TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/4 W119 2143091-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.06.2018
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Entscheidungsdatum

04.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W119 2143091-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30. 11. 2016, Zl. 1100631210/152077525, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24. 1. 2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs.1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der damals minderjährige Beschwerdeführer stellte am 29. 12. 2015 in Österreich einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

Bei seiner Erstbefragung, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari, vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am nächsten Tag gab er an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens sei und der Volksgruppe der Tadschiken angehöre. Er sei in Kabul geboren, ledig und habe zuletzt in der Landwirtschaft gearbeitet. In Afghanistan lebten seine Eltern, seine vier Schwestern und sein Bruder. Seine Familie habe ein Haus mit Grundstück. Die finanzielle Situation seiner Familie ist im Erstbefragungsprotokoll mit "mittel" vermerkt. Bei der Wohnsitzadresse des Beschwerdeführers in Afghanistan ist " XXXX " vermerkt. Als Fluchtgrund aus Afghanistan gab er an, dass sein Vater früher für die Regierung gearbeitet habe. Dann habe er viele Bedrohungen von den Taliban erhalten. Da er Angst um sein Leben und um seine Familie gehabt habe, habe er "seinen Job bei der Regierung" gekündigt. Sie hätten danach gemeinsam auf dem familieneigenen Grund gearbeitet. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer einmal auf dem Weg zur Schule persönlich bedroht. Daher habe er nicht mehr zur Schule gehen dürfen. Er fürchte sich vor den Taliban und habe deshalb beschlossen, nach Österreich zu fliehen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde er wegen der Taliban um sein Leben fürchten.

Basierend auf einer multifaktoriellen Altersschätzung vom 29. 2. 2016 ergab sich beim Beschwerdeführer als spätestmögliches ,fiktives Geburtsdatum' der XXXX . Dies wurde ihm mit Verfahrensanordnung vom 7. 10. 2016 zur Kenntnis gebracht. Somit wurde der Beschwerdeführer für volljährig erklärt und sein Rechtsberater als gesetzlicher Vertreter im Asylverfahren entlassen.

Am 28. 11. 2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen. Dabei gab er an, dass seine Muttersprache Paschtu sei und er auch Dari spreche. Er sei gesund und nehme keine Medikamente. Er könne auch arbeiten. Er habe bei der Erstbefragung der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht. Jedoch seien die Protokolle ihm nicht rückübersetzt worden und er habe auch keine Kopie erhalten. Er wisse nicht, was er genau gesagt habe und es habe Schwierigkeiten mit dem Dolmetscher gegeben. Er glaube, dass der Dolmetscher nicht alles verstanden habe. Der Beschwerdeführer gab an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens sei und der Volksgruppe der Paschtunen angehöre.

Zu seinem Geburtsdatum befragt, der Beschwerdeführer gab den 5. 1. 1999 an, gab er an, dass sein Vater, der gebildet sei, ihm dieses gesagt habe. In seinem Kalender habe er es vergessen. Sein Vater habe es ihm im gregorianischen Kalender angegeben. Befragt, warum er bei der multifaktoriellen Altersschätzung sein Geburtsdatum im "afghanischen Kalender" angegeben habe, antwortete er: "Ich wusste es ja, ich habe es nur jetzt vergessen."

Er sei in Pakistan geboren und habe die ersten drei Jahre dort, danach in Afghanistan, in der Provinz Nangarhar, die Schule bis zur siebenten Klasse besucht. Danach habe er mit seinem Vater den familieneigenen Grund bewirtschaftet. Sie hätten 18 bis 19 Jirib und dort Gemüse und Weizen angebaut. Das habe er bis zu seiner Ausreise gemacht. Von dem Einkommen habe er den Lebensunterhalt gut bestreiten können. Seine "2-3" Onkel mütterlicherseits lebten in Jalalabad. Die anderen Verwandten hätten Afghanistan verlassen. Er habe zwei Onkel väterlicherseits in London gehabt, wobei einer von ihnen verstorben sei. Wo seine Eltern und Geschwister seien, wisse er nicht. Sein Vater habe ihn einem Freund übergeben. Seit der Ausreise habe er nur mit seinem Onkel väterlicherseits in London Kontakt gehabt. In Österreich habe er keine Verwandten, jedoch einige Freunde, die ihm beim Unterricht helfen würden. Er lebe von der Grundversorgung und besuche fünf Mal in der Woche einen Deutschkurs. Er sei in Afghanistan weder politisch tätig gewesen, noch habe er mit den Behörden Probleme gehabt. Vor ungefähr zwei bis zweieinhalb Jahren habe er Afghanistan verlassen. Er sei über einen längeren Zeitraum beim besten Freund seines Vaters in Pakistan gewesen. Mit ihm sei er losgereist und sie hätten sich in der Türkei getrennt.

Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass die Taliban jedes Jahr von seinem Vater, je nachdem wie viel er erwirtschaftet habe, Geld verlangt hätten. Sie hätten von seinem Vater auch verlangt, dass er seinen Sohn, den Beschwerdeführer, nicht in die Schule schicken solle. Sie hätten ihn gewollt und seinem Vater Drohbriefe geschrieben, dass er ihn zu den Taliban schicken müsse. Deshalb sei seine ganze Familie mit ihm nach Pakistan geflohen. Dort habe sein Vater ihn seinem besten Freund übergeben.

Näher befragt auf welche Weise seine Familie belästigt worden sei, gab er an, dass die Taliban einmal seinen Vater geschlagen und aufgefordert hätten, seinen Sohn mit den Taliban in den Kampf zu schicken. Sein Vater habe Drohbriefe bekommen. Wie viele, wisse er nicht. Was in den Drohbriefen gestanden sei, wisse er nicht. Sein Vater habe ihm nur gesagt, dass sein Leben in Gefahr sei. Er selbst sei von den Taliban nicht persönlich bedroht worden. Er sei geflohen, weil er bei einer Weigerung sich den Taliban anzuschließen, getötet worden wäre.

Befragt, wie es sein kann dass die Taliban gegen ein Mitglied des mächtigsten Stammes, der Poplazai, "entgegentreten", erwiderte der Beschwerdeführer, dass die Stammeszugehörigkeit diese nicht interessiere. Außerdem hätten sie zu den gewöhnlichen Mitgliedern gehört. Er habe nicht den Rückhalt seines Stammes, weil er seinen Stamm nicht kenne.

Er sei einmal als Kleinkind in Kabul gewesen und erinnere sich nicht daran. Er habe nicht mit seinem Vater darüber gesprochen, nach Kabul zu ziehen. Die Sicherheitslage sei überall in Afghanistan schlecht. Er könne nicht nach Kabul, weil die Taliban überall seien, Kontakte hätten, und ihn auch dort suchen würden.

Er wisse nicht, wer sich jetzt um den familiären Grund kümmere. Vielleicht habe sein Vater jemanden beauftragt. Wovon und wo seine Familie in Pakistan gelebt habe, wisse er nicht. Sein Vater habe ihn seinem besten Freund übergeben. Er wisse nicht, wo sein Vater dann hingegangen sei. Sie hätten sich nicht einmal richtig verabschiedet. Auf den Vorhalt, dass man doch die Zeit habe, um Kontaktdaten auszutauschen, antwortete der Beschwerdeführer: "Nein, wir haben das nicht gemacht. Ich hatte Kontakt über den Freund und der ist nach der Türkei auch abgerissen."

Auf den Vorhalt, dass er glaublich wisse, wo sich seine Familie aufhalte und der Kontakt über seinen Onkel in London bestehen könne, erwiderte der Beschwerdeführer, dass sein Onkel bei ihm gewesen, sei, weil er selbst nicht wisse wo dessen Bruder, sein Vater, sei. Der Beschwerdeführer sei auch schon beim Roten Kreuz gewesen, um seine Familie suchen zu lassen.

Am Ende der Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass er den Dolmetscher sehr gut verstanden habe. Nach der Rückübersetzung gab er an, keine Einwendungen zu haben. Alles sei richtig protokolliert worden. Sowohl der Beschwerdeführer als auch dessen anwesende Vertrauensperson bestätigten durch ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und der Rückübersetzung.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30. 11. 2016, Zl. 1100631210/152077525, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß "§ 57" wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I ausgeführt, dass der Beschwerdeführer unglaubwürdig sei, indem er behauptet habe, dass sein Vater ihm sein Geburtsdatum, bezogen auf den gregorianischen Kalender, genannt habe. Es sei nicht plausibel, warum sein Vater den gregorianischen Kalender verwenden sollte. Auch habe der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung angegeben, dass sein Vater für die Regierung gearbeitet habe. Dies habe er bei der Einvernahme nicht mehr erwähnt. Bei der Erstbefragung habe er wiederum die Gefahr einer Zwangsrekrutierung nicht vorgebracht. Die Angaben zu den "Belästigungen" seiner Familie durch die Taliban und zu deren Drohbriefen seien nur vage gewesen.

Es sei auch nicht plausibel, dass die Familie des Beschwerdeführers mit ihm Afghanistan verlassen habe und niemand sich um deren Grundbesitz kümmere. Ebenso, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einem Freund seines Vaters übergeben worden sei, wenn die restliche Familie ebenfalls mit ihm geflohen sei. Das Bundesamt gehe daher davon aus, dass seine restliche Familie sich nach wie vor im Heimatdorf aufhalte und er zu ihr Kontakt habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er nicht einmal die Zeit gehabt habe, sich von seiner Familie zu verabschieden, sei auszuschließen. Denn er behaupte, sich erst in Pakistan, also in Sicherheit, von der Familie getrennt zu haben. Demnach müsse die Zeit vorhanden gewesen sein, um sich zu verabschieden und Kontaktdaten auszutauschen. Diese nicht plausiblen Ausführungen seien ein Indiz für ein konstruiertes Vorbringen.

Eine Rückkehr in den Heimatdistrikt des Beschwerdeführers in der Provinz Nangarhar sei derzeit nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig und könnte seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. "Zusätzlich haben sie angegeben als Kind bereits in Kabul gewesen zu sein, weshalb auch auf Grund ihrer bisherigen Verheimlichungen die Behörde auch von sozialen, wenn nicht sogar familiären Kontakten von Ihnen oder Familie, in Kabul ausgehen muss." Auch dürfe der Beschwerdeführer aufgrund des Ehrenkodex der Paschtunen im ,Auffangbecken' der Volksgruppe landend entsprechende Unterstützung erwarten.

Die Rückkehrentscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer in Österreich kein Familienleben habe und aufgrund seines erst kurzen Aufenthaltes hier besondere private Beziehungen und Bindungen "auch gar nicht erst anzunehmen sind."

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser wurde ausgeführt, es liege im Wesen der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verfolgungsgefahr, dass die Flucht keinen Aufschub erlaubt habe und die Familie gezwungen gewesen sei, rasch zu fliehen, ohne auf ihre Besitztümer Rücksicht zu nehmen. Das Bundesamt habe zur Familie des Beschwerdeführers keine Ermittlungsschritte unternommen, sondern die Feststellung seiner Unglaubwürdigkeit allein auf eine Umdeutung seines Vorbringens, wonach er den Kontakt zu seiner Familie verloren habe, gestützt. Damit habe es die amtswegige Ermittlungspflicht verletzt. Wenn es dem Vorbringen des Beschwerdeführers Unglaubwürdigkeit unterstellen wolle, so wäre es zumindest gehalten, die von ihm gestellten Suchanfragen an das internationale Rote Kreuz zu überprüfen bzw. eigene zu tätigen. Es sei nicht unglaubhaft, wenn der Vater des Beschwerdeführers seinem Sohn erst kurz vor seiner Flucht nach Europa dessen Geburtsdatum im gregorianischen Kalender nenne, damit er sich auf dieses in Europa beziehen könne. Das Bundesamt habe den Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen, weil es ihn als Person als unglaubwürdig einstufe. Dies basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung.

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise unrichtig. Das Bundesamt habe es unterlassen, Berichte über die Situation von Familienmitgliedern von durch die Taliban bedrohten Personen sowie über Zwangsrekrutierungen und das Vorgehen der Taliban mithilfe von Drohbriefen einzuholen, und in die Entscheidung einfließen zu lassen. Zitiert wurde aus Berichten aus den Jahren 2015 und 2016 zu "Night Letters" und Zwangsrekrutierung. Die Taliban würden bereits die Weigerung der Familie des Beschwerdeführers weitere Kämpfer bereitzustellen als Ausdruck einer - allenfalls unterstellten - oppositionellen Gesinnung betrachten und diese daher verfolgen. Es sei jedenfalls von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs auszugehen, weil aus dem Protokoll nicht ersichtlich sei, dass die Länderberichte dem Beschwerdeführer ausgehändigt worden seien und keine Frist für eine allfällige Stellungnahme eingeräumt worden sei. Eine Stellungnahme sei angesichts der Erlassung des Bescheides zwei Tage nach der Einvernahme auch nicht möglich gewesen.

Hätte das Bundesamt das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in der Beweiswürdigung mit den einschlägigen Länderberichten abgeglichen, wäre es zum Schluss gekommen, dass die detailliert und lebensnah geschilderte Verfolgungsgefahr objektiv nachvollziehbar sei. Soweit das Bundesamt die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme stütze, werde auf Judikatur des VfGH verwiesen, wonach die Entscheidung nicht vorrangig auf solche Widersprüche gestützt werden dürfe. Auch sei die Erstbefragung den Angaben des Beschwerdeführers zufolge ohne geeigneten Dolmetscher erfolgt und deren Protokollierung daher rechtswidrig.

Das Bundesamt habe es unterlassen, sich mit dem asylrelevanten Vorbringen der Zwangsrekrutierung sowie der realen Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auseinanderzusetzen. Somit wäre dem Beschwerdeführer internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen.

Das Bundesamt habe es zudem unterlassen, sich mit den Lebensumständen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Es unterstelle ihm, dass er in Kabul Verwandte habe und habe es unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, dass er keine Berufsausbildung habe und auch vor seiner Flucht aus Afghanistan nicht selbsterhaltungsfähig gewesen sei. Er habe kein soziales Netzwerk in Kabul und habe seine Familie auf der Flucht in Pakistan verloren. Das Bundesamt hätte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Auch sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil der Beschwerdeführer ein schützenswertes Privatleben in Österreich habe.

Der Beschwerde wurde eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs auf Niveau A1.1 vom 23. 11. 2016 beigelegt.

Am 24. 1. 2018 fand eine mündliche Verhandlung, unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari, vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an der das Bundesamt als weitere Partei des Verfahrens nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer gab an, dass er gesund sei, die Dolmetscherin gut verstehe und keine Hinderungsgründe für die mündliche Verhandlung vorlägen.

Er gab an, dass er mit seiner Familie Paschtu spreche, jedoch in Dari einvernommen werden möchte. Dies um Zweifel zu beseitigen, dass er eventuell nicht aus Afghanistan stammen könnte. Afghanen die nur Paschtu sprächen würden oft damit konfrontiert, dass sie nicht aus Afghanistan seien.

Befragt, warum er bei der Erstbefragung angegeben habe, in Kabul geboren zu sein, gab er an, dass der Dolmetscher bei der Erstbefragung aus dem Iran gewesen sei. Er habe nicht so gut Farsi sprechen können. Seine Angaben seien anders übersetzt worden. Er sei damals neu in Österreich gewesen, habe eine schwere Reise hinter sich gehabt und habe bei dieser Befragung einiges durcheinander gebracht. Er habe seine Fluchtgründe nicht richtig darlegen können. Er habe auch nicht angegeben, dass er Tadschike sei. Er sei Paschtune.

Er sei in Pakistan geboren und seine Familie stamme aus der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX , Dorf XXXX . Seine Familie sei (vor seiner Geburt) nach Pakistan gezogen, weil sein Vater lange Zeit als Sicherheitsbeamter gearbeitet habe. Als die Taliban an die Macht gekommen seien und in Afghanistan Krieg geherrscht habe, habe seinem Vater Lebensgefahr gedroht. Er habe bis zur dritten Klasse die Schule in Pakistan besucht und danach seien sie alle nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Lage der Flüchtlinge in Pakistan sei damals sehr schlecht gewesen. Diese seien des Landes verwiesen worden, insbesondere afghanische Flüchtlinge. Außerdem habe sich damals die Lage in Afghanistan etwas gebessert, ihre Heimatprovinz, Nangarhar sei etwas sicherer geworden. Dorthin seien sie dann zurückgekehrt. Sie hätten in ihrem Heimatdorf eigene Grundstücke gehabt und diese wieder bewirtschaftet, indem sie Gemüse und Weizen angebaut hätten. Er sei dann noch vier Jahre in Afghanistan zur Schule gegangen. Er habe danach auf den Grundstücken gearbeitet.

Seine Mutter habe eine Schwester, über die er jedoch nichts wisse. Auf den Vorhalt, dass er beim Bundesamt ausgesagt habe, dass zwei bis drei Onkel mütterlicherseits in Jalalabad lebten, erwiderte er, dass dabei ein Fehler passiert sei. Er habe angegeben, dass er zwei Onkel väterlicherseits habe, welche in London seien, von denen aber einer gestorben sei. Sein älterer Onkel väterlicherseits besitze ein Geschäft in London und es gehe ihm wirtschaftlich gut. Sein jüngerer Onkel väterlicherseits sei in Großbritannien verstorben, dessen Familie lebe aber weiterhin dort.

Auf den folgenden Vorhalt, dass ihm das Protokoll rückübersetzt worden sei und wieso er dies nicht gerügt habe, gab er an, dass ihm dies nicht aufgefallen sei. Seine Einvernahme habe sechs oder sieben Stunden gedauert und er sei nicht mehr konzentriert gewesen. Dem anschließenden Vorhalt, dass seine Einvernahme dem Aktinhalt zufolge zwei Stunden gedauert habe, entgegnete er, dass sie länger gedauert habe.

Er habe Afghanistan verlassen weil, "[a]ls ich erwachsen war" die Taliban von seinem Vater verlangt hätten, dass er ihn nicht mehr in die Schule schicken soll, weil dort Ungläubige ihre Hände im Spiel hätten. Sie hätten gewollt, dass sein Vater ihn in eine Madrassa schicke, damit er dort über die Religion lerne. Sein Vater habe diese Gespräche nicht sehr ernst genommen. Schließlich hätten "wir" Warnbriefe von den Taliban erhalten. In den Warnbriefen sei gestanden, dass sein Vater ihn nicht mehr in die Schule schicken soll sondern in die Madrassa, sonst würde seine ganze Familie vernichtet werden. Sein Vater habe ihm nur wenig von den Briefen erzählt. Er habe ihnen die Briefe nicht gezeigt, weil er wahrscheinlich verhindern habe wollen, dass sie verängstigt seien. Einmal sei sein Vater auf seinem Grundstück von den Taliban geschlagen worden. Auch hätten die Taliban den Beschwerdeführer einmal auf dem Schulweg angehalten, um ihn mitzunehmen. Er sei ihnen jedoch weggelaufen, nach Hause gegangen und habe seinem Vater gesagt, dass er auf diese Art dort nicht mehr leben könne. Sein Vater habe gesagt, dass er das Leben der gesamten Familie keiner Gefahr aussetzen möchte. "In dieser Nacht wurden wir zu Hause angegriffen" und seinem Vater sei klar geworden, dass sie dort nicht mehr bleiben könnten. Deshalb seien sie alle erneut nach Pakistan geflüchtet.

Auf die Vorhalte, dass er beim Bundesamt mit keinem Wort erwähnt habe, dass die Taliban seinen Vater aufgefordert hätten, ihn in eine Madrassa zu schicken und er immer davon gesprochen habe, dass die Taliban ihn in den Kampf mitnehmen hätten wollen, erwiderte der Beschwerdeführer, dass man zum Mitglied der Taliban werde und dann an ihren Taten beteiligt sei, wenn man in die Madrassa gehe und dort unterrichtet werde.

Auf den Vorhalt warum er nichts darüber beim Bundesamt angegeben habe, dass die Taliban ihn einmal auf dem Schulweg angehalten hätten, um ihn mitzunehmen und er vor der Behörde die Frage, ob er einmal direkt von den Taliban bedroht worden sei, verneint habe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er dies bejaht habe.

Er wisse nicht wo sich seine Familie aufhalte. Den Kontakt habe er in Pakistan verloren. Als sie nach Pakistan gekommen seien, habe sein Vater ihn seinem Freund übergeben. Mit diesem sei er in die Türkei gereist. Nach dieser Übergabe habe er nichts mehr von seiner Familie gehört. Die Frage warum seine Familie nicht gemeinsam die Flucht angetreten habe, beantwortete der Beschwerdeführer folgendermaßen: "Wir sind aus Afghanistan gemeinsam geflüchtet, in Pakistan hat mich mein Vater seinem Freund übergeben. Er sagte mir, dass dieser Mann sein guter Freund wäre und er großes Vertrauen zu Ihm hätte. Dieser Freund von ihm würde mich in Sicherheit bringen."

Er habe seine Familie (von Österreich aus) über das Rote Kreuz gesucht. Eine Bestätigung darüber habe er nicht. Er sei damals minderjährig gewesen und diese Bestätigungen habe sein Betreuer aufbewahrt. Als er volljährig geworden sei, habe er nichts davon bekommen. Auch sein in London lebender Onkel habe keinen Kontakt zu seinem Vater. Er habe sich auch sehr bemüht, habe aber bisher niemanden gefunden.

Er sei ein oder zwei Mal, als er sehr jung gewesen sei, in Kabul gewesen. Er könne sich aber nicht daran erinnern. Außer in Nangarhar hätten sie sonst in keiner Provinz gelebt. Er könne sich nicht vorstellen in Kabul zu leben, weil sein Leben dort in Gefahr sei. Außerdem habe er dort keine Familie. Er sei seit ca. zwei bis drei Jahren in Österreich und habe sich an das Leben hier gewöhnt. Es sei für ihn schwierig, wieder in Afghanistan zu leben. Er könne nach Afghanistan auf keinen Fall zurückkehren, weil dort sein Leben in Gefahr sei. Er habe Afghanistan verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen und habe dort niemanden mehr.

Seit ungefähr einem Jahr habe er in Österreich eine Freundin. Sie sei aus der Türkei und lebe in Linz. Er lebe in einer anderen Stadt. Sie würden einander drei bis vier Mal in der Woche sehen. Sie arbeite in einer Apotheke und komme zu ihm, wenn sie Zeit habe. Er habe sie drei bis vier Mal in Linz besucht. Er kenne ihre genaue Wohnadresse nicht. Welchen aufenthaltsrechtlichen Status sie habe, wisse er nicht.

Er lebe in Österreich von der Grundversorgung. Für kurze Zeit habe er einen Schneiderkurs besucht, weil er in Österreich einen Afghanen kennengelernt habe, der vom Beruf Schneider sei. Er sei gemeinsam mit ein paar anderen Afghanen zu ihm gegangen, damit dieser ihnen das Schneidern beibringe. Er habe österreichische Freunde aus seiner Umgebung. Mitglied in einem Verein sei er nicht. Er habe sich vergeblich darum bemüht, eine gemeinnützige Arbeit zu verrichten.

Am Ende der Verhandlung wurden der Vertreterin des Beschwerdeführers die vorläufigen Sachverhaltsannahmen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Situation in Afghanistan übergeben und ihr eine Frist von drei Wochen zur Stellungnahme gewährt.

Der Beschwerdeführer legte bei der Verhandlung unter anderem eine Kursbesuchsbestätigung über ein 112-stündiges Modul im Rahmen der Basisbildung vom 19. 1. 2018 vor.

Am 21. 2. 2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine entsprechende Stellungnahme der Vertreterin des Beschwerdeführers ein. In dieser wurde im Wesentlichen, unter Zitierung verschiedener aktueller Berichte, ausgeführt, dass durch die zwangsweise Abschiebung von jungen afghanischen Männern für den Nachschub der Taliban gesorgt werde. Aus dem Bericht "Arbeitsübersetzung, Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne, Landinfo Informationszentrum für Herkunftsländer, BFA 2017" gehe hervor, dass die Taliban angeben, durch Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und anderen Stellen, regelmäßig darüber Berichte zu erhalten, wer in das Land einreise. Im vorliegenden Fall komme erschwerend hinzu, dass der Beschwerdeführer durch die Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Taliban bereits in deren Visier geraten sei.

Auch habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert und die Taliban würden mehr Territorium kontrollieren als bislang angenommen. Dazu wurde auf zahlreiches aktuelles Berichtsmaterial verwiesen. In Afghanistan bzw. in Kabul seien zunehmend verheerende (Selbstmord-) Anschläge zu verzeichnen. Das Europaparlament habe in einer Entschließung vom 14. 12. 2017 vor einer humanitären Krise gewarnt. In der Entschließung seien die Regierungen aufgefordert worden, von Rückführungen von Afghanen Abstand zu nehmen, weil diese einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellten.

Er habe längere Zeit in Pakistan gelebt. Es sei ihm nicht bekannt, wo sich seine Familie momentan befinde. Lediglich eine Tante mütterlicherseits lebe in Afghanistan. Zu dieser habe er keinen Kontakt und ihr Aufenthaltsort könne nicht ausfindig gemacht werden. Folglich wäre er in Afghanistan auf sich alleine gestellt. Auch sei zu berücksichtigen, dass er keine Tazkira habe. Diese sei sowohl für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als auch für den Zugang zu Hilfe von Hilfsorganisationen notwendig. Eine medizinische Behandlung ohne Tazkira sei nahezu ausgeschlossen. Eine Neuausstellung dieses Dokuments sei wegen eines fehlenden männlichen Verwandten aussichtslos. Zudem müsste er wegen der Abholung der Tazkira in seine Heimatprovinz zurück, was mit erheblichen Gefahren verbunden wäre.

Zur Situation der Rückkehrer wurde aus dem Aufsatz von Friederike Stahlmann: "Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung", Berichten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus 2016 und 2017 und einer gutachterlichen Stellungnahme in einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2017 zitiert. Die Annahme, dass zumindest alleinstehende junge gesunde Männer ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, sei durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend in Frage gestellt.

Der Beschwerdeführer habe einige Jahre in Pakistan und zuletzt in Europa gelebt. Die prägenden Jahre habe er daher außerhalb Afghanistans verbracht. Dies wäre wegen seines Erscheinungsbildes und der liberalen Lebenseinstellung sofort ersichtlich. Verwiesen wurde auf einen Bericht von ASYLOS aus dem Jahr 2017 wonach jene Rückkehrer, "die noch nie in Afghanistan gelebt haben" und anders aussehen würden, schikaniert würden und ihnen, wenn sie - so wie der Beschwerdeführer - keine Tazkira hätten, willkürliche Verhaftungen drohten. Das Bundesverwaltungsgericht habe einen Mann mit liberal-egalitärer Orientierung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen. Hinzu komme, dass viele Rückkehrer sozialer Exklusion konfrontiert seien. Sie würden als "nicht-afghanisch" angesehen. Als ,verwestlicht wahrgenommene' Personen würden zu sogenannten potenziellen Risikoprofilen des UNHCR gehören.

Somit lägen im konkreten Fall mehrere Gründe vor, aus denen anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Lage geraten würde und ein Leben unter menschenwürdigen Bedingungen nicht führen könnte. Erschwerend komme die aktuell eskalierende Sicherheitslage in Afghanistan hinzu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er wurde in Pakistan geboren, seine Familie stammt aus der Provinz Nangarhar. Er lebte einige Jahre in Pakistan und besuchte dort drei Jahre die Schule. Danach zog er mit seiner Familie nach Afghanistan, wo er vier Jahre die Schule besuchte und auf dem familieneigenen Grund in der Landwirtschaft arbeitete.

Sein Onkel väterlicherseits lebt in London in guten wirtschaftlichen Verhältnissen und betreibt dort ein Geschäft. Zu diesem hat er Kontakt. Seine Tante mütterlicherseits lebt in Afghanistan, wobei er zu ihr keinen Kontakt hat.

Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, dass er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie hat. Dieser sei nach der erneuten Flucht seiner Familie zusammen mit ihm in Pakistan abgerissen. Dieses Vorbringen wird der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan durch die Taliban, die ihn zwangsweise hätten rekrutieren bzw. in eine Madrassa schicken wollen, einer Verfolgung ausgesetzt war, oder im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sein würde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Aufenthaltes in Europa seit Ende 2015 und eines behaupteten bzw. unterstellten Bruchs mit den afghanischen Traditionen oder in Kombination dieser Eigenschaften im Falle einer Rückkehr einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Er leidet an keiner schweren körperlichen oder psychischen Erkrankung und es besteht auch kein längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsbedarf.

Am 29. 12. 2015 beantragte der Beschwerdeführer in Österreich die Gewährung von internationalem Schutz.

Der Beschwerdeführer hat seit etwas mehr als einem Jahr eine Freundin in Österreich, mit der er jedoch nicht im gleichen Haushalt lebt und deren genaue Adresse ihm nicht bekannt ist. Er hat einen Freundeskreis in Österreich und hat ein 112-stündiges Modul im Rahmen der Basisbildung besucht.

Im Strafregister der Republik Österreich scheint folgende Verurteilung auf:

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2, 27 Abs. 2a SMG als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 10 Wochen, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt.

Zur Situation in Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 25.09.2017)

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

[...]

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 [...]

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Siehe Kapitel 2 - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

[...]

Quellen:

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BBC News (9.2.2017): Afghanistan killings: Red Cross halts aid after attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-38912482, Zugriff 23.2.2017

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BBC News (22.5.2016): Taliban leader Mullah Akhtar Mansour killed, Afghans confirm, http://www.bbc.com/news/world-asia-36352559, Zugriff 26.1.2017

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http://www.bbc.com/news/world-asia-35169478, Zugriff 12.1.2016

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BBC (29.6.2015): Taliban ambush in Herat province 'kills 11 soldiers', http://www.bbc.com/news/world-asia-33308094, Zugriff 12.1.2016

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BBC (2.9.2014): Afghan militant fighters 'may join Islamic State', http://www.bbc.com/news/world-asia-29009125, Zugriff 27.10.2014

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CRS - Congressional Research Service (26.5.2016): Taliban Leadership Succession, https://fas.org/sgp/crs/row/IN10495.pdf, Zugriff 30.1.2017

-

CRS (12.1.2017): Afghanistan: Post Taliban Governance, Security, and U.S. Policy https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 30.1.2017

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DS - The Daily Signal (6.1.2016): It Would Be a Mistake to Not Hold Steady in Afghanistan,

http://dailysignal.com/2016/01/06/it-would-be-a-mistake-to-not-hold-steady-in-afghanistan/, Zugriff 13.1.2016

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DW - Deutsche Welle (25.5.2016): Taliban names Mansour's deputy Haibatullah Akhundzada as new leader, http://www.dw.com/en/taliban-names-mansours-deputy-haibatullah-akhundzada-as-new-leader/a-19281225, Zugriff 1.3.2017

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DW - Deutsche Welle (17.10.2014): Capture of senior leaders to 'further weaken' Haqqani network, http://www.dw.de/capture-of-senior-leaders-to-further-weaken-haqqani-network/a-18001448, Zugriff 27.10.2014

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Die Zeit (22.9.2016): Kabul schließt Friedensabkommen mit berüchtigtem Milizenführer Hekmatjar, http://www.zeit.de/news/2016-09/22/afghanistan-kabul-schliesst-friedensabkommen-mit-beruechtigtem-milizenfuehrer-hekmatjar-22113008, Zugriff 5.10.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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