TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/3 VGW-101/051/6334/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.01.2018
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Entscheidungsdatum

03.01.2018

Index

60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

ASchG §65 Abs1
ASchG §93 Abs1
ASchG §94 Abs4
VOLV 2006 §5 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pichler über die Beschwerde der K. GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den … Bezirk, vom 27.03.2017, Zl. 122296/2014, betreffend Vorschreibung von Auflagen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Bescheides lautet wie folgt:

„Auf Grund des § 94 Abs. 4 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG, BGBl. Nr. 27/1993 in der geltenden Fassung werden für die Arbeitsstätte der K. GmbH, in Wien, W.- Straße, die folgenden Auflagen vorgeschrieben:

1) Bei Betrieb der Musikanlage dürfen in Raummitte, in 1,50 m Höhe über dem Fußboden ein A- bewerteter energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq von 65 dB gemessen mit der Anzeigedynamik „schnell“ (fast) nicht überschritten werden.

2) Zur Sicherstellung der Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzpegel ist eine mechanische Begrenzung des Lautstärkereglers einzubauen, welcher nur durch Zuhilfenahme von Werkzeug entfernt werden kann.

3) Die Einstellung des Grenzpegels der Musikanlage auf den vorgeschriebenen Grenzpegel hat durch einen Fachkundigen zu erfolgen und ist von diesem nachweislich zu bestätigen. Diese Bestätigung ist zur jederzeitigen Einsicht durch Organe der Behörde in der Arbeitsstätte aufzubewahren.“

Der Erlassung des Bescheides liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

Mit Eingabe an den Magistrat der Stadt Wien vom 10.02.2014 beantragte das Arbeitsinspektorat … gemäß § 10 Abs. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes unter Berufung auf § 94 Abs. 4 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes die Vorschreibung nachstehender Auflagen für den Betrieb der Beschwerdeführerin in Wien, W.- Straße:

„1) Bei Betrieb der Musikanlage dürfen in Raummitte, in 1,5m Höhe über dem Fußboden folgende Grenzwerte gemessen mit der Anzeigedynamik „schnell“ (fast) nicht überschritten werden:

?    A-bewerteter energieäquivalenter Dauerschallpegel (L a,eq) … 65 dB

2) Zur Sicherstellung der Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzpegel ist in die Musikanlage ein elektronischer Dynamikbegrenzer einzubauen.

3) Die Einstellung des Grenzpegels (Einmessung) der Musikanlage auf die vorgeschriebenen Grenzpegel hat durch eine befugte Fachfirma, einen Ziviltechniker, einen allgemein gerichtlich beeideten Sachverständigen, bzw. durch eine akkredidierte oder staatlich autorisierte Stelle zu erfolgen und von dieser nachweislich zu bestätigen. Diese Bestätigung ist zur jederzeitigen Einsicht durch Organe der Behörde in der Arbeitsstätte aufzubewahren.

4) Die Bedienungselemente des Dynamikbegrenzers, welche durch Verstellen eine Überschreitung der vorgeschriebenen Grenzpegel zulassen würden, müssen von der beauftragten Stelle gegen unbefugtes Hantieren so gesichert sein (z.B. Plombe, Siegel), dass ein verstellen dieser Bedienungselemente nur nach Beschädigung der Maßnahme erfolgen kann.“

In einer Stellungnahme vom 11.03.2014 brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin vor, bei der hier in Rede stehenden Arbeitsstätte handle es sich um einen Handelsbetrieb, in dem Kosmetika verkauft werden. Die beantragte Auflage beziehe sich augenscheinlich auf § 5 Abs. 1 Z. 2 der Verordnung Lärm und Vibrationen (VOLV), wobei jedoch übersehen werde, dass es sich bei der Arbeitsstätte nicht um ein Büro, sondern um eine Verkaufsfiliale handle. Diese Norm sei daher auf die Arbeitsstätte nicht anwendbar, es würden lediglich die „allgemeinen Auslösewerte“ im Sinne des § 4 VOLV gelten, die jedoch nicht überschritten werden. Für das Unternehmen sei es von Bedeutung, für die Kunden eine Atmosphäre zu schaffen, die dazu animiert, die Produkte zu kaufen. Musik werde im Einzelhandel regelmäßig erfolgreich als Mittel der Verkaufsförderung angewandt. Zwar definiere die VOLV jede Art von Schall im hörbaren Frequenzbereich als „Lärm“, es komme aber wohl auf eine subjektive Beeinträchtigung an, die bei gleichem Dezibelwert wesentlich davon abhänge, ob es sich beim Gehörten um Musik oder um andere Geräuschentwicklungen handle, die auch umgangssprachlich als „Lärm“ bezeichnet werden.

Die durch den Arbeitsinspektor durchgeführte Lärmmessung sei nur mit einem IPhone und nicht mit entsprechenden Messgeräten festgestellt worden. Der kostenintensive Einbau eines elektronischen Dynamikbegrenzers sei kein adäquates Mittel um die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzpegel sicherzustellen. Es sei ausreichend, die Mitarbeiter von der Arbeitsstätte entsprechend anzuweisen.

Zu diesem Vorbringen wurde durch das Arbeitsinspektorat folgende Stellungnahme abgegeben:

Zu den Punkten 1 bis 5 wird festgehalten:

Die Einhaltung obiger Maximalwerte für Lärm sind notwendig, um § 65 Abs.1 des Arbeitnehmerlnnenschutzgesetzes - ASchG zu entsprechen und somit die Arbeitnehmer/innen vor gesundheitsgefährdendem Lärm durch Musikbeschallung zu schützen:

„Arbeitgeber haben unter Berücksichtigung des Standes der Technik die Arbeitsvorgänge und die Arbeitsplätze entsprechend zu gestalten und alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, damit die Lärmeinwirkung auf das niedrigste in der Praxis vertretbare Niveau gesenkt wird. Unter Berücksichtigung des technischen Fortschrittes und der verfügbaren Maßnahmen ist auf eine Verringerung des Lärms, möglichst direkt an der Entstehungsquelle, hinzuwirken. “

Darüber hinaus verlangt § 9 Abs. 1 der Verordnung Lärm und Vibrationen - VOLV Folgendes:

„Gefahren durch Lärm oder Vibrationen müssen am Entstehungsort ausgeschlossen oder so weit verringert werden, als dies nach dem Stand der Technik und der Verfügbarkeit von geeigneten technischen Mitteln möglich ist.“

Dazu ist zu bemerken, dass in diesem Fall die Lärmquellen ohne weiteres abgeschaltet oder entfernt werden können, da dieser Lärm weder vom Arbeitsprozess stammt, noch für die Durchführung der Arbeit erforderlich ist. Dem obigen Minimierungsgebot kann also ohne Einschränkung Folge geleistet werden.

Ein Überschreiten eines Dauerschallpegels von 85 dB(A) über acht Stunden führt langfristig zu irreversiblen Gehörschäden. Jedoch ist medizinisch erwiesen, dass bereits bei weit niedrigeren Schalldruckpegeln negative Auswirkungen auf den Menschen auftreten.

Bereits Schallpegel über 45 dB(A) erfordern Adaptationsleistungen der exponierten Personen. Sie wirken als Stressoren, wobei die notwendige Anpassungsleistung nur unter Berücksichtigung von multiplen anderen Zusatzbelastungen (die auch als Stressoren wirken), somatischen Moderatoren (Hoher Blutdruck in der Familie, vegetative Labilität, Adaptationsniveau,..), den subjektiven Bewältigungsvermögen (psychologische Dispositionen) und den psychoakustischen Kennwerten (Lautheit, Schwankungsstärke, Schärfe, Rauigkeit, Tonhaltigkeit, Impulshaltigkeit) erfasst werden können.

Lärmwirkungen weit unterhalb des Auslösewertes von 80 dB(A) für Gehörschäden betreffen das Zentralnervensystem - Veränderungen des EEG sind schon ab 45 dB(A) zu beobachten, die Psyche (Leistung, Konzentration, Reizbarkeit , etc.) und das Vegetativum (Blutdruck, Blutverteilung, Herzfrequenz, Magen- und Darmfunktionen, Muskelspannung, Atmung, Stoffwechsel, etc.)

Ab Schalldruckpegeln von etwa 50 dB(A) können zunehmend Belästigung und deutliche negative Beeinflussung der mentalen Leistung auftreten (vor allem Merk-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen).

Bei Schalldruckpegeln ab 65 dB(A) können physiologische Reaktionen auftreten. Auch die mentale Leistungsminderung wird verstärkt und erfordert einen erhöhten psychischen und physischen Kompensationsaufwand für die Betroffenen. Im Kassenbereich ist daher jedenfalls ein Pegel von 65 dB(A) einzuhalten, was durch die beantragten Auflagen erreicht wird.

Durch das typische Bewegungsverhalten der Arbeitnehmer/innen und den Aufenthaltsdauern in Bereichen mit verschiedener Lärmbelastung kann geschlossen werden, dass die Auflagen auch die Überschreitung einer durchschnittlichen personenbezogenen Lärmbelastung über acht Stunden von 65 dB(A) verhindern, ein Wert, der in § 5 Abs. 1 Z 1 VOLV als Grenzwert für Räume angegeben wird, in denen einfache Bürotätigkeiten oder vergleichbare Tätigkeiten ausgeführt werden. Vergleichbar sind Verkaufstätigkeiten insofern, als bei der Tätigkeit des Verkaufens im Einzelhandel üblicherweise kein Lärm über 65 dB(A) entsteht. Dieser Grenzwert wird auch in der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 (Blatt 2) des Österreichischen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung festgelegt.

Ein weiterer Grund für die beantragten Auflagen ist die Gewährleistung einer akzeptablen Sprachverständigung. Sprache wird umso besser verstanden, je größer die Differenz zwischen dem Sprach- und dem Störpegel ist. Liegt der Störpegel über dem Sprachpegel, so wird die Sprache schlecht oder gar nicht verstanden. Für eine gute Sprachverständigung muss der Schallpegel der Sprache am Ohr des Hörenden um 10 dB(A) über dem Pegel des Störgeräusches liegen.

Für eine ausreichende Sprachverständigung (75% Verständlichkeit von einsilbigen Wörtern) muss bei Erhöhung des Umgebungspegels also der Stimmaufwand des Sprechenden erhöht werden sowie die Entfernung vom Mund des Sprechenden zum Ohr des Hörenden verringert werden.

A-bew. Schallpegel des Störgeräusches Lp/A (dB)

Entfernung für normale Stimme (m)

Entfernung für erhobene Stimme ( m)

Entfernung für sehr laute Stimme (m)

53

2,30

4,60

9,20

58

1,30

2,60

5,20

63

0,75

1,50

3,00

68

0,42

0,84

1,68

73

0,25

0,50

1,00

78

0,13

0,26

0,52

83

0,07

0,14

0,28

Tabelle 2: Maximale Entfernungen für direkte Sprachverständigung für verschiedene Sprechintensitäten

Distanzzonen:

E.T.Hall nennt vier prinzipielle Kategorien von Distanzzonen, mit je einer Zwischenteilung in jeweils eine nahe und eine weite Phase:

intime Distanz, nah 0-15 cm, weit 15-45 cm, verzerrtes Sehen, aktive Nahrezeptoren, unbeabsichtigte Vokalisation in der nahen, Flüstern in der weiten Phase, Hände können den anderen umfangen;

persönliche Distanz, nah 45-75 cm, weit 75-120 cm, keine visuellen Verzerrungen mehr, den Anderen halten oder erfassen können, Schranke der Herrschaft zwischen persönlicher und sozialer Distanz;

soziale Distanz, nah 120-220 cm, weit 220-360 cm, normales Sprechen, intime Details werden nicht mehr wahrgenommen, die gesamte Person wird gesehen, formellerer Charakter von Interaktionen;

öffentliche Distanz, nah 360-750 cm, weit >750 cm, Stimmen sind laut, andere Personen können mitgesehen werden, Ausweichmanöver sind noch möglich.

Verkäufer, die mit Kunden/innen kommunizieren, sollten die Grenze zwischen persönlicher Distanz und intimer Distanz nicht unterschreiten müssen, wobei die Distanz bei nichtjugendlichen Kunden und Kundinnen wohl i.A. zur sozialen Distanz ausgeweitet werden muss. Dies wäre nach der o.a. Tabelle bei 68 dB(A) nur mit sehr lauter Stimme möglich, bei 73 dB(A) nicht mehr möglich. 65 dB(A) sind anzustreben, 70 dB(A) sollten nicht überschritten werden. Dort, wo häufig mit Kunden kommuniziert wird, im gegenständlichen Betrieb im gesamten Verkaufsbereich, dürfen 65 dB(A) nicht überschritten werden. Dieser Wert kann dann eingehalten werden, wenn die Beschallung gemäß den Auflagen erfolgt.

Zu Punkt 6 wird festgehalten:

Die ha. Messungen wurden in der Regel auch durch ein geeichtes Messgerät der … parallel zur Messung durch das private Handy durchgeführt. Die Messung mit dem Handy sollte lediglich die anwesenden Mitarbeiter/innen sensibilisieren und ihnen zeigen, dass eine Überschlagsmessung auch mit einem geeigneten Handy möglich ist.“

In einer Stellungnahme zu diesem Vorbringen des Arbeitsinspektorates brachte die nun beschwerdeführende Gesellschaft vor, dass weder das Arbeitnehmerschutzgesetz noch die VOLV einen konkreten Dezibelwert vorschreiben, den der Handelsbetrieb in seinen Verkaufsfilialen einzuhalten hätte. Tatsächlich lägen keine der Anwendbarkeit der VOLV begründeten einfachen Bürotätigkeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten vor. Selbst wenn man das Kassieren als eine Bürotätigkeit oder vergleichbare Tätigkeit qualifiziert, so betreffe das nur einen geringen Prozentanteil der Arbeitszeit der ArbeitnehmerInnen. Die sonstigen Tätigkeiten wie Kunden- und Produktberatung, Befüllen von Regalen, etc. seien mit Bürotätigkeiten nicht vergleichbar. Das Unternehmen verwende Musik als verkaufsfördernde Maßnahme und baue ihr Marketingkonzept zu einem nicht unwesentlichen Teil darauf auf. Dabei werde naturgemäß darauf geachtet, dass die Musik in der von Kunden und Personal als angenehm und nicht störend empfundener Lautstärke gespielt wird. Bei einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat im Februar 2014 sei am Lautstärkeregler der Musikanlage händisch eine Kennzeichnung vorgenommen worden, die nach Angaben des Arbeitsinspektors eine „akzeptable Lautstärke“ markiere (65 Dezibel). Diese Lautstärke sei in der Folge auch nicht überschritten worden, worauf sich die Umsatzzahlen dieser Filiale verglichen mit den Besucherzahlen einer anderen Filiale erstmals negativ entwickelt hätte.

Der kostenintensive Einbau eines elektronischen Dynamikbegrenzers stelle kein adäquates Mittel da, um die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzpegel sicherzustellen. Es sei ausreichend, die Mitarbeiter entsprechend anzuweisen.

In einer weiteren Stellungnahme durch das Arbeitsinspektorat wird zum Vorbringen des Unternehmens ausgeführt, § 5 Abs. 1 Z. 2 VOLV der für einfache Bürotätigkeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten einen Grenzwert von 65 Dezibel für den Beurteilungspegel festlegt, komme zur Anwendung. Eine Vergleichbarkeit der Tätigkeiten sei jedenfalls dann gegeben, wenn die Verrichtung der Tätigkeit keinen höheren Beurteilungspegel als 65 Dezibel erfordert. Dies sei bei einer Verkaufstätigkeit der Fall.

Die Kennzeichnung des Grenzwertes am Gerät selbst, verbunden mit einer Anweisung an die Mitarbeiter sei aus Sicht des Arbeitsinspektorates unzureichend. Es dürfe nicht möglich sein, die Musikanlage über den Grenzwert hinaus aufzudrehen. Gegen die Vorschreibung eines anderen Mittels bestehe - entsprechend der Beurteilung durch einen Sachverständigen - kein Bedenken.

In der Folge wurde die Stellungnahme eines schalltechnischen Amtssachverständigen eingeholt. Dieser führte aus, das gelindeste Mittel zur Erreichung des Schutzzweckes sei, anstatt des vom Arbeitsinspektorat ursprünglich beantragten Dynamikbegrenzers eine mechanische Begrenzung des Lautstärkereglers der Musikanlage, der nur durch Zuhilfenahme von Werkzeug entfernt werden kann, vorzuschreiben. Damit werde auch eine unabsichtliche Überschreitung des Grenzwertes hintangehalten.

In einer weiteren Stellungnahme stellte das Arbeitsinspektorat klar, dass aus Sicht der Amtspartei mit der vom Sachverständigen vorgenommenen Auflage (mechanische Begrenzung) das Auslangen gefunden werden könne.

In einer weiteren Stellungnahme brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin vor, eine Lärmmessung im Sinne des § 65 Abs. 2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes sei nicht erfolgt. Es werde nochmals darauf verwiesen, dass Musikdarbietungen ein wesentlicher Faktor im Marketingkonzept des Unternehmens seien. Dennoch seien die Mitarbeiter angewiesen worden, Musik nur in der vom Arbeitsinspektor als zulässig angesehenen Lautstärke zu spielen.

In der Folge wurde im Oktober 2016 eine Messung der Lautstärke der Musikanlage in der Betriebsanlage vorgenommen. Dabei wurden von dem Lärmschutzsachverständigen am 04.11.2016 folgende Feststellungen getroffen:

„Zum Zeitpunkt der Überprüfung waren 2 Angestellte im Verkaufsraum bzw. am Kassenarbeitsplatz. Eine dritte Angestellte hielt sich während der Messung im Lagerbereich auf.

Während der Messung wurde ausschließlich die Lautstärke verändert. Eine Einstellung an den Komponenten wurde nicht vorgenommen.

Festgestellt wurde, dass bei Beginn der Überprüfung die Drehregler unterhalb der Markierung eingestellt waren. Bei dieser Einstellung wurden folgende Messwerte beim Kassenarbeitsplatz ermittelt:

Basispegel LA, 95        59 dB, A-bewertet

Energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq     62 dB, A-bewertet

Es wurden folgende Messwerte im Verkaufslokal ermittelt:

Basispegel LA, 95        60 dB, A-bewertet

Energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq     63 dB, A-bewertet

Anschließend wurden die Drehregler wenige Millimeter verändert. Die schwarze Markierung (vermutlich mittels eines Edding) wurde zu diesem Zeitpunkt erreicht, aber nicht überschritten. Bei dieser Einstellung wurden folgende Messwerte beim Kassenarbeitsplatz ermittelt:

Basispegel LA, 95        63 dB, A-bewertet

Energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq     66 dB, A-bewertet

Es wurden folgende Messwerte im Verkaufslokal ermittelt:

Basispegel LA, 95        64 dB, A-bewertet

Energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq     68 dB, A-bewertet

Anschließend wurde die Musikanlage auf die Hälfte der möglichen Leistung gestellt. Die schwarze Markierung war dabei überschritten. Bei dieser Einstellung wurden folgende Messwerte beim Kassenarbeitsplatz ermittelt:

Basispegel LA, 95        66 dB, A-bewertet

Energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq     72 dB, A-bewertet

Es wurden folgende Messwerte im Verkaufslokal ermittelt:

Basispegel LA, 95        67 dB, A-bewertet

Energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq     74 dB, A-bewertet

Verwendete Messanordnung

Schallpegelmessgerät:

Type:   Norsonic Schallpegelmesser Type 140

Klasse:      0,7

Seriennummer:      …

Eichzulassung:     OE 08 s 010

Jahr der letzten Eichung:      2016

Vorverstärker:

Type:   Norsonic Vorverstärker Type 1209

Seriennummer:      …

Jahr der letzten Eichung:      2016

Messmikrofon:

Type:   Norsonic 1/2" Mikrofonkapsel Typ 1225

Seriennummer:      …

Jahr der letzten Eichung:      2016

Prüfschallquelle:

Type:   Norsonic Prüfschallquelle Type 1251

Klasse:      0,3

Seriennummer:      …

Eichzulassung:     9/99 - OE 92 S 142

Jahr der letzten Eichung:      2016

Die gesamte Messkette wurde vor Beginn und nach der Messung

mit der Prüfschallquelle kalibriert.“

In einer weiteren Stellungnahme des Unternehmens wird vorgebracht, der Umstand, dass die verwendete Musikanlage die Einstellung einer höheren, als gesetzlich zulässigen Lautstärke ermögliche, könne die Erteilung lärmregulierender Auflagen nicht rechtfertigen. Aus der Lärmmessung habe sich ergeben, dass im Verkaufslokal tatsächlich nicht lauter Musik gespielt wurde, als dies gesetzlich zulässig sei. Es sei auch irrelevant, wo sich am Gerät eine Markierung befindet. Überdies sei die Lärmmessung im Kassenbereich und im Verkaufsraum durchgeführt worden, tatsächlich hielten sich die Mitarbeiter auch einen wesentlichen Teil der Arbeitszeit im Lagerraum auf, weshalb die durchgeführte Messung nicht repräsentativ sei.

In der Folge erging der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid.

In ihrer frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde brachte die anwaltlich vertretene Gesellschaft vor, bei der Durchführung der Messung durch den Amtssachverständigen am 04.11.2016 sei tatsächlich der zulässige Höchstpegel nicht überschritten worden, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer sei faktisch nicht gefährdet gewesen. Die Behörde habe keine Überschreitung der zulässigen Lautstärke festgestellt, die nicht daher gerührt hätte, dass bei der Lärmmessung durch die Behördenorgane Veränderungen an den Lautstärkereglern vorgenommen worden seien.

Die Aufforderung, eine bestimmte Markierung des Lautstärkereglers nicht zu überschreiten, wie dies bereits mit dem Arbeitsinspektorat abgestimmt war, sei als das gelindeste Mittel zur Einhaltung des gesetzmäßigen Zustandes bereits gewählt worden, sodass jede weitere Auflage überschießend und rechtswidrig sei.

Der Einbau einer mechanischen Regelung der Lautstärke sei bei dem verwendeten Gerät ohne dessen Zerstörung nicht möglich.

Die Mitarbeiter seien angewiesen gewesen, von der in Übereinstimmung mit dem Arbeitsinspektor angebrachten Markierung „nach unten Abstand zu halten“. Diese Weisung sei auch beachtet worden, was sich auch darin zeige, dass die Musikanlage zum Messzeitpunkt richtig eingestellt war.

Dazu werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens eines „Akustikers“ sowie die Durchführung eines Lokalaugenscheins beantragt.

Zum Beweis, dass eine entsprechende Weisung an die Mitarbeiter erteilt wurde, werde die Einvernahme des Arbeitsinspektors sowie einer näher genannten Dienstnehmerin beantragt.

Die Behörde hätte den Bescheid auch nicht ohne Durchführung einer Dauerschallmessung erlassen dürfen. Beantragt werde die Durchführung einer Dauerschallpegelmessung für die Dauer von einer Arbeitswoche in der gesamten Geschäftsräumlichkeit einschließlich des Lagers.

Da der Lärmsachverständige beim Lokalaugenschein am 04.11.2016 die Veränderung der Position am Laustärkeregler nicht dokumentiert habe, sei eine sachliche und inhaltliche Überprüfung der Augenscheinergebnisse nicht möglich. Diese könnten daher nicht als Grundlage zur Bescheiderlassung dienen.

Der Umstand, dass die von der Beschwerdeführerin verwendete Musikanlage die Einstellung einer höheren, als gesetzlich zulässigen Lautstärke ermöglicht, könne die Erteilung lärmregulierender Auflagen nicht rechtfertigen.

Da sich die Arbeitnehmerinnen einen wesentlichen Teil der Arbeitszeit im Lagerraum aufhalten, wäre es notwendig gewesen, den täglichen Lärmexpositionspegel des Arbeitnehmers durch eine Dauerschallpegelmessung über einen längeren Zeitraum zu messen.

Durch das Verwaltungsgericht Wien wurde an zwei Terminen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. An der Verhandlung am 24.11.2017 nahm eine Vertreterin des Arbeitsinspektorates teil und wurden die in das verwaltungsbehördliche Verfahren involvierten Amtssachverständigen zeugenschaftlich einvernommen.

Die Vertreterin der Amtspartei verwies darauf, dass nach § 65 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz der Lärm auf das für die Tätigkeit erforderliche Niveau zu minimieren sei. Das Gesetz sehe auch ausdrücklich technische Mittel zur Lärmbegrenzung vor.

Der schalltechnische Amtssachverständige, der im verwaltungsbehördlichen Verfahren eine Stellungnahme dazu abgegeben hat, dass mit der Vorschreibung einer mechanischen Begrenzung das Auslangen gefunden werden kann, verwies in seiner Einvernahme darauf, dass ein Dynamikbegrenzer eine elektronische Einheit ist, die den Schalldruckpegel auf den eingestellten Wert begrenzt und daher sicher aufwendiger zu installieren ist als eine mechanische Begrenzung.

Der Amtssachverständige, der die Messung der Lärmimmission im Hinblick auf die Musikanlage in der Verkaufsstätte durchgeführt hat, brachte vor, an der Wand des Geschäftes seien Drehregler vorhanden gewesen, mit denen die Lautstärke eingestellt wurde. Bei diesen seien zwar Markierungen auf eine bestimmte Lautstärke vorhanden gewesen, die Drehregler hätten aber höher verstellt werden können. Technisch sei eine mechanische Begrenzung der Anlage ohne weiteres und ohne wesentlichen finanziellen Aufwand möglich.

An der am 19.12.2017 fortgesetzten Verhandlung nahm der Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft teil. Diese verwies auf das schriftliche Vorbringen.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Nachstehender Sachverhalt steht aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens fest:

Die K. GmbH betreibt in Wien, W.-Straße, ein Verkaufslokal für Kosmetikprodukte und beschäftigt dort mit den für ein derartiges Geschäftslokal üblichen Verkaufstätigkeiten betraute Mitarbeiter.

In der Arbeitsstätte steht eine Musikanlage zur Verfügung, mit der primär zum Zweck der Verkaufsunterstützung Musik dargeboten wird.

Mit dieser Musikanlage kann bei entsprechender Einstellung des Lautstärkereglers Musik in höherer Lautstärke, als in Punkt 1) der Auflage beschrieben, abgespielt werden. Die Lautstärke wird im Verkaufslokal durch an der Wand angebrachte Drehregler geregelt.

Diese – letztlich alleine entscheidungsrelevanten – Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich eindeutigen und unbestritten gebliebenen Vorbringen aller Verfahrensbeteiligten.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 94 Abs. 4 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 118/2012 hat für Arbeitsstätten, die keiner Arbeitsstättenbewilligung bedürfen und für die auch keine Genehmigung nach § 93 Abs. 1 leg.cit. vorliegt, die zuständige Behörde die zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlichen Maßnahmen vorzuschreiben. Dies gilt auch für Arbeitsstätten, für die eine Genehmigung im Sinne des § 93 Abs. 1 vorliegt, wenn bei der Genehmigung das Arbeitnehmerschutzgesetz und dieses Bundesgesetz keine Anwendung gefunden haben.

Gemäß § 10 Abs. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1993 idF BGBl. I Nr. 71/2013 hat der Arbeitsinspektor, der der Ansicht ist, dass in einer Betriebsstätte oder auf einer Arbeitsstelle Vorkehrungen zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit sowie der Integrität und Würde der Arbeitnehmer zu treffen sind, im Rahmen der Arbeitnehmerschutzvorschriften bei der zuständigen Behörde die Vorschreibung der erforderlichen Maßnahmen zu beantragen. Eine Ablichtung des Antrages ist dem Arbeitgeber und den Organen der Arbeitnehmerschaft zur Kenntnis zu übersenden.

Gemäß § 65 Abs. 1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetz haben Arbeitgeber unter Berücksichtigung des Standes der Technik die Arbeitsvorgänge und die Arbeitsplätze entsprechend zu gestalten und alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, damit die Lärmeinwirkung auf das niedrigste in der Praxis vertretbare Niveau gesenkt wird. Unter Berücksichtigung des technischen Fortschrittes und der verfügbaren Maßnahmen ist auf eine Verringerung des Lärms, möglichst direkt an der Entstehungsquelle, hinzuwirken.

§ 5 der in Arbeitsstätten im Sinne des Arbeitnehmerschutzgesetzes anzuwendenden Verordnung Lärm und Vibrationen lautet wie folgt:

„§ 5 (1) Bei Ganzkörper-Vibrationen in Räumen nach Z 1 bis 3 ist die Exposition so niedrig wie möglich zu halten und darf maximal den Auslösewert erreichen. Bei Lärm in Räumen nach Z 1 bis 3 dürfen die folgenden Beurteilungspegel nicht überschritten werden, wobei die von außen einwirkenden Geräusche, wie Lärm aus anderen Räumen, Nachbarschaftslärm, Verkehrslärm, Fluglärm, Lärm von einer Baustelle, in die Bewertung einzubeziehen sind:

1.   LA,r = 50 dB in Räumen, in denen überwiegend geistige Tätigkeiten ausgeführt werden;

2.   LA,r = 65 dB in Räumen, in denen einfache Bürotätigkeiten oder vergleichbare Tätigkeiten ausgeführt werden;

3.   LA,r = 50 dB ortsbezogen, in Aufenthalts- und Bereitschaftsräumen, Sanitätsräumen und Wohnräumen, wobei Geräusche, die durch Personen im Raum verursacht werden, nicht einzubeziehen sind

(2) Zur Einhaltung der Grenzwerte nach Abs. 1 Z 1 bis 3 darf Gehörschutz nicht herangezogen werden.“

In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation betreibt die beschwerdeführende Gesellschaft ein Verkaufslokal für Kosmetika.

Für die in dieser Arbeitsstätte tätigen Verkaufsmitarbeiter ist, was im Beschwerdeverfahren auch nicht mehr in Frage gestellt wurde, der in § 5 Abs. 1 Z. 2 VOLV angeführte Grenzwert heranzuziehen.

Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien steht außer Zweifel, dass durch handelsübliche Musikanlagen dieser Grenzwert überschritten werden kann. In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation wurde dies jedoch zusätzlich durch eine durch Amtssachverständige durchgeführte Lautstärkemessung in der Arbeitsstätte erhoben und bestätigt.

Dem in der Beschwerde angeführten Umstand, dass sich die in einem Verkaufslokal für Kosmetikprodukte beschäftigen Mitarbeiterinnen nicht während der gesamten Arbeitszeit im Verkaufsbereich aufhalten, sondern auch Tätigkeiten im dazugehörigen Lager zu verrichten haben, kommt im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 5 VOLV keine Bedeutung zu. Es kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass während der gesamten Öffnungszeit eines in einem Einkaufszentrum situierten Verkaufsgeschäftes für Kosmetika Mitarbeiter dort anwesend sein müssen.

Die vorgeschriebene Auflage ist auch verhältnismäßig. Entgegen der Rechtsauffassung der beschwerdeführenden Gesellschaft kann eine bloße Anweisung, eine bestimmte Lautstärke nicht zu überschreiten, dem Schutzzweck des dargestellten Regelungssystems nicht genügen.

Die Vorschreibung einer mechanischen Begrenzung der Ausgangsleistung einer Musikanlage erfordert naheliegender Weise nur einen geringfügigen technischen Aufwand und stellt ein einfaches Mittel da, um zu gewährleisten, dass es auch durch Unachtsamkeit im Umgang mit der Lautstärkeregelung einer Musikanlage nicht zu einer überhöhten Lärmbelastung kommen kann.

In diesem Zusammenhang war das Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft in der Beschwerde, wonach eine mechanische Begrenzung der Ausgangsleistung der Musikanlage nicht möglich sei, nicht nachvollziehbar.

Die Angaben des Sachverständigen, wonach im Verkaufslokal die Lautstärke der Musikanlage durch in einer Wand integrierte Drehregler geregelt werden kann, wurde in der Verhandlung nicht mehr bestritten. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Musikanlage durch die Montage einer mechanischen Begrenzung zerstört würde, es genügt vielmehr einen einfachen mechanischen Widerstand bei den Drehreglern zu montieren, der ein Weiterdrehen über eine bestimmte Stellung hinaus verhindert.

Da sohin die Vorschreibung der Auflage den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, war die dagegen erhobene Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Die Rechtslage ist zu den im Verfahren aufgeworfenen Fragen eindeutig, die Entscheidung steht auch in keinem Spannungsverhältnis zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen daher nicht vor, weshalb die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen war.

Schlagworte

Auflage; Arbeitnehmerschutz; Lärmbelastung, übermäßige; Lärm; Arbeitsstätte; Sicherheit; Gesundheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.101.051.6334.2017

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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