Entscheidungsdatum
25.09.2017Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §4 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fischer über die Beschwerde des Herrn L. A., Wien, ..., gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, Region 3, Sozialzentrum ..., vom 29.06.2017, Zahl MA 40 - Sozialzentrum ... - SH/2017/1758676-001, mit welchem die für den Zeitraum von 01.01.2015 bis 30.04.2015 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 1.981,80 gemäß § 24 WMG rückgefordert wurden,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Bescheid vom 29. Juni 2017 wurde die Beschwerde führende Bedarfsgemeinschaft zur Zahl MA 40 – Sozialzentrum ... - SH/2017/01758676-001 verpflichtet, die für den Zeitraum vom 1. Jänner 2015 bis 30. April 2015 aufgewendeten Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 1.981,80 zu ersetzen.
Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft habe am 9. Mai 2017 vom Arbeitsmarktservice eine Nachzahlung in der Höhe von EUR 1.981,80 erhalten.
In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde zusammengefasst sinngemäß ausgeführt, es sei nicht einsehbar, warum diese Summe zurückzuzahlen sei, zumal die Rückzahlung auf eine fehlerhafte Berechnung des Arbeitsmarktservices zurückzuführen sei. Den Einschreiter treffe hieran keine Schuld und wolle bzw. könne er die Zahlung nicht leisten. Vielmehr sei dies das Problem des Arbeitsmarktservices und nicht sein Problem. Hätte der Einschreiter gewusst, dass er die nachgezahlte Summe an den Sozialversicherungsträger rücktransferieren müsse, so hätte er das Geld gar nicht angenommen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde trotz ausdrücklichem Hinweis auf das Erfordernis der Beantragung einer mündlichen Verhandlung in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides weder durch den Beschwerdeführer noch durch die belangte Behörde beantragt. Da sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt weiters vollumfänglich der Aktenlage entnehmen lässt und weiters dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen stehen, konnte die Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen.
Es ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:
Der am ... 1983 geborene Beschwerdeführer bildet mit der am ... 1985 geborenen Frau S. A. sowie den vier gemeinsamen minderjährigen Kindern eine Bedarfsgemeinschaft nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz. Die Bedarfsgemeinschaft bezog in dem Monaten Jänner 2015 bis einschließlich April 2015 Mittel aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von insgesamt EUR 2.133,71. Die Bedarfsgemeinschaft bezieht seit zumindest Mai 2014 durchgehend bis dato Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung.
Am 9. Mai 2017 erhielt Herr L. A. durch das Arbeitsmarktservice Wien eine Nachzahlung in der Höhe von EUR 1.981,80 für eine ihm zugesprochene Leistung ausbezahlt. Hierbei handelte es sich um eine Nachzahlung von Leistungen des Arbeitsmarktservices.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Juni 2017 wurde der Beschwerde führenden Bedarfsgemeinschaft unter Bezugnahme auf die ausbezahlte Nachzahlung durch das Arbeitsmarktservice Wien der Ersatz von Kosten für Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von EUR 1.981,80 aufgetragen.
Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:
Die getätigten Feststellungen ergeben sich aus dem insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt sowie aus den Ausführungen des Beschwerdeführers im eingebrachten Rechtsmittel.
Rechtlich folgt daraus:
Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien hat die Bedarfsorientierte Mindestsicherung zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.
Gemäß § 1 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes erfolgt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.
Gemäß § 1 Abs. 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.
Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz) hat Anspruch auf Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung, wer
1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,
2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,
3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,
4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.
Gemäß § 24 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist für Kosten, die dem Land Wien als Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch die Zuerkennung von Leistungen zur Mindestsicherung entstehen, dem Land Wien als Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung Ersatz zu leisten.
Gemäß § 24 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind ersatzpflichtig alle anspruchsberechtigten Hilfe suchenden oder empfangenden Personen, soweit sie zu verwertbarem Vermögen oder Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, gelangen. Es sind jene Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch Hilfegewährungen in den letzten drei Jahren der Hilfeleistung entstanden sind. Stichtag für die Berechnung der Frist ist der letzte Tag des Jahres in dem Leistungen an die Ersatzpflichtige oder den Ersatzpflichtigen geflossen sind.
Gemäß § 24 Abs. 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist über die Verpflichtung zum Kostenersatz ist mit Bescheid zu entscheiden. Die Behörde ist berechtigt, die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu verfügen.
Gemäß § 24 Abs. 5 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist Ersatz im Umfang der durch die Hilfegewährung an die Bedarfsgemeinschaft entstandenen Kosten zu leisten. Alle anspruchsberechtigten Personen, denen als Bedarfsgemeinschaft Hilfe zuerkannt wurde, sind solidarisch zum Ersatz der Kosten verpflichtet.
Gemäß § 24 Abs. 6 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes verjährt der Kostenersatzanspruch des Trägers der Bedarfsorientierten Mindestsicherung drei Jahre nach Kenntnis der Umstände, die die Ersatzpflicht begründen.
Gemäß § 10 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist auf den Mindeststandard das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen.
Gemäß § 21 Abs. 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes kann die Rückforderung in Teilbeträgen erfolgen oder unterbleiben, wenn die anzeigepflichtige Person glaubhaft macht, dass die Verletzung der Anzeigepflicht auf einem geringfügigen Verschulden beruht, die Rückforderung eine Notlage herbeiführen würde, der Anspruch voraussichtlich uneinbringlich wäre oder der Betrag unbedeutend ist.
Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind dann zu ersetzen, wenn eine anspruchsberechtigte oder Hilfe suchende oder empfangende Person zu verwertbarem Vermögen oder Einkommen, welches nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, gelangt, wobei jene Kosten zu ersetzen sind, die dem Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch Hilfegewährungen in den letzten drei Jahren der Hilfeleistung entstanden sind. Wie festgestellt, bezog ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, nämlich Herr L. A., auf Grund einer Nachzahlung durch das Arbeitsmarktservice für bereits bezogene Leistungen des Arbeitsmarktservices ein Einkommen, welches nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, sondern vielmehr eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung darstellt. Weiters steht fest, dass die Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum zwischen den Monaten Jänner 2015 bis einschließlich April 2015 Mittel aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von insgesamt EUR 2.133,71 bezog. Die mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid festgesetzte Ersatzpflicht der Bedarfsgemeinschaft besteht daher zu Recht.
Wenn der Beschwerdeführer nunmehr sinngemäß einwendet, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum er dieses Geld an den Sozialhilfeträger retournieren müsse, zumal ihn kein Verschulden an der ehedem falsch durchgeführten Bemessung der Leistung durch das Arbeitsmarktservice treffe, ist festzuhalten, dass die Zuerkennung der Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung subsidiärer Natur ist und sich die Hilfe suchende oder empfangende Person jegliches Einkommen von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen anrechnen lassen muss. § 10 Abs. 1 und Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes normieren ausdrücklich, dass auf den Mindeststandard das Einkommen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen ist, wozu auch die rückwirkende Zuerkennung von allfälligen Einkommensbestandteilen aus Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu zählen ist. Ob die Hilfe empfangende Person am Zustandekommen einer derartigen Nachzahlung einer Verschulden trifft, erscheint im gegebenen Zusammenhang als irrelevant. Somit steht fest, dass ein Rückgriff auf dieses Einkommen durchaus als möglich erscheint und es sich somit um ein Einkommen handelt, welches sich die Bedarfsgemeinschaft anrechnen lassen muss.
Nach der oben zitierten Bestimmung des § 21 Abs. 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes kann weiters die Rückforderung in Teilbeträgen erfolgen oder unterbleiben, wenn die anzeigepflichtige Person insbesondere glaubhaft macht, dass die Rückforderung eine Notlage herbeiführen würde. Auch wenn diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur auf Rückforderungen bei Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 21 Abs. 1 WMG abstellt, ist sie nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien auf den Fall des Kostenersatzes nach § 24 WMG analog anzuwenden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 13 Abs. 4 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung betreffend Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln normiert, dass die Verwertung von Vermögen nicht verlangt werden darf, wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte. Im Hinblick auf diese Bestimmung ist somit davon auszugehen, dass die unterbliebene Einbeziehung der in § 21 Abs. 3 WMG geregelten Konstellationen in die Bestimmungen über den Kostenersatz als planwidrige Lücke anzusehen ist.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer Notlage immer im Einzelfall zu prüfen ist und das Gesetz durch das normierte Erfordernis der Glaubhaftmachung einer Notlage augenscheinlich auf das Vorliegen besonderer Umstände abzielt, welche im Falle der Rückzahlung der aus der Mindestsicherung bezogenen Mittel zu einer Notlage führen würden, wie etwa Krankheitsfälle oder ein besonderer zu deckender Bedarf, etwa resultierend aus einem hohen Lebensalter oder einer besonderen Lebenssituation. Jede andere Interpretation der Bestimmung des § 21 Abs. 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes würde sich nämlich in Widerspruch zu dem der Mindestsicherung zu Grunde liegenden Subsidiaritätsgedanken stellen.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im eingebrachten Rechtsmittel keinerlei Umstände geltend oder sogar glaubhaft machte, welche die Herbeiführung einer Notlage bescheinigen würden. Der lapidare Hinweis auf den Umstand, nicht zahlen zu können und nicht zahlen zu wollen, reicht zur Geltendmachung einer Notlage keinesfalls aus. Vielmehr steht fest, dass der Einschreiter durch die erfolgte Nachzahlung ein zusätzliches Einkommen bezog. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr dieses zusätzliche Einkommen, welches er im Übrigen unverzüglich hätte melden müssen, lukriert und dieses nicht für die Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhaltes, sondern anders verwendet, kann er sich grundsätzlich nunmehr nicht erfolgreich auf den fortlaufenden Mindestsicherungsbezug zur Begründung einer Notlage durch die Rückforderung der anzurechnenden Mittel berufen. Die Festsetzung von Raten, eine Minderung der Kostenersatzpflicht oder sogar ein völliges Absehen vom Kostenersatz hatte daher mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen hierfür zu unterbleiben.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Mindestsicherung; Rückersatz; Rückforderung; Subsidiarität; Notlage; Kostenersatz; VermögenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.141.023.10602.2017Zuletzt aktualisiert am
13.06.2018