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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des A V A, vertreten durch Mag. Elke Weidinger, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VIII, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2018, W123 2151330-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 5. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 17. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Dem legt das Bundesverwaltungsgericht - mit näherer Begründung - zu Grunde, dass dem Revisionswerber aufgrund des von ihm behaupteten Missbrauches als "Bacha Bazi" (Tanzjunge) bei einer Rückkehr nach Afghanistan nunmehr weder durch staatliche Behörden noch durch Private - insbesondere die eigenen Familie des Revisionswerbers - Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention drohe. Der im April 1999 geborene Revisionswerber werde als Volljähriger dieser Praxis nicht mehr unterworfen werden. Wegen des vergangenen Missbrauches werde ihn - insbesondere in seiner Heimatstadt Kabul - niemand mehr suchen. Dem jungen arbeitsfähigen Revisionswerber sei im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rückkehr nach Kabul zumutbar. Alternativ bestünde auch eine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen Großstädten Afghanistans.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht ausreichend mit der Frage beschäftigt, ob der Revisionswerber als "Tanzjunge" einer sozialen Gruppe angehöre und daher "unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention falle".
7 Mit diesem Vorbringen übersieht der Revisionswerber, dass die Revision nicht von der Lösung der Frage abhängt, ob "Tanzjungen" (Praxis des "Bacha Bazi") eine soziale Gruppe im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention bilden. Das Bundesverwaltungsgericht ist nämlich davon ausgegangen, dass dem Revisionswerber - selbst, wenn er in der Vergangenheit als "Tanzjunge" missbraucht worden sein sollte - nach Eintritt der Volljährigkeit keine weitere Verfolgung drohe und daher kein kausaler Zusammenhang zwischen der behaupteten (ehemaligen) Zugehörigkeit zu dieser Gruppe mit einer Verfolgung bestehe. Fehlt aber ein Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. in diesem Sinn VwGH 29.4.2016, Ra 2014/01/0239, mwN; sowie zur Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Entscheidung für die Asylgewährung etwa VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005).
8 Die Revision wendet sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen weiters gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen, soweit der Sachverhalt genügend erhoben ist und die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 1.3.2018, Ra 2017/19/0545-0549, mwN). Eine derartige Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei seiner Beurteilung, dass ehemaligen "Tanzjungen" nach Erreichen der Volljährigkeit keine Verfolgung drohe, insbesondere auf unbedenkliche Länderberichte stützen. Soweit in der Revision vorgebracht wird, die Minderjährigkeit des Revisionswerbers zum Zeitpunkt seiner Flucht aus Afghanistan habe bei der Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit keine Beachtung gefunden, wird nicht aufgezeigt, welche konkreten Erwägungen bzw. Feststellungen vor dem Hintergrund der Minderjährigkeit des Revisionswerbers anders zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2017/18/0372).
9 In der Revision wird unter dem Gesichtspunkt ihrer Zulässigkeit weiters vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe nur "ungenügende Erhebungen" durchgeführt. Bei "ausreichenden Erhebungen" wäre hervorgekommen, dass dem Revisionswerber aufgrund der Zugehörigkeit zu einer "sozialen Gruppe" in Afghanistan von seiner Familie, seinem ehemaligen Peiniger und dem Staat Verfolgung drohe. Mit diesem Vorbringen legt der Revisionswerber nicht konkret dar, welche ergänzenden Erhebungen zu veranlassen gewesen wären. Im Übrigen stellt die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein "ausreichend ermittelter Sachverhalt" vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474, mwN).
10 Auch soweit die Revision sich gegen die Nichtgewährung subsidiären Schutzes wendet, zeigt sie nicht auf, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, dem Revisionswerber - einem jungem arbeitsfähigen - Mann drohe bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt Kabul keine reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung, unvertretbar erfolgt wäre (vgl. aus der zu den Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Afghanistan auf vergleichbarer Sachverhaltsgrundlage ergangenen Rechtsprechung etwa VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118; VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).
11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. Mai 2018
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190171.L00Im RIS seit
13.06.2018Zuletzt aktualisiert am
14.06.2018