Entscheidungsdatum
12.04.2018Norm
GewO 1994 §75 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch den Richter Mag. Gindl über die Beschwerde des Herrn A und der Frau B, beide vertreten durch C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 31. August 2016, Zl. ***, mit welchem der Antrag vom 20. Mai 2016, zur Vorschreibung von Auflagen zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen bezüglich der gewerblichen Betriebsanlage „***“ im Standort ***, ***, Gst. Nr. ***, KG ***, zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine ordentliche Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden (in der Folge: belangte Behörde) vom 29. Juli 1992, Zl. ***, wurde der D GesmbH die Errichtung und den Betrieb einer „Kaffeerestaurantbetriebsanlage“ im Standort ***, ***, genehmigt. In diesem Genehmigungsumfang ist der Betrieb des Gastgartens in der Zeit von 19:00 bis 22:00 Uhr mitumfasst.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2016 stellten A und B (in der Folge: Beschwerdeführer) einen Antrag auf Vorschreibung von Auflagen zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO wahrzunehmenden Interessen. Begründend wurde vorgebracht, dass mit Betriebsanlagengenehmigung der belangten Behörde vom 29. Juli 1992, Zl. ***, die Öffnungszeiten der Betriebsanlage mit Montag bis Sonntag 19:00 – 04:00 Uhr im Gastgarten von
19:00 – 22:00 Uhr festgelegt worden seien. Mit Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 1. Juni 2006 sei eine Betriebszeitenregelung für die Gewerbeausübung in Gastgärten im Stadtgebiet geschaffen worden, nach welcher Gastgärten jeweils im Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September jedes Jahres von
8:00 bis 24:00 Uhr betrieben werden dürften. Unter Berufung auf diese Verordnung werde der Gastgartenbetrieb über den gewerblichen Konsens hinaus regelmäßig zumindest bis 24:00 Uhr offen gehalten. Der Betrieb des Gastgartens bis 24:00 Uhr verursache in der Nachbarschaft erhebliche Lärmimmissionen und würden die Nachbarn – die Antragsteller miteinbegriffen – unzumutbar belästigt bzw. im Schlaf gestört und damit in ihrer Gesundheit gefährdet werden. Es werde daher beantragt die zur Erreichung des Schutzes der gemäß § 74 Abs. 2 GewO wahrzunehmenden Interessen erforderliche Einschränkung der Betriebszeiten vorzuschreiben. Dem Antrag war ein Grundbuchsauzug angeschlossen, aus welchem sich ergibt, dass Herr A seit 1999 Miteigentümer des GSt. Nr. ***, KG ***, ist. Hinsichtlich Frau B wurde angeführt, dass diese seit über 10 Jahren (Unter)Mieterin eines Teil der in dem Gebäude befindlichen Wohnung Top *** sei, ein Nachweis diesbezüglich wurde nicht vorgelegt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. August 2016, Zl. *** wurde der Antrag der Beschwerdeführer zurückgewiesen. Begründend wurde auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt, dass Prozessvoraussetzung des § 79a Abs. 3 GewO sei, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage Nachbar gewesen sein müsse. Ein nachträglich zugezogener Nachbar sei daher vom Antragsrecht ausgeschlossen. Nachdem A (unbeschadet der Frage, ob er überhaupt Nachbar im Sinne der Gewerbeordnung sei) erst 1999 Miteigentümer geworden und auch von Frau B kein Nachweis erbracht worden sei, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Genehmigung der Anlage (29. Juli 1992) Nachbarin gewesen wäre, sei der Antrag zurückzuweisen gewesen.
In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde beantragten die Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag vom 20. Mai 2016 an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Dazu brachten diese im Wesentlichen wie folgt vor:
Im gegenständlichen Fall gehe es um die Rechtsfrage, ob der entscheidende Zeitpunkt für die Nachbarstellung der Antragsteller und damit die Antragslegitimation nach § 79a Abs. 3 GewO der Zeitpunkt der Betriebsanlagengenehmigung
(29. Juli 1992) oder der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** (1. Juni 2006) sei. Dies sei deshalb relevant, da die Beschwerdeführer zwar noch nicht am 29. Juli 1992, sehr wohl aber am 1. Juni 2006 Nachbarn der Betriebsanlage gewesen seien. In Hinblick auf die Besonderheit, dass für den Betrieb von Gastgärten keine behördliche Genehmigung erforderlich sei, könne § 79a Abs. 3 iVm § 76a Abs. 8 GewO daher nur dahingehend ausgelegt werden, dass die Antragsteller zu jenem Zeitpunkt Nachbarn gewesen sein müssten, in dem der schutzinteressengefährdende Gastgartenbetrieb (hier: von 22:00 – 24:00 Uhr) rechtlich zulässig geworden wäre.
Aus dem seitens der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt,
Zl. ***, ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Mit Bescheid vom 29. Juli 1992, Zl.: ***, hat die belangte Behörde die Errichtung und den Betrieb einer „Kaffeerestaurantbetriebsanlage“ im Standort ***, ***, genehmigt.
Der Betrieb des Gastgartens wurde von 19:00 bis 22:00 Uhr genehmigt.
Mit Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 9. März 1994, Zl. *** wurden die Sperrzeiten der gegenständlichen Betriebsanlage geändert. Der Bescheid enthält keine Änderung hinsichtlich des Betriebes des Gastgartens. Die Stadtgemeinde *** widerrief mit Bescheid vom 8. April 2013,
Zl. ***, die vorgenommene Vorschreibung einer früheren Sperrstunde. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass die im Jahr 1992 genehmigten Sperrzeiten wieder ihre Geltung erlangen.
Mit Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 1. Juni 2006 wurde die Betriebszeit für Gewerbeausübung in Gastgärten im Stadtgebiet vom
1. Mai bis 30. September jedes Jahres mit 8:00 bis 24:00 Uhr festgesetzt.
Eine Anzeige gemäß § 76a Abs. 3 GewO liegt nicht vor.
Die Beschwerdeführer waren zum Zeitpunkt der Genehmigung (29. Juli 1992) keine Nachbarn der gegenständlichen Betriebsanlage im Sinn des § 75 Abs. 2 GewO.
Hierzu hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich rechtlich erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erkennt das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (§ 27 VwGVG). Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h. M. (in diesem Sinn auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind. In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1-5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
Die Verwaltungsgerichte entscheiden nicht bloß kassatorisch, sondern grundsätzlich in der Sache selbst. Ausnahmen von diesem Grundsatz – insbesondere die Möglichkeit zur Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 Satz 2 – sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken". [Hans Peter Lehofer, Die Prüfung des angefochtenen Bescheids durch die Verwaltungsgerichte, ÖJZ 2015/73 (541)]. Der Verwaltungsgerichtshof hat klargestellt, dass die frühere Rechtsprechung zur "Sache" des Berufungsverfahrens auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu übertragen ist. Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist demnach jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Das Verwaltungsgericht darf auch nicht über Anträge absprechen, die von der belangten Behörde nicht behandelt wurden, ebenso wenig darf es ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand seiner Entscheidung machen (Hans Peter Lehofer, Die Prüfung des angefochtenen Bescheids durch die Verwaltungsgerichte, aaO).
Sache des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).
Der Antrag der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mangels Nachbarstellung im Zeitpunkt der Betriebsanlagengenehmigung zurückgewiesen. Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist somit ausschließlich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages vom
20. Mai 2016.
Wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 GewO wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, hat die Behörde nach dem Stand der Technik (§ 71a GewO) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1 GewO) gemäß
§ 79 GewO vorzuschreiben.
Gemäß § 79a GewO hat die Behörde ein Verfahren gemäß § 79 Abs. 1 GewO von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie oder auf Antrag eines Nachbarn einzuleiten. Der Nachbar muss in seinem Antrag glaubhaft machen, dass er als Nachbar vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt ist, und nachweisen, dass er bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder der betreffenden Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 GewO war.
Gemäß § 75 Abs. 2 GewO sind Nachbarn im Sinne der Gewerbeordnung alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.
Die Beschwerdeführer haben einerseits nachzuweisen, dass sie im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage Nachbar waren und durch den konsensmäßigen Betrieb nicht hinreichend geschützt sind (vgl. VwGH 17.02.2016, Ra 2015/04/0101; VwGH 7.11.2005, 2003/04/0102; VwGH 19.11.2003, 2001/04/0094).
Die gegenständliche Betriebsanlage wurde am 29. Juli 1992, Zl.: ***, genehmigt. Die Beschwerdeführer waren zu diesem Zeitpunkt – nach eigenem Vorbringen der Beschwerde – nicht Nachbarn der Betriebsanlage.
Bei der Beurteilung des Zeitpunktes der Genehmigung im Sinn des
§ 79a Abs. 3 GewO ist darauf abzustellen, aus welcher Genehmigung bzw. Änderung der Genehmigung die beanstandeten Belastungen resultieren (vgl. Ennöckl/Raschauer/Wessely, Kommentar Gewerbeordnung 1994 – Band 1, § 79a Rn 7).
Von den Beschwerdeführern wird im Antrag als auch in der Beschwerde vorgebracht, dass diese durch die Ausweitung der Betriebszeiten des Gastgartens durch die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** – auf bis 24:00 Uhr – durch Lärm belästigt seien. Als maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Nachbarstellung sei nach Ansicht der Beschwerdeführer die Verordnung,
1. Juni 2006, heranzuziehen.
Bei der vom Bürgermeister der Stadtgemeinde *** erlassen Verordnung vom 1. Juni 2006 handelt es sich um eine Verordnung nach § 112 Abs. 3 GewO idF
BGBl. I Nr. 134/2005. Gemäß § 376 Z. 51 GewO gelten Verordnungen, die auf der Grundlage des § 112 Abs. 3 GewO 1994 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 66/2010 erlassen wurden, als Verordnungen nach § 76a Abs. 9 GewO. Die gegenständliche Verordnung ist daher als Verordnung nach § 76a Abs. 9 GewO anzusehen und die Bestimmung des § 76a GewO, sowie diesbezügliche Judikatur und Literatur heranzuziehen.
Gemäß § 76a Abs. 1 GewO ist für Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, für die Zeit von 8 bis 23 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn
1. sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen,
2. sie über nicht mehr als 75 Verabreichungsplätze verfügen,
3. in ihnen lauteres Sprechen als der übliche Gesprächston der Gäste, Singen und Musizieren vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und
4. auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind, und auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten ist, dass die gemäß § 74 Abs. 2 GewO wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt sind und Belastungen der Umwelt (§ 69a GewO) vermieden werden; eine wesentliche Beeinträchtigung des Verkehrs im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 4 GewO ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn der Gastgarten gemäß § 82 Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der jeweils geltenden Fassung, bewilligt ist.
Gemäß § 76a Abs. 2 GewO ist für Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, für die Zeit von 9 bis 22 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn die Voraussetzungen gemäß § 76a Abs. 1 Z 1 bis Z 4 GewO sinngemäß erfüllt sind.
Der Betrieb eines Gastgartens im Sinne des § 76a Abs. 1 oder des Abs. 2 GewO ist der Behörde vorher anzuzeigen. Dieser Anzeige sind Unterlagen im Sinne des
§ 353 Z 1 lit. a bis lit. c GewO in vierfacher Ausfertigung anzuschließen (vgl.
Gemäß § 76a Abs. 9 GewO kann die Gemeinde mit Verordnung abweichende Regelungen betreffend die in § 76a Abs. 1 und Abs. 2 GewO festgelegten Zeiten für solche Gebiete festlegen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des
§ 113 Abs. 1 GewO und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen. Im Besonderen kann in der Verordnung auch in Gebieten mit besonderen touristischen Einrichtungen oder Erwartungshaltungen (Tourismusgebiete) eine Zeit insbesondere bis 24 Uhr als gerechtfertigt angesehen werden.
Gemäß § 76a Abs. 8 GewO sind auf Gastgärten, die im Sinne des § 76a Abs. 1 oder Abs. 2 GewO betrieben werden, die §§ 79 und 79a GewO mit der Maßgabe anzuwenden, dass Auflagen und Einschränkungen der Betriebszeit zugunsten von Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 GewO nur soweit vorzuschreiben sind, als diese notwendig sind.
Durch die Erlassung des § 76a GewO und die damit verbundene Überführung der Gastgartenregelung in das gewerbliche Betriebsanlagenrecht sollte es zu keinem Eingriff in den betriebsanlagenrechtlichen genehmigten Konsens kommen. Gastgärten, deren betriebsanlagenrechtlicher Konsens im Vergleich zu den nunmehrigen Voraussetzungen eingeschränkt ist, haben die Möglichkeit ohne das Erfordernis einer Genehmigung der Änderung den Rahmen des § 76a GewO auszuschöpfen. Eine Anzeige nach § 76a Abs. 3 GewO ist jedoch erforderlich. (Ennöckl/Raschauer/Wessely, Kommentar Gewerbeordnung 1994 – Band 1, § 76a Rn 16; vgl. EBRV 780 BlgNR 24. GP 5).
Wie sich aus den oben getroffenen Feststellungen ergibt, liegt keine Anzeige gemäß § 76a Abs. 3 GewO vor. Ein Betreiben des Gastgartens über die genehmigte Betriebszeit – 19:00 bis 22:00 Uhr – hinaus findet keine rechtliche Deckung. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Nachbarstellung ist daher der Genehmigungsbescheid vom 29. Juli 1992. Wie die Beschwerdeführer selbst in der Beschwerde vorbringen, waren diese zu diesem Zeitpunkt nicht Nachbarn der Betriebsanlage. Anzuführen ist in diesem Zusammenhang, dass der Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung des Bürgermeisters nicht Anknüpfungszeitpunkt für die Beurteilung der Nachbarstellung sein kann, da erst durch eine Anzeige nach § 76a Abs. 6 GewO ein Betreiben des Gastgartens (abgeändert vom Genehmigungskonsens) rechtlich zulässig wird.
Gelingt dem Antragsteller nicht glaubhaft zu machen, dass er als Nachbar vor den Auswirkungen der konsensgemäß betriebenen Anlage nicht hinreichend geschützt ist, bzw nachzuweisen, dass er im Zeitpunkt der Genehmigung Nachbar im Sinn des § 75 Abs. 2 und 3 GewO gewesen ist, so ist der Antrag gemäß § 79a GewO zurückzuweisen (vgl. VwGH 25.06.2003, 2000/04/0092; Ennöckl/Raschauer/Wessely, Kommentar Gewerbeordnung 1994 – Band 1, § 79a Rn 10).
Wird von den Beschwerdeführern vorgebracht, dass ein Gastgartenbetrieb bis
24:00 Uhr stattfindet, so ist diesem entgegenzuhalten, dass es sich dabei nicht um einen konsensgemäßen Betrieb handelt und die Erteilung von Auflage im Sinn des
§ 79a GewO einen konsensgemäßen Betrieb voraussetzt (vgl. VwGH 17.02.2016, Ra 2015/04/0101; VwGH 7.11.2005, 2003/04/0102; VwGH 19.11.2003, 2001/04/0094). Bei einem nichtkonsensmäßigen Betrieb einer Anlage sieht die GewO ein Verfahren nach § 360 GewO vor, bei welchem dem Nachbar jedoch weder ein Antragsrecht noch Parteistellung im Verfahren zukommt (vgl. VwGH 25.09.2014, 2013/07/0060; VwGH 24.10.2001, 2001/04/0173; VwGH 27.05.2009, 2009/04/0104; VwGH 29.05.2002, 2002/04/0057). Auch aus diesem Gesichtspunkt aus, wäre der Antrag mangels Antragslegitimation zurückzuweisen gewesen.
Der Antrag wurde von der belangten Behörde zu Recht zurückgewiesen, da die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Betriebsanlagengenehmigung nicht Nachbarn waren. Es war der Beschwerde daher keine Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht hätte erwarten lassen und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S.389, entgegenstanden. Es handelt sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH vom 24. 6.2014, Zl. 2014/05/0059, 17.4.2012, Zl. 2012/05/0029 bzw. 21.12.2012, Zl. 2012/03/0038).
Zur Nichtzulassung der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, war gegenständlich nicht zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen (vgl. die oben dargestellte Judikatur).
Schlagworte
Gewerberecht; Betriebsanlage; Genehmigung; Nachbarn;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1067.001.2016Zuletzt aktualisiert am
19.10.2021