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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/21/0533 96/21/0534Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerden des am 3. Mai 1961 geborenen M in Traismauer, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich jeweils vom 27. November 1995, 1. Zl. Senat-PL-95-182,
2. Zl. Senat-PL-95-183 und 3. Zl. Senat-PL-95-187, jeweils betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 37.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit drei Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 9. Juni 1995 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, wegen Übertretung des "§ 15/1 Z. 2 i.V.m. § 82/1 Z. 4 Fremdengesetz i.V.m. § 7 VStG 1991" bestraft, weil er es als Erziehungsberechtigter zu verantworten habe, dass sich 1. seine am 11. November 1988 geborene Tochter Beste Yalin vom 18. Dezember 1993 bis zum 16. März 1995,
2. seine am 28. September 1994 geborene Tochter Hasret Yalin vom 28. September 1994 bis zum 16. März 1995 und 3. sein am 25. Februar 1987 geborener Sohn Önder Yalin vom 18. Dezember 1993 bis zum 16. März 1995, jeweils an einer näher genannten Adresse in Traismauer als türkische Staatsangehörige, sohin als Fremde, im Bundesgebiet aufgehalten hätten, obwohl ihnen von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk nicht erteilt worden sei. Die Genannten hätten sich sohin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Gegen den Beschwerdeführer wurden Geldstrafen in der Höhe von 1. S 3.000,--, 2. S 2.000,-- sowie 3. S 3.000,-- verhängt und ihm Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufungen.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 27. November 1995 wurden die gegen den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen auf jeweils S 1.500,-- herabgesetzt und die Sprüche der erstinstanzlichen Bescheide insoweit abgeändert, als die Tatzeiträume mit 1. "vom 22.6.1994 bis zum 13.6.1995", 2. "vom 28.9.1994 bis zum 13.6.1995" und 3. "vom 22.6.1994 bis zum 13.6.1995" festgelegt wurden und die Tatumschreibung jeweils auch insofern abgeändert wurde, als der Beschwerdeführer seinen Kindern vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung dadurch ermöglicht habe, dass er diese in seinem Haushalt aufgenommen habe, obwohl sie sich als Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätten, da ihnen weder eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von eine Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt worden sei, noch eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zugekommen sei.
In den gegen diese Bescheide gerichteten, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen und von diesem mit Beschluss vom 11. Juni 1996, B 168-170/96, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden wird die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15). Gemäß der letztgenannten Bestimmung halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind (Z. 1), oder wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde (Z. 2), oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukommt (Z. 3).
Gemäß dem - nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden - § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Befugnis der Berufungsbehörde, in der Sache selbst zu entscheiden, erstreckt sich jedoch nur auf den Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1980, Slg. Nr. 10.186/A, und vom 25. November 1980, Slg. Nr. 10.305/A, sowie die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, (1996), 568 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Dies hat die belangte Behörde verkannt, indem sie über den Beschwerdeführer Strafen wegen Mittäterschaft zum rechtswidrigen Aufenthalt seiner Kinder auch in einem Zeitraum verhängte, der nicht Gegenstand der Bescheide der Behörde erster Instanz gewesen ist. Sie hat damit den Rahmen ihrer funktionellen Zuständigkeit als Berufungsbehörde überschritten und die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet (vgl. das hg.
Erkenntnis vom 10. Juni 1999, Zl. 96/21/0308).
Die angefochtenen Bescheide waren demnach gemäß § 42 Abs. 2
Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insb.
§ 51 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Februar 2000
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996210532.X00Im RIS seit
03.04.2001