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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §17;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Dkfm. Dr. A M in B, vertreten durch die MM Metzler & Musel Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 13. Dezember 2017, Zl. LVwG-151273/2/WP/KHu, betreffend Akteneinsicht in einer baurechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: A GmbH in L), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0003, 0004, mwN).
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 5. Mai 2017, mit dem seine Berufung gegen die Abweisung seines Antrages vom 4. November 2016 auf Einsicht in den Akt eines näher bezeichneten, bereits abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und eine Revision gegen dieses Erkenntnis für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
6 Nach den vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) in diesem Erkenntnis getroffenen Ausführungen wurde der Revisionswerber von der Baubehörde (im Jahr 2008) als Miteigentümer einer Nachbarliegenschaft zu einer Augenscheinsverhandlung über den Antrag des Bauwerbers in diesem Verfahren auf Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau eines Wohngebäudes auf näher bezeichneten Grundstücken geladen, wobei die Kundmachung einen Hinweis auf die Präklusionsfolgen enthielt. Der Revisionswerber sei nicht zur Verhandlung erschienen und habe bis zum Tag vor der Verhandlung auch keine Einwendungen erhoben. Mit Bescheid (gemeint: des Magistrates der Landeshauptstadt Linz) vom 27. Mai 2008 sei die Baubewilligung erteilt worden.
7 Ferner sei der Revisionswerber (im Jahr 2009) zur Augenscheinsverhandlung betreffend den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung einer Bewilligung für eine Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben geladen worden, wobei die Kundmachung unter Angabe des Inhaltes des Änderungsansuchens ebenso einen Hinweis auf die Präklusionsfolgen enthalten habe. Der Revisionswerber sei zwar zur Verhandlung erschienen, habe jedoch keine Einwendungen erhoben. Die diesbezügliche Bewilligung sei mit Bescheid (gemeint: des Magistrates der Landeshauptstadt Linz) vom 11. März 2009 erteilt worden.
8 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht in diesem Erkenntnis (u.a.) aus, dass der Revisionswerber in beiden genannten Verfahren, in deren Akt er Einsicht begehre, zunächst jeweils Parteistellung gehabt, diese jedoch mangels Erhebung von Einwendungen verloren habe (Präklusion) und dass die genannten baubehördlichen Verfahren in den Jahren 2008 bzw. 2009 rechtskräftig abgeschlossen worden seien.
9 Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes tritt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision (§ 28 Abs. 3 VwGG) insoweit nicht entgegen.
10 Er bringt darin jedoch im Wesentlichen vor, dass für die Gewährung der Akteneinsicht die Parteistellung nicht im gesamten Verfahren bestanden haben müsse und das Recht auf Akteneinsicht auch präkludierten und übergangenen Parteien zukomme (Hinweis auf VwGH 30.1.2014, 2012/05/0011). Das Parteirecht eines Nachbarn beinhalte auch das Recht darauf, dass "das Objekt" konsenskonform errichtet worden sei. Diese "Nachwirkung" des subjektivöffentlichen Nachbarrechtes sei geboten, weil ein Nachbar, der im Vertrauen auf eine konsenskonforme Errichtung zum Beispiel keine Einwendungen erhebe, das Recht auf eine spätere Überprüfung der konsenskonformen Umsetzung des Bauvorhabens haben müsse. Dieses Recht auf Akteneinsicht des Nachbarn im Bauverfahren sei auch in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt (Hinweis auf VwGH 30.1.2014, 2012/05/0011, VwGH 22.10.2013, 2012/10/0002, und VwGH 15.9.2005, 2004/07/0135).
11 Wenn sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf die "vermeintlich widersprechende" Entscheidung VwGH 17.9.2014, Ra 2014/04/0025, stütze, so sei diese nicht einschlägig, weil sie einen Fall behandle, in dem der Akteneinsichtswerber im Verfahren selbst keine Parteistellung gehabt habe. Das Verwaltungsgericht übersehe das Erkenntnis VwGH 30.1.2014, 2012/05/0011, in dem ein völlig vergleichbarer Fall behandelt werde. Darin werde das Recht auf Akteneinsicht auch präkludierten und übergangenen Parteien eingeräumt, und es könne Akteneinsicht in ein anhängiges oder abgeschlossenes "Verfahren" gewährt werden. Es sei nicht erforderlich, dass die Parteistellung das gesamte Bauverfahren über bestanden habe. Akteneinsicht komme Parteien eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens nur dann zu, wenn sie selbst im Verfahren Parteien gewesen seien.
12 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
13 Im Erkenntnis VwGH 17.9.2014, Ra 2014/04/0025, auf das im angefochtenen Erkenntnis Bezug genommen wird, wurde (u.a.) unter Hinweis auf die Erkenntnisse VwGH 15.9.2005, 2004/07/0135, und VwGH (verstärkter Senat) 22.10.2013, 2012/10/0002, Folgendes ausgeführt:
"...
2.4. Das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG kommt den Parteien eines anhängigen oder abgeschlossenen Verfahrens - unter den sonstigen Beschränkungen - unabhängig davon zu, zu welchem Zweck sie die Akteneinsicht begehrt haben. Die Partei ist daher auch nicht verpflichtet zu begründen, zu welchem Zweck sie Akteneinsicht benötigt (vgl. bereits das obzitierte Erkenntnis vom 29. April 2014, Zl. 2013/04/0157, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 2013, Zl. 2012/10/0002).
Das von § 17 AVG eingeräumte subjektive Recht auf Einsicht in die Akten eines Verwaltungsverfahrens steht jedoch nur den Parteien des Verwaltungsverfahrens, in dessen Akten Einsicht genommen werden soll, zu (vgl. das zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 2013, mwN).
Einer Person, die die Parteistellung verloren hat, steht das Recht der Akteneinsicht (im Hinblick auf die ‚Quasi-Wiedereinsetzung' in § 42 Abs. 3 AVG) nur zwischen dem Ende der Verhandlung und der nachträglichen Einwendung längstens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 2005, Zl. 2004/07/0135, mwN).
Ein Rechtsnachfolger tritt in die von seinem Rechtsvorgänger geschaffene Stellung ein und muss daher die Unterlassung von Einwendungen und Rechtsmitteln durch seinen Rechtsvorgänger sowie eine diesem gegenüber eingetretene Präklusion bzw. den Verlust der Parteistellung gegen sich gelten lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2004, Zl. 2003/07/0119, mwN).
..."
14 Der Verwaltungsgerichtshof hielt in diesem Erkenntnis somit fest, dass einer Person, gegenüber der infolge Unterlassung von Einwendungen in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren Präklusion eingetreten ist bzw. die die Parteistellung verloren hat, kein Recht auf Akteneinsicht in Bezug auf dieses Verfahren zusteht.
15 Im vorliegenden Revisionsfall handelt es sich beim Revisionswerber - was die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht in Abrede stellt - um eine Person, die in den oben genannten (in den Jahren 2008 bzw. 2009 rechtskräftig abgeschlossen) Baubewilligungsverfahren die Parteistellung als Nachbar mangels Erhebung von Einwendungen verloren hat. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht ist daher der dem Erkenntnis VwGH 17.9.2014, Ra 2014/04/0025, zugrunde liegende Fall mit dem vorliegenden in seinen hier entscheidungswesentlichen Punkten durchaus vergleichbar, sodass die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfene Rechtsfrage in der hg. Judikatur bereits beantwortet ist.
16 Dem Revisionsvorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, dass ein Nachbar das Recht auf eine spätere Überprüfung der konsenskonformen Umsetzung des Bauvorhabens und daher ein Recht auf Akteneinsicht haben müsse, ist im Übrigen entgegenzuhalten, dass die Oö. Bauordnung 1994 einem Nachbarn keinen Rechtsanspruch auf Einleitung eines baubehördlichen Auftragsverfahrens (bzw. Aufrechterhaltung eines baupolizeilichen Auftrages) oder auf Beseitigung eines konsenslosen Baues einräumt (vgl. dazu etwa Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht7, § 49 Oö. BauO 1994 Rz 11, mwH auf die hg. Judikatur), sodass auch in dieser Hinsicht die Zuerkennung eines Rechtes auf Akteneinsicht nicht als geboten erscheint.
17 Wenn die Revision das Erkenntnis VwGH 30.1.2014, 2012/05/0011, ins Treffen führt, so ist daraus für ihren Standpunkt bereits deshalb nichts zu gewinnen, weil dieses Erkenntnis einen anders gelagerten Fall betrifft. Der Verwaltungsgerichtshof hielt in dieser Entscheidung fest, dass für die Gestattung der Akteneinsicht hinsichtlich eines bereits abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens gemäß § 17 AVG Voraussetzung ist, dass der die Akteneinsicht begehrenden Person im betreffenden abgeschlossenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zugekommen ist oder - im Falle einer übergangenen Partei - wäre (vgl. Punkt 3.1. in diesem Erkenntnis). Ausdrücklich wies der Verwaltungsgerichtshof darin - fallbezogen - darauf hin, dass die im angefochtenen Bescheid getroffenen Ausführungen, wonach die Rechtsvorgänger der Akteneinsichtswerber im diesbezüglichen (abgeschlossenen) Baubewilligungsverfahren Parteistellung gehabt hätten, von der beschwerdeführenden Gemeinde nicht in Abrede gestellt worden seien, weshalb die belangte Behörde zutreffend angenommen habe, dass den Akteneinsichtswerbern (als Rechtsnachfolgern) das Recht auf Akteneinsicht im Sinne des § 17 AVG gewährt werden müsse (vgl. Punkt 3.3.1. in diesem Erkenntnis). Wenn in diesem Erkenntnis unter Bezugnahme auf das Erkenntnis VwGH 19.11.1998, 98/06/0058, und das zuvor erwähnte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates darauf hingewiesen wird, dass der Verwaltungsgerichtshof vielfach auch im Falle präkludierter oder übergangener Parteien ein Recht auf Akteneinsicht angenommen habe, so beziehen sich diese Ausführungen auf die dem zitierten Erkenntnis VwGH 19.11.1998, 98/06/0058, zugrunde liegende Konstellation, dass ein Nachbar, der seine Parteistellung (fallbezogen in diesem Erkenntnis: nach § 27 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz 1995) verloren hat, diese Parteistellung unter bestimmten Voraussetzungen (fallbezogen in diesem Erkenntnis: nach § 27 Abs. 2 Steiermärkisches Baugesetz 1995) wiedererlangen kann. So ist einem Nachbarn, der die Wiedererlangung der Parteistellung anstrebt, die Akteneinsicht schon zu gewähren, bevor er Einwendungen erhebt, damit er beurteilen kann, ob er solche überhaupt erheben will, und diese gegebenenfalls auch näher ausführen kann. Daraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass eine Person, die ihre Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren mangels Erhebung von Einwendungen verloren und auch nicht durch nachträgliche Erhebung einer Einwendung im Wege der "Quasi-Wiedereinsetzung" (im Sinne des § 42 Abs. 3 AVG, vgl. dazu etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 293 f) vor Abschluss des Bauverfahrens angestrebt und wiedererlangt hat (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 15.9.2005, 2004/07/0135, mwN), ein Recht auf Einsicht in die dieses rechtskräftig abgeschlossene Verfahren betreffenden Akten hat.
18 Auch im erwähnten hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates wird auf das Erkenntnis VwGH 19.11.1998, 98/06/0058, und darauf hingewiesen, dass präkludierten Parteien bereits vor der Erhebung von Einwendungen, die die Wiedererlangung der Parteistellung bewirken, das Recht auf Einsicht in die Akten des diesbezüglichen Verwaltungsverfahrens zusteht. Im Übrigen bezieht sich dieses Erkenntnis eines verstärkten Senates auf einen Fall, in dem es nicht strittig war, dass der Akteneinsichtswerber Parteistellung im Verfahren betreffend die Gewährung von Einsicht in die Akten eines näher genannten Verwaltungsverfahrens hatte und diese nicht verloren hat, sodass es in dieser Hinsicht für den vorliegenden Revisionsfall nicht einschlägig ist.
19 Im weiteren von der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis VwGH 15.9.2005, 2004/07/0135, wird ebenso unter Bezugnahme auf die Möglichkeit der "Quasi-Wiedereinsetzung" im Sinne des § 42 Abs. 3 AVG ausgeführt, dass ein Betroffener, auch wenn er (noch) nicht Partei ist, bereits vor Erhebung nachträglicher Einwendungen bestimmte Parteienrechte, wie z.B. das Recht auf Akteneinsicht, habe, weshalb auch daraus für die Revision nichts zu gewinnen ist.
20 Da die aufgeworfene Rechtsfrage, wie dargestellt, bereits geklärt ist und in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht behauptet wird, dass der Revisionswerber im hier gegenständlichen Baubewilligungsverfahren die Parteistellung nach deren Verlust wiedererlangt habe, war die Revision - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 24. April 2018
Schlagworte
Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungBaurecht NachbarIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050032.L00Im RIS seit
07.06.2018Zuletzt aktualisiert am
04.07.2018