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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art119a Abs9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision 1. des Gemeinderates der Marktgemeinde Gleinstätten, 2. der Marktgemeinde Gleinstätten,
3. des Bürgermeisters der Marktgemeinde Gleinstätten, alle vertreten durch Mag. Wolfgang Leitner, Rechtsanwalt in 8160 Weiz, Schulgasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21. Mai 2015, Zl. LVwG 50.33-946/2014-6, betreffend eine Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Regierungskommissär der Marktgemeinde Gleinstätten; mitbeteiligte Parteien: 1. A K, 2. G K, beide in St. A, 3. J K, 4. S K, beide in P, alle vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 12; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Marktgemeinde Gleinstätten hat den erst- bis viertmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P vom 16. Juni 2011 wurde dem Bauwerber F H die Baubewilligung für (u.a.) ein Wirtschaftsgebäude mit Schweinestall auf einem näher bezeichneten Grundstück unter Auflagen erteilt. Die dagegen erhobene Berufung der erst- bis viertmitbeteiligten Parteien vom 12. Juli 2011 wurde vom Gemeinderat der Gemeinde P mit Bescheid vom 5. Jänner 2012 abgewiesen.
2 Aufgrund der von den erst- bis viertmitbeteiligten Parteien dagegen erhobenen Vorstellung behob die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 27. August 2012 den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Gemeinde P und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diesen zurück.
3 In weiterer Folge wurde die Gemeinde P mit der Marktgemeinde G fusioniert und wurden die Gemeinderäte der Fusionsgemeinden mit Wirksamkeit vom 31. Dezember 2014 aufgelöst. Für die "neue" Marktgemeinde G wurde ab 1. Jänner 2015 bis zur Angelobung des neu gewählten Gemeinderates und Bürgermeisters von der Steiermärkischen Landesregierung ein Regierungskommissär bestellt, welcher mit Bescheid vom 14. Februar 2015 über die Berufung entschied.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Mai 2015 hob das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) diesen Bescheid des Regierungskommissärs, mit welchem dieser der Berufung der erst- bis viertmitbeteiligten Parteien "zum Teil stattgegeben" hatte, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Regierungskommissärs auf (Spruchpunkt I.). Eine Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig (Spruchpunkt II.).
5 Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Verwaltungsgericht dahingehend, dass die ordentliche Revision zulässig sei, "da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine entsprechende Rechtsprechung fehlt."
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, der über Antrag der Revisionswerber mit Beschluss vom 8. April 2016 aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde und in der zur Zulässigkeit ausgeführt wird, das Verwaltungsgericht habe "zutreffend auf die Revisibilität der hiesigen Rechtsfrage(n) hingewiesen" und sei dem nur hinzuzufügen, dass "Konstellationen wie die hiesige oftmals wiederkehren können, sodass allein deshalb eine Klärung der Rechtsfrage" notwendig sei.
7 Die erst- bis viertmitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision, in eventu die Entscheidung in der Sache selbst durch den Verwaltungsgerichtshof beantragen.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Vorweg ist zur Revisionslegitimation der zweitrevisionswerbenden Marktgemeinde (im Folgenden: Gemeinde) und des drittrevisionswerbenden Bürgermeisters (im Folgenden: Bürgermeister) Nachstehendes auszuführen:
12 Nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof Revisionen ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückweisen, wenn ihnen der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht.
14 Zur Revisionslegitimation der Gemeinde ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Revisionsrecht aus dem Grund des Art. 119a Abs. 9 zweiter Satz B-VG in der hier vorliegenden Konstellation - in Bezug auf eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes über eine Beschwerde gegen einen gemeindebehördlichen Bescheid im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde - ausscheidet (vgl. hierzu etwa VwGH 22.4.2015, Ro 2015/16/0001, mwN, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird, sowie VwGH 24.4.2015, Ro 2014/17/0144). Da im vorliegenden Revisionsfall keine aufsichtsbehördliche Entscheidung Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht war, sondern eine im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehende Bauangelegenheit, kann sich die Gemeinde nicht auf die Revisionslegitimation des Art. 119a Abs. 9 zweiter Satz B-VG stützen.
15 Soweit sich die Gemeinde für ihre Revisionslegitimation auf Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG stützen und in diesem Zusammenhang eine Verletzung im "Recht auf Selbstverwaltung" geltend machen möchte, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Gemeinde keineswegs aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts schlechthin in allen Belangen des eigenen Wirkungsbereiches auf der Grundlage des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG das Recht der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes hätte. Diesfalls wäre nämlich die Normierung der Revisionslegitimation in Art. 119a Abs. 9 B-VG überflüssig, weil dann jede behauptete Verletzung im Recht auf Selbstverwaltung - daher auch eine solche durch aufsichtsbehördliche Entscheidungen - schon allein auf der Grundlage des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG geltend gemacht werden könnte. Eine Berufung auf Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG aus dem allgemeinen Titel des Rechts auf Selbstverwaltung scheidet somit aus (vgl. auch hierzu wiederum VwGH 22.4.2015, Ro 2015/16/0001, sowie VwGH 24.4.2015, Ro 2014/17/0144, mwN).
16 Die Verletzung in einem konkreten subjektiven Recht wird durch die Gemeinde nicht behauptet, weshalb eine nähere diesbezügliche Auseinandersetzung dahin gestellt bleiben kann.
17 Eine Revisionslegitimation ist weder aufgrund einer anderen Ziffer des Art. 133 Abs. 6 B-VG noch aufgrund einer besonderen Anordnung in einem Bundes- oder Landesgesetz (Art. 133 Abs. 8 B-VG) ersichtlich (ein Fall des § 26a Steiermärkisches Baugesetz 1995 liegt gegenständlich nicht vor) und wurde eine solche von der Gemeinde auch nicht behauptet.
18 Soweit der Bürgermeister seine Legitimation zu der - nach eigenen Angaben aus Gründen der Vorsicht erhobenen - Revision allein in der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an ihn gegeben sieht, ist ihm zu entgegnen, dass damit noch keine Revisionslegitimation im Sinne des Art. 133 Abs. 6 B-VG begründet wird; es wird auch weder dargelegt noch ist ersichtlich, aufgrund welcher Ziffer des Art. 133 Abs. 6 B-VG eine Revisionslegitimation fallbezogen bestehen sollte. Ein Revisionsrecht ist auch nicht aufgrund einer besonderen Anordnung in einem Bundes- oder Landesgesetz (Art. 133 Abs. 8 B-VG) zu erkennen und wurde ein solches auch nicht behauptet.
19 Da nach dem Vorgesagten weder der Gemeinde noch dem Bürgermeister Revisionslegitimation zukommt, war deren Revision schon mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß Art. 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
20 Darüber hinaus ist festzuhalten, dass mit dem pauschalen Hinweis durch das Verwaltungsgericht in der Zulassungsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses auf fehlende "entsprechende" Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer nicht näher ausgeführten Rechtsfrage nicht dargelegt wird, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu beantworten wäre. Insofern wird damit auch den Begründungserfordernissen nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht Genüge geleistet; Zweck dieser Begründungspflicht ist nämlich bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. hierzu etwa VwGH 24.5 2017, Ro 2015/02/0027, mwN).
21 Nach der hg. Rechtsprechung erfordert die Begründung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 24.3.2016, Ro 2016/11/0005, mwN).
22 Diesem Erfordernis entspricht zunächst die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht, weil sie nur ganz allgemein auf das Fehlen von Rechtsprechung zu "einer Rechtsfrage" hinweist, ohne jedoch konkret die ungeklärte Rechtsfrage darzulegen.
23 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die Gründe für die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 21.11.2017, Ro 2015/05/0009, mwN; sowie wiederum VwGH 24.3.2016, Ro 2016/11/0005, mwN).
24 Mit den dargestellten Ausführungen in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung wird jedoch vor dem Hintergrund der zitierten Judikatur keine konkrete Rechtsfrage, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, aufgeworfen. Angesichts dieses Ergebnisses konnten Ausführungen zur Revisionslegitimation des Gemeinderates unterbleiben (vgl. in diesem Sinn zu einer nicht notwendigen Prüfung der Rechtzeitigkeit bei Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung etwa VwGH 23.3.2016, Ro 2016/12/0008, mwN).
25 Die Revision war daher gemäß Art. 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 und § 49 Abs. 6 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 25. April 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2015060010.J00Im RIS seit
13.06.2018Zuletzt aktualisiert am
25.04.2019