Entscheidungsdatum
23.04.2018Norm
AVG 1991 §69Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Mag. Marzi als Einzelrichter über den Antrag der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 14. Dezember 2017, betreffend Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. Juni 2017, LVwG-AV-1376/001-2016, abgeschlossenen Verfahrens i.A. Widerruf einer Ermächtigung gemäß § 57a Abs. 2 KFG 1967, den
BESCHLUSS
1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Begründung:
1. Aus den Akten ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. November 2016, Zl.: ***, wurde die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen der A Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: Antragsgegnerin) in der Begutachtungsstelle in ***, ***, mit sofortiger Wirkung widerrufen. Begründet wurde der Widerruf mit der Erstellung eines unrichtigen Gutachtens gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 am 2. Mai 2016 sowie dem Ergebnis einer Revision der Begutachtungsstelle der Antragsgegnerin im Oktober 2016 (Auffälligkeiten bei zahlreichen Gutachten hinsichtlich der eingetragenen Messwerte der Betriebsbremsanlage und der Hinterradbremse).
1.2. Aufgrund der Beschwerde der Antragsgegnerin gegen diesen Bescheid führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 2. Juni 2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher unter anderem ein Sachverständiger für Kraftfahrtechnik ein Gutachten erstattete.
1.3. Dieser Verhandlung blieb die als belangte Behörde geladene Landeshauptfrau von Niederösterreich (in der Folge: Antragstellerin) ohne Angabe von Gründen fern.
1.4. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. Juni 2017, Zl.: LVwG-AV-1376/001-2016, wurde der Bescheid vom 25. November 2016 ersatzlos behoben.
Zusammenfassend gelangte das Landesverwaltungsgericht zum Schluss, dass trotz der angeführten Mängel betreffend die Beleuchtung im Zuge der Überprüfung eines PKW am 2. Mai 2016 und der mangelnden Bremsprüfungen bei einspurigen Kraftfahrzeugen davon auszugehen sei, dass unter Berücksichtigung eines positiven Ermächtigungszeitraumes von 20 Jahren bei der Antragsgegnerin die erforderliche Vertrauenswürdigkeit gemäß § 57a Abs. 2 KFG gegeben sei und sich die Kraftfahrbehörde wieder darauf verlassen könne, dass die Antragsgegnerin lediglich verkehrs- und betriebssichere Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr „teilnehmen lassen wird“.
Dieses Erkenntnis wurde der Antragstellerin am 29. Juni 2017, der Antragsgegnerin am 3. Juli 2017 zugestellt.
Eine Revision bzw. Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde nicht erhoben.
1.5. Im gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme vom 14. Dezember 2017, beim Landesverwaltungsgericht eingelangt am 15. Dezember 2017, wird – soweit entscheidungswesentlich – wie folgt ausgeführt (Ausführungen und Auslassungen in eckiger Klammer durch das Landesverwaltungsgericht):
„Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017, ***, übermittelte die Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten des Amtes der NÖ Landesregierung der [Antragstellerin] eine „Vorladeliste“. Dieser lässt sich ua Folgendes entnehmen:
a) Am 16. November 2016 hat die [Antragsgegnerin] für das Fahrzeug der Marke Ford mit dem Kennzeichen *** und der *** ein positives Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 ausgestellt (Gutachten Nr. ***) und darin lediglich leichte Mängel angeführt.
Dasselbe Fahrzeug wurde am 6. Oktober 2017 von der Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten des Amtes der NÖ Landesregierung einer Überprüfung gemäß § 56 KFG 1967 unterzogen (Gutachten-Nr. ***), bei der Folgendes festgestellt wurde:
„[...]
1.4.1 Feststellbremse - Wirkung und Wirksamkeit schwerer Mangel
Bemerkung: Differenz der Wirkung links zu rechts größer 50 %
[...]
6.1.2 Auspuffrohre und Schalldämpfer leichter Mangel
schwerer Mangel
Bemerkung: Schwerer Mangel: Flexibles Rohr der Abgasanlage stark korrodiert sowie undicht
Leichter Mangel: Abgasanlage Korrosion
6.2.1 Führerhaus/Karosserie – Zustand schwerer Mangel
Bemerkung: Kotflügel vorne links unten hinter Rad durchgerostet
[…]“
Das Ergebnis lautete nunmehr, dass das Fahrzeug infolge von schweren Mängeln nicht den Erfordernissen der Umwelt und der Verkehrs- und Betriebssicherheit entspricht.
b) Am 23. November 2016 hat die [Antragstellerin] für das Fahrzeug der Marke Mazda mit dem Kennzeichen *** und der *** ein positives Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 ausgestellt (Gutachten Nr. ***) und darin lediglich leichte Mängel angeführt.
Dasselbe Fahrzeug wurde am 10. Oktober 2017 von der Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten des Amtes der NÖ Landesregierung einer Überprüfung gemäß § 56 KFG 1967 unterzogen (Gutachten-Nr. ***), bei der Folgendes festgestellt wurde:
„[…]
1.1.12 Flexible Bremsschläuche schwerer Mangel
Bemerkung: 1. Achse rechts Bremsschlauch verdreht - streift am Federbein
4.1.5 Niveauregulierungseinrichtung (falls vorgeschrieben) schwerer Mangel
Bemerkung: rechts ohne Funktion
[…]
5.2.2 Räder schwerer Mangel
Bemerkung: 175/65R14 82T M+S auf 6Jx14 E T35, KBA 45043, W8604, X
[…]“
Das Ergebnis lautete nunmehr, dass das Fahrzeug infolge von schweren Mängeln nicht den Erfordernissen der Umwelt und der Verkehrs- und Betriebssicherheit entspricht.
2.) Beweismittel
Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich aus
? dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. Juni 2017, LVwG-AV-1376/001-2016,
? dem Schreiben der Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten vom 6. Dezember 2017, ***,
? den Auszügen aus der Zentralen Begutachtungsplakettendatenbank (ZBD) gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967, welche den Inhalt der Gutachten der [Antragsgegnerin]
- vom 16. November2016 (Gutachten Nr. ***) und
- vom 23. November 2016 (Gutachten Nr. ***)
darlegen sowie
? den Gutachten gemäß § 56 KFG 1967 der Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten
- vom 6. Oktober 2017 (Gutachten Nr. ***) und
- vom 10. Oktober 2017 (Gutachten Nr. ***)
3.) Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages
[…]
Die Tatsache der Ausstellung der Gutachten
- vom 16. November 2016 (Gutachten Nr. ***) und
- vom 23. November 2016 (Gutachten Nr. ***)
lag bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens betreffend den Widerruf der Ermächtigung im Standort ***, ***, also im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. Juni 2017 vor. Der Umstand, dass die Gutachten gemäß § 56 KFG 1967 der Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten
- vom 6. Oktober 2017 (Gutachten Nr. ***) und
- vom 10. Oktober 2017 (Gutachten Nr. ***)
stammen, vermag daran nichts zu ändern.
Bereits die Erstellung nur eines unrichtigen Gutachtens ist geeignet, die gemäß § 57a Abs. 2 KFG 1967 erforderliche Vertrauenswürdigkeit unter besonderen Umständen zu erschüttern (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 1994, ZI. 94/11/0221, m.w.N.). Angesichts dessen hätte die Berücksichtigung der neu hervorgekommenen Tatsachen in Verbindung mit den Ausführungen des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. Juni 2017, insbesondere hinsichtlich des unrichtigen Gutachtens vom 2. Mai 2016 (Gutachten Nr. ***), voraussichtlich zu einem im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Erkenntnis, und zwar zur Abweisung der Beschwerde vom 16. Dezember 2016 infolge fehlender Vertrauenswürdigkeit, führen können.
Bei der Beurteilung des Verschuldens im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1993, ZI. 91/10/107). Darin, dass die wohl unrichtige Ausstellung der Gutachten erst nachträglich, und zwar am 6. Dezember 2017, hervorgekommen ist, vermag keine Verletzung der gehörigen Aufmerksamkeit erkannt werden, wurde dieses Fehlverhalten doch erst durch die von der Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten des Amtes der NÖ Landesregierung übermittelte „Vorladeliste“ manifest und kann es der [Antragstellerin] nicht zugemutet werden, gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 ausgestellte Gutachten - nicht einmal stichprobenweise - auf ihre Richtigkeit hin nachzuprüfen. Es liegt somit im vorliegenden Fall kein der [Antragstellerin] zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 14. Juni 1993 mit weiteren Hinweisen).
Es ist daher vom Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes des § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG auszugehen.
4.) Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages
[…]
Mit Schreiben der Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten des Amtes der NÖ Landesregierung vom 6. Dezember 2017, ***, hat die [Antragstellerin] davon Kenntnis erlangt, dass die [Antragsgegnerin] wohl unrichtige Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 ausgestellt hat. Somit erfolgt die Einbringung des Antrages auf Wiederaufnahme fristgerecht im Sinne des § 32 Abs. 2 VwGVG.
Angemerkt wird, dass das Ergebnis des am 6. Dezember 2017 an die Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten gerichteten Ersuchens um Gutachtenserstattung unverzüglich nachgereicht wird.“
1.6. Mit Schreiben der Antragstellerin vom 9. Jänner 2018 wurden die im Wiederaufnahmeantrag angekündigten Gutachten der „Abteilung technische Kraftfahrzeugangelegenheiten“ nachgereicht und aufgrund des Gutachtens betreffend den Mazda die zeugenschaftliche Einvernahme der Zulassungsbesitzerin dieses Kraftfahrzeuges zur Frage beantragt, ob und wenn ja in welchem Umfang nach der Begutachtung durch die Antragsgegnerin Reparatur- bzw. Servicearbeiten an der Bremsanlage der 1. Achse dieses Kraftfahrzeuges erfolgt seien.
Im beiliegenden Gutachten betreffend den Ford mit dem Kennzeichen *** und der *** vom 3. Jänner 2018 kommt ein Amtssachverständiger zum Ergebnis, dass aufgrund der großen Zeitspanne zwischen den beiden Überprüfungen aus technischer Sicht kein eindeutiger Nachweis zu führen sei, dass diese bei der Begutachtung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 bereits vorhanden waren.
Betreffend den Mazda mit dem Kennzeichen *** und der *** lautet das beigelegte Gutachten des Amtssachverständigen vom 5. Jänner 2018 auszugsweise wie folgt (Ausführungen in eckiger Klammer durch das Landesverwaltungsgericht):
„Befund:
Das im beiliegenden Gutachten angeführte Fahrzeug mit dem Kennzeichen
Marke: Mazda
Type: DY
Fahrgestellnummer: ***
Wurde durch das Amt der NÖ-Landesregierung am 10.10.2017 einer Überprüfung gemäß § 56 KFG 1967 unterzogen. Gutachtennummer […]
Kilometerstand: 142651 Km
Folgende erheblichen Mängel wurden festgestellt:
1.1.12 Flexible Bremsschläuche
1. Achse rechts Bremsschlauch verdreht – streift am Federbein
4.1.5 Niveauregulierungseinrichtung (falls vorgeschrieben)
Rechts ohne Funktion
5.2.2 Räder
175/65R14 82T M+S auf 6Jx14 ***, ***, X
Dieses Fahrzeug wurde am 23.11.2016 gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 von der [Antragsgegnerin] überprüft.
Gutachtennummer: […]
Kilometerstand: 136944 km
Folgende leichten Mängel wurden festgestellt:
5.1.1 Achsen/Achskörper
6.2.4 Boden
und als verkehrs- und betriebssicher eingestuft.
GUTACHTEN:
Aufgrund der Zeitspanne und der differenzierten Gutachtensergebnisse liegt der Verdacht nahe, dass die Überprüfung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
Insofern zwischen den beiden Überprüfungen keine Reparatur- und Servicearbeiten an der Bremsanlage der 1. Achse vorgenommen wurden, war aus technischer Sicht folgender Mangel bereits bei der Überprüfung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 vorhanden und hätte eine positive Überprüfung ausgeschlossen:
1.1.12 Flexible Bremsschläuche
1. Achse rechts Bremsschlauch verdreht – streift am Federbein
[Bei den anderen Mängeln sei aus technischer Sicht kein eindeutiger Nachweis zu führen, dass diese bei der Begutachtung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 vorhanden gewesen seien.]“
1.7. Nach Einräumung einer dahingehenden Möglichkeit beantragte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15. Jänner 2018 bzw. vom 12. Februar 2018, jeweils mit näherer Begründung, dem Antrag nicht stattzugeben.
2. Rechtliche Erwägungen:
2.1.1 Der mit „Wiederaufnahme des Verfahrens“ überschriebene § 32 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und
1.
[…]
2.
neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
[…]
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. […]“
2.1.2. § 57a Abs. 2 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, lautet auszugsweise:
(2) Der Landeshauptmann hat für seinen örtlichen Wirkungsbereich auf Antrag Ziviltechniker oder technische Büros-Ingenieurbüros (§ 134 GewO) des einschlägigen Fachgebietes, Vereine oder zur Reparatur von Kraftfahrzeugen oder Anhängern berechtigte Gewerbetreibende, die hinreichend über hiezu geeignetes Personal und die erforderlichen Einrichtungen verfügen, zur wiederkehrenden Begutachtung aller oder einzelner Arten von Fahrzeugen gemäß Abs. 1 zu ermächtigen. Die Ermächtigung darf nur vertrauenswürdigen Personen verliehen werden. […]. Die Ermächtigung ist ganz oder nur hinsichtlich einzelner Arten von Fahrzeugen zu widerrufen, wenn der Ermächtigte nicht mehr vertrauenswürdig ist, nicht mehr über geeignetes Personal verfügt, seine Einrichtungen nicht den durch Verordnung festgesetzten Anforderungen entsprechen oder wenn eine der für die Erteilung der Ermächtigung erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist. Erforderlichenfalls kann der Ausschluss bestimmter geeigneter Personen von dieser Tätigkeit angeordnet werden. […]“
2.2.1. Eingangs ist festzuhalten, dass die zu § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme auf den nahezu wortgleichen § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbar ist (zB VwGH vom 8. August 2017, Ra 2017/19/0120).
Das Bestehen der Wiederaufnahmegründe ist, weil sie eine Durchbrechung der Rechtskraft und damit einen Eingriff in die Rechtssicherheit ermöglichen, streng zu prüfen (zB VwGH vom 22. März 2001, 2008/21/0428).
Die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG setzt voraus, dass Tatsachen (Beweismittel) hervorkommen, die schon vor Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind. Es ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie – allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz – nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus. Die neu hervorgekommenen Tatsachen (Beweismittel) müssen entscheidungsrelevante Umstände derart betreffen, dass sie, wären sie seinerzeit berücksichtigt worden, voraussichtlich zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung geführt hätten (vgl. VwGH vom 14. Dezember 2015, Ra 2015/09/0076). Beim Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG handelt es sich um einen relativen Grund. Das Verfahren ist nur wieder aufzunehmen, wenn sich voraussichtlich – damit ist ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit gemeint – ein anderer Spruch in der Hauptsache ergeben hätte; diese Frage ist nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die bei Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides bestand (VwGH vom 24. September 2014, 2012/03/0165).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Gewerbetreibender dann als vertrauenswürdig im Sinne des § 57a Abs. 2 KFG 1967 anzusehen, wenn ausreichend Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Kraftfahrbehörde könne sich darauf verlassen, dass er die ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – ausüben werde. Dabei stand regelmäßig ein im Zusammenhang mit der Begutachtung gesetztes Fehlverhalten im Raum. So vertrat etwa der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, die unrichtige Ausstellung positiver Gutachten beeinträchtige die nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 erforderliche Vertrauenswürdigkeit in hohem Maß, wobei unter besonderen Umständen bereits die Erstellung nur eines unrichtigen Gutachtens die Vertrauenswürdigkeit erschüttern könne (zB VwGH vom 8. September 2016, Ra 2014/11/0082).
2.2.2. Festzuhalten ist, dass – wie im Wiederaufnahmeantrag noch vor dem ergänzenden Schreiben vom 9. Jänner 2018 ausschließlich vorgetragen – der bloße Umstand, dass bei zwei Kraftfahrzeugen im Zeitpunkt der Überprüfung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 lediglich leichte Mängel, knapp ein Jahr später im Rahmen einer Überprüfung gemäß § 56 KFG 1967 hingegen schwere Mängel festgestellt wurden, nicht geeignet ist, eine Wiederaufnahme eines Verfahrens zu rechtfertigen, zumal damit eine unrichtige Begutachtung durch die Antragsgegnerin nicht hinreichend dargetan wird.
Aber selbst bei Berücksichtigung des im Ergänzungsschreiben vom 9. Jänner 2018 Vorgebrachten sowie der gleichzeitig vorgelegten Gutachten der Amtssachverständigen gelangt man zu keinem anderen Ergebnis:
Mit Ausnahme des Mangels des verdrehten, am Federbein streifenden Bremsschlauches der 1. Achse rechts beim Mazda halten die Amtssachverständigen fest, dass hinsichtlich aller übrigen, im Rahmen der Überprüfungen gemäß § 56 KFG 1967 festgestellten schweren Mängel kein Nachweis zu führen sei, dass diese schon im Zeitpunkt der Begutachtung durch die Antragsgegnerin vorgelegen hätten.
Hinsichtlich des Bremsschlauches spricht der Amtssachverständige davon, dass „der Verdacht nahe[liege], dass die Überprüfung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde“, insofern „zwischen den beiden Überprüfungen keine Reparatur- und Servicearbeiten an der Bremsanlage der 1. Achse vorgenommen wurden.“
Damit wird aber – ohne nachvollziehbare Begründung – lediglich die Behauptung (bzw. genauer: nur der Verdacht) aufgestellt, dass „die Überprüfung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 nicht ordnungsgemäß durchgeführt“ worden sei. Nur ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten ist zu entkräften, während schlichte Feststellungen des Sachverständigen, die nicht weiter begründet sind, nicht widerlegt werden müssen (vgl. VwGH vom 16. Februar 2017, Ra 2016/05/0026, sowie vom 4. August 2015, Ra 2015/11/0020 [Punkt 1.2.1. der Begründung]).
Überdies behauptet die Antragstellerin selbst gar nicht, dass im fraglichen Zeitraum keine Reparatur- und Servicearbeiten durchgeführt wurden, sondern beantragt die Einvernahme der Zulassungsbesitzerin zur Frage, „ob und bejahendenfalls in welchem Umfang zwischen [Begutachtung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 und Überprüfung gemäß § 56 KFG 1967] Reparatur- und Servicearbeiten an der Bremsanlage der 1. Achse des gegenständlichen PKW vorgenommen“ wurden.
Zusammengefasst kann daher nicht gesagt werden, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des wiederaufzunehmenden Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs –Beurteilung der Zuverlässigkeit der Antragsgegnerin iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 – anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.
Der Antrag ist somit abzuweisen.
2.3. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da die gegenständliche Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die aufgrund der Leitlinien dieser Rechtsprechung vorgenommene Einzelfallbeurteilung begründet keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (zB VwGH vom 27. Juni 2016, Ra 2016/18/0045).
Schlagworte
Kraftfahrrecht; Verfahrensrecht; Wiederaufnahme; Wiederaufnahmegrund;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1376.003.2016Zuletzt aktualisiert am
12.06.2018