TE Vfgh Erkenntnis 1997/11/27 B469/97

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Veröffentlicht am 27.11.1997
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Nö JagdG 1974 §112 Abs2 litc

Leitsatz

Aufhebung der Regelung über den der Entscheidung der Bezirkskommission für Jagd- und Wildschäden vorangesetzten Vergleichsversuch des Geschädigten mit dem Jagdausübungsberechtigten bei sonstigem Anspruchsverlust wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz; sachlich nicht mehr begründbare Erschwerung bei der Erlangung behördlichen Rechtsschutzes

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, der beteiligten Partei (der Jagdgesellschaft Annaberg I), zHd. ihrer Rechtsvertreter, die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Am 24. Juni 1996 meldete die Beschwerdeführerin einen kurz davor auf einer ihrer Wiesen eingetretenen Wildschaden brieflich bei der Jagdgesellschaft Annaberg I; diese ist Pächterin des Genossenschaftsjagdgebietes Annaberg I, in dessen Bereich die erwähnten Wiesen liegen.

Mangels Einigung meldete die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 6. August 1996 ihren Anspruch auf Ersatz des Wildschadens bei der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld an. Mit Bescheid der zuständigen Bezirkskommission für Jagd- und Wildschäden (§109 NÖ Jagdgesetz 1974, LGBl. 6500-13; im folgenden kurz: NÖ JagdG) vom 26. September 1996 wurde die Jagdgesellschaft verpflichtet, der Beschwerdeführerin Schadenersatz in bestimmter Höhe zu leisten.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit der Begründung Berufung, der Schadenersatz sei zu niedrig bemessen worden.

b) Die (gemäß §120a NÖ JagdG eingerichtete) Landeskommission für Jagd- und Wildschäden beim Amt der NÖ Landesregierung (im folgenden kurz: Landeskommission) gab mit Bescheid vom 16. Dezember 1996 der Berufung keine Folge, änderte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß der Spruch wie folgt lautet:

"Der Entschädigungsanspruch von Frau M.P. (d.i. die Beschwerdeführerin dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens) auf Ersatz eines durch Schwarzwild auf dem Grundstück ... verursachten Wildschadens besteht dem Grunde nach nicht. Der Antrag der M.P. auf Ersatz dieser Wildschäden vom 6. August 1996 wird abgewiesen."

Die Landeskommission begründete ihre Entscheidung - nach einer Schilderung des Verwaltungsgeschehens - wie folgt:

"Gemäß §107 Abs1 NÖ Jagdgesetz 1974 sind Jagd- und Wildschäden vom Geschädigten binnen zwei Wochen, nachdem ihm der Schaden bekannt wurde, bei sonstigem Verlust des Anspruches, beim Jagdausübungsberechtigten oder dessen Bevollmächtigten geltend zu machen. Kommt binnen zwei Wochen nach Geltendmachung ein Vergleich über den Schadenersatz nicht zustande, so ist über diesen nach den nachfolgenden Bestimmungen abzusprechen.

Gemäß §110 Abs1 NÖ Jagdgesetz 1974 hat der Geschädigte innerhalb von zwei Wochen nach fruchtlosem Ablauf der, für einen Vergleich gemäß §107 Abs1 NÖ Jagdgesetz 1974 festgesetzten Frist, bei der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft seinen Anspruch auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden anzumelden.

Gemäß §112 Abs1 NÖ Jagdgesetz 1974 verliert der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch, falls er die rechtzeitige, ziffernmäßig bestimmte Anmeldung seines Schadens (§110 Abs1 NÖ Jagdgesetz 1974) unterläßt, es sei denn er weist nach, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Geltendmachung seines Ersatzanspruch gehindert war.

Wie die Berufungswerberin in Ihrem Schreiben vom 7. November 1996 bestätigt hat, erfolgte die Geltendmachung der eingetretenen Wildschäden gegenüber dem Jagdleiter am 24. Juni 1996, die Anmeldung des Anspruches auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden bei der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft hingegen am 6. August 1996, also mehr als zwei Monate danach. Gemäß §107 in Verbindung mit §110 NÖ Jagdgesetz hätte der Anspruch jedoch spätestens am 22. Juli 1996 bei der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft angemeldet werden müssen.

Der gemäß §112 NÖ Jagdgesetz 1974 daraus resultierende Verlust des Schadenersatzanspruches tritt lediglich dann nicht ein, wenn der Anspruchsberechtigte durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Geltendmachung seines Ersatzanspruches gehindert war. Aus der Judikatur zum wortgleichen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden §71 AVG 1991 ergibt sich zweifellos, daß die Partei ohne Ihr Verschulden d.h. ohne jedes Verschulden also nicht einmal leicht fahrlässig verhindert gewesen sein muß, die Frist einzuhalten. Darüber hinaus muß das geltendgemachte Ereignis kausal, d.h. in einem ursächlichen Zusammenhang stehend für die Versäumung der Geltendmachung der Jagdschäden bei der Bezirkshauptmannschaft gewesen sein. Die Tatsche, daß die Jagdgenossenschaft vertreten durch den Jagdleiter auf die Geltendmachung der Wildschäden nicht reagierten d.h., daß kein Vergleich über den Schadenersatz zustande kam, kann keinesfalls als zwingende Ursache dafür gesehen werden, daß die Geschädigte die Anmeldung des Schadens innerhalb der darauf folgenden vier Wochen bei der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld unterließ. Ja ganz im Gegenteil, die Tatsache, daß von Seiten der Jagdgesellschaft keine Reaktion erfolgte und somit auch kein Vergleich zustande gekommen ist, macht die von der Berufungswerberin unterlassene Anmeldung des Anspruches bei der Bezirkshauptmannschaft erst erforderlich.

Da somit der verfahrensgegenständliche Schadenersatzanspruch gemäß §112 Abs1 NÖ Jagdgesetz 1974 mit Unterlassen der fristgerechten Anmeldung dieses Schadenersatzanspruches untergegangen ist, war auf die übrigen geltend gemachten Berufungsgründe und die Einwendung der Jagdgesellschaft Annaberg I nicht weiter einzugehen und spruchgemäß zu entscheiden."

2. Gegen diesen Bescheid der Landeskommission wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird (Zur Begründung der Beschwerde s.u. II.1).

3. Die Landeskommission als jene Behörde, die den bekämpften Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Jagdgesellschaft Annaberg I gab als beteiligte Partei eine Äußerung ab, in der sie beantragt, die Beschwerde abzuweisen und die Beschwerdeführerin zum Kostenersatz zu verhalten.

II.Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerde behauptet zum einen, das NÖ JagdG sei deswegen verfassungswidrig, weil durch die vorgesehenen kurzen Fristen für die Vornahme von Vergleichsversuchen und die im §112 Abs2 litc vorgesehene Sanktion des Anspruchsverlustes kein faires Verfahren (iS des Art6 EMRK) gewährleistet sei.

Zum anderen macht die Beschwerdeführerin einen Vollzugsfehler mit der Begründung geltend, daß sie - entgegen der Meinung der Behörde - durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis (Krankenhausaufenthalt des Jagdleiters) gehindert gewesen sei, die im §110 Abs1 NÖ Jagdgesetz vorgesehene Frist einzuhalten.

2. a) Die hier maßgebenden Bestimmungen des NÖ JagdG sind in der oben zu I.1.b zitierten Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend wiedergegeben.

b) Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen diese Vorschriften unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Er hat sich im Erkenntnis vom 2. März 1995, G277/94 ausführlich mit dem von der Beschwerdeführerin dargelegten Problem auseinandergesetzt. Er kam zum Ergebnis, daß die in Rede stehenden Regelungen in ihrem Kontext (nur) deshalb verfassungswidrig seien, weil der im §112 Abs2 litc NÖ JagdG vorgesehene Anspruchsverlust "insgesamt eine sachlich nicht mehr begründbare Erschwerung bei der Erlangung des behördlichen Rechtsschutzes, auf den der Geschädigte Anspruch hat", bedeute. Der Gerichtshof hob daher mit dem erwähnten Erkenntnis den §112 Abs2 litc leg. cit. als verfassungswidrig auf.

Diese Aufhebung übersieht die Beschwerdeführerin. Damit aber fällt ihre Behauptung, im Hinblick auf diese Bestimmung sei das im NÖ JagdG für den Ersatz von Wildschäden vorgesehene Verfahren verfassungswidrig geregelt, in sich zusammen.

c) Die von der Behörde gegebene Begründung, weshalb die Voraussetzungen des §112 Abs1, letzter Halbsatz NÖ Jagdgesetz nicht vorliegen, ist zumindest denkmöglich. Daher ist keinesfalls ein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsfehler feststellbar.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil die Landeskommission eine Kollegialbehörde iS des Art133 Z4 B-VG ist, gegen deren Entscheidung dieser Verfassungsnorm zufolge eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich unzulässig ist; die ausnahmeweise Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht vorgesehen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.

In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsschutz, Jagdrecht, Jagdschaden, Wildschaden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B469.1997

Dokumentnummer

JFT_10028873_97B00469_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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