Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr.
Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin DI M***** E*****, vertreten durch die Denk Kaufmann Fuhrmann Rechtsanwälte OG, Wien, gegen den Antragsgegner DI Dr. M***** E*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Jänner 2018, GZ 45 R 318/17y-262, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 5. Mai 2017, GZ 25 Fam 14/09k-250, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die im Februar 1992 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 5. 5. 2009 aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgte ebenfalls am 5. 5. 2009.
Die Ehewohnung kauften die Parteien 1997 um umgerechnet 123.543,76 EUR. Zur Finanzierung nahmen sie einen Kredit auf und räumten der Bank auf den Miteigentumsanteilen eine Höchstbetragshypothek über umgerechnet 148.252,51 EUR ein. Die Kreditraten wurden zu Beginn vom Antragsgegner gezahlt. Aufgrund rückständiger Kreditraten kündigte die Bank den Kreditvertrag am 18. 1. 2012 und stellte den offenen Betrag von knapp 18.000 EUR fällig. Die Antragstellerin zahlte daraufhin im Mai 2012 den Rückstand von 3.123,16 EUR und beglich auch die weiteren angefallenen Raten. Der Kredit haftete am 23. 11. 2015 noch mit 2.000 EUR aus. Seit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft wird die Ehewohnung von der Antragstellerin, teilweise zusammen mit der nunmehr volljährigen gemeinsamen Tochter bewohnt. Der Verkehrswert der Miteigentumsanteile an dieser Wohnung beträgt 511.000 EUR, der Wert der Einrichtung 3.000 EUR.
Im September 2007 kaufte und erwarb der Antragsgegner eine Eigentumswohnung (Top 21) um 23.500 EUR. Den Kauf finanzierte er mit (ehelichem) Sparguthaben. Am 10. 9. und 11. 9. 2007 behob er ein weiteres Sparguthaben von 36.045,41 EUR, wovon er rund 6.645 EUR für einen gemeinsamen Skiurlaub der Parteien, Nebenkosten, Steuern sowie die Bezahlung eines Maklers und eines Notars verwendete. Nicht festgestellt werden konnte, wofür er den übrigen Betrag von 29.400 EUR verwendete; auch nicht, dass dieser Betrag für die Sanierung der Wohnung Top 21 verwendet worden wäre. Der Wert dieser Eigentumswohnung beträgt 116.300 EUR.
Eine weitere Eigentumswohnung (Top 25) erwarb der Antragsgegner im August 2008 um 23.000 EUR. Die Mittel für diesen Kauf stammten aus dem Betrag von 106.237,37 EUR, der ihm aus dem Iran überwiesen wurde. Er hatte vor der Ehe zwischen 1980 und 1991 rund 600.000 S angespart. 1991 (richtig wohl: 1993) kaufte er mit seinen vorehelichen Ersparnissen einen Teil einer Liegenschaft im Iran, der auf seine Mutter „geschrieben wurde“. 2002 übertrug seine Mutter „die Liegenschaft“ der gemeinsamen Tochter der Parteien. Im Jahr 2007 verkaufte der Antragsgegner als gesetzlicher Vertreter seiner Tochter „die Liegenschaft“ im Iran um 106.237,37 EUR. Diesen Betrag zahlte er letztlich auf sein österreichisches Sparbuch ein. Von diesem behob er im August 2008 38.108,30 EUR, wovon er 23.000 EUR für den Kauf der Wohnung Top 25 verwendete. Nicht festgestellt werden konnte, wofür er den übrigen Betrag von 15.108,30 EUR verwendete. Der Verkehrswert dieser Eigentumswohnung beträgt 118.000 EUR.
Im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft beliefen sich die Ersparnisse der Antragstellerin auf 33.361,69 EUR.
Vom Erlös des Verkaufs der iranischen Liegenschaft seiner Tochter (106.237,37 EUR) schichtete der Antragsgegner 10.000 EUR in seiner Vermögenssphäre um. Rund 40.000 EUR gewährte er einem Dritten als Darlehen. Den verbleibenden Betrag hob er im Zeitraum November 2007 bis Jänner 2009 in mehreren, jeweils unter 10.000 EUR liegenden Beträgen ab. Die genaue Verwendung konnte nicht festgestellt werden. Am 5. 5. 2009 befanden sich auf seinem Bankkonto 3.579,80 EUR, die aus diesem Erlös stammten.
Am 14. 8. 2008 wurden 30.000 EUR auf das Konto des Antragsgegners eingezahlt und am 18. 8. 2008 ein etwa gleich hoher Betrag an eine Person in den USA überwiesen. Dieser Betrag stellt lediglich „einen Durchläuferposten“ dar und verblieb nicht im Vermögen des Antragsgegners.
Eine Verringerung von Ersparnissen, die der bisherigen Gestaltung der Lebensverhältnisse der Parteien widersprochen hätte, konnte „im Zeitraum zwischen 5. 5. 2007 und 5. 5. 2009 (Zweijahresfrist) nicht festgestellt werden und liegt nicht vor“.
Beide Parteien trugen durch ihre Berufstätigkeit, die Kindererziehung und Haushaltsführung zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse bei. Ein wesentliches Überwiegen der Beitragsleistung einer Partei konnte nicht festgestellt werden.
Die Antragstellerin begehrt die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Verhältnis 60 : 40 (zu ihren Gunsten) und die Übertragung des Hälfteanteils des Antragsgegners an der Ehewohnung an sie gegen Übernahme des auf der Wohnung haftenden restlichen Kredits sowie eine Ausgleichszahlung von 120.000 EUR.
Der Antragsgegner erklärte sich mit der Übertragung seines Hälfteanteils an der Ehewohnung unter der Voraussetzung einverstanden, bei einer von ihm beantragten Aufteilungsquote von 50 : 50 eine Ausgleichszahlung von 260.000 EUR zu erhalten; hilfsweise beantragte er die Übertragung des Hälfteanteils der Antragstellerin an der Ehewohnung an ihn gegen eine angemessene Ausgleichszahlung.
Das Erstgericht übertrug den Hälfteanteil des Antragsgegners an der vormaligen Ehewohnung an die Antragstellerin, sodass diese allein Miteigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft werde, und verpflichtete sie zu einer Ausgleichszahlung von 230.000 EUR. In rechtlicher Hinsicht erwog es, dass der durch den Antragsgegner aus dem Verkauf der Wohnung im Iran erzielte Erlös nicht in die Aufteilungsmasse falle, weil er diese Wohnung mit seinen vorehelichen Ersparnissen angekauft habe. Im für den Benachteiligungsausgleich (§ 91 Abs 1 EheG) relevanten Zeitraum vom 5. 5. 2007 bis 5. 5. 2009 habe es keine zu berücksichtigende Verringerung von ehelichen Ersparnissen, die der bisherigen Gestaltung der Lebensverhältnisse widersprochen hätte, feststellen können. Im Hinblick auf die im Wesentlichen gleichteiligen Beiträge durch die Berufstätigkeit und das Einkommen beider Parteien, die Tragung angefallener Kosten, die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung entspreche eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 der Billigkeit. Für die Eigentumsübertragung eines Hälfteanteils an der Ehewohnung an sie ergebe sich demnach ein Ausgleichsanspruch der Antragstellerin von 256.000 EUR (Hälfte des Werts von 511.000 EUR abzüglich des aushaftenden Kreditsaldos von 2.000 EUR zuzüglich des Werts des Inventars von 3.000 EUR). Dass sie seit 2012 die Kreditraten allein bezahlt habe, sei bei der Aufteilung nicht zu berücksichtigen, weil sie die Ehewohnung seit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft 2009 allein bzw mit der gemeinsamen Tochter benutzt habe. Für die im Alleineigentum des Antragsgegners stehende Wohnung Top 21 ergebe sich ein Ausgleichsanspruch der Antragstellerin von 58.150 EUR (Hälfte des Werts dieser Wohnung 116.300 EUR). Die weitere in dessen Eigentum stehende Wohnung (Top 25) falle nicht in die Aufteilungsmasse, weil ihre Finanzierung aus dem Verkaufserlös der Wohnung im Iran, die er aus „vorehelichen Mitteln“ angekauft habe, erfolgt sei. Demnach handle es sich um ein aus diesen Mitteln angeschafftes Surrogat. Aus den ehelichen Ersparnissen der Antragstellerin errechne sich ein Ausgleichsanspruch des Antragsgegners von 16.680,85 EUR (Hälfte ihrer ehelichen Ersparnisse zum Stichtag 5. 5. 2009 von 33.361,69 EUR). Er habe zum Stichtag 5. 5. 2009 über keine aufzuteilenden Ersparnisse verfügt. Sowohl der auf seinem Bankkonto an diesem Tag erliegende Betrag von 3.579,80 EUR als auch die Mittel für die Darlehensforderung von 40.000 EUR gegenüber einem Dritten stammten aus dem Erlös der aus „vorehelichen Mitteln“ angeschafften Wohnung im Iran und unterlägen als Surrogat nicht der Aufteilung. Eine Überweisung der Antragstellerin von 16.000 EUR im Jahr 2002 in den Iran sei außerhalb der Zweijahresfrist des § 91 Abs 1 EheG erfolgt und demnach nicht den Ersparnissen hinzuzuzählen. Zusammengerechnet errechne sich ein Ausgleichsanspruch des Antragsgegners von 214.530,85 EUR (256.000 EUR – 58.150 EUR + 16.680,85 EUR). Aufgrund des Billigkeitsgrundsatzes sei zu berücksichtigen, dass für den Zeitpunkt der Schätzung des Werts der Liegenschaften der 28. 4. 2014 gewählt worden sei. Das und die Zuweisung der wertvolleren Ehewohnung komme ihr zugute, weshalb die dem Antragsgegner zu leistende Ausgleichszahlung mit insgesamt 230.000 EUR der Billigkeit entspreche.
Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte rechtlich aus, es sei keine Fehlbeurteilung, den konnexen Schuldenstand der Höhe nach nicht zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern zu einem der Aufteilungsentscheidung zeitlich nahe gelegenen zu berücksichtigen, weil die Ehewohnung ab dem Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft von der Antragstellerin und der Tochter und nicht mehr vom Antragsgegner bewohnt und diese ihr zugewiesen worden sei. Einer Feststellung der „Aushaftung“ des Kredits für die Ehewohnung im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft bedürfe es nicht. Der Betrag von 29.400 EUR (wofür der Antragsgegner diesen verwendet hatte, stehe nicht fest) sei nicht in die Aufteilung einzubeziehen. Non-liquet-Feststellungen hinsichtlich der Tatbestandselemente des § 91 EheG gingen zu Lasten dessen, der die Einbeziehung des Werts des Fehlenden in die Aufteilungsmasse begehre. Der Antragstellerin sei der Beweis für eine zu berücksichtigende Verringerung von ehelichen Ersparnissen, die der bisherigen Gestaltung der Lebensverhältnisse widersprochen hätte, nicht gelungen. Die „vorehelichen Ersparnisse“ seien klar vom gemeinsam Erwirtschafteten abgrenzbar. Dass sich die genaue Verwendung eines Restbetrags nicht feststellen habe lassen, vermöge an der Richtigkeit der Anwendung des „Surrogationsprinzips“ auf die Wohnung des Antragsgegners Top 25 nichts zu ändern. Bei der Überweisung von 30.000 EUR, die auf dem Konto des Antragsgegners ein „Durchläuferposten“ sei, handle es sich nicht um eine der ehelichen Lebensgestaltung widersprechende Wertverringerung gemäß § 91 Abs 1 EheG. Der Billigkeit entspreche das Aufteilungsverhältnis von 1 : 1. Eine allfällige Wertsteigerung der Wohnungen bis zum Entscheidungszeitpunkt sei durch einen „Aufschlag“ von 15.000 EUR ausreichend berücksichtigt worden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag dahin, dass sie keine Ausgleichszahlung zu zahlen habe; hilfsweise stellt sie ein Aufhebungsbegehren.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die erforderliche Klarstellung der Rechtslage sowohl zur Bewertung von Verbindlichkeiten als auch zu § 91 Abs 1 EheG zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Weder eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens noch die gerügte Aktenwidrigkeit liegen vor, was keiner Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG). Der Oberste Gerichtshof ist auch im Verfahren außer Streitsachen nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0007236 [T2]), weshalb die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang erörterten Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel sind (RIS-Justiz RS0007236 [T4]).
2.1. In diesem Verfahren ist die (häufige) Konstellation zu beurteilen, dass zur Aufteilungsmasse eine pfandrechtlich sichergestellte Liegenschaft gehört, die mit Pfandrechten für konnexe Verbindlichkeiten belastet ist, welche sich zwischen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und Aufteilungsentscheidung durch Rückzahlung vermindert haben. Kredite, die zur Anschaffung, Herstellung oder Instandhaltung des Gebrauchsvermögens oder der Ersparnisse aufgenommen wurden, stehen mit diesen in einem inneren Zusammenhang (§ 81 Abs 1 Satz 2 EheG; RIS-Justiz RS0057635). Bewertungsstichtag für das zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhandene, der Aufteilung unterliegende Vermögen ist der Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (RIS-Justiz RS0057644). Wertsteigerungen, die ohne besonderes Zutun eines der beiden Ehegatten eingetreten sind, müssen berücksichtigt werden, hingegen führen Wertvermehrungen, die auf die Tätigkeit eines Ehegatten zurückzuführen sind, zu keiner Aufwertung (RIS-Justiz RS0057644). „Wertschöpfungen“, die durch die Tätigkeit eines Ehegatten erst nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entstanden sind, sind demnach nicht in die Aufteilung einzubeziehen. Gleiche Grundsätze müssen auch für die Berücksichtigung von nachträglichen Schuldtilgungen gelten (vgl 6 Ob 667/83 mwN = SZ 56/193 = EFSlg 43.751 mwN; RIS-Justiz RS0057635 [T1]).
Vom Verkehrswert einer Sache zur Zeit der Entscheidung sind in der Regel die konnexen Schulden im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft abzuziehen. Diese Berechnung unterstellt, dass sich die Schulden bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (beitragslos) nicht verändert haben; andernfalls ist auch für die Schulden auf den Entscheidungszeitpunkt abzustellen (vgl 1 Ob 182/16w = RIS-Justiz RS0057644 [T8]: Bewertung eines Fremdwährungskredits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz, für den laufend nur Zinsen zu zahlen waren und dessen Negativsaldo sich gegenüber dem Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft wegen einer ungünstigen Veränderung des Wechselkurses erhöhte). Das Ergebnis der einleitend genannten Differenz ist entsprechend dem Aufteilungsschlüssel (vgl § 83, § 94 Abs 1 EheG) zwischen den Ehegatten aufzuteilen. Der sich daraus errechnenden Ausgleichszahlung ist jener Betrag hinzuzurechnen, mit dem der Ehepartner, der die Sache nicht erhält, nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft Rückzahlungen geleistet hat. Die Reduktion des Kreditsaldos durch den Ehegatten, dem die Sache verbleibt oder der sie erhält, vermindert dagegen die Ausgleichszahlung nicht, weil ihm dieser Wert zukommt.
2.2. Zutreffend zeigt die Antragstellerin auf, dass die Vorinstanzen diesen Grundsatz insofern nicht berücksichtigten, als sie hinsichtlich der früheren Ehewohnung nur den zuletzt offenen Kredit von 2.000 EUR vom Sachwert abzogen. Sie begehrt die Berücksichtigung eines angeblich im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft noch aushaftenden Kreditsaldos von 29.900 EUR, auf den sie ab Mai 2012 Kreditrückzahlungen von 16.000 EUR (18.000 EUR abzüglich 2.000 EUR) geleistet hatte.
Nach den zu Punkt 2.1. dargelegten Grundsätzen ist vom Verkehrswert der früheren Ehewohnung zuzüglich des Werts des Inventars im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz der (noch festzustellende) offene Kreditsaldo im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft am 5. 5. 2009 abzuziehen. Das Ergebnis ist entsprechend dem Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 (siehe dazu Punkt 6.) zwischen den Parteien aufzuteilen. Unterstellt man, dass sein Hälfteanteil an der früheren Ehewohnung der Antragstellerin übertragen und sie Alleineigentümerin wird, sind zur sich daraus errechnenden Ausgleichszahlung noch die erst festzustellenden, vom Antragsgegner nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft getätigten Rückzahlungen der Schulden hinzuzurechnen. Die von ihr in diesem Zeitraum beglichenen Schulden vermindern dagegen ihre Ausgleichszahlung nicht, bleibt ihr der dadurch bewirkte Vorteil doch zur Gänze erhalten. Die für die Ermittlung der Ausgleichszahlung erforderlichen Feststellungen hat das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren nachzutragen.
2.3. Das Argument der Vorinstanzen, die Kreditrückzahlungen der Antragstellerin seien nicht zu berücksichtigen, weil sie alleine oder teilweise mit der gemeinsamen Tochter die Wohnung seit 2009 benützt habe, trifft hier nicht zu. Im Rahmen der nachehelichen Aufteilung ist nach der höchstgerichtlichen Judikatur zwar auch jener Gebrauchsvorteil auszugleichen, den ein Ehegatte dadurch erlangt hat, dass er während des Aufteilungsverfahrens die Ehewohnung benutzt und sich die Kosten einer anderen Wohnmöglichkeit erspart (so etwa 1 Ob 158/12k). Betont wurde, dass ein solcher Gebrauchsvorteil (nur) im Rahmen der Billigkeit (§ 83 Abs 1 EheG) bei der Aufteilungsentscheidung berücksichtigt werden kann (6 Ob 149/08t; 1 Ob 158/12k; 1 Ob 200/17v = RIS-Justiz RS0131883). Dabei kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an, etwa darauf, ob der andere Ehegatte genötigt ist, erhebliche Aufwendungen für eine eigene Wohnmöglichkeit zu tätigen, nachdem ein gemeinsames Wohnen in der bisherigen Ehewohnung nicht mehr in Betracht kommt. Derartiges wurde aber im Verfahren weder behauptet noch festgestellt (wie auch im Fall der Entscheidung 1 Ob 200/17v).
3.1. § 91 Abs 1 EheG will verhindern, dass ein Ehegatte dadurch benachteiligt wird, dass der andere in einem Zeitraum, in dem sich die Krise der Ehe bereits abzuzeichnen begonnen hat, eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse einseitig zum Nachteil seines Ehepartners vermindert (RIS-Justiz RS0057927; vgl RS0057919). Solche Vermögensverminderungen, die mit Rücksicht auf die Gestaltung der Lebensverhältnisse bei aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft bedenklich erscheinen – im vorliegenden Fall, weil sie frühestens zwei Jahre vor der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgten –, legen den Verdacht nahe, der eine Ehegatte habe sie in der Absicht getätigt, den anderen bei der Aufteilung zu benachteiligen (RIS-Justiz RS0057913). Eine tatsächliche Verschleuderung oder Benachteiligungsabsicht ist jedoch nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0057929 [T1]).
Wer behauptet, dass die Verringerung von Gebrauchsvermögen oder Ersparnissen eine Maßnahme gewesen sei, die nach den Umständen vermutlich auch bei aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft nicht anders getroffen worden wäre, dem obliegt nach der einheitlichen Spruchpraxis des erkennenden Fachsenats der Beweis hiefür (RIS-Justiz RS0057938).
3.2. Der Antragsgegner behob am 10. 9. und 11. 9. 2007 ein während der Ehe geschaffenes Sparguthaben von 36.045,41 EUR, wovon nicht festgestellt werden konnte, wofür er den Teilbetrag von 29.400 EUR verwendete. Der Beweis, dass diese Verringerung der ehelichen Ersparnisse nicht bedenklich im dargestellten Sinn sei, obliegt ihm (so auch zuletzt wieder 1 Ob 133/17s). Wie die getroffene non-liquet-Feststellung zeigt, hat er diesen Beweis nicht erbracht. Die Ansicht des Rekursgerichts, das sich auf den Leitsatz der Entscheidung 21 R 13/04i des Landesgerichts Salzburg (= EFSlg 108.404, abgedruckt auch in Gitschthaler, Aufteilungsrecht2 [2017] Rz 358 und 611/3) stützte, wonach non-liquet-Feststellungen zu den Tatbestandselementen des § 91 Abs 1 EheG zu Lasten dessen gingen, der die Einbeziehung des Werts des Fehlenden in die Aufteilungsmasse begehrte, ist in dieser Allgemeinheit vom Gesetz nicht gedeckt und widerspricht der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs.
Gemäß § 91 Abs 1 EheG ist der Wert des Fehlenden (29.400 EUR) in die Aufteilung einzubeziehen (RIS-Justiz RS0003990; RS0057940). Nach dieser Bestimmung muss sich der Ehegatte, der den anderen durch eine Verfügung benachteiligt hat, so behandeln lassen, als hätte er die Verfügung nicht getroffen (RIS-Justiz RS0057927). Der daraus entstehende Anspruch auf Einbeziehung des Fehlenden beruht auf der Fiktion, das Fehlende – und zwar nach dem Wert zur Zeit der Aufteilung – sei dem Antragsgegner schon durch Aufteilung zugekommen (RIS-Justiz RS0003990; RS0057915 [T2]; vgl RS0057940).
3.3. Das Erstgericht hat aber abweichend zur non-liquet-Feststellung über die Verringerung von Ersparnissen, die der bisherigen Gestaltung der Lebensverhältnisse der (nunmehr geschiedenen) Ehegatten widersprochen hätte, auch festgestellt, dass eine solche im Zeitraum zwischen 5. 5. 2007 und 5. 5. 2009 (Zweijahresfrist) nicht vorliege. Dieser Widerspruch verhindert eine abschließende rechtliche Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 91 Abs 1 EheG. Insofern liegt ein rechtlich relevanter Feststellungsmangel vor (RIS-Justiz RS0042744 [T2]). Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren dazu eine Klarstellung vorzunehmen haben.
4.1. Der Aufteilung unterliegen nur solche Vermögenswerte, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch der Ehegatten dienten (Gebrauchsvermögen) bzw als Ersparnisse angesammelt wurden (§ 81 Abs 2 und 3 EheG; RIS-Justiz RS0057349 [T1]).
4.2. Der Antragsgegner hatte mit seinen „vorehelichen“ Ersparnissen einen Liegenschaftsteil im Iran erworben, der auf seine Mutter „geschrieben wurde“. Im Jahr 2002 übertrug sie „die Liegenschaft“ der Tochter der Parteien. Im Jahr 2007 verkaufte diese, vertreten durch den Antragsgegner, „die Liegenschaft“ um 106.237,37 EUR. Er verwendete diesen Betrag insbesondere zum Kauf der Wohnung Top 25 und gewährte einem Dritten ein Darlehen über 40.000 EUR. Unabhängig davon, wie dieser Geldbetrag rechtlich einzuordnen ist und ob noch ein Surrogat des vor der Ehe Ersparten vorliegt, handelt es sich dabei jedenfalls um keine ehelichen Ersparnisse. Entgegen der Meinung der Antragstellerin sind daher die Anschaffungen mit diesem Betrag und die Verwendung dieses Betrags nicht in der nachehelichen Aufteilung zu berücksichtigen.
5. Das Erstgericht stellte, was das Rekursgericht billigte, fest, dass am 14. 8. 2008 auf das Konto des Antragsgegners ein Betrag von 30.000 EUR eingezahlt und am 18. 8. 2008 ein ca gleich hoher Betrag an eine Person in den USA überwiesen wurde. Dieser Betrag stelle seiner Ansicht nach lediglich „einen Durchläuferposten“ dar und sei nicht im Vermögen des Antragsgegners verblieben.
Zur abschließenden rechtlichen Beurteilung, ob dieser Betrag nicht doch gemäß § 91 Abs 1 EheG bei der Aufteilung zu berücksichtigen ist, fehlen Feststellungen darüber, von wem und aus welchem Grund der Antragsgegner diesen Betrag auf sein Konto überwiesen erhielt und warum bzw zu welchem Zweck er diesen Betrag weiterleitete. Diese Feststellungen wird das Erstgericht ebenfalls nachzutragen haben.
6. Der von den Vorinstanzen herangezogene Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 ist dagegen nicht zu beanstanden, weil ein wesentliches Überwiegen der Beitragsleistung einer Partei nicht zu erkennen ist. Entgegen ihren Behauptungen hat die Antragstellerin kein doppelt so hohes Einkommen wie der Antragsgegner erzielt. Beide Parteien haben durch ihre Berufstätigkeit, Kindererziehung und Haushaltsführung zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse beigetragen.
7. Erst nach der Verfahrensergänzung im aufgezeigten Sinn kann beurteilt werden, in welcher Höhe die Antragstellerin eine Ausgleichszahlung an den Antragsgegner zu leisten hat.
8. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass noch keine die Sache zur Gänze entledigende Entscheidung im Sinn des § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0123011 [T5]).
Textnummer
E121661European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00044.18D.0430.000Im RIS seit
14.06.2018Zuletzt aktualisiert am
10.01.2019