TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/17 LVwG-2018/22/0528-8, LVwG-2018/22/0529-8

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Veröffentlicht am 17.05.2018
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Entscheidungsdatum

17.05.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze

Norm

VVG §4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerden der AA GmbH, Adresse 1, Adresse 2, Z, v.d. Rechtsanwälte BB, CC, DD, EE, Adresse 3, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 26.1.2018, Zl. ***** wegen Anordnung der Ersatzvornahme und vom 26.1.2018, Zl. *****, wegen Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.   Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 26.1.2018, Zl. *****, ordnete die Bezirkshauptmannschaft X die Ersatzvornahme in Bezug auf die mit rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom 29.5.2017, Zl. *****, auferlegte Verpflichtung zur Beseitigung bzw. zum Abbruch des gesamten Dachgeschoßes bis auf Höhe Oberkante Rohdecke 2. OG beim derzeitigen Bestand des mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom 14.10.2014, Zl. *****, bewilligten Objektes „CD“ auf Gp. **1/5 KG W, an.

Mit Bescheid vom 26.1.2018, Zl. *****, wurde die Beschwerdeführerin zur Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme verpflichtet.

Gegen beide Bescheide wurde inhaltsgleich Beschwerde erhoben und darin vorgebracht wie folgt:

„Der angefochtene Bescheid wird seinem gesamten Umfang nach bekämpft und werden als Beschwerdegründe mangelhafte Sachverhaltsfeststellung bzw. mangelhafte Beweiswürdigung sowie materielle Rechtswidrigkeit und wesentliche Verfahrensverstöße geltend gemacht. Im Einzelnen wird die Beschwerde begründet wie folgt:

1.)

Mit gegenständlichem Bescheid wurde seitens der belangten Behörde die angedrohte Ersatzvornahme angeordnet. Zunächst wird festgehalten, dass gegenständlicher Bescheid die Formerfordernisse des AVG nicht erfüllt. Dem gegenständlichen Bescheid fehlt der Spruch sowie die Unterschrift. Aus dem gegenständlichen Bescheid ist weder der Spruch ersichtlich, noch fehlt die Unterschrift bzw. Amtssignatur. Allein aus diesem Grund ist der Bescheid absolut nichtig und nicht zustande gekommen.

Beim bekämpften Bescheid wird, wie vorhin erwähnt, die angedrohte Ersatzvornahme angeordnet. Warum genau die Ersatzvornahme angedroht wird und warum die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, wird im gegenständlichen Bescheid nicht erklärt bzw. wird dies nicht begründet. Auch diesbezüglich ist der Bescheid mangelhaft.

Unabhängig davon, dass es unrichtig ist, dass die vom Landesverwaltungsgericht Tirol mit Entscheidung vom 26.09.2017 verlängerte Leistungsfrist 30.11.2017 nicht eingehalten worden ist, sind auch die weiteren Ausführungen, insbesondere des Amtssachverständigen FF, sowie die Beweiswürdigung der Bezirkshauptmannschaft X vollkommen unrichtig. Einerseits liegen die angeführten, massiven Bauschäden nicht vor und ist andererseits auch nicht nachvollziehbar warum dem gegenständlichen Bescheid die aufschiebende Wirkung wegen Gefahr in Verzug aberkannt wurde. Gefahr in Verzug liegt nicht vor, das Gebäude ist einerseits standsicher und entspricht es andererseits auch den statischen Erfordernissen. Hierzu ist auf das Schreiben von GG vom 16.10.2017 zu verweisen. Hierin wird Folgendes festgehalten:

1.   Eine akute Einsturzgefahr ist derzeit nicht mehr gegeben. Im Rahmen einer abschließenden Begehung vor dem Wintereinbruch kann die Dachkonstruktion für die Aufnahme der erforderlichen Belastungen freigegeben werden.

Hiezu ist auszuführen, dass es vor dem Wintereinbruch zu einer Begehung gekommen ist und hat es bei dieser Begehung die entsprechende Freigabe gegeben.

2.   Das Betretungsverbot des Gebäudes kann aus Sicht von GG vorrübergehen aufgehoben werden, auch das ist ein Indiz dafür, dass die Statik ausreichend ist.

3.   Viel wichtiger ist die Ausführung im Schreiben von GG zu Punkt d.) indem er anfügt: Der Abbruchbescheid kann aus derzeitiger Sicht ausgesetzt werden.

Warum die Bezirkshauptmannschaft X nunmehr vermeint, sich über die Ausführungen des GG hinwegsetzen zu können und die Ersatzvornahme anordnet, kann aus gegenständlichem Bescheid nicht erkannt werden. Das FG wurden seitens der Gemeinde ersuchte, das gegenständliche Gebäude auf statische Sicherzeit zu überprüfen. Es fand dann in weiterer Folge noch vor dem Wintereinbruch eine Begehung statt, sodass sämtliche Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft X zum Punkt „Statik“ komplett überholt sind.

Allein aus dem Schreiben von GG ist ersichtlich, dass eine Ersatzvornahme nicht notwendig ist. Es ist auch ersichtlich, dass Gefahr in Verzug nicht vorliegt, sodass die Begründung der Behörde, es gäbe keine aufschiebende Wirkung für diese Beschwerde vollkommen überholt ist und würde eine Ersatzvornahme auch aus wirtschaftlicher Sicht, was noch näher auszuführen sein wird, vollkommen über das Ziel hinausschießen.

Beweis:          JJ, p.A. JJ GmbH, GF, Adresse 4, V weitere Beweise vorbehalten

2.)

Die Ersatzvornahme ist auch aus wirtschaftlichen Überlegungen vollkommen unnötig und überhaupt nicht nachvollziehbar.

Nachdem der Statiker der Gemeinde selbst festgestellt hat, dass der gegenständliche Abbruchbescheid aus derzeitiger Sicht ausgesetzt werden kann und das Betretungsverbot auch aufgehoben hat, sowie nach seiner Ansicht eine akute Einsturzgefahr nicht mehr gegeben ist, ist eine Ersatzvornahme auch nicht notwendig.

Unabhängig davon, dass gegenständliches Gebäude standsicher ist, wird der Beschwerdeführerin für die Ersatzvornahme eine Vorauszahlung in der Höhe von € 329.904,00 angeordnet. Wie sich dieser Betrag zusammensetzt und warum dieser Betrag überhaupt notwendig ist, ist für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar.

Selbst wenn man vermeint, dass eine Standsicherheit nicht gegeben ist, was ausdrücklich bestritten wird, wären vielleicht noch „Schönheitskorrekturen“ vorzunehmen, die maximal einen Betrag in der Höhe von € 30.000,00 erreichen. Die Beschwerdeführerin kann sich nicht erklären, warum einerseits der Statiker der Gemeinde davon spricht, dass der gegenständliche Abbruchbescheid aus derzeitiger Sicht ausgesetzt werden kann und andererseits die Bezirkshauptmannschaft X eine Ersatzvornahme anordnet, die € 329.904,00 kosten soll. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Amtssachverständigen der Gemeinde W, dem FG, wurde mitgeteilt, dass lediglich kleinere Arbeiten noch durchzuführen sind, die aus der Sicht des GF dazu führen, dass eine endgültige Erledigung der Baumaßnahmen erfolgt. Diese Arbeiten würden allerdings an der Statik nichts weiter ändern und wäre auch jetzt schon die Standsicherheit gegeben. Diesbezüglich wird auf das Schreiben des Büros vom 16.10.2017 verwiesen. Die Beschwerdeführerin regt auch an darüber nachzudenken, dass das gegenständliche Statikbüro die Standsicherheit auch für diesen Winter als gegeben erachtet hat. Zurzeit liegt über 3 m Schnee auf dem Gebäude und verweist das Statikbüro auch darauf, dass die Standsicherheit selbst zu diesem Zeitpunkt gegeben ist. Warum also eine Ersatzvornahme angeordnet wird, ist für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon, dass eine Ersatzvornahme nicht mehr notwendig ist, ist auch die angeordnete Ersatzvornahme vollkommen ungerechtfertigt, weit überhöht und entspricht nicht der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit.

Beweis: wie vor

3.)

Im Übrigen hat die Behörde mit gegenständlichen Bescheid über das Ziel hinausgeschossen und hat sich die behandelnde Behörde nicht vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit leiten lassen. Die Behörde hätte auch der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einräumen können, die gesetzliche Zielvorgabe durch Anwendung des jeweils gelindesten Mittels durchzusetzen. Die Beseitigung der gegenständlichen Anlage bzw. der Abbruch ist weder wirtschaftlich vertretbar noch notwendig.

Beweis: wie vor

In seiner Gesamtheit ist daher der bekämpfte Bescheid mit zahlreichen Rechtswidrigkeiten seiner Inhaltes, wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. wesentlichen Verfahrensverstößen, einer mangelhaften Beweiswürdigkeit und einer unzweckmäßigen Ermessungsausübung belastet, des Weiteren ist der gegenständliche Bescheid auch nichtig, sodass die Beschwerdeführerin nachfolgende

Beschwerdeanträge:

an das Landesverwaltungsgericht Tirol stellt:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol als Beschwerdeinstanz wolle

1.) eine mündliche Verhandlung anberaumen,

2.)  den bekämpften Bescheid ersatzlos beheben und feststellen, dass keine Ersatzvornahme durchgeführt werden muss

3.) der gegenständlichen Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt.“

Das Landesverwaltungsgericht Tirol führte daraufhin ein Ermittlungsverfahren durch, in dessen Rahmen abgeklärt wurde, inwieweit die angefochtenen Bescheide ordnungsgemäß gefertigten wurden (siehe dazu insb. die Stellungnahme der belangten Behörde vom 12.3.2018). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der hochbautechnische Amtssachverständige Bmstr. KK zum Gutachten FF vom 16.10.2017 in Bezug auf die Kostenschätzung der Ersatzvornahme befragt.

Beweis wurde weiters aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

II.      Erwägungen:

Beide Beschwerden erweisen sich nach Durchführung des oben skizzierten Ermittlungsverfahrens als unbegründet. Zunächst konnte festgestellt werden, dass entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin beide Bescheide elektronisch gefertigt wurden. Ein Umstand, der tatsächlich zunächst unklar erschienen ist, sich jedoch nach der Stellungnahme der belangten Behörde vom 12.3.2018 samt den entsprechenden Beilagen bewahrheitet hat.

Die Beschwerdeführerin moniert weiters, die Bescheide würden über keinen normativen Inhalt verfügen. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass beide Bescheide in ihrer Einleitung, wenngleich nicht ausdrücklich als Spruch bezeichnet, jedoch klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass einerseits die Ersatzvornahme angeordnet und die Verpflichtung zur Vorauszahlung der Kosten aufgetragen wird. Es liegt sohin keineswegs „Nichtigkeit“ vor.

Der Titelbescheid (Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom 29.5.2017) ist in Rechtskraft erwachsen (siehe das Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Tirol vom 26.9.2017, Zl. LVwG-2017/40/1777-3). Sämtliches Vorbringen in der Beschwerde, das auf eine Abänderung dieses Bescheides hinausläuft, erweist sich sohin als unzulässig (vgl. VwGH 10.9.2008, 2006/05/0061; VwGH 12.11.1985, 84/05/0232 uva). Gegenständlich ist im Verfahren bislang weder eine wesentliche Änderung des Sachverhalts noch eine wesentliche Änderung der entscheidungsrelevanten Rechtslage erfolgt bzw. wurde diese von der Beschwerdeführerin eingewendet, die eine Vollstreckung unzulässig machen würde (vg. VwGH 25.3.2010, 2009/05/0098 uva.).

Ein gelinderes Mittel, um bei einem baubehördlichen Abbruchbescheid den bescheidmäßigen Zustand herzustellen, als den Abbruch zu vollstrecken, ist nicht erkennbar und wurde auch diesbezüglich – selbstredend – auch nicht konkret vorgebracht. Tatsächlich ist eine „bloße“ „temporäre Sicherung“ keinesfalls ein derartige gelinderes Mittel, zumal es lt. rechtskräftigem Titelbescheid – wie erwähnt – ja einzig und allein um den Abbruch des Dachgeschoßes geht.

Was den Kostenvorauszahlungsbescheid betrifft, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach hier eine bloße Schätzung der Kosten ausreicht, zumal ein allenfalls verbleibender Überschuss zurückzuerstatten sei (vgl. VwGH 20.3.1972, 1812/71; 25.1.2005, 2001/06/0169; 26.2.2015, 2011/07/0155). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der hochbautechnische Amtssachverständige Bmstr. KK zum Gutachten FF vom 16.10.2017 in Bezug auf die Kostenschätzung der Ersatzvornahme befragt und bestätigte dieser die Richtigkeit der dort getroffenen Annahmen zur Kostenschätzung. Auch seitens der Beschwerdeführerin wurden in der mündlichen Verhandlung dagegen keine weiteren Einwendungen erhoben.

Zusammenfassend hat die Beschwerdeführerin kein konkretes Vorbringen erstattet, welches die Vollstreckung des rechtskräftigen Titelbescheides als unzulässig erscheinen ließe. Das wäre u.a. dann der Fall, wenn kein entsprechender Titelbescheid vorliegt, wenn ein solcher dem Verpflichteten gegenüber nicht wirksam ist oder wenn der Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist oder doch bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens bereits entsprochen wurde. Unzulässig wäre eine Vollstreckung auch dann, wenn sich nach der Entstehung des Exekutionstitels die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse in einem wesentlichen Punkt geändert haben. Keinen dieser Gründe hat die Beschwerdeführerin vorgebracht bzw. ist ein derartiger Grund hervorgekommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

III.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist sowohl im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren als auch im gegenständlichen führerscheinrechtlichen Verfahren unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme; baupolizeiliche Aufträge; Vollstreckung; Abweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.22.0528.8

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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