Wettbewerb auszuschalten (4 Ob 22/99k; 4 Ob 323/99z; 4 Ob 47/00s). Nicht schon aus der Unentgeltlichkeit bzw der Dauer des unentgeltlichen Verteilens einer Ware für sich allein darf auf die Gewöhnung der Beschenkten und die damit verbundene Neigung, künftig aus Bequemlichkeit von der unbeeinflussten Prüfung des Angebots der Mitbewohner abzusehen, geschlossen werden (RIS-Justiz RS0078075).
3.3 Der Senat hat die Gefährdung einer Marktverstopfung bei der Betroffenheit nur eines kleinen Marktsegments (4 Ob 47/00s) oder bei einer zeitlich begrenzten Aktion (4 Ob 195/02h) verneint. Die drohende Marktverstopfung war von der Klägerin zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0078075 [T1, T2]). Schon aufgrund des Umstands, dass nur ein Kunde betroffen ist und auch gar nicht feststeht, wieviele Handtuchspender tatsächlich ausgetauscht wurden, bedarf die angefochtene Entscheidung, die sich mit der Verneinung eines unlauteren Verhaltens im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung hält, keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
4.1 Die Klägerin kann nicht aufzeigen, inwieweit sich an den referierten Grundsätzen der Rechtsprechung „durch den vergaberechtlichen Kontext“ etwas ändern soll, zumal sie selbst einräumt, dass die Rechtmäßigkeit der Vergabeverfahren an dieser Stelle nicht zu überprüfen sei. Im Zentrum ihrer Argumentation steht die drohende Gefahr einer Marktverstopfung bei der nächsten Ausschreibung, die von den Vorinstanzen – wie aufgezeigt – aber vertretbar verneint wurde.
4.2 Im Zusammenhang mit einem die Klägerin betreffenden Vergabeverfahren verneinte das Bundesverwaltungsgericht einen für das Vergabeverfahren unzulässigen Wettbewerbsvorteil, der darin liegen soll, dass das Vertragsunternehmen der aktuellen Rahmenvereinbarung produktgebundene Hygienepapierspender kostenlos an die Auftraggeber geliefert habe. Eine solche Kundenbindungsmaßnahme sei betriebswirtschaftlich nachvollziehbar und daher nicht spekulativ. Der Verwaltungsgerichtshof qualifizierte diese Rechtsansicht als vertretbar und wies das außerordentliche Rechtsmittel der Klägerin mangels erheblicher Rechtsfrage zurück (Ro 2016/04/0054).
4.3 Schließlich hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung im Zusammenhang mit sogenannten Koppelungsangeboten die Richtigkeit der generellen Aussage verneint, dass Unternehmer redlicherweise nur wegen der Qualität und des Preises ihrer Produkte Erfolg haben sollten, nicht aber aus anderen – „sachfremden“ – Gründen. Denn deren Charakteristikum ist es ja gerade, Käufer aus Erwägungen zum Erwerb einer Ware zu veranlassen, die nicht in den Eigenschaften dieser Ware begründet sind (4 Ob 129/13v, Tonträger Edition).
5. Dass die Vorinstanzen in der unentgeltlichen Lieferung von bestimmten Spendermodellen durch die Erstbeklagte im Ergebnis keine unlautere (unzulässige) Beeinflussung gesehen haben, hält sich im Rahmen der referierten Rechtsprechung und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.
6. Insoweit das Rechtsmittel unter Bezugnahme auf den Rechtssatz RIS-Justiz RS0119404 bzw RS0115543 ein unlauteres Verhalten der Erstbeklagten wegen der Markenbenutzungshandlungen (Verwendung des Spendermodells der Marke „T*****“ durch die Erstbeklagte) und der damit zusammenhängenden (angeblichen) Sperrwirkung der Marke als Teilnahmehindernis für die Klägerin in kommenden Vergabeverfahren ableiten will, kann auch damit die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründet werden. Die dazu aufgeworfenen Rechtsfragen sind zur Prüfung der klägerischen Ansprüche nicht präjudiziell. Die Klägerin strebt (nur) an, dass der Erstbeklagten die unentgeltliche Lieferung von „nicht herstellerneutralen Rollenhandtuchspendermodellen“ verboten wird bzw sie die nicht herstellerneutralen Modelle beseitigen muss. Ob beim Hygienepapierspender aber eine Marke angebracht werden darf, ist nicht Gegenstand der Rechtsschutzanträge. Die von der Klägerin wegen der benützten Marke befürchtete Sperrwirkung ist davon unabhängig, ob die Erstbeklagte ein herstellerneutrales Modell gratis zur Verfügung stellt oder nicht.
7. Die gerügte Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Nach Ansicht der Klägerin stehe es im Widerspruch zu zwei Urkunden, wenn das Berufungsgericht den Abschluss eines Vertrags der Erstbeklagten zu einem bestimmten Unternehmen festgehalten habe. Die Klägerin übersieht dabei, dass hier das Berufungsgericht lediglich die erstgerichtlichen Feststellungen (korrekt) referiert hat. Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Entscheidung jedoch nicht auf die von der Revisionswerberin angeführten Beweisurkunden gestützt. Diese Urkunden können daher keine Aktenwidrigkeit der berufungsgerichtlichen Begründung verursacht haben. Mit ihren Ausführungen zur behaupteten Aktenwidrigkeit versucht die Revisionswerberin vielmehr, die im Revisionsverfahren nicht überprüfbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen (6 Ob 2/15k).
Schlagworte
Hygienepapier - Hygienepapierspender,Textnummer
E121653European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00063.18W.0419.000Im RIS seit
14.06.2018Zuletzt aktualisiert am
22.03.2019