TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/29 W114 2195958-1

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Veröffentlicht am 29.05.2018
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Entscheidungsdatum

29.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W114 2195958-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 20.04.2018, Zl. 1096109510 - 151843895, zu Recht:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Spruchpunkte II., IV., V., VI., VII. und VIII. behoben werden und die Angelegenheit diesbezüglich an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem, stellte nach illegaler Einreise am 23.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Im Rahmen der ebenfalls am 23.11.2015 erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, ledig zu sein und aus dem Distrikt Pashtun Zarhu in der Provinz Herat zu stammen. Als Fluchtgrund führte er bei der Ersteinvernahme aus, dass er in Afghanistan bei XXXX, einem reichen Mann gearbeitet habe. Dieser habe seinem Vater sehr viel Geld gegeben, damit er dessen Tochter (Schwester des BF) heiraten konnte, obwohl er bereits mit zwei Frauen verheiratet gewesen sei. Die Hochzeit habe stattgefunden. XXXX habe jedoch die Schwester des BF derart schwer misshandelt, dass sie ein Kind, das sie erwartet habe, verloren habe. Der BF habe mit XXXX bzw. mit dessen Leibwächtern eine Auseinandersetzung gehabt, bei der dem BF seine Schulter gebrochen worden sei. Der BF habe bei einem weiteren Besuch, bei dem er XXXX ohne seine Leibwächter angetroffen habe, weiter gestritten und ihn dabei mit einem Messer attackiert. Er habe damals nicht gewusst, ob der Mann seiner Schwester diesen Angriff überlebt habe. Er habe Schmuck und Geld, die sich im Besitz von XXXX befunden hätten, mitgenommen und sei mit seiner Schwester geflohen.

3. Zu seinen Fluchtgründen befragt, wiederholte der Beschwerdeführer am 07.02.2018 in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichsten zusammengefasst seine bei der Erstbefragung vorgetragene Fluchtgeschichte, wobei er nunmehr ausführte, dass er seinen Schwager durchsucht und von ihm ein Mobiltelefon und USD 1.700.-- entwendet habe. Der Goldschmuck, den er verkauft habe, stamme aus dem Besitz seiner Schwester.

Seine Eltern, die alt krank und gebrechlich wären, wobei sein Vater jedoch für den Mann seiner Tochter in der Landwirtschaft gearbeitet habe, wären weder von XXXX, dem Ehemann der Schwester des BF, noch von dessen Familie noch von Behörden wegen der vom BF verübten Tat behelligt worden.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018, Zl. 1096109510 / 151843895, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von 10 Jahren erlassen (Spruchpunkt VI.), sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt werden könne (Spruchpunkt VIII.).

Begründend wurde im Wesentlichsten zu Spruchpunkt I. zusammenfasend ausgeführt, dass ein asylrelevanter Fluchtgrund nicht vorliegen würde, da keine Verfolgung aufgrund eines in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Konventionsgrundes vorliege.

Zu Spruchpunkt II. wurde begründend ausgeführt, dass bei einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention vorliegen würde. Dem BF sei eine Rückkehr in die Stadt Herat jedenfalls möglich.

Auch die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen bzw. für den Ausspruch, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre, würden nicht vorliegen. Daher sei auch die Abschiebung nach Afghanistan zulässig.

Da der Beschwerdeführer vom Landesgericht Linz rechtskräftig mit Urteil vom 11.01.2018, 25 Hv 47/17z, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung gemäß

§ 84 Abs. 4 StGB in Verbindung mit dem Vergehen des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt worden sei und bereits absehbar sei, dass der BF auch wegen Drogenbesitzes und Suchtgifthandels bzw. wegen unbefugter Ingebrauchnahme von Fahrzeugen zu verurteilen sei, sei über ihn auch ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot zu verhängen.

§ 84 Abs. 4 StGB sieht ein Strafausmaß von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Da die vom BF begangenen Suchtgiftdelikte die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich machen würden und eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung erforderlich sei, sei einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und damit auch keine Frist für eine freiwillige Ausreise zu gewähren.

5. Mit Schriftsatz vom 16.05.2018 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Begründend führte er aus, dass das belangte Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) es unterlassen habe zu berücksichtigen, dass der BF als älterer Bruder seiner misshandelten jüngeren Schwester sich für diese verantwortlich gefühlt habe, und nachdem diese auch ein Kind verloren habe, sich verpflichtet gefühlt habe, seine Schwester aus prekären Verhältnissen zu befreien. Er habe den Mann seiner Schwester nicht töten, sondern nur insofern verletzen wollen, damit ihm mit seiner Schwester die Flucht gelinge. Die vom BFA verwendeten Länderfeststellungen wären unvollständig und teilweise unrichtig. Insbesondere die Sicherheits- und Versorgungslage in Herat sei derart, dass dem BF eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden könnte. Dem BF drohe aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie eine asylrelevante Verfolgung durch seinen Schwager XXXX. Der afghanische Staat sei weder willens noch im Stande den BF im Falle einer Rückkehr vor XXXX zu schützen.

Bei einer Berücksichtigung der allgemeinen Sicherheitslage im gesamten Staatsgebiet in Afghanistan sei dem Beschwerdeführer jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Im Hinblick auf die bereits erfolgte fortgeschrittene Integration hätte das BFA feststellen müssen, dass die Rückkehrentscheidung gegenüber dem BF auf Dauer unzulässig sei, zumal der BF über ein schützenswertes Privatleben in zahlreichen Aspekten verfüge.

Das gegen den BF verfügte befristete Einreiseverbot stelle eine unverhältnismäßige Maßnahme dar. Auch die Voraussetzungen für eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung würden nicht vorliegen. Die dafür erforderlichen schwerwiegenden Gründe, dass der BF eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle, würden nicht vorliegen.

Der vorliegende Sachverhalt sei vom BFA so mangelhaft ermittelt worden, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens unter Berücksichtigung der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF unvermeidlich erscheine.

Unter anderem beantragte daher der BF eventualiter den angefochtenen Bescheid - im angefochtenen Umfang - ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

6. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.05.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

7. Unter Hinweis auf § 16 Abs. 4 BFA-VG bestätigte das BVwG am 22.05.2018 das Einlangen der Beschwerdevorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er ist ledig. Er stammt aus dem Distrikt Pashtun Zarhu in der Provinz Herat.

Der Beschwerdeführer ist illegal in das österreichische Staatsgebiet eingereist und stellte am 23.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde am 23.11.2015 erstmals einvernommen und am 07.02.2018 vom BFA befragt.

Der Beschwerdeführer wurde vom Landesgericht Linz rechtskräftig mit Urteil vom 11.01.2018, 25 Hv 47/17z, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung in Verbindung mit dem Vergehen des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Durch das Stadtpolizeikommando Linz wurden gegen den BF wegen des Verdachtes auf Drogenbesitz und Suchtgifthandel Vorerhebungen durchgeführt, deren Ergebnis in Form eines Anlass-Berichtes vom 31.01.2018 an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurde. Eine rechtskräftige Verurteilung des BF wegen dieser Delikte liegt nicht vor. Mangels einer strafrechtlichen Verurteilung des BF gilt diesbezüglich derzeit die Unschuldsvermutung.

1.2. Zu den vom BFA durchgeführten Ermittlungen:

Das BFA geht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass der Beschwerdeführer die von ihm dargelegte Fluchtgeschichte glaubhaft gemacht hat. Dazu führt das BFA in seiner Beweiswürdigung auf Seite 107 des angefochtenen Bescheides aus, dass "der geschilderte Sachverhalt bei der rechtlichen Beurteilung herangezogen wird."

Dazu wird festgestellt, dass sich das erkennende Gericht zumindest derzeit nicht dieser Auffassung des BFA anschließt. Um diese Frage zu beantworten, sind eine Befragung des BF und das Beschaffen eines persönlichen Eindruckes des BF erforderlich.

Bei der Einvernahme durch das BFA wurde der BF nicht befragt, mit welchen Konsequenzen der BF durch die afghanischen Justiz zu rechnen hätte, wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde. Dazu wird in Erinnerung gebracht, dass der BF bei der Einvernahme vor dem BFA zumindest eine vorsätzlich begangene schwere Körperverletzung samt schwerem Raub bereits gestanden hat.

Diesbezügliche Ermittlungen sind für eine rechtskonforme Entscheidung in der gegenständlichen Angelegenheit unbedingt anzustellen, wurden vom BFA jedoch nicht getätigt, zumal entsprechende und jedenfalls erforderliche Feststellungen in den Verfahrensunterlagen und in der angefochtenen Entscheidung des BFA nicht enthalten sind.

Diesbezüglich wird vom erkennenden Gericht festgestellt, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit einer strafrechtlichen Verfolgung und einer strafrechtsrelevanten Bestrafung seitens der afghanischen Justiz infolge der von ihm begangenen Delikte zu rechnen haben wird.

Es wurden vom BFA auch keine Ermittlungen durchgeführt oder Feststellungen getroffen, mit welchen Konsequenzen der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan von XXXX zu rechnen hätte, zumal in Afghanistan Blutrache nicht nur üblich ist, sondern im Falle einer Ehrverletzung, wie sie dem XXXX durch den BF widerfahren ist, von seinem familiären Umfeld auch gefordert wird.

Zu folgenden Fragen wurden vom BFA weder Ermittlungen angestellt noch finden sich in der angefochtenen Entscheidung weder erforderliche Feststellungen noch auch nur ansatzweise eine nachvollziehbare Beantwortung oder Klärung dieser Fragen:

1. Wird dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan dem BF, der einen angeblich sehr einflussreichen Mann zumindest vorsätzlich schwerwiegend verletzt und beraubt hat, EMRK-gemäß ein faires Verfahren gewährt?

2. Das erkennende Gericht gelangte beim Aktenstudium zur Auffassung, dass sehr wahrscheinlich bei einer strafrechtsrelevanten Untersuchung davon auszugehen sein wird, dass der BF nicht nur eine schwere Körperverletzung, sondern auch einen Mordversuch begangen. Nach derzeitiger Auffassung des erkennenden Gerichtes hat vermutlich der BF billigend in Kauf genommen, dass XXXX bei der Attacke ums Leben kommt. Da das zuständige afghanische Gericht auch mit großer Wahrscheinlichkeit zu dieser Auffassung gelangen dürfte, wäre eine entsprechende Verurteilung bei einer Entscheidung hinsichtlich einer Rückkehr des BF nach Afghanistan mitzuberücksichtigen. Daher muss auch die Frage beantwortet werden, in wie weit sich dieser Umstand auf die Gewährung des Status des subsidiären Schutzberechtigten bzw. hinsichtlich des Ausspruches einer Rückkehrentscheidung auswirkt.

3. Was droht dem BF durch den von ihm gestandenen schweren Raub durch die afghanische Justiz?

4. Ist die sich daraus ergebende Konsequenz, dass dadurch eine Abschiebung des BF nach Afghanistan auf Dauer unzulässig wird und kann dadurch weder eine Rückkehrentscheidung noch ein befristetes Einreiseverbot bzw. eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung verhängt werden?

5. Erfolgt durch eine drohende Verurteilung des BF durch die afghanische Justiz eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention?

6. Erfolgt bei einer Rückkehr des BF nach Afghanistan durch allfällig drohende Vergeltungsmaßnahmen von XXXX eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention?

Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass das Ermittlungsverfahren in Wesentlichen Punkten nicht abgeschlossen ist und insbesondere schwierige Ermittlungsschritte bei der Sachverhaltsermittlung durch das BFA unterlassen wurden.

Es wird jedoch bereits an dieser Stelle festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht individualisierbar mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit und hinreichender Intensität Gefahr laufen würde, aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Konventionsgrund verfolgt zu werden.

Ebenfalls wird festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 hinsichtlich einer Gewährung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vorliegen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt der dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vorgelegten Unterlagen im gegenständlichen Verwaltungsverfahren.

Die Feststellungen zum Namen des BF, seiner Herkunft, seinem Religionsbekenntnis und seiner Volksgruppenzugehörigkeit stützen sich auf dessen insoweit im Asylverfahren gleichbleibenden Angaben.

Die geschilderte Fluchtgeschichte, die vom BFA als glaubhaft gemacht eingestuft wurde, hingegen weist nach Auffassung des erkennenden Gerichtes noch einige zu hinterfragende Ungenauigkeiten auf, die hinsichtlich einer abschließenden Beurteilung durch das BVwG einer Befragung des BF im Zuge einer mündlichen Verhandlung bedürfen würde.

Im Besonderen wären im Zuge einer ergänzenden Befragung auch der Verbleib der Schwester, der Umstand, dass die Eltern und die jüngere Schwester des BF von XXXX nicht behelligt wurden, die Behinderung des auf den Feldern des XXXX arbeitenden Vaters, der Umstand, dass der BF nach seinen eigenen Angaben nur sehr wenige Verwandte haben sollte und die Frage eines alternativen Aufenthaltes des BF in Kabul oder anderen Landesteilen Afghanistans zusätzlich zu hinterfragen.

Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich, seinen Deutschkenntnissen, familiären Anknüpfungspunkten und den sozialen Kontakten ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seinen Einvernahmen vor der belangten Behörde und den dazu vorgelegten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Verfahren:

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016).

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A):

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannter Ausschlussgrund vorliegt.

Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention weist folgenden Inhalt auf:

F. Die Bestimmungen dieses Abkommens sind auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, dass sie

a) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, und zwar im Sinne jener internationalen Einrichtungen, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen gegen solche Verbrechen zu schaffen;

b) bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben;

c) sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten.

Vom Beschwerdeführer wurde im verfahrensgegenständlichen Asylverfahren sowie auch in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde gestanden, dass er XXXX unter Zuhilfenahme eines Messers zu mindestens vorsätzlich eine Körperverletzung beigebracht hat und ihn anschließend auch beraubt hat. Der Beschwerdeführer hat somit in Afghanistan, bevor er als Flüchtling in Österreich zugelassen wurde ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen. Insofern bestehen in der gegenständlichen Angelegenheit jedenfalls ernsthafte Gründe für den Verdacht auf Begehung eines schweren, nicht politischen Verbrechens durch den BF, sodass ein Asylausschlussgrund vorliegt und dem Beschwerdeführer bereits wegen dieses Asylausschließungsgrundes der Antrag des BF auf Gewährung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen ist.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit November 2015 im Bundesgebiet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Zudem wurde er rechtskräftig vom Landesgericht Linz mit Urteil vom 11.01.2018, 25 Hv 47/17z, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung gemäß

§ 84 Abs. 4 StGB in Verbindung mit dem Vergehen des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. § 84 Abs. 4 StGB sieht ein Strafausmaß von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. Gemäß § 17 StGB handelt es sich daher bei einer Tat gemäß § 84 Abs. 4 StGB um ein Verbrechen.

Da der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt wurde, liegen bereits aus diesem Grund die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vor. Das entsprechende Beschwerdebegehren gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte II., IV, V., VI, VII. und VIII. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

­ der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

­ die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder

­ mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):

­ Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

­ Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

­ Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungs-gerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Mit § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (wie auch schon mit der nahezu wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997) wurde die aus § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, speziell für das Asylverfahren weiter konkretisiert (vgl. dazu VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Demnach verpflichtet § 18 Abs. 1 AsylG 2005 das BFA (zuvor Bundesasylamt), in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).

Das vom BFA geführte Ermittlungsverfahren leidet - wie auch vom BF in der Beschwerde beanstandet wurde - an Mängeln, die bei entsprechender Behebung jedenfalls dazu führen müssen, dass die Frage, ob eine Rückkehr des BF nach Afghanistan dazu führt, dass er dadurch einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre, neu zu beurteilen ist.

Der angefochtene Bescheid leidet hinsichtlich des Spruchpunktes II. an groben Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage, ob unter Berücksichtigung der real drohenden Tatsache, dass in der gegenständlichen Angelegenheit ein Gericht in Afghanistan zur Auffassung gelangt, dass der BF in Afghanistan einen versuchten Raubmord, wobei es hinsichtlich des Mordes nur beim Versuch geblieben ist, begangen haben könnte und derartige Verbrechen in Afghanistan allenfalls sogar mit dem Tod bestraft werden, wobei in Afghanistan auch Todesstrafen verhängt werden, eine Beeinträchtigung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention vorliegt.

Wenn schon das BFA von einer glaubhaft gemachten Fluchtgeschichte ausgeht, so hat es sich mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen auseinanderzusetzen und dazu erforderliche Ermittlungen anzustellen, in ihrer Entscheidung entsprechende Feststellungen zu treffen und darauf aufbauend eine nachvollziehbare Entscheidung zu treffen. Warum das BFA zum Ergebnis gelangt, dass aufgrund des (nicht) durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes (als wahr angenommene Fluchtgeschichte des BF) zur Schlussfolgerung gelangt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben wären, bleibt für das erkennende Gericht mangels eines diesbezüglich ordnungsgemäß durchgeführten Ermittlungsverfahrens, bei dem auch ein entsprechendes Parteiengehör einzuräumen wäre, im Verborgenen.

Ebenso nicht nachvollziehbar ist die Schlussfolgerung des BFA, wonach es zur Auffassung gelangt, dass für den BF eine Rückkehr in die Stadt Herat möglich und auch zumutbar sei, wenn man berücksichtigt, dass das BFA davon ausgeht, dass die vom BF geschilderte Fluchtgeschichte wahr sei und Herat sich in unmittelbarer Nähe des Wohnortes des einflussreichenXXXX befindet und amtsbekannt sein muss, dass in Afghanistan Blutrache gängig ist und auch zur Anwendung gelangt.

Im fortzusetzenden Verfahren wird daher das BFA Ermittlungen hinsichtlich einer dem BF real drohenden Beeinträchtigung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bei einer Rückkehr nach Afghanistan anzustellen haben.

In der gegenständlichen Angelegenheit ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Die Vornahme der angeführten Feststellungen und Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten, insbesondere unter dem Aspekt, dass das BFA schwierige Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das BVwG im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige vollständige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das BVwG kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das BFA als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist, und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das BVwG "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich. Es war daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides und einer Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde vorzugehen.

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben. Das BFA ist in der gegenständlichen Angelegenheit nach Auffassung des BVwG seiner Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Die in den Spruchpunkten IV., V., VI. und VIII. getroffenen Entscheidungen bauen darauf auf, dass eine dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Beeinträchtigung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention droht. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass nach einem rechtskonform durchgeführten Ermittlungsverfahren das BFA zum Ergebnis gelangt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan eine Beeinträchtigung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention darstellt, waren auch diese Spruchpunkte in der angefochtenen Entscheidung aufzuheben.

3.5. Zum Spruchpunkt VII. der angefochtenen Entscheidung - Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Eine Entscheidung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG konnte angesichts der innerhalb der einwöchigen Frist erfolgten Entscheidung entfallen. Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt, dass das für die Entscheidung zuständige Gericht hinsichtlich behaupteter Suchtmitteldelikte über den BF keine Untersuchungshaft verhängt hat und daher offensichtlich von einer weiteren Tatbegehung (Tatwiederholung), Tatverschleierung und damit nicht von einer besonderen Gefährdungslage der Sicherheit bzw. der Ordnung für die Republik Österreich ausgeht, sodass eine sich darauf berufende Ermessensausübung durch das BFA, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung gemäß § 8 StPO - als unzulässig darstellen würde.

4. Zu Spruchpunkt B)

Unulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung im Hinblick auf die bisher ergangene Rechtsprechung des VwGH zur Kassation zwar die Lösung einer Rechtsfrage darstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht jedoch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Schlagworte

Asylausschlussgrund, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
aufschiebende Wirkung, Einreiseverbot aufgehoben,
Ermittlungspflicht, Kassation, Körperverletzung, mangelnde
Asylrelevanz, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, non-refoulement
Prüfung, Rückkehrentscheidung behoben, Verbrechen, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W114.2195958.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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