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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/20/0300Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerden 1. (99/20/0299) des HG in Graz, geboren am 20. Februar 1971, und 2. (99/20/0300) des RG in Graz, geboren am 29. April 1973, beide vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. April 1999, Zl. 208.024/0-VII/20/99, und Zl. 208.027/0-VII/20/99, betreffend Asylgewährung (jeweils weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundeskanzleramt) jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beiden Beschwerdeführer sind Brüder und armenische Staatsangehörige. Nach ihren Angaben sind sie am 22. März 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist, wo sie am 23. März 1998 Asyl beantragten.
Nach ihren nahezu inhaltsgleichen Angaben anlässlich ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt seien sie aus Armenien deshalb geflüchtet, weil sie dort wegen des Verdachtes des versuchten Mordes polizeilich gesucht würden. Dem liege zu Grunde, dass der Erstbeschwerdeführer, der in Armenien Polizist gewesen sei, zwei Kollegen seinen PKW geliehen habe. Diese beiden Kollegen des Beschwerdeführers hätten unter Verwendung des Autos des Erstbeschwerdeführers ein Attentat gegen Konkurrenten "eines Benzingeschäftes" unternommen, bei dem die Opfer angeschossen worden seien. Die beiden Kollegen des Erstbeschwerdeführers seien Mitglieder einer kriminellen Organisation gewesen. Die Polizei habe die beiden Beschwerdeführer dieser Tat verdächtigt. Der Erstbeschwerdeführer habe nach diesem Attentat telefonischen Kontakt mit den wahren Tätern gehabt, wonach diese die Beschwerdeführer aufgefordert hätten, einen Richter zu ermorden. Damit hätten sie sich von der Verfolgung wegen des Attentates befreien sollen. Im Juli 1994 hätten die Kollegen des Erstbeschwerdeführers selbst das Attentat auf den Richter unternommen, wobei sie dabei nach einem Zeitungsartikel gefasst und mit Bildern in der Zeitung abgedruckt worden seien. Die beiden seien jedoch dann wieder freigelassen worden. Die Polizei suche noch immer nach den beiden Beschwerdeführern. Im Falle der Rückkehr nach Armenien befürchteten sie kein gerechtes Verfahren zu erhalten.
Auf die Frage, ob sie (gemeint: die beiden Brüder) die Todesstrafe erwarte, erklärte der Erstbeschwerdeführer:
"Nein, ich könnte trotzdem getötet werden, weil der Verdacht auf mich gefallen ist. Es sind höchste Persönlichkeiten dabei. Die Polizei sucht noch immer nach mir."
Auf die Frage, was ihm passieren würde, wenn er in die Heimat zurück müsste:
"Entweder man bringt mich gleich um oder steckt mich 15 Jahre ins Gefängnis. Alles, was ich tue, ist umsonst. Man würde mir nicht glauben."
Der Zweitbeschwerdeführer erklärte auf die Frage, was ihm in der Heimat passieren würde:
"Ich könnte aus dem Weg geschafft werden, damit die Wahrheit nicht an den Tag kommt.
Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung oder Strafe oder die Todesstrafe drohen würde?
Ich werde gesucht, weil ich eines strafrechtlichen Deliktes beschuldigt werde. Ich befürchte, dass ich kein gerechtes Verfahren erhalten werde und dass mich die Polizei schlagen könnte."
Das Bundesasylamt wies die Asylanträge der Beschwerdeführer mit Bescheiden jeweils vom 28. Jänner 1999 gemäß § 7 AsylG als unbegründet ab und sprach zugleich gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Armenien zulässig sei.
Das Bundesasylamt ging davon aus, dass die Angaben der Beschwerdeführer insofern belegt seien, als am 18. Februar 1994 eine Straftat stattgefunden habe, mit welcher die Beschwerdeführer in Zusammenhang gebracht würden. Die Ermittlungstätigkeit von Polizei und Gerichten wegen des Vorwurfs einer gerichtlich strafbaren Handlung stelle jedoch keinen der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe dar, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen könnten.
Die Beschwerdeführer hätten nicht glaubhaft darlegen können, dass ihnen in Armenien eine unmenschliche Behandlung, eine unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würden. Die den Beschwerdeführern zur Last gelegte Tat (versuchter Mord im Sinne des § 99 Teil 2 und 6 des armenischen Strafgesetzbuches) sei mit 8 bis 15 Jahren Haft und der weiters zum Vorwurf gemachte Verstoß wegen des illegalen Besitzes und Tragens von Schusswaffen (§ 232 Teil 1 des armenischen Strafgesetzbuches) sei mit bis zu 7 Jahren Haft bedroht. Die Todesstrafe drohe ihnen, wie von den Beschwerdeführern selbst festgestellt, nicht. Die Bedenken, von Angehörigen der Polizei eventuell geschlagen oder möglicherweise aus dem Weg geräumt zu werden, seien nicht objektivierbar und es lägen Berichte über eine derartige Praxis in armenischen Gefängnissen nicht vor. Im Falle ihrer Rückstellung würden sie dem Machtbereich der Gerichtsbarkeit unterstellt werden. Sollten die Angaben der Beschwerdeführer richtig sein, so hätte die Justiz in Armenien jedenfalls ein gravierendes Interesse an der Aufklärung des tatsächlichen Sachverhaltes und es würde ihnen der erforderliche Schutz gewährt. Es seien jedenfalls keine stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer Bedrohung der Beschwerdeführer im Sinne des § 8 AsylG i.V.m. § 57 FrG gegeben.
Die beiden Beschwerdeführer erhoben jeweils Berufung.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurde diesen Berufungen gemäß §§ 7 und 8 AsylG keine Folge gegeben.
In den Bescheiden verwies die belangte Behörde nahezu inhaltsgleich zunächst auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Bundesasylamtes und führte ergänzend aus: Es möge durchaus richtig sein, dass die Beschwerdeführer in die Aktivität einer "Geheimorganisation" verwickelt gewesen seien, allerdings handle es sich dann um eine kriminelle Organisation. Den Angaben der Beschwerdeführer seien keine Anhaltspunkte für deren Verfolgung aus politischen Gründen zu entnehmen. Allein aus dem Umstand, dass ein Richter Opfer eines Mordanschlages habe werden sollen, könne nicht abgeleitet werden, es habe sich um ein politisches Verbrechen gehandelt. Die Aufforderung an die Beschwerdeführer, den Richter umzubringen, habe den Hintergrund gehabt, dass "man in diesem Fall uns die Geschichte mit dem ersten Überfall nicht mehr angehängt hätte". Zufolge den eigenen Angaben der Beschwerdeführer habe der erste Überfall zur Beseitigung von "Konkurrenten wegen eines Benzingeschäfts" gedient. Die in der Berufung angeführten Berichte von Amnesty International aus dem Jahre 1995 betreffend Ereignisse im Jahr 1994 seien mangels Aktualität nicht heranzuziehen. Im Übrigen seien diese Berichte inhaltlich nicht geeignet, eine anders lautende Entscheidung herbeizuführen. Diese Berichte hätten keinen Bezug auf den Fall der Beschwerdeführer. Soweit sich aus dem vorgelegten Artikel eines Polizeinachrichtenmagazins ergebe, dass mit den beiden Brüdern auch ein gewisser "M.H. als Täter des Anschlages identifiziert worden sei, diese Person jedoch im weiteren Verfahren als Opfer des Schussattentates genannt worden sei und es sich hierbei um eine höchst aufklärungsbedürftige Verwechslung handle", sei daraus eine politische Dimension bzw. ein "nicht rechtsstaatliches Verhalten der armenischen Behörden" nicht ableitbar. Die den Beschwerdeführern drohenden Strafen erfüllten keinesfalls die Voraussetzung des § 57 Abs. 1 FrG.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, die vom Verwaltungsgerichtshof wegen ihres sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden.
Die Beschwerdeführer begehren die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 7 AsylG ist Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) droht und keiner der im Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv (i.d.F. des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1994) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die Auffassung der belangten Behörde, die beiden Beschwerdeführer seien in ihrem Heimatstaat wegen des Verdachtes eines strafrechtlichen Deliktes ohne erkennbare asylrelevante Anknüpfungspunkte der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden: Nach dem Vorbringen beider Beschwerdeführer sei der auf sie gefallene Verdacht darauf zurückzuführen, dass die Täter des Attentates vom Februar 1994 bei diesem Anschlag das Fahrzeug des Erstbeschwerdeführers verwendet hätten, weshalb gegen die beiden Beschwerdeführer auch ein Haftbefehl bestehe. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergeben sich aus den Angaben der beiden Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine ihnen aus asylrelevanten Gründen drohende Verfolgung in Armenien. Das ihnen zur Last gelegte Attentat wurde von den "Kollegen" des Erstbeschwerdeführers danach aus kriminellen Motiven heraus zur Beseitigung von "Konkurrenten wegen eines Benzingeschäftes" begangen, woran nichts ändert, dass an der dahinter stehenden kriminellen Organisation zwei bei der Polizei tätige Berufskollegen des Beschwerdeführers beteiligt gewesen seien. Die Behauptungen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren, an dieser Organisation seien "höchste Personen" beteiligt, ist nicht hinreichend konkret und substanziiert genug, um daraus - wie in der Beschwerde versucht - eine staatliche Verfolgung der Beschwerdeführer mit dem Ziel, sie "aus dem Weg zu räumen", konstruieren zu können. Allein deshalb, weil die Beschwerdeführer aufgefordert worden sein sollen, einen Richter zu töten, kann ebenfalls keine "politische Dimension" der Verfolgung erkannt werden, zumal gerade Angehörige der Polizei oder der Justiz Zielscheibe für Attentate von kriminellen Organisationen sein können. Das Beschwerdevorbringen besteht somit in weiten Teilen nur aus konstruierten Mutmaßungen über eine gewünschte Zurechnung der den Beschwerdeführern drohenden polizeilichen Verfolgung in Armenien zu nicht weiter konkretisierten politischen Funktionsträgern, ohne sich dabei auf ein im Verwaltungsverfahren vorgetragenes sachverhaltsmäßiges Substrat stützen zu können. Es muss aber eine Verfolgung aus Gründen der Konvention mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen; die entfernte Möglichkeit einer solchen Verfolgung genügt nicht. Soweit das Beschwerdevorbringen im Übrigen nicht ohnehin lediglich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerungen enthält, fehlt insbesondere dem in der Beschwerde erstatteten Vorbringen hinsichtlich der Berichte von Amnesty International und der vorgelegten Protokolle über parlamentarische Debatten betreffend die strafrechtliche Verfolgung von als in Verbindung mit kriminellen Organisationen stehenden verdächtigten Personen jeglicher konkreter Zusammenhang mit der Situation der Beschwerdeführer. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, warum die Beschwerdeführer, die nach ihren Angaben in Armenien keiner oppositionellen politischen Gesinnung verdächtigt und auch nicht aus ethnischen Gründen bedroht worden seien, im Falle ihrer Rückkehr nunmehr aus diesen Gründen einer Gefährdung ausgesetzt sein sollten. Die Berichte von Amnesty International mit Bezug auf Vermutungen über die Tötung von "aserbeidschanischen Gefangenen" durch armenische Strafvollzugsorgane sind schon von daher - abgesehen vom Fehlen eines sonstigen konkreten Bezuges - nicht geeignet, dem Beschwerdevorbringen zum Erfolg zu verhelfen. Die Behauptung, unter den von den Beschwerdeführern bezeichneten "höchsten Persönlichkeiten" sei "vor allem der frühere Innenminister V.S." gemeint, stellt eine unzulässige Neuerung dar. Im Übrigen übte die nach diesem Vorbringen genannte Person keine politische Funktion mehr aus.
Das Vorbringen gegen den Ausspruch gemäß § 8 AsylG geht schon deshalb fehl, weil selbst nach den Angaben der Beschwerdeführer ihnen im Falle der Verurteilung wegen der Delikte, deren sie in Armenien verdächtigt seien, (lediglich) eine befristete Freiheitsstrafe droht. Die Behauptung, die Beschwerdeführer liefen im Falle ihrer Rückstellung Gefahr, unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder gar der Todesstrafe unterworfen zu werden, steht nicht nur mit den Feststellungen der belangten Behörde, deren Unschlüssigkeit nicht nachvollziehbar aufgezeigt wird, sondern auch mit den Angaben der Beschwerdeführer selbst in Widerspruch. Es ist auch nicht erkennbar, dass die armenische Staatsgewalt nicht Willens und in der Lage wäre, die Beschwerdeführer vor einer allfälligen Bedrohung durch die kriminelle Organisation wegen einer von deren Mitgliedern befürchteten nachteiligen Zeugenaussage zu schützen, zumal ein dahingehendes substanziiertes Vorbringen auch nicht erstattet wurde.
Wenn die belangte Behörde somit zur Schlussfolgerung gelangte, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, die Beschwerdeführer seien in Armenien gemäß § 57 Abs. 1 FrG bedroht, so ist der darauf aufbauende Ausspruch gemäß § 8 AsylG nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde zur Gänze gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999200299.X00Im RIS seit
04.05.2001