Entscheidungsdatum
16.05.2018Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §33 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von AA und BA, beide vertreten durch RA CC, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Y vom 02.02.2018, ohne Zahl, betreffend die Zustellung des Baubescheides vom 09.08.2017, Zl ****, an die Beschwerdeführer sowie die unverzügliche Baueinstellung hinsichtlich der Baumaßnahmen auf dem Gst **1 KG Y, sohin betreffend Angelegenheiten nach der Tiroler Bauordnung 2018 nach der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, wonach der Antrag auf die unverzügliche Baueinstellung hinsichtlich der Baumaßnahmen auf dem Gst **2 KG Y als unzulässig zurückgewiesen wird.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Y vom 09.08.2017, Zahl ****, wurde auf dem Grundstück **2 KG Y die Baubewilligung für die Errichtung einer Hotelanlage bestehend aus 4 höhenwirksamen Gebäuden, 3 Chalets sowie Unter- und Erdgeschoß im Standort X in der Marktgemeinde Y erteilt.
Im Zusammenhang mit dieser Baubewilligung haben AA und BA, beide rechtsfreundlich vertreten, mit dem Schriftsatz vom 12.01.2018 drei Anträge bei der Baubehörde eingebracht. Über diese Anträge hat der Bürgermeister der Marktgemeinde Y mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 02.02.2018, ohne Zahl, entschieden:
Der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung wurde ebenso abgewiesen wie der Antrag auf Zustellung des Baubescheides vom 09.08.2017. Zudem wird festgehalten, dass keine Gründe vorliegen, die eine Baueinstellung der Baumaßnahmen auf dem Grundstück **2 KG Y rechtfertigen würden.
Dagegen haben die beiden Vorgenannten, rechtsfreundlich vertreten, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und darin wie folgt ausgeführt:
„In obiger Angelegenheit werden bekanntlich Frau AA und Herr BA, beide Adresse 2, Y, durch mich vertreten. Ich berufe mich auch die erteilte Vollmacht.
Namens meiner Mandanten wird sodann gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Y vom 02.02.2018, zugestellt am 06.02.2018, innerhalb offener Frist
BESCHWERDE
erhoben.
Der angefochtene Bescheid wird zur Gänze bekämpft und im Einzelnen ausgeführt wie folgt:
1) Mit dem angefochtenen Bescheid wird ausgesprochen, dass den Beschwerdeführern „keine Parteistellung zukommt“, dass der Antrag auf Zustellung des Baubescheides vom 09.08.2017 unbegründet abgewiesen wird und keine Gründe vorliegen, eine Baueinstellung vorzunehmen.
2) Zunächst ist auszuführen, dass den Beschwerdeführern mit Ausnahme der Überlassung des Lageplanes gemäß § 24 TBO die Akteneinsicht verweigert wurde. Naturgemäß sind die Beschwerdeführer daher gehindert, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte entsprechend wahrzunehmen.
3) Der Lageplan weist das Datum 17.07.2017 auf. Zu diesem Zeitpunkt war das Gst **3 im Grundbuch noch nicht gebildet, obwohl es im Lageplan bereits als selbständiges Grundstück aufscheint.
4) Die Beschwerdeführer haben sich im Zuge der Erlassung des Bebauungsplanes vom 19.04.2017 vehement gegen die Errichtung eines Beherbergungsgroßbetriebes auf
Gst **2 KG Y zur Wehr gesetzt. Die Konsenswerberin hat am 25.07.2017 eine Teilung des Gstes **2in dieses und das Gst **3 je KG Y durchgeführt. Nach Erlassung des Baubescheides vom 09.09.2017 wurden die beiden vorgenannten Grundstücke am 13.11.2017 wiederum grundbücherlich vereinigt.
5) Den Beschwerdeführern kommt im gegenständlichen Bauverfahren gemäß § 26 TBO Parteistellung zu. Insofern scheint die Bestimmung des § 26 Abs. 2 TBO verfassungswidrig und werden die entsprechenden Bedenken zu gegebener Zeit an den Verfassungsgerichtshof noch heranzutragen sein.
6) Sodann werden nachstehende Einwendungen im Bauverfahren erhoben:
a) Die Einreichunterlagen sind so mangelhaft, dass den Nachbarn bzw. Beschwerdeführern jene Informationen nicht gegeben werden, die sie zur Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte benötigen.
Insbesondere entspricht der vorliegende Lageplan nicht der Bestimmung des § 1 der Planunterlagenverordnung.
b) Durch die Schaffung von mehr als über 100 PKW-Stellplätzen gehen für die Nachbarn bzw. für die Beschwerdeführer unzumutbare Lärm-, Geruch-, Staub- und Erschütterungsbeeinträchtigungen aus. Insofern wird die Einholung eines lärmtechnischen und medizinischen Gutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass die zu erwartenden Immissionsbelastungen für die Beschwerdeführer unzumutbar sind.
c) Auch die Brandschutzbelange der Beschwerdeführer sind nicht ausreichend berücksichtigt.
7) Schließlich begegnen dem bezughabenden Flächenwidmungsplan und dem Bebauungsplan verfassungsrechtliche Bedenken.
Die Beschwerdeführer sprechen sich daher gegen die Erteilung der Baugenehmigung aus.
Im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wird die Beischaffung des Verordnungsaktes betreffend den Bebauungsplan vom 19.04.2017 des Gemeinderates der Marktgemeinde Y hinsichtlich des Gstes **2 KG Y sowie die zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn Ing. DD, p.A. Marktgemeinde Y und des Herrn Ing. EE, p.A. FF, Adresse 3, W, beantragt; dies zum Beweis dafür, dass den Beschwerdeführern im Bauverfahren zu AZ **** der Marktgemeinde Y Parteistellung zukommt.
Sodann wird gestellt der
BESCHWERDEANTRAG
In Stattgebung dieser Beschwerde den angefochtenen Bescheid aufzuheben.“
Es wurde am 18.04.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, im Anschluss derer das Erkenntnis mündlich verkündet wurde.
Die rechtfreundlich vertretenen Beschwerdeführer Beschwerdeführer haben nach Zustellung der Verhandlungsschrift eine rechtzeitig schriftliche Ausfertigung beantragt.
II. Sachverhalt und Beweiswürdigung:
Die beiden rechtsfreundlich vertreten vertretene Beschwerdeführer wurden zu dem Bauverfahren nicht beigezogen, welches zur Baubewilligung vom 09.08.2017 geführt hat.
Dieser Baubewilligung liegt der Lageplan der FF vom 17.07.2017 zugrunde, der den Bewilligungsvermerk der Baubehörde trägt.
In diesem Lageplan sind ua der Bauplatz **2 sowie das im Miteigentum der Beschwerdeführer stehende Grundstück **4, beide KG Y, dargestellt. Auch ist in diesem Lageplan die Linie ersichtlich, welche den horizontalen Abstand von 15 m zur Bauplatzgrenze markiert.
Unzweifelhaft ergibt aus diesem Lageplan auch, dass sich zwischen dem im Miteigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstück **4 KG Y und dem Bauplatz **2 KG Y das Grundstück **3 KG Y befindet. Dies führt dazu, dass das im Miteigentum der Beschwerdeführer stehende Grundstück in keinem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegt.
Die grundbücherliche Durchführung zur Bildung des Grundstückes **3 KG Y erfolgte am 25.07.2017. Dies ergibt sich aus dem Grundbuch.
Bei der Erlassung des Baubescheides vom 09.08.2017 war die Grenzänderung zur Bildung des Grundstückes **3 KG Y grundbücherlich bereits durchgeführt.
Erst später, nämlich am 18.10.2017 erfolgte grundbücherlich wieder die Vereinigung des Bauplatzes **2 KG Y mit dem Grundstück **3 KG Y. Dies ergibt sich wiederum aus dem Grundbuch.
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen konnten ohne die von den rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführern angebotenen Beweise getroffen werden.
III. Rechtslage:
Tiroler Bauordnung 2018:
„§ 33Parteien(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a)
die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b)
deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.
Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a)
der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,
b)
der Bestimmungen über den Brandschutz,
c)
der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
d)
der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,
e)
der Abstandsbestimmungen des § 6,
f)
das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.
(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.
(5) Nachbarn nach Abs. 2, die Eigentümer eines bereits bebauten, betrieblich genutzten Grundstückes sind, sind weiters berechtigt, die Zulässigkeit jener Immissionen geltend zu machen, die von diesem Grundstück aus rechtmäßig auf den Bauplatz einwirken. Abs. 2 zweiter Satz ist anzuwenden.
(6) Nachbarn sind überdies die Inhaber von Seveso-Betrieben. Sie sind, auch wenn sie nicht Nachbarn nach Abs. 2 sind, berechtigt, bei Bauvorhaben im Gefährdungsbereich solcher Betriebe das Risiko eines schweren Unfalles oder, soweit ein solches Risiko bereits besteht, dessen Vergrößerung oder die Verschlimmerung der Folgen eines solchen Unfalles geltend zu machen.
(7) Der Straßenverwalter ist, soweit dadurch die Schutzinteressen der Straße betroffen sind, berechtigt,
a)
das Fehlen einer dem vorgesehenen Verwendungszweck der betreffenden baulichen Anlagen entsprechenden, rechtlich gesicherten Verbindung des Bauplatzes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nach § 3 Abs. 1 und
b)
die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen des § 5, soweit dadurch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden,
geltend zu machen.
(8) Werden in der Bauverhandlung privatrechtliche Einwendungen erhoben, so hat die Behörde möglichst auf eine Einigung hinzuwirken. Kommt eine Einigung zustande, so ist diese in der Verhandlungsschrift zu beurkunden. Kommt eine Einigung nicht zustande, so ist die Partei mit ihren Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Diese Einwendungen sind in der Baubewilligung ausdrücklich anzuführen.
(9) Mit dem Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Anzeige über die Bauvollendung (§ 44 Abs. 1) erlangt die Baubewilligung auch gegenüber Parteien Rechtskraft, denen die Baubewilligung nicht zugestellt worden ist und die ihre Parteistellung bis dahin bei der Behörde nicht geltend gemacht haben.“
IV. Erwägungen:
Wie bereits auf Sachverhaltsebene festgestellt, lag bei der Durchführung des Baubewilligungsverfahrens das im Miteigentum der Beschwerdeführer stehende Grundstück **4 KG Y in keinem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze (Gp. **2 KG Y). Damit war ein Kriterium, was zur Nachbarstellung im Sinn des § 33 Abs 2 TBO 2018 notwendig gewesen wäre, nicht gegeben (vgl lit a leg cit). Deshalb sind die Beschwerdeführer auch nicht Parteien des Bauverfahrens im Sinn des § 31 Abs 1 TBO 2011. Daran vermag auch die nach der Durchführung des Bauverfahrens am 18.10.2017 grundbücherlich durchgeführte Vereinigung des Bauplatzes **2 KG Y mit dem Grundstück **3 KG Y nichts ändern.
Die Beschwerden waren daher im Zusammenhang mit der Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 09.08.2017 abzuweisen.
Ein Antrag auf Baueinstellung kann – auch von Parteien – nicht zulässig gestellt werden.
Ein Antrag im Sinn des § 65 Abs 2 TBO 2018 kann nur von einer beschwerdeführenden Partei gestellt werden; die Beschwerdeführer sind aber – wie erwähnt – nicht Parteien des Bauverfahrens, weshalb der Antrag von vornherein unzulässig war.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden
Landesverwaltungsgericht Tirol
Ing. Mag. Peinstingl
(Richter)
Schlagworte
Kein NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.32.0684.6Zuletzt aktualisiert am
13.06.2018