Entscheidungsdatum
11.06.2018Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §69Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens durch AA, geb XX.XX.XXXX, wohnhaft Adresse 1, Z, vom 30.05.2018, hinsichtlich des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol zu Zl ****, betreffend Verfahren nach § 69 AVG,
zu Recht:
1. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 11.01.2018, Zl *****, wird dem Beschuldigten folgender Sachverhalt angelastet und Strafe über ihn verhängt:
„Tatzeit: 20.09.2016 bis 30.09.2016
Tatort: Z, Adresse 1
Sie. Herr AA. geb. am XX.XX.XXXX. haben als Dienstgeber Herrn BB, geb. am XX.XX.XXXX (Staatsangehörigkeit: Y), bei welchem es sich um eine in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherung) handelt, zur oben angeführten Tatzeit auf der Baustelle in X, Adresse 2, als Bauhilfsarbeiter gegen Entgelt beschäftigt, ohne diesen vor Arbeitsantritt bei der Tiroler Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet zu haben.
Sie haben dadurch gegen § 33 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) verstoßen, da Sie als Dienstgeber dieser Bestimmung zufolge verpflichtet gewesen wären, die beschäftigte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Diese Meldung wurde nicht erstattet.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 111 Abs. 1 Z 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr 189/1955 in der Fassung vom 30.09.2016.
Wegen der Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Euro
1.000,00
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
7 Tage
Freiheitsstrafe von
Gemäß
§ 111 Abs 2 zweiter Strafsatz ASVG, BGBl Nr 189/1955 in der Fassung vom 16.02.2017
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
€ 100,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind jeweils 10 % der Strafe, wobei jedoch
mindestens € 10,00 zu bemessen sind.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 1.100,00.“
Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 20.02.2018, Zl *****, wurde der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.000,00 unter Anwendung des § 20 VStG auf Euro 365,00 (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) herabgesetzt wurde.
Gegen diese Entscheidung wurde keine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Mit E-Mail vom 30.05.2018 an die Bezirkshauptmannschaft X beantragte AA die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG hinsichtlich des Aktenzeichens der Bezirkshauptmannschaft X *****, welches dem obzitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichts zugrunde gelegen ist.
In der Begründung dieses Antrages werden die §§ 68 und 70 des AVG zitiert sowie die §§ 14, 19, 34 und 54 des VStG. Der Antragsteller führt aus, dass er von Beginn an weder über seinen psychischen Zustand noch über die wirtschaftliche Lage befragt worden sei. Nach Durchsicht der Gesetze hätte er keinesfalls bestraft werden dürfen; es sei kein Fall von Gefahr zur Wiederholung einer schweren Tat vorgelegen. Es läge der Fall vor, dass die Verfolgung seines Falles ein Vielfaches an Kosten verursache gegenüber den Kosten, welche aus der vermeintlichen Tat entstanden seien (ca Euro 30,00 Abgabe an die Tiroler Gebietskrankenkasse). Weiters entstehe erheblicher sozialer Schaden an seiner Familie und ihm, wenn die Verfolgung durchgeführt werde. Weiters dürfe in seinem Fall keine Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen werden, da er in psychiatrischer Behandlung stehe, mehrere Suizidversuche hinter sich habe, schwer psychisch traumatisiert sei (Sohn im 18. Lebensjahr verstorben, fünf Mal überfahren, davon einmal fast gestorben, Familie verloren, fünf Mal Psychiatrieaufenthalt, davon zwei Mal Burnout usw).
II. Rechtslage:
Im gegenständlichen Fall ist folgende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes anzuwenden:
„Wiederaufnahme des Verfahrens
(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.“
III. Erwägungen:
Die vom Antragsteller zitierten Paragraphe des Verwaltungsstrafgesetzes beziehen sich auf die zwangsweise Einbringung von Geldstrafen (§ 14), die Strafbemessung (§ 19), auf das Absehen vom Strafverfahren, wenn eine Strafverfolgung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre (§ 34) und die Unzulässigkeit des Vollzuges von Freiheitsstrafen (§ 54).
Mit Ausnahme der Strafbemessung beziehen sich diese angeführten Paragraphe auf den Strafvollzug und nicht auf das eigentliche Strafverfahren, wo über Verschulden und Strafe abgesprochen wird. Hinsichtlich der Strafbemessung ist das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 20.02.2018 dem Antragsteller bereits in größtmöglicher Weise entgegengekommen, in dem von der Möglichkeit der außerordentlichen Strafmilderung in vollem Umfang Gebrauch gemacht wurde.
§ 44 VStG bestimmt die Punkte, die in einer Niederschrift mit dem Beschuldigten aufzunehmen sind; es handelt sich dabei um jene Fakten, die vom Beschuldigten abzufragen sind. Der psychische Zustand des Beschuldigten findet sich nicht darunter. Daher war der Antragsteller im Verfahren nicht über seinen psychischen Zustand zu befragen. Unrichtig ist, dass Ing. Baumann in der mündlichen Verhandlung am 12.02.2018 vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol nicht zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen befragt worden wäre. Die diesbezüglichen Fragen beantwortete der Beschuldigte und reichte dazu sogar ein Konvolut an Kontoauszügen vor.
Bei der Bestimmung des § 34 VStG handelt es sich um eine sogenannte „Kann“-Bestimmung, auf die deren Anwendung der Beschuldigte keinen subjektiven Rechtsanspruch hat.
Der vom Beschuldigten aufgezeigte Gesundheitszustand seiner Person wäre allenfalls im Zuge einer Strafvollstreckung von Relevanz.
Die vom Antragsteller vorgebrachten Argumente fallen allesamt unter keinen der vier im Abs 1 des § 69 AVG aufgezählten Wiederaufnahmeanlässe, weshalb der diesbezügliche Antrag als unbegründet abzuweisen war.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Wiederaufnahme des VerfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.25.0151.9Zuletzt aktualisiert am
13.06.2018